Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 29.01.2020, Az. 11 U 14/19

5. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 4564

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Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18.12.2018 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 5 O 248/18 – teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt,

der Klägerin Einsicht in die Vergabeakte zu dem Vergabeverfahren „Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am Krankenhaus B.“ in der Form zu gewähren, dass die Beklagte der Klägerin das offizielle Submissionsprotokoll nebst Nachträgen vorlegt.

2. Im Übrigen bleibt es bei der Abweisung der Klage.

3. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 80% und die Beklagte zu 20%.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden – hinsichtlich Ziffer 1. des Tenors durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000 € und hinsichtlich Ziffer 4. des Tenors durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags –, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 27.426,26 € festgesetzt.

7. Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin begehrt Einsichtnahme in die Vergabeakte zu dem Vergabeverfahren „Neubau eines D-Flügels mit vier Wahlleistungsstationen am Krankenhaus B.“ für das Gewerk Abbruch- und Rohbauarbeiten, einem Vergabeverfahren im sog. Unterschwellenbereich nach der VOB Teil A. Die Beklagte schrieb die Arbeiten im Dezember 2015 mit Bekanntmachung vom 11.12.2015 aus. Nach der Ausschreibung war eine losweise Vergabe ausgeschlossen, Bietergemeinschaften waren aber zulässig. Die Klägerin reichte ein Angebot ein, das mit einer Auftragssumme netto 2.249.279,54 € endete.

Am Eröffnungstermin vom 22.01.2016 nahm der Geschäftsführer der Klägerin teil. Zu diesem Zeitpunkt lagen unter anderem das Angebot der Klägerin vom 21.01.2016 samt Nebenangebot, ein Hauptangebot der E. GmbH und Angebote der L. GmbH & Co. KG über das Los 1 (Tiefbauarbeiten) und der T. GmbH & Co. KG über das Los 2 (Rohbauarbeiten) vor. Das Hauptangebot der Klägerin wies eine niedrigere Auftragssumme als das Hauptangebot der Firma E. aus, die Summe der Angebotspreise der Firmen L. und T. lag unter dem Angebotspreis der Klägerin.

Auf Nachfrage der Klägerin teilte der Architekt der Beklagten ihr mit Schreiben vom 02.02.2016 mit, dass die Firmen T. und L. die Bildung einer Bietergemeinschaft im Auftragsfall angekündigt hätten und die Klägerin bei Wertung der Nebenangebote nur an dritter Stelle liege. Mit Absageschreiben vom 03.05.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste Angebot sei, ein Hauptangebot mit niedrigerem Preis vorliege und erfolgreicher Bieter die Firma E. mit einem „Nebenangebot zur wirtschaftlicheren Ausführung der Pfahlgründung“ sei.

Nachdem die Klägerin Mitte 2017 festgestellt hatte, dass auf der Baustelle die Firmen L. und T. tätig waren, verlangte sie mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 04.12.2017 Auskunft von der Beklagten. Die Beklagte teilte daraufhin mit, dass die Firmen L. und T. ihren Angeboten jeweils eine „Erklärung zur Bildung einer Arbeitsgemeinschaft“ beigefügt und erklärt hätten, dass sie eine Bietergemeinschaft bilden, was beim Submissionstermin nicht gesehen worden sei. Die Firma E. sei unter Berücksichtigung ihres Nebenangebots günstiger gewesen als die Klägerin.

Die Klägerin sieht Anhaltspunkte für Fehler im Vergabeverfahren zu ihren Lasten und hält die Vergabeentscheidung aufgrund der knappen Begründung für nicht nachvollziehbar. Zur Prüfung etwaiger Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten verlangt sie Auskunft durch Einsicht in bestimmte Unterlagen aus der Vergabeakte und hilfsweise für den Fall, dass die Unterlagen nicht vorgelegt werden können, die Feststellung deren Nichtexistenz.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Klägerin fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis, da sie keinen Primärrechtsschutz in Anspruch genommen habe. Außerdem bestehe kein Schadensersatzanspruch, da die Klägerin bei ordnungsgemäßem Verlauf den Zuschlag nicht zwingend hätte erhalten müssen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass ein Schadensersatzanspruch nicht in Betracht komme, da die Klägerin nur Drittplatzierte gewesen sei. Zudem liege kein für die Auskunftspflicht erforderliches entschuldbares Nichtwissen der Klägerin vor, da sie keinen Antrag nach § 19 Abs. 2 VOB/A gestellt habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihre Klageanträge weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag. Zudem rügt die Klägerin, dass das Landgericht die Anforderungen an die Darlegungslast betreffend einen Auskunftsanspruch überspannt habe und ihr so effektiver Rechtsschutz verwehrt werde. Sie habe ausreichende Indizien vorgetragen, warum sie letztlich Erstplatzierte hätte sein müssen. Mit der Berufung behauptet sie unter Beweisantritt zusätzlich, die Beklagte habe mit der Firma E. unzulässige Nachverhandlungen geführt, so dass die Firma E. zwingend auszuschließen gewesen sei. Die Firma E. habe zunächst (zum Zeitpunkt der Submission am 22.01.2016) nur die Position 2.3.200 des Leistungsverzeichnisses mit einem Nachlass von 40.000 € bepreist, ohne ein konkretes Nebenangebot der alternativen Ausführung eingereicht zu haben.

