Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2017, Az. XII ZB 507/16

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 14500

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:080317BXII[X.]507.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 507/16

vom

8. März 2017

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 280
Der Verwertbarkeit eines Sachverständigengutachtens in einer [X.] steht nicht entgegen, dass der Sachverständige den Verfahrensbevoll-mächtigten des Betroffenen nicht vom Termin zur Untersuchung oder Befra-gung des Betroffenen benachrichtigt hat.
[X.], Beschluss vom 8. März 2017 -
XII [X.] 507/16 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 8. März 2017 durch
den
Vorsitzenden
Richter
Dose
und [X.]
Klinkhammer, Schilling, Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Die
Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss
der 6.
Zivilkammer des [X.] vom 7.
Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
Wert: 5.000

Gründe:
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die betreuungsgerichtliche Anordnung
eines [X.].
Die
1922 geborene
Betroffene leidet an einem demenziellen Syndrom. Für sie wurde
2014 eine rechtliche Betreuung eingerichtet und eine Berufsbe-treuerin bestellt. Die Betreuung umfasst den Aufgabenkreis Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Wohnungsangelegenheiten, Or-ganisation der ambulanten Versorgung, Haus-
und Grundstücksangelegenhei-ten, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post und Entscheidung über den Fernmeldeverkehr sowie Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten-
und Sozialleistungsträgern.
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Die Betreuerin hat im Februar 2016 angeregt, einen Einwilligungsvorbe-halt anzuordnen, und dies damit begründet, dass die Betroffene Unterschriften leiste, obwohl sie möglicherweise nicht mehr geschäftsfähig sei. Der vorinstanz-liche Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen
habe ohne Rücksprache mit der Betreuerin den bestehenden Heimvertrag gekündigt. Die [X.] hat sich der Anregung der Betreuerin angeschlossen.
Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens einen Einwilligungsvorbehalt hinsichtlich der Vermögenssorge angeordnet. Das [X.] hat die Beschwerde der anwaltlich vertretenen Betroffenen [X.]. Dagegen richtet sich deren Rechtsbeschwerde, mit der sie den Weg-fall des [X.] erstrebt.

II.
Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Das [X.] hat die Anordnung eines [X.] hin-sichtlich des Vermögens als gemäß §
1903 Abs.
1 Satz
1 BGB geboten ange-sehen. Es bestehe eine erhebliche Gefahr für das Vermögen der Betroffenen. Sie leide nach den Ausführungen des Sachverständigen an einem demenziel-len Syndrom mit erheblich eingeschränkten kognitiv-mnestischen Funktionen. Sie erinnere sich nicht einmal daran, jemals einen Rechtsanwalt beauftragt zu haben,
und befolge kritiklos alles, was ihr eine Frau
D. sage, deren Bestellung zur Betreuerin in einem vorangegangenen Verfahren abgelehnt worden sei. Frau
D.
habe ihr nach Angaben der Betreuerin Rechnungen gestellt und ge-genüber dem Amtsrichter Gedanken hinsichtlich ihrer Beteiligung am Erbe der Betroffenen geäußert. Aus der Sicht des Sachverständigen sei die Betroffene 3
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-
4
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nicht geschäftsfähig. Sie leiste kritiklos Unterschriften, ohne sich über deren Konsequenzen klar zu sein, so dass wegen der bestehenden großen Gefahr einer Selbstschädigung die Voraussetzungen zur Anordnung eines Einwilli-gungsvorbehalts bestünden.
Das Sachverständigengutachten sei auch verwertbar. Insbesondere sei das Recht der Betroffenen auf Anwesenheit einer Vertrauensperson nicht ver-letzt worden. Der Wunsch, dass Frau
D. anwesend sein solle, sei von der Be-troffenen
selbst zunächst nicht geäußert worden. Dies sei erst dann der Fall gewesen, als Frau
D. im Lauf der Begutachtung erschienen und der Sachver-ständige vom Verfahrensbevollmächtigten telefonisch darüber belehrt worden sei, dass eine Vertrauensperson anwesend sein dürfe. Über welchen Zeitraum Frau
D. anwesend gewesen sei, sei unerheblich, ein Teil der Begutachtung sei sogar in ihrem Beisein wiederholt worden.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Ohne Erfolg bleibt die von der Rechtsbeschwerde erhobene Verfah-rensrüge, dass das Sachverständigengutachten deswegen nicht verwertbar sei, weil eine Anwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten an der Untersuchung nicht ermöglicht worden sei.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die zur persönlichen Anhörung des Betroffenen ergangene Rechtsprechung des Senats (vgl. [X.] vom 9.
November 2011

