Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.01.2020, Az. 1 WB 69/19, 1 WDS-VR 14/19

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2020, 3801

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Gegenstand

Hälftige Kostenteilung bei offenen Erfolgsaussichten


Tenor

Die beiden Verfahren werden eingestellt.

Die dem Antragsteller in den beiden Verfahren vor dem [X.] einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden jeweils zur Hälfte dem [X.] auferlegt. Im Übrigen werden die Anträge, die Kosten dem [X.] aufzuerlegen, abgelehnt.

Tatbestand

1

Der Antragsteller ist Soldat auf [X.] im Dienstgrad eines Oberstabsarztes; seine derzeit festgesetzte Dienstzeit von 19 Jahren endet am ... Er ist approbierter Zahnarzt und hat mit Prüfung vom ... die Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Oralchirurgie abgeschlossen. Er ist verheiratet und hat zwei ... geborene Kinder.

2

Der Antragsteller wurde zuletzt auf einem nach Besoldungsgruppe [X.]/[X.] bewerteten Dienstposten als Sanitätsstabsoffizier und Truppenzahnarzt beim [X.], einer Teileinheit des [X.], mit abweichendem Dienstort [X.] eingesetzt. Im Hinblick auf eine qualifikationsgerechte und förderliche Weiterverwendung wurden mit ihm seit Mitte 2017 [X.] geführt. Mit der hier gegenständlichen Verfügung Nr. ... vom 16. April 2019, eröffnet am 30. April 2019, versetzte ihn das [X.] auf den nach Besoldungsgruppe [X.] bewerteten Dienstposten eines Sanitätsstabsoffiziers und [X.] Oralchirurgie beim [X.] Der Dienstantritt wurde auf den 4. November 2019 festgesetzt; aufgrund Urlaubs und bewilligter Elternzeit hat der Antragsteller den Dienst dort tatsächlich nicht angetreten.

3

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 21. Mai 2019 erhob der Antragsteller Beschwerde gegen seine Versetzung, mit der er schwerwiegende persönliche Gründe geltend machte und das dienstliche Interesse an der Versetzung in Zweifel zog. Mit Bescheid vom 12. September 2019 wies das [X.] die Beschwerde zurück.

4

Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 27. September 2019 die Entscheidung des [X.] in der Hauptsache mit dem Ziel einer Aufhebung der Versetzung (BVerwG 1 WB 69.19) sowie als Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung (BVerwG 1 [X.] 14.19) beantragt.

5

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 2. Dezember 2019 übermittelte der Antragsteller dem Gericht und der Beratenden Ärztin des [X.] weitere ärztliche Unterlagen, aus denen insbesondere eine Entwicklungsverzögerung der frühgeborenen Zwillinge und zusätzliche Gesundheitsstörungen mit erheblichem Betreuungsaufwand hervorgehen. Die Beratenden Ärztinnen des [X.] und des [X.] erkannten daraufhin unter dem 3. Dezember 2019 schwerwiegende persönliche Gründe für die Dauer von 24 Monaten an. Unter dem 4. Dezember 2019 wies das [X.] das [X.] an, die Versetzung des Antragstellers nach D aufzuheben.

6

Im Hinblick darauf erklärte der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 16. Dezember 2019 den Rechtsstreit sowohl im gerichtlichen Antragsverfahren als auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für in der Hauptsache erledigt und beantragte, die Kosten beider Verfahren dem Bund aufzuerlegen.

7

Das [X.] hat der Erledigterklärung bereits vorab mit Schreiben vom 6. Dezember 2019 zugestimmt. Es verwahrt sich gegen eine Auferlegung von Kosten, weil die Abhilfe aufgrund eines neuen Sachverhalts (Vorlage neuer medizinischer Befunde) erfolgt sei.

8

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen. Die Beschwerdeakten beider Verfahren und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat vorgelegen.

Entscheidungsgründe

9

Nachdem die Beteiligten sowohl im gerichtlichen Antragsverfahren ([X.] 1 [X.] 69.19) als auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ([X.] 1 [X.] 14.19) den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, sind die beiden Verfahren - über die in einem Sammelbeschluss entschieden wird - in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 [X.] ist nur noch über die Kosten der Verfahren zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. [X.]anach ist bei übereinstimmender [X.]rledigungserklärung über die Kosten nach billigem [X.]rmessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 [X.], § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 22. April 2008 - [X.] 1 [X.] 4.08 - beck-online Rn. 8 m.w.[X.]).