In der Berufungsverhandlung hat die Klägerin klargestellt, dass die begehrte Einsicht in das offizielle Submissionsprotokoll sich auch auf eventuelle Nachträge dieses Protokolls erstrecke.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln

1.    die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Einsicht in die Vergabeakte zu dem Vergabeverfahren „Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am Krankenhaus B.“ in der Form zu gewähren, dass die Beklagte der Klägerin alle im Vergabeverfahren eingereichten Erklärungen zu Bietergemeinschaften vorlegt. Für den Fall, dass es der Beklagten unmöglich ist, die vorgenannten Erklärungen herauszugeben, wird festgestellt, dass Erklärungen zu Bietergemeinschaften in dem Vergabeverfahren „Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am Krankenhaus B.“ nicht existent sind;

2.    die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Einsicht in die Vergabeakte zu dem Vergabeverfahren „Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am Krankenhaus B.“ in der Form zu gewähren, dass die Beklagte der Klägerin den Vergabevermerk zur abschließenden Bewertung der Angebote nebst Zuschlagsempfehlung vorlegt. Für den Fall, dass es der Beklagten unmöglich ist, den vorgenannten Vergabevermerk herauszugeben, wird festgestellt, dass ein Vergabevermerk zur abschließenden Bewertung der Angebote nebst Zuschlagsempfehlung in dem Vergabeverfahren „Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am Krankenhaus B.“ nicht existent ist;

3.    die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Einsicht in die Vergabeakte zu dem Vergabeverfahren „Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am Krankenhaus B.“ in der Form zu gewähren, dass die Beklagte der Klägerin das Nebenangebot der E. GmbH zur wirtschaftlichen Ausführung der Pfahlgründung vorlegt. Für den Fall, dass es der Beklagten unmöglich ist, das vorgenannte Nebenangebot herauszugeben, wird festgestellt, dass ein Nebenangebot der E. GmbH zur wirtschaftlichen Ausführung der Pfahlgründung in dem Vergabeverfahren „Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am Krankenhaus B.“ nicht existent ist;

4.    die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Einsicht in die Vergabeakte zu dem Vergabeverfahren „Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am Krankenhaus B.“ in der Form zu gewähren, dass die Beklagte der Klägerin das offizielle Submissionsprotokoll nebst Nachträgen vorlegt. Für den Fall, dass es der Beklagten unmöglich ist, das vorgenannte Nebenangebot herauszugeben, wird festgestellt, dass ein offizielles Submissionsprotokoll in dem Vergabeverfahren „Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am Krankenhaus B.“ nicht existent ist;

5.    die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Einsicht in die Vergabeakte zu dem Vergabeverfahren „Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am Krankenhaus B.“ in der Form zu gewähren, dass die Beklagte der Klägerin alle Zuschlagsschreiben, insbesondere an die E. GmbH vorlegt. Für den Fall, dass es der Beklagten unmöglich ist, das vorgenannte Nebenangebot herauszugeben, wird festgestellt, dass Zuschlagsschreiben, insbesondere an die E. GmbH in dem Vergabeverfahren „Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am Krankenhaus B.“ nicht existent sind;

6.    die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Einsicht in die Vergabeakte zu dem Vergabeverfahren „Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am Krankenhaus B.“ in der Form zu gewähren, dass die Beklagte der Klägerin alle im Vergabeverfahren an die anderen Bieter versendeten Absageschreiben vorlegt. Für den Fall, dass es der Beklagten unmöglich ist, die vorgenannten Absageschreiben herauszugeben, wird festgestellt, dass an die Bieter versendete Absageschreiben in dem Vergabeverfahren „Neubau eines D-Flügels mit 4 Wahlleistungsstationen am Krankenhaus B.“ nicht existent sind;

