Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17.06.1999, Az. 4 Sa 2587/98

4. Kammer | REWIS RS 1999, 75

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Tenor

1.   Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger auf dem Firmenbriefbogen unter dem Datum des 07.08.1997 nachfolgendes, von einem betrieblichen Vorgesetzten, der zur Einstellung und Entlassung befugt ist, unterzeichnetes Zeugnis zu erteilen:

Zeugnis

              Herr N........... E....... , geb. am 01.12.1962, wohnhaft F.....-R..........-Straße   ...   , ........... O....... , war in der Zeit vom 20.08. 1981 bis zum 30.06.1995 in unserer Rohrzieherei beschäftigt. Herr E.......  hat in dieser Zeit an der Trommel, an der Ziehbank, an der Fixbeize und an der Tandemmaschine gearbeitet; ab Herbst 1992 war er für kurze Zeit im Bereich des innerbetrieblichen Warentransports tätig.

              Herr E.......  hat die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt. Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war stets korrekt.

              Das Arbeitsverhältnis wurde einvernehmlich zum 30.06.1995 beendet.

2.   Im übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

3.   Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu ¼ und die Beklagte zu ¾ zu tragen.

4.   Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.002,00 DM = 2.557,48  festgesetzt.

5.   Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Berichtigung eines qualifizierten Zeugnisses.

Die Beklagte betreibt eine Metallrohrzieherei und beschäftigt mehr als 100 Arbeitnehmer. Bei ihr war der 1962 geborene Kläger seit dem 20.08. 1981 als Arbeiter beschäftigt. Er hatte zunächst an der Trommel, dann an der Ziehbank, an der Fixbeize und an der Tandemmaschine gearbeitet. Ob er auch am Ofen eingesetzt gewesen ist, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Beklagte hat das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis im Zuge eines Arbeitsplatzabbaus mit Schreiben vom 18.09.1992 zum 15.10.1992 gekündigt. Auf die erhobene Kündigungsschutzklage hin hat das Arbeitsgericht Siegen/Gerichtstag Olpe mit Urteil vom 18.06.1993 (1 Ca 1359/92) die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Trommelarbeiter verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 08.03.1994 (11/3 Sa 1540/93) das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung bestätigt, aber die Klage auf Weiterbeschäftigung als unzulässig zurückgewiesen, weil die Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts durch Beschluß vom 01.02.1994 (9 Ta 20/94) einen Zwangsgeldbeschluß des Arbeitsgerichts Siegen/Gerichtstag Olpe vom 07.12.1993 (1 Ca 1359/92) mit der Begründung aufgehoben habe, die Weiterbeschäftigung des Klägers sei unmöglich, da aufgrund der Personalreduzierung sein Arbeitsplatz praktisch nicht mehr vorhanden sei.

Mit Urteil des Arbeitsgerichts Siegen/Gerichtstag Olpe vom 20.01.1995 (1 Ca 1932/94) wurde die Beklagte erneut verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Trommelarbeiter zu beschäftigen. Am 10.02.1995 buchte der Kläger, welcher türkischer Staatsangehöriger ist, eine Pilgerfahrt nach Mekka, welche in seinem Heimatland einmal im Jahr anläßlich des türkischen Osterfestes stattfindet. Die Reise von der Türkei nach Saudi-Arabien kostet ca. 8.000,00 DM.

Nach Arbeitsaufforderung in einem Gespräch vom 05.04.1995 zwischen den Prozeßbevollmächtigten der Parteien, dessen Inhalt im übrigen streitig ist, nahm der Kläger am 10.04.1995 sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten wieder auf. Nach mehrfachem Schriftwechsel zwischen den Prozeßbevollmächtigten der Parteien trat der Kläger am Morgen des 25.04.1995 seine Pilgerfahrt nach Mekka bis einschließlich 19.05.1995 an. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 27.04.1995 nach Anhörung des Betriebsrats das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30.06.1995. Hiergegen hat der Kläger Kündigungsschutzklage erheben lassen und seine Weiterbeschäftigung begehrt. Durch Urteil vom 24.01.1996 (2 Ca 810/95) hat das Arbeitsgericht Siegen/Gerichtstag Olpe unter Abweisung der Klage im übrigen festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem Ablauf des 30.06. 1995 fristgemäß beendet worden ist. In dem Berufungsverfahren haben die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht Hamm am 14.02.1997 (15 Sa 1196/96) einen Vergleich geschlossen, in dem es u. a. heißt:

Vergleich

1.              Die Parteien sind sich darüber einig, daß ihr Arbeitsverhältnis durch fristgerechte Kündigung seitens der Beklagten mit Ablauf des 30.06.1995 geendet hat.

2.              Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger wegen des Verlustes seines sozialen Besitzstandes eine Abfindung in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 80.000,00 DM (i. W.: achtzigtausend Deutsche Mark) zu zahlen. Die Parteien sind sich darüber einig, daß eventuelle Steuern und Abgaben, die auf die Abfindung anfallen, vom Kläger zu tragen sind.

3.              Die Beklagte erteilt dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

4.              ...

Nach mehrfacher Aufforderung durch seine Prozeßbevollmächtigten ließ die Beklagte dem Kläger durch ihren Prozeßbevollmächtigten mit Anschreiben vom 16.09.1997 ein Arbeitszeugnis zukommen, welches mit „i. V. H........... , Rechtsanwalt“ unterzeichnet ist und folgenden Inhalt hat:

Zeugnis

Herr N........... E....... , F.....-R..........-Straße   ...   , ........... O....... , * 1962, war in der Zeit vom 20.08.1981 bis zum 30.06.1995 in unserer Rohrzieherei beschäftigt. Bis zum Herbst 1992 war Herr E.......  als Rohrzieher an einer entsprechenden Maschine eingesetzt; danach war er für kurze Zeit im Bereich des innerbetrieblichen Warentransports tätig.

Wir haben Herrn E.......  als stets rührigen und vielseitig fähigen Mitarbeiter kennengelernt, der alle ihm eingeräumten Möglichkeiten wahrnahm und im Betrieb einen hohen Wirkungsgrad erreichte.

Das Arbeitsverhältnis wurde einvernehmlich zum 30.06.1995 beendet.

Mit seiner bei dem Arbeitsgericht am 19.02.1998 eingegangenen Klage hat der Kläger gerügt, das Arbeitszeugnis sei nicht geeignet, ihm als Bewerbungsunterlage zu dienen. Die Unterzeichnung durch einen Prozeßbevollmächtigten entspreche nicht den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Zeugnis. Die Behauptung, man habe mit diesem Zeugnis lediglich die positiven Seiten beschreiben wollen, sei nicht nur als ironisch, sondern auch als höhnisch zu bezeichnen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Zeugnis, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung während des Arbeitsverhältnisses erstreckt, in nachfolgender Fassung zu erteilen:

Arbeitszeugnis

Herr N.......... E....... , F.....-R..........-Straße   ...   , ...... O....... , geb. 1962, war in der Zeit vom 20.08.1981 bis zum 30.06.1995 in unserer Rohrzieherei beschäftigt. Herr E.......  hat in dieser Zeit gearbeitet an der Trommel, an der Ziehbank, an der Fixbeize, am Ofen und an der Tandemmaschine; u. a. war er auch für kurze Zeit im Bereich des innerbetrieblichen Warentransports tätig.