XII
[X.]
286/11

FamRZ 2012, 104 Rn.
25 und vom 19.
Oktober 2016

XII
[X.]
331/16

FamRZ
2017, 131 Rn.
7
mwN) auf die Exploration durch einen Sachverständigen nicht übertragbar. Die Anwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten bei der gerichtlichen Anhörung des Betroffenen dient der Wahrung des rechtlichen Gehörs vor Erlass einer Entscheidung. Demgegenüber besteht im förmlichen Beweisverfahren nach 7
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9
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-
5
-
§§
280 Abs.
1 Satz
1, 30 FamFG iVm §
411 Abs.
3 und 4 ZPO die Möglichkeit der Beteiligten, sich zu dem Gutachten zu äußern und eine Ergänzung oder Erläuterung zu beantragen (vgl. [X.]/[X.] ZPO 31.
Aufl. §
411 Rn.
4a, 5a mwN).
Es ist demnach weder gesetzlich vorgeschrieben noch aus übergeord-neten Erwägungen der Wahrung des rechtlichen Gehörs nach Art.
103 Abs.
1 GG geboten, dass der Sachverständige von sich aus den Verfahrensbevoll-mächtigten des Betroffenen von einem Explorationstermin benachrichtigt oder ihn zu einer Teilnahme an der Untersuchung einlädt.
Ob und unter welchen Umständen der Betroffene die Anwesenheit [X.] Verfahrensbevollmächtigten, eines Beistands oder einer Vertrauensperson aus eigener Initiative verlangen kann (vgl. [X.] FamRZ 2000, 1441 sowie [X.] NJW 1975, 103 zum Rechtsbeistand eines Zeugen), kann im vorliegenden Fall offen
bleiben. Denn der Sachverständige hat auf ein [X.] Verlangen des Verfahrensbevollmächtigten die Anwesenheit der Frau
D. gestattet, was auch die Rechtsbeschwerde als insoweit ausreichend ansieht. Dass der Verfahrensbevollmächtigte, mit dem der Sachverständige während der Exploration telefonierte, vom Sachverständigen auch seine eigene Anwesenheit verlangt habe, wird von der Rechtsbeschwerde nicht geltend [X.]. Dass sich die Betroffene selbst an die Person ihres Verfahrensbevoll-mächtigten nicht erinnert hat, und das [X.] daraus

wie die Rechtsbe-schwerde meint, zu Unrecht

einen fehlenden Wunsch der Betroffenen herge-leitet habe, dass dieser anwesend sein sollte, ist daher schon nicht entschei-dungserheblich.
b) Die Rechtsbeschwerde rügt weiter zu Unrecht, dass das [X.] für den angeordneten Einwilligungsvorbehalt eine abstrakte Vermögensgefähr-dung habe ausreichen lassen und auch eine Geschäftsunfähigkeit keine hinrei-11
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6
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chende Bedingung für die Anordnung des [X.] bezüglich des Vermögens darstelle.
Denn die auf die Angaben der Betreuerin zurückgehenden Anhaltspunkte für eine konkrete Vermögensgefährdung sind vom [X.] im Hinblick auf das bisherige Verhalten der Betroffenen, etwa bezüglich des [X.], wie auch deren kritiklose Haltung gegenüber der Frau
D. hinlänglich festgestellt worden. In Anbetracht dessen erscheint
die Anordnung eines [X.] sogar als dringend notwendig.
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c) Die weiteren von der Rechtsbeschwerde gerügten Verfahrensmängel hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Auch im Übrigen ist die angegriffene Entscheidung nicht zu beanstanden und hält den weitergehen-den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).

Dose

Klinkhammer

Schilling

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.07.2016 -
XVII 539/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 07.10.2016 -
65 T 2331/16 -

14

Meta

XII ZB 507/16

08.03.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2017, Az. XII ZB 507/16 (REWIS RS 2017, 14500)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14500

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 507/16

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