7.    dass die Einsichtnahme entweder durch Übersenden des Originals zu treuen Händen an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, durch Übersendung einer Kopie der Vergabeakte an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Kopie und Versand auf Kosten der Klägerin) oder durch Mitteilung eines Termins für Einsichtnahme vor Ort bei der Beklagten zu gewähren ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie rügt die in der Berufungsverhandlung vorgenommene Klageänderung bzw. Klageerweiterung als verspätet und verteidigt das angefochtene Urteil im Übrigen. Ferner behauptet sie, das günstigere Nebenangebot der Firma E. sei bei der Submission zwar bereits vorhanden gewesen, aber nicht gefunden worden.

Wegen aller Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schrift-sätze nebst Anlagen verwiesen sowie auf den Tatbestand und die Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat im tenorierten Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

1.              Die Klage ist zulässig; ihr fehlt insbesondere nicht das Rechtschutzbedürfnis.

a)              Das Landgericht hat zurecht und mit zutreffender Begründung angenommen, der Geltendmachung von Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen stehe nicht entgegen, dass die Klägerin zuvor keinen Primärrechtsschutz in Anspruch genommen hat.

Anders als im Oberschwellenbereich, der durch das GWB gesetzlich geregelt ist, gibt es im Unterschwellenbereich keinen geregelten vergabeinternen Primärrechtsschutz, mit dem die Erteilung des Zuschlags an einen anderen Bieter verhindert werden kann. Insoweit ist aber die Möglichkeit des Rechtsschutzes im einstweiligen Verfügungsverfahren anerkannt.

Dass die Klägerin hiervon keinen Gebrauch gemacht hat, schließt das Rechtsschutzbedürfnis für die jetzt erhobene Klage auf Auskunft nicht aus.

Die Verfahren auf Primärrechtsschutz auf der einen und auf Schadensersatz auf der anderen Seite sind von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig und führen zu unterschiedlichen Rechtsfolgen. Es kann somit der Klägerin nicht entgegengehalten werden, ihr habe mit dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren ein einfacheres, billigeres und hinsichtlich des Rechtsschutzzieles gleich wirksames Verfahren zur Verfügung gestanden. Daher ist der Bieter mit der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs grundsätzlich nicht deshalb ausgeschlossen, weil er nicht im Wege des Primärrechtsschutzes versucht hat, die Zuschlagserteilung zu verhindern (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Juni 2012 – 1 U 357/11 – VergabeR 2015, 497; vgl. auch zu fehlender Rüge und Schadensersatzanspruch im Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich BGH, Urteil vom 17.09.2019 – X ZR 124/18 – IBR 2019, 686; Urteil vom 18.06.2019 – X ZR 86/17 – IBR 2019, 573).

b)              Auch die Informationspflicht gemäß § 19 Abs. 2 VOB/A steht der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs nicht entgegen. Der prozessuale Auskunftsanspruch ist insoweit nicht subsidiär.

Ein besonderes Rechtsschutzverfahren für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte existiert in NRW nicht. Unterhalb der Schwellenwerte erlangen die Verdingungsordnungen keine Gesetzesqualität. Sie sind als verwaltungsinterne Vorschriften in diesem Bereich ohne Außenwirkung. Die VOB/A stellen in diesem Bereich lediglich interne Verfahrensregeln der Verwaltung dar, die keine Schutzfunktion zugunsten der Bieter entfalten (Völlink/Kehrberg, VOB/A, Einl Rn. 34; Schneider in Kapellmann/Messerschmidt, 6. Auflage, VOB/A Einleitung Rn. 33). Soweit § 19 Abs. 2 VOB/A einen Informationsanspruch im Vergabeverfahren begründet, hat die Klägerin diesen mit ihrem anwaltlichen Auskunftsverlangen vom 04.12.2017 in Anspruch genommen, ohne dass die Beklagte die Auskünfte erteilt hätte.

