Bundessozialgericht, Urteil vom 20.09.2012, Az. B 8 SO 4/11 R

8. Senat | REWIS RS 2012, 3026

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Sozialhilfe - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Anmietung einer möblierten Wohnung - keine abweichende Festlegung des Regelbedarfs unter Abzug einer Möblierungspauschale - sozialgerichtliches Verfahren - Streitgegenstand - Zulässigkeit eines Teilvergleichs über Berechnungselemente - Rechtsschutzbedürfnis für Leistungsklage auch bei Klage gegen Aufhebung nach § 48 SGB 10 - effektiver Rechtsschutz)


Leitsatz

Die Übernahme einer Inklusivmiete für möbliertes Wohnen durch den Sozialhilfeträger rechtfertigt keine abweichende Festlegung des Regelsatzes unter Abzug einer Möblierungspauschale.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 3. Dezember 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt wird, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis 31. Dezember 2007 weitere 27,76 Euro monatlich zu zahlen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist (nach Abschluss eines Teilvergleichs nur noch) eine um 27,76 [X.] monatlich höhere Regelsatzleistung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem [X.] - ([X.]) für die [X.] vom 1.10.2007 bis zum 31.12.2009.

2

Der 1949 geborene Kläger ist einkommens- und vermögenslos und bezieht seit Jahren Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Seit dem 1.10.2007 bewohnt er [X.] in P Mit dem Vermieter wurde im "Nutzungsvertrag" eine Inklusivmiete von 245,19 [X.] vereinbart. Sie umfasst neben der Überlassung des Zimmers auch die Nutzung von Gemeinschaftsräumen sowie sämtliche Nebenkosten. Der Beklagte bewilligte für die [X.] ab Oktober 2007 Grundsicherungsleistungen; den individuellen Bedarf legte er dabei abweichend vom Regelsatz in Höhe von 347 [X.] ua unter Abzug einer Möblierungspauschale in Höhe von 27,76 [X.] fest, weil als Kosten der Unterkunft (schon) die Höhe der Inklusivmiete von monatlich 245,19 [X.] gewährt wurde (Bescheide vom 11.12.2007, 14.12.2007, [X.], 8.2.2008 und 24.4.2008; Widerspruchsbescheid vom 13.6.2008; Änderungsbescheid vom 14.1.2009).

3

Das [X.] ([X.]) hat den Beklagten verurteilt, "dem Kläger monatlich Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von 704,78 [X.] im [X.]raum 1.10.2007 bis 31.12.2007, in Höhe von 706,70 [X.] im [X.]raum 1.1.2008 bis 30.06.2008, in Höhe von 712,76 [X.] im [X.]raum [X.] bis 31.12.2008, in Höhe von 718,08 [X.] im [X.]raum 1.1.2009 bis [X.], in Höhe von 717,72 [X.] im [X.]raum 1.3.2009 bis 30.6.2009 und in Höhe von 720,53 [X.] im [X.]raum [X.] bis 31.12.2009 zu zahlen". Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der nach § 28 Abs 1 Satz 2 1. Alt [X.] vom Regelsatz vorgenommene Abzug einer Möblierungspauschale sei unzulässig. Diese Regelung solle [X.] im Rahmen der Sozialhilfe verhindern. Ihre Anwendung setze voraus, dass der Bedarf des Leistungsempfängers durch andere Sozialhilfeleistungen ganz oder teilweise gedeckt sei. Gemeint seien dabei andere Leistungen als die der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, etwa nach dem 5. bis 9. Kapitel des [X.], die der Kläger jedoch nicht erhalte. Auch eine Berücksichtigung der in den Kosten der Unterkunft enthaltenen Möblierungspauschale als Einkommen scheide aus. Hierdurch werde der Kläger gegenüber unmöbliert wohnenden Leistungsempfängern nicht privilegiert.

4

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 28 Abs 1 Satz 2 [X.]. Danach seien die Bedarfe abweichend vom [X.] festzulegen, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise durch andere Sozialhilfeleistungen gedeckt sei. Dies bedeute aber nicht, dass es sich um Sozialhilfeleistungen handeln müsse, die nach anderen Kapiteln des [X.] gewährt würden. Der Abzug einer im Regelsatz enthaltenen Möblierungspauschale sei vorzunehmen, weil in dem vom Kläger zu zahlenden und von dem Beklagten vollständig übernommenen Nutzungsentgelt bereits ein Anteil für die Nutzung der Möbel enthalten sei. Der Kläger benötige keine eigenen Möbel und müsse auch keine Beträge für die Wiederbeschaffung oder den Erhalt der Möbel ansparen.

