Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.02.2000, Az. 4 StR 616/99

4. Strafsenat | REWIS RS 2000, 3185

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[X.] DES VOLKESUrteil4 [X.]vom10. Februar 2000in der Strafsachegegenwegen schwerer räuberischer [X.] des [X.] hat in der Sitzung vom 10. Februar 2000,an der teilgenommen haben:Vorsitzender [X.] am [X.]. [X.],die [X.] am [X.],[X.],[X.],die [X.]in am [X.]als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt als Verteidiger,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. August 1999 wird verworfen.Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittelszu tragen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer [X.] zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt.Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiel-len Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] hatkeinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der [X.] nur die Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO), mit der die Revision gel-tend macht, das [X.] hätte, da die Verlobte des Angeklagten, S. ,in der Hauptverhandlung gemäß § 52 StPO das Zeugnis verweigert hatte, de-ren "ausführliche Einlassung" in das Verfahren einführen müssen, die sie in derKanzlei des Verteidigers des Angeklagten gegenüber dem Verteidiger unddessen Ehefrau abgegeben habe ("Protokoll vom 04.06.1999 in Sachen B. ").1. Dieser Verfahrensrüge liegt folgendes zugrunde:a) Nach den Feststellungen fand der Angeklagte an dem Plan [X.] Jahre alten Verlobten S. , eine Spielhalle zu überfallen, [X.], wollte den Überfall "aber nicht persönlich ausführen, weil er unter- 4 -Bewährung stand." Am 12. April 1999 gelang es dem Angeklagten und S. ,deren 15 Jahre alten Halbbruder Sch. und dessen 14 Jahre alten Freund [X.]für ihr Vorhaben zu gewinnen. Nachdem sie festgestellt hatten, daßsich in der [X.] nur die Kassiererin aufhielt, entfernten sich der Ange-klagte und S. und gingen zu [X.], in dem sie sich mit Sch. und [X.]zur Aufteilung der Beute treffen wollten. Sch. und [X.]stürmten - wie zuvor abgesprochen - maskiert und mit gezücktenMessern in die Spielhalle und zwangen die Kassiererin, ihnen das vorhandeneBargeld (1.666 DM) zu übergeben.b) Am 25. Mai 1999 wurde gegen den Angeklagten, S. , Sch. und [X.]Anklage zum Amtsgericht - Jugendschöffengericht - erhoben.Nach dem Vorbringen der Revision suchte S. , die am 5. und 6. Mai 1999polizeilich als Beschuldigte vernommen worden war, am 4. Juni 1999 den [X.] des Angeklagten auf, der über deren den Angeklagten entlastendenAngaben eine Niederschrift fertigte. In dem [X.] am [X.], zu dem der Angeklagte aus der Untersuchungshaft vorgeführt [X.], wurde eine - nicht beglaubigte - Abschrift des "Protokolls vom 04.06.1999in Sachen B. " als Anlage zu dem [X.] genommen ([X.] ff. d.A.). Der Eingang dieses Schriftstücks [X.] eigene Veranlassung erscheint heute in der o.g. Sache [X.], Frau S. , in meiner Kanzlei. Bei der [X.] waren zugegen der Unterzeichner, Frau Ass. Br. sowie die Mitbeschuldigte S. .Die Beschuldigte S. wurde eingehend darüber belehrt, daß [X.] Beschuldigte in einem Strafverfahren keine Aussage machenmüsse. Sie wurde auch darauf hingewiesen, daß sie sich, [X.] Aussagen macht, die darauf hinzielen, den Beschuldigten B. wahrheitswidrig zu entlasten, der Gefahr einer versuchten [X.] vorausgeschickt erklärte die Beschuldigte, sie möchte hiergegenüber dem Unterzeichner als Verteidiger von [X.] Angaben machen:" ... S. , Sch. und [X.]wurden vom [X.] am 9. Juli 1999 [X.]eils zu einer zur [X.] ausgesetzten Jugendstrafe verurteilt. Das Verfahren gegen den Ange-klagten wurde abgetrennt und die Sache gemäß § 270 StPO