Die VOB/A lässt im Übrigen auch einen etwaigen Auskunftsanspruch im Unterschwellenbereich gemäß § 242 BGB unberührt. Die Wertungen der VOB/A haben erst im Rahmen der Begründetheit Auswirkungen auf die Auskunftsklage.

c)              Soweit es sich bei der Einbeziehung der Nachträge zum Submissionsprotokoll in den Klageantrag zu Ziffer 4 überhaupt um eine Klageerweiterung, und nicht nur eine Klarstellung des Antrages handelt, ist sie zulässig. Die bloße Klageerweiterung in der Berufung ohne Änderung des Streitgegenstands im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO unterliegt nicht den besonderen Anforderungen des § 533 ZPO (BGH, Urteil vom 19.03.2004 – V ZR 104/03 – NJW 2004, 2152; Urteil vom 07.05.2015 – VII ZR 145/12, BauR 2015, 1517 Rn. 24). Im Übrigen ist die Erweiterung der Klage zumindest sachdienlich (§ 533 ZPO), weil über sie ohne Erweiterung des Tatsachenstoffs mit entschieden werden kann.

2.              Die Klage ist nur in geringem Umfang begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Auskunftsanspruch lediglich hinsichtlich der Einsicht in das Submissionsprotokoll samt Nachträgen zu.

a)              Ein Auskunftsanspruch bzw. Akteneinsichtsrecht kann sich entweder aus den Regelungen der VOB/A ergeben oder – soweit darin keine abschließende Regelung getroffen wird – gemäß § 242 BGB. Die VOB/A regelt in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung 2012 Informationsrechte der Bewerber in §§ 14 und 19 VOB/A über den Eröffnungstermin und die Zuschlagsentscheidung. Soweit sich aus § 242 BGB ein Auskunftsanspruch ergeben kann, geht dieser – jedenfalls im vorliegenden Fall – nicht über die in der VOB/A geregelten Informationspflichten und Auskunftsrechte hinaus.

b)              Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 242 BGB gebieten es Treu und Glauben, einem Anspruchsberechtigten einen Auskunftsanspruch zuzubilligen, wenn er in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (vgl. nur BGH, Urteil vom 06.02.2007 – X ZR 117/04 – NJW 2007, 1806).

Ein solcher einem Schadensersatzanspruch oder der Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach vorausgehender Auskunftsanspruch – wie ihn die Klägerin geltend macht – kommt nur in Betracht, wenn das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs überhaupt grundsätzlich möglich erscheint.

Ergibt sich der etwaige Schadensersatzanspruch aus einer vertraglichen Grundlage, reicht es aus, dass für den Leistungsanspruch, der mit Hilfe der begehrten Auskunft geltend gemacht werden soll, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht. Soll die begehrte Auskunft also einen vertraglichen Schadensersatzanspruch belegen, muss dieser nach allgemeiner Meinung nicht bereits dem Grunde nach feststehen; vielmehr reicht schon der begründete Verdacht einer Vertragspflichtverletzung aus (Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Auflage, § 260 Rn. 6 mwN; OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.04.2011, VI U 28/10 (Kart), Rn. 29 mwN und Ausführungen; Urteil vom 20.08.2008 – VI-U (Kart) 1/08, Rn. 49, jeweils zitiert nach juris).

Bei gesetzlichen Schadensersatzansprüchen wird für das Bestehen eines Auskunftsanspruchs darüber hinaus allgemein vorausgesetzt, dass der Geschädigte dartun muss, dass der Anspruch, dessen Durchsetzung die Auskunft dienen soll, dem Grunde nach besteht; es genügt grundsätzlich nicht, dass die Anspruchsvoraussetzungen wahrscheinlich gemacht werden (Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Auflage, § 260 Rn. 6 mwN; OLG Düsseldorf, a.a.O. und Urteil vom 20.08.2008 – VI-U (Kart) 1/08, Rn. 49, zitiert nach juris). Die Voraussetzungen eines solchen Schadensersatzanspruchs stehen nicht fest und werden von der Klägerin auch nicht behauptet und unter Beweis gestellt. Die Klägerin begehrt die Auskunft gerade, um beurteilen zu können, ob ein solcher Anspruch überhaupt besteht.

c)              Soweit sich aus dem durch das Vergabeverfahren begründeten Schuldverhältnis ein Auskunftsanspruch herleiten lässt, wird dieser durch die Regelungen der VOB/A, die zumindest im Wege der Selbstbindung der Beteiligten anwendbar sind, konkretisiert und begrenzt.