5

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] Dresden aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält die Entscheidung des [X.] für zutreffend.

8

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten einen Teilvergleich geschlossen und darin den Streitgegenstand zeitlich auf den 1.10.2007 bis 31.12.2007 sowie inhaltlich auf die Regelsatzleistung beschränkt. Daneben haben sie sich darüber geeinigt, dass der Kläger im streitbefangenen [X.]raum dauerhaft erwerbsunfähig war und vom dem Kläger zustehenden Regelbedarf in Höhe von 347 [X.] 6,53 [X.] als Warmwasserpauschale und 15,22 [X.] als Stromkostenpauschale abzuziehen sind.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Sprungrevision ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>).

Die Sprungrevision ist zulässig, sie ist insbesondere formgerecht erhoben. Zwar hat der Beklagte als Revisionskläger in seiner fristgerechten Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 Satz 3 [X.]G keinen förmlichen und oder genau formulierten Antrag gestellt; dem Antragserfordernis wird aber ausreichend Rechnung getragen, wenn das mit der Revision erstrebte prozessuale Ziel aus dem Inhalt rechtzeitig eingereichter Schriftsätze erkennbar ist ([X.] 1500 § 164 [X.] und [X.]; [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, [X.]). Der Beklagte hat mit hinreichender Deutlichkeit in der Revisionsbegründung dargetan, dass er die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt. Er widerspricht nämlich in seiner Revisionsbegründung dem Ergebnis und der Begründung des Urteils des [X.]; er ist der Auffassung, dass der Regelsatz um eine Möblierungspauschale zu kürzen sei.

Gegenstand des Verfahrens ist nach Abschluss des [X.] allein noch die Höhe der Regelsatzleistung für die [X.] von Oktober bis Dezember 2007, soweit sie im Änderungsbescheid vom [X.] um die Möblierungspauschale in Höhe von 27,76 Euro vermindert wurde. Der Änderungsbescheid vom [X.] ist dabei nach § 96 [X.]G Gegenstand des Verfahrens geworden und hat alle zuvor ergangenen Bescheide, soweit der streitbefangene [X.]raum betroffen ist, ersetzt (vgl § 39 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz <[X.]B X>).

Die Beteiligten durften den Streitgegenstand - wie geschehen - durch [X.] beschränken; ein solcher Vergleich ist möglich und zulässig. Soweit es die zeitliche und inhaltliche Beschränkung auf den Regelsatz betrifft, ist der Abschluss eines [X.] nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (B[X.]) schon deshalb möglich, weil in zeitlicher Hinsicht lediglich eine Begrenzung erfolgt, die auch im Rahmen einer Bewilligung zulässigerweise vorgenommen werden könnte (B[X.], Urteil vom 12.7.2012 - B 14 AS 153/11 R - Rd[X.] 11; B[X.], Urteil vom [X.] - B 14 AS 32/07 R - Rd[X.] 16) und es sich bei der Beschränkung auf den Regelsatz um einen rechtlich abtrennbaren Streitgegenstand handelt (B[X.]E 103, 181 ff Rd[X.] 13 = [X.]-3500 § 42 [X.] 2; zum Recht des [X.] - <[X.]B II>: B[X.]E 97, 217 ff Rd[X.] 18 ff = [X.]-4200 § 22 [X.] 1; B[X.]E 104, 41 ff Rd[X.] 13 = [X.]-4200 § 22 [X.] 23, und B[X.], Urteil vom [X.] - B 4 [X.]/08 R - Rd[X.] 10). Der Bescheid vom [X.] enthält insoweit auch abtrennbare Verfügungssätze.