an das [X.] verwiesen.In der Hauptverhandlung vor dem [X.] hat sich der [X.] eingelassen, er habe "von dem [X.] nur am Rande etwas mitbekom-men, habe sich aber dagegen ausgesprochen und sich an der Tat selbst nichtbeteiligt." Das [X.] hat seine Überzeugung von der Beteiligung des [X.] an dem Überfall auf die Bekundungen von Sch. und [X.]gestützt.c) Die Revision macht geltend, das Verwertungsverbot nach § 252 StGBerstrecke sich nur auf die Aussagen von S. bei den polizeilichen Verneh-mungen und in der Hauptverhandlung vor dem Jugendschöffengericht, nichtaber auf deren den Angeklagten entlastenden Angaben, die sie am [X.] gegenüber dem Verteidiger des Angeklagten und damit "bei einer [X.]n Gelegenheit als bei einer früheren Vernehmung" gemacht habe. Dem[X.] habe sich deshalb "die Verwendung dieses Beweismittels" auf-drängen müssen.2. Die (noch zulässig erhobene) Verfahrensrüge dringt nicht durch.Das [X.] hat zu Recht davon abgesehen, die von dem [X.] des Angeklagten in dem "Protokoll" vom 4. Juni 1999 niedergelegte [X.] von S. in die Hauptverhandlung einzuführen. Die [X.] -über diese Aussage ist unzulässig (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO), weil aus [X.] des § 252 StPO folgt, daß eine Verwertung dieser [X.] ist.a) Die Vorschrift des § 252 StPO enthält nach ständiger [X.] [X.] nicht nur ein [X.], sondern - über [X.] hinaus - auch ein Verwertungsverbot. Dieses schließt auch jede [X.] Verwertung der bei einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten [X.] aus; insbesondere ist die Vernehmung von [X.] nicht gestattet([X.]St 2, 99, 102; 36, 384, 387; 42, 391, 397; vgl. [X.]/[X.] 44. Aufl. § 252 [X.]. 12 f.; [X.] in Löwe/[X.] StPO 24. Aufl.§ 252 [X.]. 3, [X.]. [X.]). Damit sind die Ergebnisse einer früheren Verneh-mung des nunmehr die Aussage befugt nach § 52 StPO verweigernden Zeugenunverwertbar, wobei es unerheblich ist, ob er damals als Zeuge oder als Be-schuldigter vernommen wurde ([X.]St 20, 384; [X.]/[X.]aaO § 252 [X.]. 11 m.w.N.); im letzteren Fall dürfte im übrigen nicht einmal dervernehmende [X.] als Zeuge gehört werden ([X.]St 42, 391, 398 m.w.[X.]) Allerdings betrifft § 252 StPO nur vorangegangene a m t l i c h eVernehmungen; denn zum Begriff der Vernehmung gehört es, daß der Ver-nehmende dem Beschuldigten oder Zeugen in amtlicher Funktion gegenüber-tritt (vgl. [X.]St 40, 211, 213). Die in die Form einer Vernehmung gekleideteAnhörung durch den Verteidiger fällt nicht hierunter. Zwar ist es dem [X.] nicht verwehrt, eigene Ermittlungen zu führen, insbesondere Zeugen oderMitbeschuldigte vor und außerhalb der Hauptverhandlung zu befragen ([X.] 1981, 115, 116; [X.], Handbuch des Strafverteidigers, 5. Aufl.[X.]. 166 f.; [X.] in [X.]. vor § 137 [X.]. 3, [X.]eils m.N.). [X.], Zeugen oder Beschuldigte [X.] zu vernehmen (vgl. §§ 161 [X.] -163 a, 168, 168 a bis [X.]), gibt ihm das Gesetz, auch soweit es in ver-schiedenen Bestimmungen Nachforschungen des Verteidigers zuläßt (vgl. etwa§§ 246 Abs. 2, 364 b Abs. 1 Nr. 1 StPO), aber gerade nicht.Auch wenn der Verteidiger bei der Befragung von Zeugen oder Beschul-digten keine a m t l i c h e Funktion wahrnimmt, muß ein Verwertungsverbotentsprechend dem Rechtsgedanken des § 252 StPO für eine vor dem verfah-rensbeteiligten Verteidiger des Angeklagten gemachte Aussage [X.], wenn sie zur Verwendung durch den Verteidiger des Angeklagten indem gegen diesen und - wie hier - zu diesem Zeitpunkt auch gegen den [X.] gerichteten Verfahren bestimmt war. Wenn § 252 StPO es schon [X.], eine unter den Strafdrohungen der §§ 145 d und 164 StGB vor der Polizeioder der Staatsanwaltschaft gemachte Aussage als Zeuge oder eine sogar vordem [X.] als Beschuldigter abgegebene Einlassung nach anschließenderberechtigter Zeugnisverweigerung zu verwerten, muß dies erst recht der [X.] einer Aussage bei einer anwaltlichen "Beschuldigtenvernehmung" ent-gegen stehen (vgl. [X.]St 20, 384, 385 a.E.; 29, 230, 232), zumal der [X.] bei einer solchen Anhörung einseitig die Interessen des Beschuldigtenwahrzunehmen hat (vgl. [X.] NStZ-RR 1998, 336; Klein-knecht/[X.] aaO vor § 137 [X.]