Infolge der Durchführung eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge entsteht ein Schuldverhältnis im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Hiernach kann dem Bieter – auch im vorliegenden Unterschwellenbereich bei Zugrundelegung der Regelungen der VOB/A – gegen den Auftraggeber ein Schadenersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 3 BGB zustehen, wenn dieser durch Missachtung von Vergabevorschriften seine Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Bieters schuldhaft verletzt und dem durch diese Vorschriften geschützten Unternehmen hierdurch Schaden zugefügt hat (vgl. nur BGH, Urteil vom 15. Januar 2013 – X ZR 155/10 – Parkhaussanierung – NZBau 2013, 319).

Ein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch – den die Klägerin anstrebt – steht einem Bieter nach ständiger Rechtsprechung zu, wenn der ausgeschriebene oder ein diesem wirtschaftlich gleichzusetzender Auftrag erteilt worden ist und ihm bei rechtmäßigem Verlauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen (BGH, Urteil vom 15. Januar 2013 – X ZR 155/10 – Parkhaussanierung – NZBau 2013, 319).

d)              Unter Berücksichtigung der VOB/A steht der Klägerin ein Auskunftsanspruch nur hinsichtlich des offiziellen Submissionsprotokolls samt Nachträgen zu.

aa)              Hinsichtlich der Hauptanträge, die die Erklärungen zu Bietergemeinschaften (Antrag zu 1), das Nebenangebot der E. GmbH zur Pfahlgründung (Antrag zu 3) und das offizielle Submissionsprotokoll (Antrag zu 4) betreffen und damit die Frage, welche Angebote mit welchem Inhalt und welchen Erklärungen eingereicht wurden, ergibt sich bereits aus § 14 Abs. 7 VOB/A 2012 (bzw. § 14a Abs. 7 VOB/A 2016) ein Einsichtsrecht.

(1)              Nach § 14 Abs. 7 VOB/A ist den Bietern und ihren Bevollmächtigten Einsicht – nicht Übersendung (von Wietersheim/Katzenberg in Ingenstau/Korbion, VOB, 19. Auflage, § 14 VOB/A Rn. 49; 21. Auflage, § 14a VOB/A Rn. 46) – in die Niederschrift des Eröffnungstermins (das Submissionsprotokoll) und deren Nachträge zu gestatten. Den Bietern sind auf Antrag die Namen der (anderen) Bieter sowie die verlesenen und nachgerechneten Endbeträge der Angebote sowie die Zahl ihrer Nebenangebote nach der rechnerischen Prüfung unverzüglich mitzuteilen. Hinsichtlich der Nebenangebote erfasst das Auskunftsrecht nach § 14 VOB/A nur deren Zahl, nicht deren Endbeträge (Planker, in Kapellmann/Messerschmidt, 6. Auflage, VOB, § 14 VOB/A Rn. 31 a.E.). Ob das günstigere Nebenangebot der Firma E. und die Bietergemeinschaftserklärung der Firmen T. und L. zunächst bei der Submission nur übersehen worden sind, wie die Beklagte behauptet, müsste sich aus dem Submissionsprotokoll, jedenfalls aber dessen Nachträgen ergeben (vgl. § 14 Ab. 5 und 6 VOB/A). Die Einsicht in die Erklärungen selbst und das Nebenangebot sieht § 14 Abs. 7 VOB/A, der insoweit eine abschließende Regelung enthält, dagegen nicht vor.

(2)              Dem Auskunfts- und Einsichtsrecht gem. § 14 Abs. 7 VOB/A steht auch der Zeitablauf nicht entgegen. Das Einsichtsrecht besteht grundsätzlich so lange fort, wie der Bieter ein berechtigtes Interesse daran hat. Will der Bieter einen Schadensersatzanspruch geltend machen, steht ihm das Einsichtsrecht auch nach Zuschlagserteilung weiter zu (Planker, in Kapellmann/Messerschmidt, 6. Auflage, VOB, § 14 VOB/A Rn. 30).

Der Antrag kann indes nicht mehr gestellt werden, wenn der Auftraggeber mit einem solchen Antrag nicht mehr rechnen muss (vgl. zur insofern gleich gelagerten Problematik bei § 19 VOB/A: Stickler, in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5./6. Auflage, VOB/A § 19 Rn. 18).