Soweit in einem [X.] einzelne [X.] - wie hier - konkret bezeichnet und beziffert werden, gilt nichts anderes ([X.] 4-3500 § 90 [X.] 1 Rd[X.] 14; B[X.]E 97, 217 ff Rd[X.] 22 = [X.]-4200 § 22 [X.] 1; B[X.], Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 36/01 R - Rd[X.] 15). Während ein Teilanerkenntnis zu [X.] ausgeschlossen ist, weil nach § 101 Abs 2 [X.]G nur (Teil-)Ansprüche anerkannt werden können (B[X.]E 103, 153 ff Rd[X.] 12 = [X.]-4200 § 12 [X.] 13; B[X.]E 108, 241 ff Rd[X.] 22 = [X.]-3500 § 82 [X.] 8; B[X.], Urteil vom [X.] [X.] 1/10 R - Rd[X.] 12), trifft dies für einen [X.] nicht zu. Ein Rechtssatz, der einen Vergleich über [X.] ausschließen würde, existiert nicht (vgl § 54 Abs 1 [X.]B X). Dessen Zulässigkeit folgt nicht zuletzt daraus, dass nach der Rechtsprechung des B[X.] im Einzelfall auch eine Elementenfeststellungsklage erhoben werden kann, wenn sicher anzunehmen ist, dass durch sie der Streit der Beteiligten insgesamt bereinigt wird (B[X.]E 31, 235, 240 = [X.] [X.] 14 zu § 141 [X.]G Da 8, und B[X.]E 43, 134, 137 = [X.]100 § 34 [X.] 6 S 8; [X.] 3-2500 § 124 [X.] 9 S 58; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 10. Aufl 2012, § 55 Rd[X.] 9a). Insoweit besteht - ebenso wie beim [X.] (vgl Diering in Lehr- und Praxiskommentar [X.]B X, 3. Aufl 2011, § 54 Rd[X.] 11) über [X.] - nur eine Teilbindungswirkung. Anders als in der Entscheidung des 14. Senats des B[X.] vom 23.8.2011 - B 14 [X.]/10 R - ([X.]-4200 § 11 [X.] 43 Rd[X.] 16) haben die Beteiligten bei Abschluss des Vergleichs auch gegenseitig nachgegeben (vgl zur weiten Auslegung dieses Kriteriums: [X.] in von [X.], [X.]B X, 7. Aufl 2010, § 54 Rd[X.] 8; [X.] in [X.], [X.], 71. Aufl 2012, § 779 Rd[X.] 9 mwN), weil der Kläger einerseits die Kürzung des Regelsatzes um die Energie- und Warmwasserkostenpauschale billigt, andererseits die Kosten der Unterkunft aus dem Verfahren herausgebrochen und vom Beklagten in voller Höhe (Inklusivmiete) erbracht werden. Der [X.] ermöglicht vorliegend eine abschließende Entscheidung, weil sich die Beteiligten in allen Punkten - außer dem streitigen - geeinigt haben; weder wird der Rechtsschutz des Leistungsempfängers verkompliziert noch der Verwaltung zusätzliche Arbeit auferlegt (zum Ganzen [X.] in juris Praxiskommentar [X.]B XII, § 19 [X.]B XII Rd[X.] 76.3).

Der Senat weicht damit nicht von den vom 14. Senat des B[X.] im Urteil vom [X.] [X.]/11 R - dargelegten Grundsätzen ab. Diese Entscheidung betraf eine Teilvereinbarung, wonach die Bedarfsberechnung in den angefochtenen Bescheiden zutreffend erfolgt sei. Insoweit haben die Beteiligten keine Einigung über einzelne [X.] erzielt, sondern im Ergebnis nur erklärt, dass sie hinsichtlich der Berechnung des Bedarfs keine Einwände erhöben. Die Erklärung der Beteiligten, dass sie übereinstimmend von einem bestimmten Sachverhalt ausgehen, suspendiert die Amtsermittlungspflicht des Gerichts nicht (vgl § 103 Abs 2 [X.]G); sie entbindet allenfalls Behörden und Gerichte, Tatsachen zu ermitteln, für deren Bestehen weder das [X.] noch sonstige Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte liefern. Erklärungen der Beteiligten in einem "[X.]", dass die tatsächlichen Grundlagen des Rechtsstreits aus ihrer Sicht geklärt seien, beeinflussen also nur die Amtsermittlung des Gerichts. Wenn die Annahme naheliegt, dass weitere oder abweichende Tatsachen für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung sind, muss es nach § 103 [X.]G in eine weitere Ermittlung des tatsächlichen Streitstoffs einsteigen (B[X.]E 103, 153 ff Rd[X.] 13 = [X.]-4200 § 12 [X.] 13; B[X.]E 102, 258 ff Rd[X.] 10 = [X.]-4225 § 1 [X.] 1). Ein solcher "[X.]" entfaltet deshalb auch nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats keine Teilbindungswirkung.