. 1 a. E.), während die [X.] nach § 160 Abs. 2 StPO sowohl die belastenden als auch dieentlastenden Umstände zu ermitteln haben.Wäre dies anders, würde es darüber hinaus - wie der Generalbun-desanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - "die Möglichkeiteröffnen, daß wesentliche Teile der Verhandlungsführung dem Verantwor-tungsbereich des Vorsitzenden und des Gerichts entzogen und in die [X.] -anderen Verfahrensbeteiligten gelegt würden, der es dann seinerseits in [X.] hätte, zunächst eine Zeugenaussage zu 'protokollieren' und den [X.] auf sein Zeugnisverweigerungsrecht hinzuweisen, von dem dieser dannin der Hauptverhandlung Gebrauch [X.]) Allerdings werden frühere Äußerungen eines Zeugen außerhalb einerVernehmung von § 252 StPO nicht erfaßt, wie auch [X.] später ausgeübten Zeugnisverweigerungsrechts verwertbar bleiben([X.]St 36, 384, 387, 389; BayObLG StV 1983, 452; [X.] in KK-StPO4. Aufl. [X.]. 20 und [X.]/[X.] aaO [X.]. 8, 9, [X.]eils zu§ 252). Hier war die Aussage der Zeugin aber gezielt für das Strafverfahrenherbeigeführt worden; es handelte sich somit gerade nicht um derartige Anga-ben, die "aus freien Stücken" erfolgen (vgl. [X.]St 29, 230, 232; 36, 384, 389;[X.] NStZ 1992, 247) und nicht im Bewußtsein ihrer späteren Verwendungs-möglichkeit im Verfahren abgegeben werden.d) Selbst wenn - was der Beschwerdeführer nicht behauptet hat - [X.] mit der Verwertung ihrer dem Verteidiger gegenüber gemachten Anga-ben trotz Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts einverstanden gewesenwäre, hätten die Angaben nicht verwertet werden dürfen. Aus der Entscheidungdes [X.] vom 23. September 1999 (4 [X.] = [X.], 17, zur [X.] in der amtlichen Sammlung bestimmt) ergibt sich nichts anderes.Soweit der Senat nämlich dort die Verwertung von früheren Aussagen einesZeugen gestattet hat, der im übrigen von seinem [X.] macht, kann sich dies nur auf nach gesetzlicher Vorschrift ord-nungsgemäß zustandegekommene polizeiliche oder staatsanwaltschaftlicheVernehmungen oder - wie in dem entschiedenen Fall - auf nach amtlicher An-ordnung durchgeführte Sachverständigenuntersuchungen beziehen. Im übrigengelten insoweit die unter b) dargelegten Bedenken hier in gleicher Weise: [X.] des Zeugen oder früheren Beschuldigten in der Hauptverhand-lung darf nicht durch die Verwertung einer unter keinerlei formellen Vorschrif-ten stehenden "Verteidigervernehmung" ersetzt werden.e) Der Ausschluß der Verwertbarkeit erstreckt sich auch auf die zu derAnhörung hinzugezogenen Personen (vgl. auch [X.]St 13, 394, 396; [X.]NStZ 1993, 294, 295). Deshalb war das [X.] hier auch gehindert, [X.] des Verteidigers als Zeugin zu vernehmen.[X.] Maatz Kuckein -Nachschlagewerk: ja[X.]St: jaVeröffentlichung: ja§§ 52, 252 StPOMacht der Zeuge in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungs-recht Gebrauch, dürfen Angaben, die er zuvor bei einer "Vernehmung" durchden Verteidiger gemacht hat, nicht verwertet werden.[X.], Urteil vom 10. Februar 2000 - 4 [X.] - [X.]

Meta

4 StR 616/99

10.02.2000

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.02.2000, Az. 4 StR 616/99 (REWIS RS 2000, 3185)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 3185

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