Soweit die Beklagte sich auf Verwirkung der Ansprüche beruft, sprechen grundsätzlich weder der zeitliche Ablauf noch die Gesamtschau der Umstände für eine Verwirkung. Abzustellen ist hierbei auf das Auskunftsverlangen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 04.12.2017, also mehr als eineinhalb Jahre nach dem Absageschreiben der Beklagten. Zwar wird für den Antrag des Bieters diskutiert, dass ein schutzwürdiges Interesse des Bieters nicht mehr zu erkennen sei und der Auftraggeber mit einem Antrag nicht mehr rechnen musste, wenn nach der Mitteilung über den erteilten Zuschlag ein halbes Jahr vergangen ist. Danach soll in der Regel Verwirkung eintreten. Eine feste Zeitgrenze soll damit aber nicht festgelegt werden (vgl. Stickler in Kapellmann/Messerschmidt, 6. Auflage, VOB/A, § 19 Rn. 19; siehe zum zeitlichen Rahmen der Geltendmachung des Informationsverlangens auch Reichling/Portz in Ingenstau/Korbion, 19. Auflage, § 19 VOB/A Rn. 19; 21. Auflage Rn. 20).

Danach ist der Anspruch nicht verwirkt. Zum einen war Auslöser für das späte Tätigwerden der Klägerin vor allem die Feststellung, dass die Firmen T. und L. die Arbeiten auf der Baustelle durchführten, angeblich unter Umsetzung des Sondervorschlags der Klägerin in Bezug auf den Bohlträgerverbau. Dies ist ein neuer Umstand, der sich aus der Mitteilung über den erteilten Zuschlag nicht ergab. Zum anderen hat die Beklagte – nach heutigem Stand und dem übereinstimmenden Parteivorbringen – unrichtige Angaben im Absageschreiben gemacht und damit kein schutzwürdiges Interesse. Sie durfte kein rechtlich geschütztes Vertrauen darauf haben, dass es keine Nachfragen geben werde.

(3)              Der Anspruch ist, soweit er grundsätzlich nach § 14 Abs. 7 VOB/A besteht, auch nicht bereits erfüllt. Zwar war die Klägerin im Eröffnungstermin anwesend, ein Protokoll über den Eröffnungstermin hat sie jedoch ebenso wenig erhalten (bei Anlage K 6 handelt es sich um eine Mitschrift der Submissionsergebnisse seitens der Klägerin; siehe zu Form und Inhalt des Eröffnungsprotokolls § 14 VOB/A und Formblatt 313 des Vergabehandbuchs), wie eine Information über Nachträge oder die Erklärung zur Bietergemeinschaft. Schließlich liegt auch keine Auskunft zu der Frage vor, wie viele Nebenangebote welcher Bieter es beim Eröffnungstermin (einschließlich Nachträgen) gab.

(4)              Im Übrigen besteht in diesem Bereich kein weitergehender Auskunftsanspruch nach § 242 BGB. Denn die Frage, welche Informationen über Nebenangebote anderer Bieter der Bieter erhalten darf, ist in § 14 VOB/A geregelt (unter Berücksichtigung des Geheimhaltungsgebots nach § 14 Abs. 1 und 8 VOB/A). Das gleiche gilt für die Bietererklärungen. Diese sind Bestandteil des Angebots und gehören nicht zu den Umständen, die nach § 14 VOB/A mitzuteilen sind.

Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch betreffend den Inhalt des Nebenangebots der Firma E. auf Grundlage des neuen Sachvortrags der Klägerin nicht vor. Denn die Klägerin trägt unter Beweisantritt vor, dass das Angebot der Firma E. aufgrund von Nachverhandlungen ohnehin nicht hätte gewertet werden dürften und die Firma E. auch den Zuschlag nicht erhalten habe. Damit ist aber der Inhalt des Nebenangebots der Firma E. für einen eventuellen Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht von Bedeutung. Jedenfalls dürften aber bei der im Rahmen von § 242 BGB gebotenen Abwägung die Geheimhaltungsinteressen überwiegen. Davon abgesehen gibt die Klägerin an, von der Firma E. bereits erfahren zu haben, dass sie im Zeitpunkt der Submission gar kein konkretes Nebenangebot eingereicht habe.

bb)              Die weiteren Hauptanträge, die den Vergabevermerk mit abschließender Bewertung und Zuschlagsempfehlung (Antrag zu 2), das Zuschlagsschreiben, insbesondere an die E. GmbH (Antrag zu 5), sowie die Absageschreiben an die anderen Bieter (Antrag zu 6) und damit die Zuschlagsentscheidung und die vorausgehende Willensbildung betreffen, sind nicht begründet.