1. Billigem [X.]rmessen entspricht es, die dem Antragsteller erwachsenen notwendigen Aufwendungen zur Hälfte dem [X.] aufzuerlegen, weil die [X.]rfolgsaussichten in beiden Verfahren nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt des erledigenden [X.]reignisses als offen einzuschätzen sind (vgl. zum Grundsatz der hälftigen Kostenteilung bei offenen [X.]rfolgsaussichten [X.], Beschluss vom 14. Juli 2010 - 1 [X.] - jurion Rn. 10).

[X.]as [X.]esministerium der Verteidigung hat die [X.]rledigung des Rechtsstreits zwar dadurch herbeigeführt, dass es den Verbleib des Antragstellers am bisherigen Standort aufgrund eines (militär-)ärztlichen Gutachtens wegen des Gesundheitszustands seiner beiden neugeborenen Kinder und des daraus resultierenden Betreuungs- und Pflegebedarfs als schwerwiegenden persönlichen Grund im Sinne von [X.] Buchst. a des Zentralerlasses [X.]46 anerkannt und die Aufhebung der angefochtenen Versetzungsverfügung angewiesen hat. [X.]s hat sich dadurch jedoch - entgegen der Auffassung des Antragstellers - nicht "freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben". [X.]in solcher Fall liegt nur dann vor, wenn die übereinstimmenden [X.]rledigungserklärungen darauf beruhen, dass ein Antragsteller klaglos gestellt wird, weil das [X.]esministerium der Verteidigung oder die in seinem Auftrag handelnde Stelle aus eigener Veranlassung dem mit dem Rechtsschutzantrag verfolgten Begehren stattgibt; resultiert das Nachgeben bei [X.] Sach- und Rechtslage allein auf einer geänderten Rechtsauffassung des [X.] der [X.]eswehr, ist es billig, den [X.] mit sämtlichen notwendigen Aufwendungen des Antragstellers zu belasten (stRspr, vgl. [X.], Beschluss vom 22. Juni 2017 - 1 [X.] 15.17 - juris Rn. 18 m.w.[X.]).

[X.]in solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Vielmehr hat das [X.]esministerium der Verteidigung auf eine neue Sachlage reagiert. [X.]er Antragsteller hat mit [X.] seines Bevollmächtigten vom 2. [X.]ezember 2019 ärztliche Unterlagen und Befunde mit Aussagen zum Gesundheitszustand und zur Betreuungsbedürftigkeit der beiden Kinder übermittelt, die in dieser Form den für die militärärztliche Begutachtung zuständigen Beratenden Ärztinnen des [X.]esministeriums der Verteidigung und des [X.]esamts für das Personalmanagement der [X.]eswehr bis dahin nicht vorlagen. [X.]s gereicht dem [X.]esministerium der Verteidigung unter dem Gesichtspunkt der Kostenlast nicht zum Nachteil, wenn es aus dieser neuen Sachlage unverzüglich die rechtlichen Konsequenzen gezogen hat.

Insoweit maßgeblich für die Frage der Kostenverteilung ist deshalb, ob - wie der Antragsteller ergänzend geltend macht - bereits vor der Übermittlung der neuen ärztlichen Unterlagen und Befunde ein schwerwiegender persönlicher Grund im Sinne von [X.] Buchst. a [X.]46 gegeben und ob dies für die Beratenden Ärztinnen aus den ihnen bis dahin vorgelegten Unterlagen und Befunden diagnostizierbar war. Von Bedeutung ist ferner die Frage, ob es allein Sache des Antragstellers war, die erforderlichen Nachweise für den in seiner Sphäre liegenden schwerwiegenden persönlichen Grund beizubringen, oder ob die bis dahin vorliegenden Unterlagen und Befunde die Beratenden Ärztinnen hätten veranlassen müssen, nachdrücklicher als geschehen weitere Unterlagen anzufordern oder z.B. die [X.]mpfehlung in Betracht zu ziehen, den [X.]ienstantritt bis zur abschließenden Klärung hinauszuschieben.

In tatsächlicher Hinsicht geht es damit um medizinische Sachverhalte, die das Gericht aus eigener Sachkunde nicht vollständig beurteilen kann. [X.]s bedürfte deshalb weiterer, über den bisherigen Sach- und Streitstand hinausgehender [X.]rmittlungen und voraussichtlich auch der [X.]inholung einer sachverständigen Äußerung; für eine solche Beweisaufnahme ist im Rahmen der hier allein noch zu treffenden Kostenentscheidung jedoch kein Raum (vgl. [X.], Beschluss vom 8. April 2013 - 1 [X.] 26.12 - juris Rn. 30 m.w.[X.]). In rechtlicher Hinsicht stehen, was die Verteilung von Mitwirkungs- und Beibringungslasten betrifft, vom Senat bisher nicht grundsätzlich geklärte Fragen im Raum, die in ihrer Bedeutung über den vorliegenden Fall hinausweisen. Auch für eine solche rechtliche Klärung ist im Rahmen einer bloßen Kostenentscheidung nach übereinstimmender [X.]rledigungserklärung kein Platz (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. Januar 1974 - 1 [X.] 30.72 - [X.][X.] 46, 215 <218>, vom 31. Mai 1979 - 1 [X.] 202.77 - [X.][X.] 63, 234 <237>).

Nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt des erledigenden [X.]reignisses sind deshalb die [X.]rfolgsaussichten als offen einzuschätzen, weswegen eine hälftige Kostenerstattung für den Antragsteller billig erscheint.

2. Aus den übrigen Gesichtspunkten, die der Antragsteller gegen die Rechtmäßigkeit der Versetzungsverfügung angeführt hat, ergibt sich nach dem bisherigen Sach- und Streitstand keine für ihn günstigere Kostenentscheidung. Sein weitergehender Antrag hinsichtlich der Kosten bleibt deshalb ohne [X.]rfolg.

[X.]as gemäß Nr. 201 Punkt 1 [X.]46 erforderliche dienstliche Bedürfnis für die Versetzung ist gegeben. [X.]er [X.]ienstposten eines Sanitätsstabsoffiziers und [X.] Oralchirurgie beim [X.] ist frei und zu besetzen (Nr. 202 Buchst. a [X.]46). [X.]er Antragsteller ist geeignet für den [X.]ienstposten; der [X.]insatz auf dem nach Besoldungsgruppe [X.] bewerteten [X.]ienstposten entspricht seiner abgeschlossenen Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Oralchirurgie und stellt zudem eine förderliche Verwendung im [X.] dar. Soweit der Antragsteller den Bedarf für eine oralchirurgische Versorgung am [X.]ienstort [X.] und die sachgerechte Ausstattung des dortigen [X.]ienstpostens in Zweifel zieht, ist das [X.]esministerium der Verteidigung dem detailliert entgegengetreten. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der [X.]ienstherr von seinem die Organisation und den Personaleinsatz betreffenden [X.]rmessen in rechtswidriger Weise Gebrauch gemacht hätte. Gleiches gilt für die vom Antragsteller ins Spiel gebrachten alternativen Versetzungsmöglichkeiten nach [X.] oder [X.] [X.]as [X.]esministerium der Verteidigung hat insoweit nachvollziehbar dargelegt, dass diese [X.]ienstposten anderweitig, nämlich für dotierungsgleiche Querversetzungen, eingeplant waren und im Übrigen dem Antragsteller im Hinblick auf die [X.]ntfernung zum Wohnort keine erkennbaren Vorteile gebracht hätten.

Soweit der Antragsteller schwerwiegende persönliche Gründe wegen der Pflegebedürftigkeit der Mutter seiner [X.]hefrau geltend macht ([X.] Buchst. c [X.]46), lässt sich aus dem vorgelegten Gutachten des Medizinischen [X.]ienstes der Krankenversicherung ... vom 13. Juni 2019, das den (niedrigsten) Pflegegrad 1 zuerkennt, nicht ableiten, dass nach derzeitigem Stand - über die Hilfe durch die [X.]hefrau und die mit der Zuerkennung des [X.] verbundenen professionellen Hilfsmöglichkeiten hinaus - die Pflege gerade durch den Antragsteller notwendig ist.

Soweit sich der Antragsteller schließlich darauf beruft, dass er an seinem bisherigen [X.]ienstort Wohneigentum besitzt, stellt dies nach ständiger Rechtsprechung des Senats keinen schwerwiegenden persönlichen Grund im Sinne von [X.] Buchst. a [X.]46 dar und begründet - auch unter Blickwinkel der Nr. 207 [X.]46 - keinen Rechtsanspruch darauf, an einem bestimmten Standort oder in dessen Nähe zu verbleiben (vgl. z.B. [X.], Beschlüsse vom 18. Januar 1999 - 1 [X.] 2.99 - [X.] § 10 SG Nr. 34 S. 2, vom 25. September 2002 - 1 [X.] 30.02 - [X.] § 3 SG Nr. 30 S. 25 und vom 30. Juni 2016 - 1 [X.] 28.15 - juris Rn. 41 m.w.[X.]).

Meta

1 WB 69/19, 1 WDS-VR 14/19

07.01.2020

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WB

§ 20 Abs 3 WBO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 07.01.2020, Az. 1 WB 69/19, 1 WDS-VR 14/19 (REWIS RS 2020, 3801)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3801

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