Herr E.......  hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt. Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war stets korrekt.

Das Arbeitsverhältnis ist aufgrund einvernehmlicher Regelung zum 30.06.1995 beendet worden. Für die Zukunft wünschen wir Herrn E.....  alles Gute.

(Ort), (Datum)

(Unterschrift)

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf den Rechtsstandpunkt gestellt, dem Kläger ein wahrheitsgemäßes und wohlwollendes Zeugnis erteilt und damit seinen Anspruch erfüllt zu haben. Der Kläger habe während seiner Tätigkeit in ihrem Betrieb intensiv gearbeitet, was sich auch in der Höhe des tatsächlich erzielten Akkordlohnes niedergeschlagen habe. Deshalb sei es gerechtfertigt, ihn als „stets rührig“ zu bezeichnen. Die Bewertung als „vielseitig fähiger Mitarbeiter“ sei auch deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger in verschiedenen Bereichen eingesetzt gewesen sei und seine jeweiligen Leistungen dort keine Veranlassung zur Beanstandung gegeben hätten. Es sei eine Tatsachenangabe, daß der Kläger „all die ihm eingeräumten Möglichkeiten wahrnahm“. Die entsprechende Formulierung könne allein schon deshalb nicht kritikwürdig sein. Sie sei im übrigen für den unbefangenen Leser positiv gesetzt im Sinne der Wahrnehmung z. B. von Weiterbildungsmöglichkeiten oder der Möglichkeit der Ableistung von Überstunden. Die Formulierung, daß der Kläger „im Betrieb einen hohen Wirkungsgrad erreichte“, sei mit der bereits erwähnten Akkordleistung des Klägers begründet.

Das Arbeitsgericht Siegen/ Gerichtstag Olpe hat durch Urteil vom 21.10.1998 (2 Ca 204/98) wie folgt für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger nachfolgendes Zeugnis zu erteilen:

Arbeitszeugnis

Herr N....... E....... , F.....-R..........-Straße   ...   , ......... O....... , geb.1962, war in der Zeit vom 20.08.1981 bis zum 30.06.1995 in unserer Rohrzieherei beschäftigt. Herr E.......  hat in dieser Zeit gearbeitet an der Trommel, an der Ziehbank, an der Fixbeize, am Ofen und an der Tandemmaschine; u. a. war er auch für kurze Zeit im Bereich des innerbetrieblichen Warentransports tätig.

Herr E.......  hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt. Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war stets korrekt.

Das Arbeitsverhältnis ist aufgrund einvernehmlicher Regelung zum 30.06.1995 beendet worden. Für die Zukunft wünschen wir Herrn E.......  alles Gute.

(Ort), (Datum)

(Unterschrift)

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 4.000,00 DM festgesetzt.

Gegen das ihr am 25.11.1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.12.1998 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Sie trägt vor, das ihr im Urteil des Arbeitsgerichts vorgeschriebene Zeugnis entspreche nicht den Tatsachen. Sie könne nicht durch Urteil dazu verpflichtet werden, ein sachlich falsches Zeugnis auszustellen. Sachlich falsch sei es nämlich, daß der Kläger „in der Zeit vom 20.08.1981 bis zum 30.06.1995 in unserer Rohrzieherei beschäftigt“ gewesen und daß er „in dieser Zeit“ an den im Zeugnis näher bezeichneten Maschinen gearbeitet habe. Richtig sei vielmehr, daß der Kläger nur bis zum Herbst 1992 an den entsprechenden Maschinen gearbeitet habe.

Das Arbeitsgericht habe die in dem von ihr ausgestellten Zeugnis enthaltenen positiven Bewertungen einer Interpretation zugeführt, die nach den Regeln des deutschen Sprachgebrauchs nicht zulässig sei. Die im Sprachgebrauch positiv besetzten Formulierungen wie „vielseitig fähig“ und „stets rührig“ in ihr Gegenteil zu verkehren und zu interpretieren als „zu allem fähig“ und als „erfolglos“, wie dies im Urteil mit dem Hinweis auf einen Mitarbeiter, der zwar viel tue, im Ergebnis aber nichts bringe, umschrieben werde, sei nach den Grundsätzen der deutschen Sprache fehlerhaft (Beweis: Sachverständigengutachten). Dies gelte insbesondere dann, wenn – wie in dem von ihr ausgestellten Zeugnis geschehen – gleichzeitig berichtet werde, daß der Mitarbeiter „im Betrieb einen hohen Wirkungsgrad erreichte“. Die Bestätigung eines hohen Wirkungsgrades einerseits und die dem Mitarbeiter attestierte Rührigkeit schließe die von dem Arbeitsgericht vorgenommene Interpretation, es werde über einen Mitarbeiter berichtet, der zwar viel tue, im Ergebnis aber nichts bringe, aus (Beweis: Sachverständigengutachten).

Es sei nicht ersichtlich, auf welcher Rechtsgrundlage der Kläger von ihr die Wahl bestimmter Formulierungen für die Bewertung seiner Leistung und Führung verlangen könnte. Sie habe zu keinem Zeitpunkt bestritten, daß der im Akkord eingesetzte Kläger fleißig gearbeitet habe und daß er dabei auch erfolgreich gewesen sei. Dies sei ihm bei verständiger Würdigung der im Zeugnis enthaltenen Angaben und Formulierungen von ihr auch bescheinigt worden. Es sei nicht ersichtlich, warum sie gehalten gewesen wäre, ihre Führungs- und Leistungsbeurteilung bezüglich der Person des Klägers in die von ihm gewünschte Formulierung zu fassen. Sie sei ohne jede Einschränkung der deutschen Sprache mächtig und sie beabsichtige nicht, sich vom Kläger oder vom Arbeitsgericht vorschreiben zu lassen, daß sie eine objektiv richtige Darstellung abzuändern und dadurch eine objektiv unrichtige Darstellung in ein Zeugnis aufzunehmen habe. Sie beabsichtige auch nicht, von ihr gewählte, im deutschen Sprachgebrauch positiv besetzte Formulierungen und damit auch sich selbst verbiegen zu lassen, nur weil sich der Kläger ein aus Textbausteinen formularmäßig vorbereitetes Zeugnis wünsche.

Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, daß sie ihm im Rahmen des Zeugnisses für die Zukunft alles Gute wünsche. Hier wolle sie nicht verhehlen, daß es ihren Grundsätzen widerspreche, einem ehemaligen Mitarbeiter, der sie jahrelang mit Rechtsstreitigkeiten überzogen habe, für die Zukunft alles Gute zu wünschen. Wünsche seien bekanntlich das Spiegelbild subjektiver Empfindungen desjenigen, der die Wünsche zum Ausdruck bringe. Ihre subjektiven Empfindungen seien beim Gedanken an das Verhalten des Klägers aber nicht so, daß daraus der auch noch in Schriftform zu kleidende und damit dauerhaft zu fixierende Wunsch nach einer guten Zukunft des Klägers abgeleitet werden könnte. Das Zeugnis sei auch ordnungsgemäß unterzeichnet. Zwar habe es ihr Prozeßbevollmächtigter unterschrieben, doch sei dieser gemäß § 3 BRAO der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Das gemäß § 3 Abs. 3 BRAO gegebene Recht, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art – also auch in Zeugnisangelegenheiten und hier auch bei der Unterzeichnung eines Arbeitszeugnisses – anwaltlich vertreten zu lassen, könne durch die Rechtsprechung nicht eingeschränkt werden. Das Recht des Rechtsanwalts, in Rechtsangelegenheiten aller Art – also auch bei der Unterzeichnung eines Arbeitszeugnisses – aufzutreten, könne gemäß § 3 Abs. 2 BRAO nicht durch die Rechtsprechung, sondern allenfalls durch ein Bundesgesetz beschränkt werden. Ein solches Bundesgesetz existiere – gottlob – (noch) nicht. Demgemäß sei das von ihrem Prozeßbevollmächtigten unterschriebene Zeugnis auch formal in Ordnung.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage kostenpflichtig abzuweisen sowie den Wert des Streitgegenstandes festzusetzen und die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung unter Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Urteils zurückzuweisen, den Wert des Streitgegenstandes festzusetzen und die Revision zuzulassen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, das von der Beklagten tatsächlich erteilte Zeugnis verstoße gegen die Grundsätze der Zeugniserteilung und dem Zweck eines Zeugnisses, dem Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen zu dienen. Sowohl die äußere Form (Unterschrift eines Prozeßbevollmächtigten) wie auch die Wortwahl entsprächen nicht den im Geschäftsverkehr üblichen und von Dritten auch erwarteten Gepflogenheiten. Mit dem von der Beklagten erteilten Zeugnis habe er keine Chance, sich erfolgreich zu bewerben. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu den Mängeln des Arbeitszeugnisses seien zutreffend, so daß er sich voll umfänglich dieses zu eigen mache.

Im übrigen müsse sich die Beklagte entgegenhalten lassen, daß im Arbeitszeugnis die Dauer des rechtlichen Bestandes des Arbeitsverhältnisses anzugeben sei und nicht der Zeitpunkt, ab welchem sie ihn zu Unrecht nicht mehr weiterbeschäftigt habe, weil sie das Arbeitsverhältnis gekündigt habe. Durch den Hinweis, daß er bereits lange Zeit vor der rechtlichen Beendigung des Vertragsverhältnisses keine Leistungen mehr für die Beklagte erbracht habe, würde bei jedem verständigen Leser der Eindruck erweckt werden, das Arbeitsverhältnis sei in erheblichem Maße gestört gewesen. Dadurch würde ein negativer Eindruck in Hinsicht auf seine Person sowie der Gedanke an eine Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hervorgerufen werden. Die Ausführungen der Beklagten zu den Grundsätzen der deutschen Sprache gingen fehl, wobei nicht bestritten werden solle, daß der Autor des im Streite stehenden Zeugnisses der deutschen Sprache durchaus mächtig sei. Vielmehr nutze dieser seine ohne Zweifel vorhandenen Sprachkenntnisse sowie die Vieldeutigkeit der deutschen Sprache aus, um – wenn auch versteckt bzw. „durch die Blume“ – zum Ausdruck zu bringen, daß er über das Verhalten von ihm, dem Kläger, im Rahmen der vielfältigen arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen mehr als verärgert und gekränkt sei, und seinem ehemaligen Mitarbeiter alles andere als Wohlwollen entgegenbringe und ihm für die Zukunft jedenfalls nichts Gutes wünsche. Es möge durchaus sein, daß die Bezeichnungen „vielseitig fähig“, „stets rührig“ und „hoher Wirkungsgrad“ jeder für sich allein und in einem anderen Kontext durchaus positiv gemeint sein könnten. In einem Arbeitszeugnis der vorliegenden Art mit dieser Verknüpfung und im Zusammenspiel mit der sonstigen Form des Zeugnisses (ohne Grußformel und von einem Anwalt unterzeichnet) könnten diese Formulierungen jedoch für einen verständigen Leser nur negative Eindrücke über den betreffenden Arbeitnehmer auslösen. Der Arbeitgeber sei sicherlich nicht gezwungen, unrichtige Darstellungen zu übernehmen oder dies „verbiegen“ zu lassen, insbesondere könne er nicht gezwungen werden, einer besonderen Sympathie Ausdruck zu verleihen, die nicht vorhanden sei. Er sei aber verpflichtet, das Zeugnis so zu formulieren, daß es dem beruflichen Fortkommen nicht schade, also negative Eindrücke zu vermeiden, wenn dafür keine gravierenden objektiven Gründe vorhanden seien. Die rein subjektive, persönliche Einstellung des Zeugnisverfassers, die mit den Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers nichts zu tun hätten, hätten jedenfalls in einem Arbeitszeugnis nichts zu suchen.

Sowohl das Fehlen jeder Schluß- und Grußformel wie auch die Unterzeichnung durch einen Anwalt würden ihm, dem Kläger, bei Bewerbungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit negativ ausgelegt, da die Unterzeichnung durch einen Anwalt statt durch einen Mitarbeiter des Betriebes völlig unüblich sei und das Fehlen jeder Gruß- und Dankesformel auf Auseinandersetzungen bei der Beendigung des Vertrages hinwiesen.

Der Kläger hat das ihm mit Datum vom 07.08.1997 erteilte Originalzeugnis mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 16.03.1999 der Beklagten über deren Prozeßbevollmächtigten zurückgesandt.

Die Parteien haben in der Berufungsverhandlung unstreitig gestellt, daß der Kläger zuletzt einen Verdienst von 5.002,‑‑ DM erzielt hat.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Gerichtsakten gereichten Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die aufgrund entsprechender Beschwer statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie rechtzeitig ordnungsgemäß begründete Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg und führt unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen zu einer entsprechenden Abänderung des angefochtenen Urteils.

1. Entspricht das einem gewerblichen Arbeitnehmer nach § 113 GewO erteilte Zeugnis nicht der vorgeschriebenen Form, ist es inhaltlich unrichtig oder hat der Arbeitgeber bei der Bewertung von Führung und Leistung seinen Beurteilungsspielraum überschritten, kann der Mitarbeiter verlangen, daß das Zeugnis nachträglich abgeändert wird.

1.1. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung soll der Arbeitnehmer damit den ursprünglichen Erfüllungsanspruch geltend machen, weil der Arbeitgeber mit dem unzutreffenden Zeugnis seine Pflicht zur Erteilung eines formgerechten, wahrheitsgemäßen und wohlwollenden Zeugnisses nicht nachgekommen sei (BAG v. 23.06.1960, AP Nr. 1 zu § 73 HGB [A. Hueck] = AR-Blattei ES 1850 Nr. 3 = „Zeugnis: Entsch. 3“; BAG v. 23.02.1983, AP Nr. 10 zu § 70 BAT = EzA § 70 BAT Nr. 15; BAG v. 17.02.1988, AP Nr. 17 zu § 630 BGB [van Venrooy] = AR-Blattei ES 1850 Nr. 27 = „Zeugnis: Entsch. 27“ = EzA § 630 BGB Nr. 12 = NZA 1988, 427 = SAE 1989, 59 [M. Wolff]; zust. Huber, Das Arbeitszeugnis in Recht und Praxis, 5. Aufl. 1997, S. 38 f.).