Insoweit ist in der VOB/A geregelt, dass Bieter, die nicht berücksichtigt werden, unverzüglich zu informieren sind (§ 19 Abs. 1 VOB/A). Ferner haben sie nach § 19 Abs. 2 VOB/A auf Verlangen Anspruch auf Mitteilung der Gründe für ihre Nichtberücksichtigung sowie die Merkmale und Vorteile des Angebots des erfolgreichen Bieters sowie dessen Namen. Auch insoweit begrenzt die VOB/A den Anspruch auf die in § 19 Abs. 1 und 2 VOB/A genannten Informationen. Der Vergabevermerk mit abschließender Bewertung und Zuschlagsempfehlung gehört nicht hierzu.

(1)              Die Information nach § 19 Abs. 2 VOB/A darf sich nur auf das Angebot des jeweils informierten Bieters beziehen. Der Auskunftsanspruch nach § 19 Abs. 2 VOB/A betrifft nur das eigene Angebot des Bieters und die Gründe für seine Nichtberücksichtigung. Insoweit genügt es, dem unterlegenen Bieter in Stichworten die Gründe seiner Nichtberücksichtigung mitzuteilen, etwa dass ein anderer Bieter ein wirtschaftlicheres Angebot abgegeben hat. Die Mitteilung von Informationen über die Angebote anderer Bieter ist dem Auftraggeber regelmäßig untersagt. Denn die Angebote und ihre Anlagen sind geheim zu halten (§ 14 Abs. 8 VOB/A). Mitzuteilen sind den Bietern allerdings – anders als Bewerbern – die Merkmale und Vorteile des Angebots des erfolgreichen Bieters sowie dessen Name. Bei den Merkmalen und Vorzügen handelt es sich um diejenigen Zuschlagskriterien, die den Ausschlag für die Wertungsreihenfolge in der vierten Wertungsstufe gegeben haben. Die Informationspflicht beschränkt sich auf die in § 19 Abs. 2 VOB/A genannten Angaben. Weitere Auskünfte über den Inhalt der Angebote anderer Bieter darf der Auftraggeber aufgrund seiner Geheimhaltungsverpflichtung nicht erteilen (Stickler, in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 5./6. Auflage, VOB/A § 19 Rn. 15). Zulässig ist lediglich die Mitteilung der Vergabekriterien (Wirtschaftlichkeit pp.), auf denen die Zuschlagsentscheidung beruht (Vergabehandbuch Formblatt 334 bzw. 335). Diese Angaben hatte die Beklagte gemacht. Weitergehende Bestandteile des Angebots des erfolgreichen Bieters, etwa der Preis, dürfen nicht mitgeteilt werden.

(2)              Soweit danach § 19 Abs. 2 VOB/A überhaupt einen Auskunftsanspruch vorsieht, ist dieser durch Erfüllung erloschen. Die in § 19 Abs. 2 VOB/A genannten Informationen hat die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 03.05.2016 übermittelt. Im Absageschreiben waren der Name des erfolgreichen Bieters und der Grund des Zuschlags genannt. Dass diese Auskunft unrichtig war, spielt keine Rolle. Davon abgesehen hat die Beklagte die falschen Angaben während des Rechtsstreits korrigiert.

(3)              Ein Anspruch auf Erteilung weitergehender Auskünfte lässt sich auch nicht aus dem allgemeinen Auskunftsanspruch aus § 242 BGB herleiten. Hinsichtlich des Zuschlagsschreibens an die Firma E. ist schon ein besonderes Interesse der Klägerin nicht ersichtlich, da die Firma E. den Zuschlag auch nach dem Vortrag der Klägerin nicht erhalten haben soll. Ein Interesse an der Einsicht in alle Absageschreiben, auch der anderen Bieter, ist für die Begründung eines eventuellen Schadensersatzanspruchs ohne Belang und wäre auch mit dem Geheimhaltungsinteresse nicht vereinbar. Das gleiche gilt für den – ohnehin nur der internen Willensbildung dienenden – Vergabevermerk.

Insbesondere kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, zu einem substantiierteren Vorbringen hinsichtlich eines Vergaberechtsverstoßes mangels Akteneinsicht nicht in der Lage zu sein. Der von der Klägerin geforderten Erleichterungen ihrer Darlegungslast bedarf es auch nicht mit Rücksicht auf ihre fehlenden Kenntnisse von den Einzelheiten des Vergabeverfahrens. Dabei wird berücksichtigt, dass eine Partei, die keinen näheren Einblick in dem Gegner bekannte Geschehensabläufe hat und deren Beweisführung deshalb erschwert ist, mitunter auch von ihr nur vermutete Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen kann (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1996 – IX ZR 226/94 –NJW 1996, 3147).