Zulässige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 iVm § 56 [X.]G). Dies gilt auch dann, wenn die Leistung ab 1.10.2007 in Abänderung einer früheren Leistungsbewilligung um den Betrag der Möblierungspauschale verringert wurde, die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung sich also an § 48 Abs 1 [X.]B X misst. Zwar soll nach der Rechtsprechung des B[X.] für eine Klage auf Leistung in der Regel das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, soweit die ausgesprochene (abgeänderte) Bewilligung reicht, weil diese schon dann wiederhergestellt wird, wenn der abändernde Verwaltungsakt aufgehoben wird (B[X.]E 48, 33, 34 = [X.]100 § 44 [X.] 19 S 54; B[X.]E 49, 197 ff, 198 f = [X.]100 § 119 [X.] 11 S 45; [X.] 3-4100 § 138 [X.] 2 S 8; [X.] 4100 § 113 [X.] 9 S 52).

Diese Rechtsprechung verkennt aber die Reichweite des verfassungsrechtlich garantierten effektiven Rechtsschutzes aus Art 19 Abs 4 Satz 1 Grundgesetz (GG). Art 19 Abs 4 Satz 1 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (stRspr des [X.]; zB: [X.]E 96, 27, 39; 67, 43, 58; 51, 268, 284) und erschöpft sich nicht darin, demjenigen den Rechtsweg zu eröffnen, der geltend macht, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein; es garantiert auch wirksamen Rechtsschutz im Sinne einer im Tatsächlichen gewährleisteten gerichtlichen Kontrolle ([X.]E 84, 34, 49; 61, 82, 111; 51, 268, 284; 40, 272, 275; 35, 382, 401). Die Ausgestaltung des Rechtswegs und die Intensität der gerichtlichen Kontrolle müssen auch der Durchsetzung des materiellen Rechts wirkungsvoll dienen, für diesen Zweck also geeignet und angemessen sein ([X.]E 84, 34, 49; 60, 253, 269). Damit das materielle Recht umfassend und in angemessener [X.] auch tatsächlich verwirklicht (durchgesetzt) werden kann, muss eine richterliche Entscheidung nicht nur der Rechtskraft fähig, sondern (gleich bedeutsam) auch vollstreckbar sein ([X.] 3-1500 § 199 [X.] 1 S 5 f mwN). Diesem allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz liefe es zuwider, wenn die gerichtliche Entscheidung, sofern sie nicht schon - wie etwa Gestaltungsurteile nach der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 [X.]G) - ihre Wirkung mit der Rechtskraft aus sich selbst entfaltet, nicht erzwingbar wäre. Im Rahmen der Sozialgerichtsbarkeit ist eine Vollstreckung aus Verwaltungsakten gegen die öffentliche Hand nicht vorgesehen. Ohne eine Vollstreckungsmöglichkeit wäre die Rechtsschutzgarantie damit unvollständig (lückenhaft), weil die richterliche Entscheidung bloße Feststellung, dh folgenlos, bliebe oder ihre Umsetzung - hier eine Leistungsklage aus dem wiederauflebenden Bescheid - für den Berechtigten mit iS von Art 19 Abs 4 Satz 1 GG unzumutbarem Aufwand verbunden sein könnte (B[X.] aaO; B[X.]E 50, 82, 83 = [X.] 1500 § 54 [X.] 40 S 23).

Es bedarf allerdings keiner abschließenden Entscheidung, wie die Rechtsprechung des B[X.] zum Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage in diesen Fällen zu verstehen ist; jedenfalls vorliegend könnte der Kläger sein Ziel (höhere Leistungen) ohnedies nicht ohne Weiteres allein mit der Anfechtungsklage verwirklichen. Angesichts unzähliger Ausgangs- und Änderungsbescheide, eines Vergleichs in einem Eilverfahren und des [X.] in der mündlichen Verhandlung wäre bei einer bloßen Aufhebung des Bescheids vom [X.] die Bescheidlage so unübersichtlich, dass ein Streit über den dann maßgebenden Bescheid nicht auszuschließen wäre. Die Verurteilung zur Leistung ist jedenfalls in einem solchen Fall sachgerecht und erforderlich.

Mangels Anordnung einer Beteiligtenfähigkeit von Behörden (§ 70 [X.] 3 [X.]G) im [X.] (Gesetz über die Justiz im [X.] vom 24.11.2000, zuletzt geändert durch Gesetz vom 8.6.2012 - Gesetz- und Verordnungsblatt - 308, 318) richtet sich die Klage zu Recht gegen den Beklagten als Rechtsträger, der als Landkreis auch der für die Leistung örtlich (§ 10 des [X.] zur Ausführung des [X.] vom [X.] - GVBl 168 - zuletzt geändert durch Gesetz vom [X.]) und sachlich (§ 97 Abs 1, § 98 Abs 1 Satz 2 [X.]B XII, § 13 SächsAG[X.]B) zuständige Träger der Sozialhilfe ist. Sozial erfahrene Dritte waren gemäß § 21 SächsAG[X.]B vor Erlass des Widerspruchsbescheids nicht nach § 116 Abs 2 [X.]B XII zu beteiligen.