1.1.1. Dies ist zutreffend, soweit es darum geht, die formale Vollständigkeit des Zeugnisses sicherzustellen. Solange etwa das erteilte einfache Zeugnis keine Aussage zur Art der Tätigkeit enthält, solange etwa im qualifizierten Zeugnis zur Führung des Mitarbeiters nicht Stellung genommen wird, hat der Arbeitnehmer nicht das Zeugnis in der Hand, welches er als technischer Angestellter nach § 113 GewO beanspruchen kann. Seine Forderung ist noch nicht erfüllt. Soweit das Zeugnis formal unvollständig ist, kann seine Ergänzung im Vollstreckungsverfahren durchgesetzt werden, weil insoweit schon der korrekte Titel klarstellt, wie das Zeugnis formal auszusehen hat (RGRK-Eisemann, § 630 BGB Rz. 77; Berscheid/Kunz, Praxis des Arbeitsrechts, Teil 4 Rz. 2567). Eine nicht gehörige Erfüllung der Zeugniserteilungspflicht durch Ausstellung eines nicht ordnungsgemäßen Zeugnisses ist einer Nichterfüllung im Sinne des § 888 ZPO gleichzuachten (LAG Düsseldorf v. 08.01.1958, AP Nr. 1 zu § 888 ZPO).

1.1.2. Enthält das Zeugnis Unrichtigkeiten oder nimmt es zwar zu allen Punkten Stellung, ist aber in Teilen nicht so umfassend, wie es § 113 GewO vorsieht, oder verstößt es gegen andere Grundsätze der Zeugniserteilung, kann nicht mehr von fehlender Erfüllung, sondern nur von Schlechterfüllung gesprochen werden. Zur Beseitigung von Mängeln des Zeugnisses steht der Erfüllungsanspruch jedoch nicht (mehr) zur Verfügung. Allein aus dem Umstand, daß das Gesetz keinen Anspruch auf „Berichtigung“ des Zeugnisses enthält, folgt nicht zwingend, daß den Erfüllungsanspruch geltend macht, wer Berichtigung verlangt (RGRK-Eisemann, a.a.O.; Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2568). Das Gericht müßte den Antrag auf „Berichtigung“ eines Zeugnisses zurückweisen, nachdem der Arbeitgeber zuvor rechtskräftig verurteilt wurde, dem Arbeitnehmer ein qualifiziertes bzw. einfaches Zeugnis zu erteilen (res judicata). Für die Berichtigung wegen Verstößen gegen die Grundsätze der Zeugniserteilung kann man den Berechtigten nicht einmal auf das Vollstreckungsverfahren verweisen, in welchem er die Ergänzung des Titels auf den konkreten, von ihm gewünschten Inhalt des Zeugnisses nicht erreichen kann (LAG München v. 23.05. 1967, AP Nr. 7 zu § 888 ZPO; LAG Frankfurt/Main v. 16.06.1989, LAGE § 630 BGB Nr. 7). Die gerichtliche Durchsetzung des berechtigten Abänderungsverlangens wäre damit für alle Fälle abgeschnitten, in denen ein Titel vorliegt, der den Arbeitgeber schon verpflichtet, ein Zeugnis zu erteilen (RGRK-Eisemann, a.a.O.; Berscheid/Kunz, a.a.O.).

1.1.3. Anspruchsgrundlage für die Zeugnisberichtigung ist nicht § 113 GewO, sondern die allgemeine Fürsorgepflicht. §113 GewO konkretisiert für die gewerblichen Arbeiter und technischen Angestellten – wie die vergleichbaren Regelungen für die kaufmännischen Angestellten (§ 73 HGB) oder für alle übrigen Arbeitnehmer (§ 630 BGB) – die Fürsorgepflicht für das Zeugnisrecht nicht abschließend. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei allen Maßnahmen auf das Wohl und die berechtigten Interessen seiner Mitarbeiter Rücksicht zu nehmen (BAG v. 25.02.1959, AP Nr. 6 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht). Er darf ihr berufliches Fortkommen nicht unzulässig behindern (BAG v. 27.11.1985, AP Nr. 93 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht [Echterhölter] = AR-Blattei ES 1260 Nr. 4 = „Persönlichkeitsrecht: Entsch. 4“ = EzA § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 38; BAG v. 13.04.1988, AP Nr. 100 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht [Conze] = EzA § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 47 [Buchner]). Er ist daher auch aufgrund (nachwirkender) Fürsorgepflicht gehalten, soweit dies von ihm billigerweise verlangt werden kann, alles zu vermeiden, was sich bei der Suche des (ausgeschiedenen) Mitarbeiters nach einem neuen Arbeitsplatz für ihn nachteilig auswirken kann (BAG v. 31.10.1972, AP Nr. 80 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht [Herschel] = AR-Blattei ES 740 Nr. 18 = „Fürsorgepflicht des Arbeitgebers: Entsch. 18“ = EzA § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 15). Zeugnisse, die unrichtig sind oder nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form entsprechen, müssen daher abgeändert werden, soweit sie geeignet sind, den Mitarbeiter in seinem beruflichen Fortkommen zu hindern (LAG Hamm v. 13.02.1992 – 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB Nr. 16; LAG Hamm v. 01.12.1994 – 4 Sa 1631/94, LAGE § 630 BGB Nr. 28 = EzBAT § 61 BAT Nr. 25).

1.2. Der „Berichtigungsanspruch“ geht auf Abänderung des schon erteilten Zeugnisses und unterliegt nicht tariflichen Verfallfristen (ArbG Siegen v. 30.05. 1980, EzA § 4 TVG Ausschlußfristen Nr. 43 = ARST 1980, 192; a.A. LAG Hamm v. 24.08.1977, AR-Blattei ES 1850 Nr. 21 = „Zeugnis: Entsch. 21“ = BB 1977, 1704; BAG v. 23.02.1983, AP Nr. 10 zu § 70 BAT = EzA § 70 BAT Nr. 15). Die Berichtigung besteht darin, daß der Arbeitgeber erneut ein Zeugnis erteilt, welches die geforderten Berichtigungen berücksichtigt, soweit sie berechtigt waren (RGRK-Eisemann, Rz. 78, m.w.N.). Der Arbeitnehmer braucht sich nicht auf eine bloße Korrektur der ursprünglichen Urkunde einzulassen. Sie würde ihn in seinem beruflichen Fortkommen hindern, weil jeder Dritte dem Zeugnis entnehmen könnte, daß man über den Inhalt gestritten hat oder an der Echtheit des Zeugnisses zweifeln kann (LAG Bremen v. 23.06.1989, LAGE § 630 BGB Nr. 6).