Andererseits wäre der Klägerin aber in Umkehrung der vorgenannten Grundsätze allein deshalb – ins Blaue hinein – Auskunft bzw. Akteneinsicht zu gewähren, um ihr eine Aufdeckung hypothetischer Vergaberechtsmängel erst zu ermöglichen, die sie anschließend zum Gegenstand einer Schadensersatzklage machen könnte. Mit einem derart weitgefassten Akteneinsichtsrecht wäre der in der VOB/A vorgesehene Abwägungsvorbehalt (Geheimhaltungsinteresse gegen Transparenzgebot) ausgehebelt, weil die bloße abstrakte Möglichkeit einer (weiteren) Vergaberechtsverletzung nie auszuschließen wäre. Das bloße Interesse der Klägerin, im Hinblick auf einen eventuellen Schadensersatzprozess kein Einschätzungs- und Beweisrisiko tragen zu müssen, muss gegenüber den grundsätzlichen Interessen an der Geheimhaltung der Angebote anderer Bieter zurücktreten.

Der von der Klägerin herangezogene Vergleich zu § 165 GWB hinkt, da der Gesetzgeber sich bei Vergaben im Unterschwellenbereich gerade – anders als im Vergabe-nachprüfungsverfahren oberhalb der Schwellenwerte – gegen einen gesetzlich normiertes Recht zur Akteneinsicht entschieden hat. Die Regelungen des GWB über den Rechtsschutz im Vergabeverfahren finden im Unterschwellenbereich weder direkte noch entsprechende Anwendung.

3.              Auch ein etwaiger, insbesondere weitergehender Auskunftsanspruch gemäß § 810 BGB in Verbindung mit § 20 VOB/A scheidet aus.

Vergabeakten dürften zwar auch im Interesse der am Vergabeverfahren teilnehmenden Bieter errichtet sein (Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 810 Rn. 6). Ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung ist aber die Schutzwürdigkeit des Interesses. Daran fehlt es, wenn die Einsichtnahme der Ausforschung des Anspruchsgegners dienen soll. Die Einsichtnahme ist auch unzulässig, wenn ein Schadensersatzanspruch gegen den Urkundenbesitzer erhoben werden soll und der darlegungspflichtige Anspruchsteller die Kenntnis der den Ersatzanspruch begründenden Tatsachen erst durch die Einsichtnahme erwerben will (Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 810 Rn. 11). Insofern gilt die entsprechende Wertung zu § 242 BGB. Der Anspruch aus § 810 BGB geht nicht über denjenigen nach § 242 BGB hinaus. Zu den Voraussetzungen des § 810 BGB gehört die Schutzwürdigkeit des Gläubigers. Hierzu zählt wiederum die Abwägung mit Gegeninteressen des Urkundenbesitzers: So ist die Einsichtnahme nicht zu gestatten, wenn sie für die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht erforderlich ist (vgl. Habersack in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 810, Rn. 11). Im Streitfall begehrt die Klägerin eher eine Ausforschung als eine letzte Klarheit. Sie möchte nahezu umfassend über die Gründe der Auswahlentscheidung informiert werden, um so deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Jedenfalls wäre aber das Einsichtsrecht des § 810 BGB durch die entsprechenden Vorschriften der VOB/A begrenzt.

4.              Die Feststellungsklage ist bereits unzulässig, da die Existenz von Unterlagen kein Rechtsverhältnis darstellt, sondern bloße Vorfrage eventueller Ansprüche ist. Ferner besteht für die Feststellungsanträge kein Feststellungsinteresse an einer entsprechenden Vorabentscheidung, da aus der unterbliebenen Vorlage der begehrten Unterlagen im Schadensersatzprozess die notwendigen Schlussfolgerungen (auch anhand der dort geltenden Darlegungs- und Beweislast) gezogen werden können. Schließlich ist die Bedingung für die Feststellung und deren Überprüfung (Unmöglichkeit) unklar.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird wegen der mit der Sache aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen und im Interesse der Rechtsvereinheitlichung durch Entwicklung höchstrichterlicher Leitlinien zugelassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).

Meta

11 U 14/19

29.01.2020

Oberlandesgericht Köln 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: U

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 29.01.2020, Az. 11 U 14/19 (REWIS RS 2020, 4564)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4564

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