Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.04.2020, Az. B 13 R 85/19 B

13. Senat | REWIS RS 2020, 2551

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Sachaufklärungsrüge - Beweisantrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG - Beweisangebot)


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 11. Februar 2019 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit hat das [X.] mit Urteil vom [X.] einen Anspruch des [X.] auf Rente wegen Erwerbsminderung über den 31.12.2015 hinaus abgelehnt.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim [X.] eingelegt. Er beruft sich ausschließlich auf Verfahrensmängel ([X.] nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]). Zugleich hat der Kläger zur Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ([X.]) unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten beantragt.

3

II. 1. Der Antrag des [X.] auf Gewährung von [X.] zur Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des [X.] vom [X.] ist abzulehnen.

4

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm §§ 114, 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem [X.] ua nur dann [X.] bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die vom Kläger eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] nicht erfolgreich sein kann. Der Kläger hat [X.] für eine von einem beim [X.] zugelassenen Prozessbevollmächtigten bereits eingelegte und bis zum Ablauf der Begründungsfrist am [X.] bereits begründete Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt. Die Revision wäre daher nur zuzulassen, wenn mit dieser Beschwerde einer der in § 160 Abs 2 [X.] bis 3 [X.] genannten Zulassungsgründe in der gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] vorgeschriebenen Form dargelegt wäre. Solche Erfolgsaussicht besteht hier nicht, weil die Beschwerde unzulässig ist (dazu unten 2.).

5

Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von [X.] entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der [X.] (§ 73a Abs 1 [X.] iVm § 121 Abs 1 ZPO).

6

2. Die unabhängig vom Antrag auf Bewilligung von [X.] eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 [X.] durch Beschluss ohne Zuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] keinen [X.] hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

7

In seiner Beschwerdebegründung vom [X.] macht der Kläger ausschließlich Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) geltend, die darin zu sehen seien, dass auf den Sachverständigen Prof. Dr. Sch. durch Übersendung älterer Gutachten sowie berufskundlicher Stellungnahmen seitens des Gerichts und mittelbar durch die Beklagte unzulässig Einfluss genommen worden sei. Zudem habe das [X.] ein weiteres Gutachten einholen und Fragen zur Wegefähigkeit des [X.] nachgehen müssen. Schließlich fehle dem Gutachten Prof. Dr. Sch. jegliche Aussage zu den Auswirkungen der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch den Kläger auf dessen Lebenserwartung.

8

Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB [X.] Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - [X.]E 2, 81 - juris Rd[X.] 4; [X.] Urteil vom 24.10.1961 - 6 [X.] 19/60 - [X.]E 15, 169 = [X.] [X.] zu § 52 [X.] - juris Rd[X.] 29). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zugrunde zu legen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des [X.] ([X.] Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - [X.] zu § 162 [X.]; [X.] Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - [X.] 1500 § 160 [X.]3; [X.] Beschluss vom 16.11.2000 - [X.] RA 122/99 B - [X.] 3-1500 § 160 [X.]3 - juris Rd[X.] 23). Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.] kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.] und auf eine Verletzung des § 103 [X.] nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des [X.] möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB [X.] Beschluss vom 16.11.2000 - [X.] RA 122/99 B - [X.] 3-1500 § 160 [X.]3 - juris Rd[X.]6 mwN; [X.] Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.]0 Rd[X.]6 mwN). Daran fehlt es.