1.2.1. Hat der Arbeitgeber bereits ein qualifiziertes Zeugnis erteilt, so ist der Anspruch aus § 113 GewO mithin erfüllt. Der Arbeitnehmer, welcher mit einzelnen Bewertungen seiner Person oder Leistungen und/oder mit den Tätigkeits- und Aufgabenbeschreibungen nicht einverstanden ist, ist auf seinen Berichtigungsanspruch mit einem im einzelnen genau spezifizierten Klageantrag zu verweisen, er kann nicht mehr auf bloße Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses klagen (LAG Düsseldorf/Köln v. 21.08.1973, DB 1973, 1853; LAG Hamm v. 13.02.1992 – 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB Nr. 16). Verwirft der Arbeitnehmer aber das ganze Zeugnis, ist er also mit ihm überhaupt nicht einverstanden, so hat er den vollen Wortlaut des von ihm begehrten Zeugnisses in den Klageantrag aufzunehmen. In einem solchen Falle ist alsdann der Streit der Parteien im Rahmen des Klageantrags über die gesamte Inhaltsfrage des Zeugnisses zu klären und festzulegen, welches Zeugnis mit welchem Wortlaut vom Arbeitgeber zu erteilen ist (LAG Düsseldorf/Köln v. 21.08.1973, DB 1973, 1853/1854; LAG Hamm v. 13.02.1992 – 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB Nr. 16). Dabei hat das Gericht die Leistungen des Arbeitnehmers festzustellen, sie nach objektiven Maßstäben zu bewerten und gegebenenfalls ein Zeugnis neu zu formulieren (BAG v. 23.06.1960, AP Nr. 1 zu § 73 HGB [A. Hueck] = AR-Blattei ES 1850 Nr. 3 = „Zeugnis: Entsch. 3“; BAG v. 24.03.1977, AP Nr. 12 zu § 630 BGB = AR-Blattei ES 1850 Nr. 20 = „Zeugnis: Entsch. 20“ = EzA § 630 BGB Nr. 9). Da über einen Arbeitnehmer nur eine Beurteilung existieren darf (LAG Frankfurt v. 23.01.1968, AP Nr. 5 zu § 630 BGB), ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, Zug-um-Zug gegen Rückgabe des beanstandeten Zeugnisses ein neues Zeugnis zu erteilen (LAG Hamm v. 13.02.1992 – 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB Nr. 16, m.w.N.). Dies hat der Arbeitnehmer – sofern er das Zeugnis nicht bereits vorher zurückgegeben hat – auch so zu beantragen, damit in der Zwangsvollstreckung sichergestellt werden kann, daß letztlich nur ein Zeugnis über ihn existent bleibt. Da der Kläger vorliegend das Original des ihm unter dem 07.08. 1997 ausgestellten Zeugnisses mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 16.03.1999 der Beklagten zurückgegeben hat, kam eine Zug-um-Zug-Verurteilung nicht mehr in Betracht.

1.2.2. Der Arbeitgeber ist bei der Ausstellung des Zeugnisses grundsätzlich in seiner Ausdrucksweise frei (ArbG Koblenz v. 11.05.1988, EzBAT § 61 BAT Nr. 14), muß sich aber der in der Praxis allgemein angewandten Zeugnissprache bedienen und bei der Beurteilung des Arbeitnehmers den nach der Verkehrssitte üblichen Maßstab anlegen (so bereits A. Hueck in Anm. zu ARS 17, 282; ferner LAG Breslau v. 05.03.1935, ARS 24, 171 [A. Hueck]; LAG Düsseldorf v. 30.01.1956, AR-Blattei ES 1850 Nr. 2 = „Zeugnis, Entsch. 2“). Geschieht das nicht, kann der Arbeitnehmer Berichtigung seines Zeugnisses verlangen. Die Zeugnissprache ist wie jede Sprache teils deskriptiv (beschreibend), teils evaluativ (bewertend), und zwar unabhängig davon, in welchem räumlichen Teil des Zeugnisses die jeweilige Formulierung formal plaziert ist. Bei der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ist zu unterscheiden, ob die Uneinigkeit der Parteien den deskriptiven oder den evaluativen Bereich betrifft (LAG Köln v. 26.04.1996 – 11/13 Sa 1231/95, AR-Blattei ES 1850 Nr. 39 = NZA-RR 1997, 84). Der Arbeitgeber ist – jedenfalls soweit der Streit um die reine Aufgabenbeschreibung geht – für die Tatsachen beweispflichtig, die der Zeugniserteilung zugrunde liegen (BAG v. 23.06.1960, AP Nr. 1 zu § 73 HGB [A. Hueck] = AR-Blattei ES 1850 Nr. 3 = „Zeugnis: Entsch. 3“; BAG v. 24.03.1977, AP Nr. 12 zu § 630 BGB = AR-Blattei ES 1850 Nr. 20 = „Zeugnis: Entsch. 20“ = EzA § 630 BGB Nr. 9; BAG v. 17.02.1988, AP Nr. 17 zu § 630 BGB [van Venrooy] = AR-Blattei ES 1850 Nr. 27 = „Zeugnis: Entsch. 27“ = EzA § 630 BGB Nr. 12 = NZA 1988, 427 = SAE 1989, 59 [M. Wolff]; LAG Frankfurt/Main v. 10.09.1987, LAGE § 630 BGB Nr. 3; LAG Saarbrücken v. 28.02.1990, LAGE § 630 BGB Nr. 9; zust. Huber, a.a.O., S. 38 f.). Dieser Grundsatz kann jedoch für die Bewertung nur eingeschränkt gelten. Der Arbeitnehmer ist, da er sich vertraglich nur zur Leistung von Arbeit „mittlerer Art und Güte“ (§ 243 Abs. 1 BGB) verpflichtet (siehe dazu Staudinger/Medicus, § 243 BGB Rz. 45; ferner Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2587), lediglich gehalten, eine »befriedigende« Leistung zu erbringen. Ist er der Auffassung, die ihm obliegenden Aufgaben überobligationsmäßig, also mit überdurchsschnittlichem Einsatz erbracht oder einen überdurchschnittlichen Erfolg erzielt zu haben, ist es auch an ihm, die dieser Einschätzung zugrundeliegenden Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfalle zu beweisen (Staudinger/Preis, § 630 BGB Rz. 71; LAG Düsseldorf v. 12.03. 1986, LAGE § 630 BGB Nr. 2). Ein »gutes« oder »sehr gutes« Zeugnis stellt eine Gegenleistung für einen entsprechenden Arbeitseinsatz oder ‑erfolg bzw. für eine besonders herausragende Arbeitsbefähigung oder ‑weise dar. Auch Arbeitsvermögen oder ‑erwartung können herausragend sein. Fordert der Arbeitnehmer eine »sehr gute« Bewertung einzelner oder aller Leistungsgesichtspunkte, muß sein Vortrag die entsprechenden anspruchsbegründenden Tatsachen erkennen lassen, da der Arbeitgeber ansonsten einen Negativbeweis führen müßte (Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2589). Gleiches gilt für die Vollständigkeit des Zeugnisses, wenn der Arbeitnehmer Auslassungen rügt (Berscheid/Kunz, a.a.O.).