Ob die Rechtmäßigkeit des durch den angegriffenen Bescheid ersetzten Bescheids an § 48 Abs 1 [X.]B X oder ob bzw inwieweit der ersetzende Bescheid selbst an §§ 44 ff [X.]B X zu messen ist oder für die [X.] ab 1.10.2007 ein neuer Bewilligungsabschnitt begann und deshalb die Höhe des Regelsatzes als Neubewilligung allein unter Anwendung der Vorschriften des [X.]B XII zu prüfen ist, kann hier dahinstehen; denn sieht man von der nach dem [X.] nicht mehr in Streit stehenden Warmwasser- und Stromkostenpauschale ab, steht dem Kläger in jedem Fall der ungekürzte Regelsatz zu. Der Kläger hat einen Anspruch auf (höhere) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 19 Abs 2 [X.]B XII (in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - [X.]l I 3022) iVm § 41 [X.]B XII (in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - [X.]l I 2670 - erhalten hat). Danach werden Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen beschaffen können, auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des [X.]B XII gewährt, wenn sie das 65. Lebensjahr bzw die angehobene Altersgrenze vollendet haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert iS von § 43 Abs [X.] - ([X.]B VI) sind und bei ihnen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.

Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger vor. Er war im streitbefangenen [X.]raum dauerhaft voll erwerbsgemindert sowie einkommens- und vermögenslos. Für diesen [X.]raum steht ihm entgegen der Auffassung des Beklagten eine um 27,76 Euro höhere Regelsatzleistung (§ 28 Abs 2 Satz 1, § 40 [X.]B XII iVm § 3 Regelsatzverordnung in der Fassung vom 3.6.2004 - [X.]l I 1067) zu, weil die Regelsatzleistung bei der Leistungsbewilligung zu Unrecht um diesen Betrag als "Möblierungspauschale" gekürzt wurde.

Nach § 28 Abs 1 Satz 1 [X.]B XII (in der Fassung, die die Norm durch das [X.] erhalten hat), der über § 42 [X.]B XII (ebenfalls in der Fassung dieses Gesetzes) auch bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Anwendung findet (B[X.]E 99, 252 ff Rd[X.] 20 = [X.]-3500 § 28 [X.] 3), wird der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der [X.] nach den §§ 30 bis 34 [X.]B XII nach Regelsätzen erbracht. Die Bedarfe können aber gemäß § 28 Abs 1 Satz 2 [X.]B XII abweichend festgelegt werden, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist (1. Alt) oder unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (2. Alt).

Eine abweichende Festlegung des Regelsatzes wegen der Möblierungspauschale - hier nach § 28 Abs 1 Satz 2 1. Alt [X.]B XII - ist nicht vorzunehmen. Die Vorschrift soll verhindern, dass Träger der Sozialhilfe im Rahmen der Sozialhilfeleistungen gegenüber dem Leistungsempfänger Leistungen doppelt erbringen. Der Anwendungsbereich dieser Norm ist deshalb zur Vermeidung solcher Doppelleistungen nur dann eröffnet, wenn es bei der Gewährung von Sozialhilfeleistungen (vgl dazu grundlegend B[X.]E 102, 126 ff = [X.]-3500 § 54 [X.] 3) zu Überschneidungen mit den durch den Regelsatz nach § 28 Abs 1 Satz 1 [X.]B XII pauschal abgegoltenen tatsächlichen Bedarfen kommt. Einer solchen Überschneidung kann nicht im Rahmen der Einkommensberücksichtigung, sondern allein durch Minderung des Bedarfs nach § 28 Abs 1 Satz 2 [X.]B XII begegnet werden, soweit die Voraussetzungen dieser Vorschrift für eine Absenkung des Regelsatzes vorliegen (B[X.]E 106, 62 ff Rd[X.] 36 = [X.]-3500 § 82 [X.] 6; B[X.]E 99, 252 ff Rd[X.] 19 = [X.]-3500 § 28 [X.] 3).