9

Einen Verfahrensmangel meint der Kläger zunächst darin zu erkennen, dass das [X.] dem Sachverständigen Prof. Dr. Sch. für die Begutachtung die in erster Instanz eingeholten Gutachten und medizinischen Äußerungen sowie aus anderen Verfahren beigezogene berufskundliche Stellungnahmen ua von Frau [X.] übersandt und den Sachverständigen aufgefordert habe, sich mit den [X.] kritisch auseinanderzusetzen bzw die Stellungnahmen für die Begutachtung zu verwenden. Insofern bleibt jedoch schon unklar, welche Verfahrensnorm konkret der Kläger durch dieses Vorgehen des [X.] verletzt sieht. Zu Recht verweist er auf § 118 Abs 1 [X.] iVm § 404a ZPO, wonach das Gericht die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten hat und ihm für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen erteilen kann. Es hat dem Sachverständigen die Tatsachenfeststellungen vorzugeben und schriftliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Das Gutachten muss unter Beachtung des Inhalts der Akten erstellt werden. Dass dies, wie unter Bezug auf [X.] (in [X.], ZPO, 31. Aufl 2016, § 404a Rd[X.] 4) behauptet, für Krankenunterlagen nur eingeschränkt gelten soll, ist der aktuellen Kommentierung nicht mehr zu entnehmen. Danach wird ausdrücklich betont, dass das Gericht im Rahmen der Tatsachenfeststellung nach § 404a Abs 3 ZPO auch die Vorlage von Krankenunterlagen anordnen könne und in [X.] dem Sachverständigen die nach § 144 ZPO beigezogenen Krankenunterlagen zur Verfügung zu stellen habe ([X.] in [X.], ZPO, 33. Aufl 2020, § 404a ZPO Rd[X.] f mwN). Zugleich dürfe der Sachverständige Befundtatsachen, dh solche, die nicht den äußeren Sachverhalt, sondern die Anwendung seiner Sachkunde auf diesen betreffen, soweit dies vom Gutachtensauftrag umfasst ist, selbst ermitteln, also zB vorbehandelnde Ärzte befragen oder Krankenunterlagen einsehen ([X.] in [X.], ZPO, 33. Aufl 2020, § 404a ZPO Rd[X.] 7 mit Hinweis auf [X.] Beschluss vom 17.8.2011 - [X.] 128/11 - NJW-RR 2011, 1459 - juris Rd[X.]8). Dementsprechend ist in der Sozialgerichtsbarkeit anerkannt, dass ein Beteiligter nicht mit dem Vortrag, ein Sachverständiger schreibe vom anderen ab, verlangen kann, dass dem Sachverständigen die [X.] nicht zur Verfügung gestellt werden. Auch datenschutzrechtliche Hindernisse stehen einer Zuleitung der vollständigen Akten an den Sachverständigen nicht entgegen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 118 Rd[X.]1e mwN). Vor diesem Hintergrund hätte es in der Beschwerdebegründung eingehender und in sich schlüssiger Darlegungen dazu bedurft, warum die verfahrensrechtlich grundsätzlich gebotene Zuleitung der genannten Unterlagen vorliegend ausnahmsweise verfahrensfehlerhaft gewesen sei. Allein die Behauptung, der Sachverständige habe die [X.] auch ohne diese Unterlagen beantworten können, genügt schon deshalb nicht, weil die [X.] mit der Beschwerdebegründung nicht mitgeteilt werden. Entgegen den oben dargestellten Anforderungen ist das Beschwerdegericht bereits hierdurch nicht in der Lage, allein aufgrund der Begründung darüber zu befinden, ob der vermeintliche Verfahrensmangel vorliegen könnte.

Ein Verfahrensmangel wird ebenfalls nicht formgerecht bezeichnet, soweit der Kläger aufgrund der vom [X.] an den Sachverständigen übersandten Unterlagen eine unzulässige Einflussnahme sieht und Bedenken im Hinblick auf eine "objektive und unabhängige Begutachtung" äußert, womit er Misstrauen gegenüber der Unparteilichkeit des Sachverständigen zum Ausdruck bringt. Nach § 118 Abs 1 [X.] iVm § 406 Abs 1 und 2 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines [X.]s berechtigen, abgelehnt werden. Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder [X.], von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Vor diesem Hintergrund hätte in der Beschwerdebegründung ausgeführt werden müssen, dass der Kläger an einer Ablehnung des Sachverständigen noch während des Berufungsverfahrens gehindert gewesen sei oder das [X.] einen Ablehnungsantrag zu Unrecht übergangen bzw aus willkürlichen oder manipulativen Erwägungen zurückgewiesen habe (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - B 9 V 14/19 B - juris Rd[X.]0). Dies wird jedoch nicht vorgetragen.

Den Anforderungen an die Rüge eines Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 [X.]) genügt die Beschwerdebegründung schon deshalb nicht, weil der Kläger entgegen § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.] keinen Beweisantrag benennt, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei. Ein solcher Antrag muss grundsätzlich in prozessordnungsgerechter Weise formuliert sein, sich regelmäßig auf ein Beweismittel der ZPO beziehen, das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit wenigstens umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll ([X.] Beschluss vom 15.8.2018 - B 13 R 387/16 B - juris Rd[X.] 6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 160 Rd[X.]8a mwN). Ein bloßes Beweisangebot, wie es in der Beschwerdebegründung genannt wird, genügt diesen Anforderungen nicht.

Schließlich wird kein rügefähiger Verfahrensmangel benannt, wenn sich der Kläger darauf beruft, die vom [X.] dem Sachverständigen übersandten Unterlagen zu bestimmten Berufsbildern seien nicht mehr aktuell und zum Großteil bereits unzutreffend. Dies gilt auch für den Hinweis, das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Sch. enthalte keine Aussage zu den Auswirkungen der Aufnahme einer täglichen Arbeit von 6 Stunden auf den Gesundheitszustand und die Lebenserwartung des [X.]. Beide Aspekte unterliegen der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.] kann der geltend gemachte Verfahrensmangel aber nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 [X.] gestützt werden.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]).

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.].

Meta

B 13 R 85/19 B

21.04.2020

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Dresden, 27. Juli 2017, Az: S 33 R 686/16, Gerichtsbescheid

§ 103 SGG, § 118 Abs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 144 ZPO, § 404a ZPO, § 406 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.04.2020, Az. B 13 R 85/19 B (REWIS RS 2020, 2551)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2551

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