2. Die Formulierung des Zeugnisses ist dem Grundsatz nach allein Sache des Arbeitgebers; die Wahl bestimmter Ausdrücke kann ihm der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht vorschreiben. Weder Wortwahl noch Satzstellung noch Auslassungen dürfen jedoch dazu führen, daß bei Dritten – der Wahrheit nicht – entsprechende Vorstellungen erweckt werden (BAG v. 23.06.1960, AP Nr. 1 zu § 73 HGB [A. Hueck] = AR-Blattei ES 1850 Nr. 3 = „Zeugnis: Entsch. 3“). Das Zeugnis darf nicht mit Merkmalen (Geheimzeichen) oder mit geheimen bzw. verschlüsselten Kennzeichen oder Formulierungen versehen werden, welche den Zweck haben, den Arbeitnehmer in einer aus dem Wortlaut des Zeugnisses nicht ersichtlichen Weise zu charakterisieren (§ 113 Abs. 3 GewO). Genügt das Zeugnis diesen Anforderungen, ist es selbst dann nicht unvollständig, wenn der Arbeitgeber sich darauf beschränkt, einzelne Leistungsgesichtspunkte besonders herauszustreichen oder die Gesamtleistung des Arbeitnehmers zusammenfassend zu bewerten. Es hängt von der Position des Arbeitnehmers ab, welche Leistungsgesichtspunkte unter Umständen besonders zu beurteilen sind (siehe dazu Berscheid, WPrax Heft 17/1994, S. 2, 5).

2.1. Verwirft der Arbeitnehmer das erteilte Zeugnis, so ist durch Urteil festzulegen, welches Zeugnis mit welchem Wortlaut vom Arbeitgeber zu erteilen ist (LAG Hamm v. 13.02.1992 – 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB Nr. 16). Dabei hat das Gericht die Leistungen des Arbeitnehmers festzustellen, sie nach objektiven Maßstäben zu bewerten und gegebenenfalls ein Zeugnis zu formulieren (BAG v. 23.06.1960, AP Nr. 1 zu § 73 HGB [A. Hueck] = AR-Blattei ES 1850 Nr. 3 = „Zeugnis: Entsch. 3“; BAG v. 24.03.1977, AP Nr. 12 zu § 630 BGB = AR-Blattei ES 1850 Nr. 20 = „Zeugnis: Entsch. 20“ = EzA § 630 BGB Nr. 9). Das Gericht hat bei der Fassung des Zeugnisses die Grundsätze zu beachten, die ein verständiger und gerecht denkender Arbeitgeber angewandt hätte, wenn er den Arbeitnehmer zu beurteilen gehabt hätte. Das Zeugnis ist also nach Form und Stil objektiv abzufassen, wobei der Verkehrssitte Rechnung zu tragen ist, die mit bestimmten Formulierungen (»er hat sich bemüht«) den Ausdruck des Tadels verbindet oder in Zeugnissen bestimmter Arbeitnehmergruppen die Attestierung gewisser Eigenschaften verlangt, denn der neue Arbeitgeber wird regelmäßig davon ausgehen, daß der Arbeitnehmer diejenigen Qualitäten besitzt, die diesem nach der als innegehabt ausgewiesenen, beruflichen Stellung beizumessen sind (Bischoff, 'Die Haftung gegenüber Dritten für Auskünfte, Zeugnisse und Gutachten', Dissertation, 1971, S. 228, m.w.N.). Der jeweilige Berufskreis schließt aus dem bezeugten Berufsbild auf das Vorliegen der Normaleigenschaften, besonders gelobter Qualitäten und bei gehobenen Berufen auf positiv bezeugte Sonderqualitäten (Bischoff, a.a.O.). Normaleigenschaften gelten um so selbstverständlicher als vorhanden, je mehr die sonstigen Eigenschaften gelobt sind, sie werden eher in Frage gestellt durch sonst knappe, zurückhaltende Formulierungen (Bischoff, a.a.O.).

2.1.1. Das Zeugnis soll einerseits dem Arbeitnehmer als Unterlage für Bewerbungen dienen; seine Belange sind gefährdet, wenn er unterbewertet wird. Daher muß das Zeugnis wohlwollend sein, um ihm den ferneren Lebens- und Arbeitsweg nicht zu erschweren (BAG v. 08.02.1972, AP Nr. 7 zu § 630 BGB = EzA § 630 BGB Nr. 3). Es soll andererseits einem Dritten, der die Einstellung des Zeugnisinhabers erwägt, zur Unterrichtung dienen; seine Belange sind gefährdet, wenn der Arbeitnehmer überbewertet wird. Das Zeugnis muß daher wahr sein (BAG v. 05.08.1976, AP Nr. 10 zu § 630 BGB [Schnorr von Carolsfeld] = AR-Blattei ES 1850 Nr. 17 = „Zeugnis: Entsch. 17“ = EzA § 630 BGB Nr. 8). Die Forderung nach „verständigem Wohlwollen“ hat dort ihre Grenze, wo sich das Interesse des künftigem Arbeitgebers oder Kreditgebers an der Zuverlässigkeit der Grundlagen für die Beurteilung des Arbeitsuchenden ohne weiteres aufdrängt (BGH v. 26.11.1963, AP Nr. 10 zu § 826 BGB), denn es darf bei allem Wohlwollen in einem Zeugnis nichts Unwahres geschrieben werden. Der Arbeitnehmer darf also nicht „weggelobt“ werden (Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2501). Dies gilt vornehmlich auch in den Fällen, in denen sich ein ausgeschiedener Arbeitnehmer selbständig macht und sein günstig ausgestelltes Arbeitszeugnis als Kreditwürdigkeitsempfehlung einsetzt (Berscheid, HwB AR, 1980 „Zeugnis“ Rz. 31). Die Zeugniswahrheit hat als oberster Grundsatz des Zeugnisrechts den zentralen Interessengegensatz zwischen verständigem Wohlwollen zum Zweck des Fortkommens einerseits und zuverlässiger Unterrichtung zum Zweck der Auslese andererseits auszugleichen (vgl. Presch, 'Verdeckte Beurteilungen in qualifizierten Arbeitszeugnissen: Beschreibung, Erklärung, Änderungsvorschläge', in: Januschek [Hrsg.], Politische Sprachwissenschaften, Opladen 1984, S. 307, 335). Sie steht gegenüber diesem primären Gegensatz insofern in einem abgeleiteten, also sekundären Spannungsverhältnis, als sie mögliche interessenegoistische Überschüsse von beiden Seiten einzudämmen hat (Presch, a.a.O.). Wegen dieser Wahrheitspflicht dürfen nur nachprüfbare Tatsachen, dagegen keine Behauptungen, Annahmen oder Verdachtsmomente im Zeugnis enthalten sein (LAG Bremen v. 16.09.1953, AP 1954 Nr. 152). Dabei dürfen einmalige Vorfälle oder Umstände, die für den Arbeitnehmer, seine Führung und Leistung nicht charakteristisch sind, seien sie für ihn vorteilhaft oder nachteilig, nicht enthalten sein, selbst wenn sie zur Lösung des Arbeitsverhältnisses geführt haben (BAG v. 23.06.1960, AP Nr. 1 zu § 73 HGB [A. Hueck] = AR-Blattei ES 1850 Nr. 3 = „Zeugnis: Entsch. 3“; vgl. auch LAG Düsseldorf/Köln v. 09.03.1954, DB 1954, 371).