Für eine Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 2 1. Alt [X.]B XII ist es zwar schon ausreichend, dass überhaupt eine Doppelzahlung aus Mitteln der Sozialhilfe erfolgt. Nicht erforderlich ist demgegenüber, dass unterschiedliche Sozialhilfeleistungen - etwa Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie Eingliederungshilfe - aufeinandertreffen. Lediglich Leistungen anderer Sozialleistungsträger schließen eine Anwendung des § 28 Abs 1 Satz 2 1. Alt [X.]B XII aus, weil diese anders als Sozialhilfeleistungen nicht bei der (vorrangig zu erfolgenden) Berücksichtigung als Einkommen nach § 82 Abs 1 [X.]B XII ausgeschlossen sind (vgl B[X.]E 106, 62 ff Rd[X.] 36 = [X.]-3500 § 82 [X.] 6).

Der Regelsatz kann aber nur in dem Umfang abgesenkt werden, in dem der Bedarf des Leistungsberechtigten durch eine anderweitige Leistung tatsächlich ("im Einzelfall") gedeckt wird (B[X.]E 99, 252 ff Rd[X.] 23 = [X.]-3500 § 28 [X.] 3). Nur hypothetisch anfallende Bedarfe rechtfertigen hingegen keine Absenkung des Regelsatzes, weil dann eine konkrete Bestimmung ersparter Aufwendungen nicht möglich ist (B[X.], aaO, Rd[X.] 28); so liegt der Fall hier. Die vom Beklagten angenommenen Ersparnisse des [X.] sind bereits tatsächlich ungewiss und von der individuellen Lebensgestaltung des [X.] abhängig. Ersparte Aufwendungen können noch nicht einmal im Wege der Schätzung (§ 287 Zivilprozessordnung) ermittelt werden. Selbst wenn ihm Möbel in der Wohnung zur Verfügung gestellt wurden, bleibt es ihm überlassen, ob er neben den vorhandenen Gegenständen weitere anschafft, existierende Einrichtungsgegenstände - ggf mit Einverständnis des Vermieters - seinen persönlichen Wünschen entsprechend mit den vorhandenen austauscht oder funktionsuntüchtige bzw verbrauchte Gegenstände ersetzt. Zudem fallen Ausgaben für Möbel und andere Einrichtungsgegenstände, Haushaltsgeräte und deren Instandhaltungskosten nicht typischerweise monatlich an. Der in der Regelleistung enthaltene Anteil muss vielmehr angespart werden, um gegebenenfalls Ersatzbeschaffungen von Einrichtungsgegenständen zu ermöglichen. Daher ist auch bei Leistungsempfängern nach dem [X.]B XII, die in einer unmöblierten Wohnung wohnen, nicht sicher, ob sie den Anteil, welcher für die Beschaffung von Möbeln im Regelsatz enthalten ist, bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Leistungsbezug tatsächlich einsetzen müssen. Letztlich ist es dem Einzelnen überlassen, ob und wann er eine Ersatzbeschaffung für abgenutztes Mobiliar oder Ergänzungskäufe tätigt oder hierauf auch gänzlich verzichtet. Unterliegt das "Ob" der Deckung eines Bedarfs also der individuellen Entscheidung des Leistungsempfängers, ist aber auch aus rechtlichen Gründen eine abweichende Festlegung des Regelsatzes nicht möglich ([X.] in jurisPK-[X.]B XII, § 27a [X.]B XII Rd[X.] 98; [X.] in Grube/[X.], [X.]B XII, 4. Aufl 2012, § 27a [X.]B XII Rd[X.] 31). [X.] Unwägbarkeiten soll die Pauschalierung des Regelsatzes gerade Rechnung tragen (so schon B[X.]E 99, 252 ff Rd[X.] 28 = [X.]-3500 § 28 [X.] 3).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 Satz 1 [X.]G.

Meta

B 8 SO 4/11 R

20.09.2012

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Dresden, 3. Dezember 2010, Az: S 19 SO 122/08, Urteil

§ 19 Abs 2 SGB 12 vom 27.12.2003, § 41 SGB 12 vom 02.12.2006, § 42 SGB 12 vom 02.12.2006, § 28 Abs 1 S 1 SGB 12 vom 02.12.2006, § 28 Abs 1 S 2 Alt 1 SGB 12 vom 02.12.2006, § 48 Abs 1 SGB 10, § 54 Abs 4 SGG, § 101 Abs 2 SGG, Art 19 Abs 4 S 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 20.09.2012, Az. B 8 SO 4/11 R (REWIS RS 2012, 3026)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3026

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