2.1.2. Damit wird allerdings – was dem Verkehr geläufig ist – die Information verschleiert: Der Leser muß dann auch den unter dem Lob versteckten Tadel heraushören können (Bischoff, a.a.O., § 9 II 2 a, S. 215, m.w.N.; Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2506). Soweit dabei verschlüsselte Zeugnisformulierungen verwendet werden, handelt es sich um ständig wiederkehrende floskelhafte Sätze, die wohlwollender klingen, als sie gemeint sind (BAG v. 12.08.1976, AP Nr. 11 zu § 630 BGB [K. Schleßmann] = EzA § 630 BGB Nr. 7). Der betroffene Arbeitnehmer glaubt in diesen Fällen, daß seine Leistungen gebührend gewürdigt seien, jedoch ist sein Bedürfnis nur scheinbar befriedigt: Er weiß weder, daß auch die positiven Formulierungen Disqualifikationen darstellen können, noch kennt er den Informationswert, den das Zeugnis anhand der nicht erwähnten Tatsachen enthält. Die scheinbar lobenden Bemerkungen lassen ihn ferner glauben, er habe für die künftigen Bewerbungen oder Kreditgesuche eine gute Empfehlung zur Hand. Auch wenn sich der Arbeitgeber bei der Formulierung des Zeugnisses der in der Praxis allgemein angewandten Zeugnissprache bedienen soll (LAG Düsseldorf v. 30.01.1956, AR-Blattei ES 1850 Nr. 2 = „Zeugnis, Entsch. 2“), so haben die Gerichte, wenn sie ein Zeugnis neu formulieren müssen, bei der Wort- und Ausdruckswahl größeren Wert auf Transparenz zu legen, denn entscheidend ist, daß jeder, der das Zeugnis sieht, die im wesentlichen gleichen Vorstellungen vom Zeugnisinhaber bekommt (Bischoff, a.a.O., § 9 II 2 a, S. 215). Der Leser darf nicht harmlos oder positiv klingenden Formulierungen aufsitzen (Presch/Gloy, Verschlüsselte Formulierungen in Arbeitszeugnissen, in Sprachnormen II, Reihe „problemata“ Band 47, 1976, S. 177; Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2508), noch dürfen negative Eigenschaften durch die Wort- und Ausdruckswahl in ihr Gegenteil verkehrt werden, so daß zum Beispiel einem Metzgerlehrling, der Knochen entwendet hat, nicht bescheinigt werden darf, er sei »getreu bis auf die Knochen« (Bischoff, a.a.O.).

2.2. Ein ordnungsgemäßes qualifiziertes Arbeitszeugnis muß sich nach dem Gesetz über die folgenden vier Punkte verhalten (Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2332; Huber, a.a.O., S. 23 f.), nämlich über

–              die Dauer des Arbeitsverhältnisses,

–              die Art des Arbeitsverhältnisses,

–              die Leistungen des Arbeitnehmers,

–              die Führung des Arbeitnehmers.

Das qualifizierte Zeugnis enthält demnach stets die im einfachen Zeugnis enthaltenen Angaben zu Art und Dauer der Beschäftigung. Das folgt schon aus dem Wortlaut der hier einschlägigen Vorschrift des § 113 Abs. 1 GewO. Das Zeugnis ist auf Führung und Leistung auszudehnen (§ 113 Abs. 2 GewO). Selbst auf Wunsch des Arbeitnehmers darf es sich nicht ausschließlich auf Führung oder Leistung beschränken LAG Frankfurt/Main v. 23.01.1968, AP Nr. 5 zu § 630 BGB). Dies gilt sowohl bei einem Schlußzeugnis (LAG Hamm v. 01.12.1994 – 4 Sa 1631/94, LAGE § 630 BGB Nr. 28 = EzBAT § 61 BAT Nr. 25) als auch bei einem Zwischenzeugnis (LAG Hamm v. 08.07.1993 – 4 Sa 171/93, n.v.). Es reicht nicht aus, daß sich aus der positiven Leistungsbeurteilung gewisse positive Rückschlüsse auf die Führung des Arbeitnehmers schließen lassen (LAG Düsseldorf v. 30.05. 1990, LAGE § 630 BGB Nr. 10).

2.2.1. Arbeitgeber und Gericht haben nicht nur die Zeugnissprache, sondern auch die gebräuchliche Gliederung eines qualifizierten Zeugnisses zu beachten, denn diese hat sich inzwischen weitgehend standardisiert (Berscheid/ Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2365). Welche Grundelemente ein qualifiziertes Zeugnis enthalten muß, ist in dem einen oder anderen Punkte noch umstritten. Es müssen nicht in jedem Zeugnis alle Gesichtspunkte ausführlich enthalten sein, sondern sie können auch zusammengefaßt werden. Allgemein enthält ein qualifiziertes Schluß‑ bzw. Zwischenzeugnis, wie die erkennende Kammer wiederholt entschieden hat (LAG Hamm v. 21.12.1993 – 4 Sa 880/93, AR-Blattei ES 1850 Nr. 36 [Grimm] = BB 1995, 154; LAG Hamm v. 12.07.1994 – 4 Sa 192/94, LAGE § 630 BGB Nr. 27; LAG Hamm v. 12.07.1994 – 4 Sa 564/94, LAGE § 630 BGB Nr. 26; LAG Hamm v. 01.12.1994 – 4 Sa 1631/94, LAGE § 630 BGB Nr. 28 = EzBAT § 61 BAT Nr. 25; LAG Hamm v. 27.02.1997 – 4 Sa 1691/96, NZA-RR 1998, 151; LAG Hamm v. 28.08.1997 – 4 Sa 1926/96, NZA-RR 1998, 490), folgende Grundelemente (siehe dazu auch Weuster, AiB 1992, 327, 331; Huber, a.a.O., S. 45; Berscheid, HwB AR, 1980 „Zeugnis“ Rz. 36; ders., WPrax Heft 21/1994, S. 3 ff.; Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2368):

Firmenbogen

Firmenbriefkopf

Angaben zum Arbeitgeber

Überschrift

(Schluß‑)Zeugnis

Zwischenzeugnis

Ausbildungszeugnis

Praktikantenzeugnis

Eingangsformel

Personalien des Arbeitnehmers

Akademische Titel

Dauer des Arbeitsverhältnisses

Vordienst‑ oder Ausbildungszeiten

Unterbrechungen der Beschäftigung

Aufgabenbeschreibung

Unternehmen/

Branche

Hierarchische Position

(Kompetenzen/Verantwortung)

Berufsbild/

Berufsbezeichnung

Aufgabengebiet

Art der Tätigkeit

Berufliche

Entwicklung

Leistungsbeurteilung

Arbeitsbefähigung

(Können)

Arbeitsbereitschaft

(Wollen)

Arbeitsvermögen

(Ausdauer)

Arbeitsweise

(Einsatz)

Arbeitsergebnis

(Erfolg)

Arbeitserwartung

(Potential)

Herausragende Erfolge oder Ergebnisse

(Patente — Verbesserungsvorschläge)

Zusammenfassende Leistungsbeurteilung

(Zufriedenheitsaussage — Erwartungshaltung)

Führungsleistung

(nur bei Führungskräften)

Abteilungsleistung

Gruppenleistung

Mitarbeitermotivation

Betriebsklima

Verhaltensbeurteilung

Vertrauenswürdigkeit

(Loyalität — Ehrlichkeit)

Verantwortungsbereitschaft

(Pflichtbewußtsein — Gewissenhaftigkeit)

Sozialverhalten

(Zusammenfassende Führungsbeurteilung)

Verhalten zu

Vorgesetzten

Verhalten zu

Gleichgestellten

Verhalten zu

Untergebenen

Verhalten zu

Dritten (Kunden)

Beendigungsmodalität

(bei Schlußzeugnis)

Zeugnisvergabegrund

(bei Zwischenzeugnis)

Schlußformel

(bei Schlußzeugnis)

Dankes-Bedauern-Formel

(Wiedereinstellungszusage)

Zukunftswünsche

(Einstellungsempfehlung)

Aussteller

Ort — Datum

Unterschrift (ggf. Vertretungsbefugnis)

Vorliegend sind zwischen den Parteien die Aufgaben‑ und Tätigkeitsbeschreibung, die Führungs‑ und Leistungsbewertung, die Schlußformel und die Person des Ausstellers im Streit.

2.2.2.               Die Art der Beschäftigung und die Beschreibung des Aufgabengebietes gehen in Arbeitszeugnissen meist ineinander über. Auch wenn nicht alle Punkte in jedem Zeugnis ihren Niederschlag finden oder einzelne ineinander übergehen können, so sind die Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer im Laufe des Arbeitsverhältnisses ausgeübt hat, so genau, vollständig und ausführlich zu beschreiben, daß sich künftige Arbeitgeber ein klares Bild hierüber machen können (BAG v. 12.08.1976, AP Nr. 11 zu § 630 BGB [K. Schleßmann] = EzA § 630 BGB Nr. 7). Das kann im Einzelfall für die Beschreibung der Tätigkeit eines Facharbeiters mehr Aufwand erfordern als für die eines Personalsachbearbeiters. Selbstverständlichkeiten für eine Büroangestellte, wie Telefondienst, Ablegen, Fotokopieren, bedürfen keiner Erwähnung (ArbG Wilhelmshaven v. 20.09.1971, ARST 1972, 45). Andererseits ist die Angabe des Berufes allein nicht ausreichend. Ebensowenig reichen Sammelbestimmungen von Aufgabengebieten dann aus, wenn der Arbeitnehmer innerhalb des allgemeinen Aufgabengebietes eine besondere, als solche in den einschlägigen Berufskreisen anerkannte Spezialaufgabe zu bewältigen hatte. Die Art der Tätigkeit ist im Zeugnis möglichst genau und in branchenüblicher Weise zu bezeichnen (Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2394).

2.2.2.1. Die Erläuterungen zum Aufgabengebiet – im einfachen wie im qualifizierten Zeugnis – sind ein getreues Spiegelbild aller vom Zeugnisempfänger ausgeführten Tätigkeiten und Arbeiten. Hilfreich für die Darstellung kann deshalb die Übernahme aus der Stellenbeschreibung, sofern sie auf den neuesten Stand fortgeschrieben ist. Stellenbeschreibungen gehen bei mittleren und gehobenen Positionen in der Regel einer tariflichen Einstufung voraus. Sie spiegeln das Anforderungsprofil an den Arbeitsplatz und ggf. das Berufsbild wider, so daß hieran gemessen werden kann, ob und in welchem Maße der Arbeitnehmer den Anforderungen gerecht geworden ist (Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2405). Die Ausführlichkeit einer Tätigkeitsbeschreibung hängt dabei durchaus von der Qualifikation, im gewissen Rahmen auch von der Dauer der Betriebszugehörigkeit ab, da einfache Arbeiten nur einfach dargestellt werden können, bei höherem Leistungsstand und längerer Tätigkeit ausführlicher berichtet werden muß. Die im Laufe der Betriebszugehörigkeit erworbene Berufserfahrung spiegelt sich ggf. im beruflichen Aufstieg eines Arbeitnehmers wider (Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2405). Um die Bedeutung der beschriebenen Aufgaben deutlich zu machen, ist auch auf den Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellung und den Grad der Selbständigkeit bei der Aufgabenerfüllung einzugehen. So kann ein Einkäufer für ein kleines Einkaufsvolumen zuständig oder als Zentraleinkäufer einer Filialkette tätig gewesen sein. Heißt es in einem Zeugnis: Er erledigte alle Routinearbeiten selbständig, dann heißt das im Klartext, daß der Mitarbeiter im übrigen nur nach Anweisung hat arbeiten können (Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2406). Bei einer Tätigkeit an verschiedenen Arbeitsplätzen oder in unterschiedlichen Funktionen ist im Zeugnis die chronologische Schau des persönlichen Werdegangs des Arbeitnehmers vollständig sichtbar zu machen (Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2412). Hieraus läßt sich die innerbetriebliche, fachliche Entwicklung und die zeitliche Abfolge der Beförderungen ablesen, die von besonderem Aussagewert sind, denn wer die betriebliche Stufenleiter hinaufsteigt, wird kein mittelmäßiger Mitarbeiter sein (Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2413).

2.2.2.2. Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Zeugnisrechtsstreit ist festzustellen, daß in dem Zeugnis vom 07.08.1997 die Tätigkeitsbeschreibungen nicht in allen Punkten ausreichend und richtig dargestellt worden sind. Der Kläger war bei der Beklagten „in der Zeit vom 20.08.1981 bis zum 30.06.1995“ in der Rohrzieherei beschäftigt. Soweit die Beklagte die Tätigkeit des Klägers in der Rohrzieherei auf den Zeitraum vom Sommer 1981 bis Herbst 1992 beschränken will, ist dies unzutreffend, denn sie ist nach Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 18.09.1992 durch Urteil des Arbeitsgerichts Siegen/Gerichtstag Olpe vom 18.06.1993 zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Trommelarbeiter in der Rohrzieherei verurteilt worden. Es ist ihr daher verwehrt, den Kündigungsschutzprozeß im Rahmen des Zeugnisrechtsstreit dadurch nochmals aufrollen zu wollen, daß sie die Zeiten, in denen sie den Kläger unter Mißachtung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung tatsächlich nicht beschäftigt hat, als Nichtbeschäftigung im Zeugnis zu deklarieren oder den Eindruck zu erwecken, als sei der Kläger nach der im Zeugnis nicht ausdrücklich erwähnten Kündigung anderweitig beschäftigt worden. Darauf aber laufen die Formulierungen im Zeugnis vom 07.08.1997 hinaus, denn dort heißt es wörtlich:

„Bis zum Herbst 1992 war Herr E.......  als Rohrzieherei an einer entsprechenden Maschine eingesetzt“.

Wenn es dann weiter heißt:

„… danach war er für kurze Zeit im Bereich des innerbetrieblichen Warentransports tätig“,

dann fragt sich jeder Leser des Zeugnisses, welche Tätigkeiten der Kläger dann nach dieser „kurzen Zeit“ bis zu der erst 1½ Jahre später erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.06.1995 verrichtet hat. Diese Zeit ist gemäß der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung der Tätigkeit in der Rohrzieherei zuzuordnen. Im übrigen war zu erwähnen, daß der Kläger nicht nur „an einer entsprechenden Maschine eingesetzt“, sondern „an der Trommel, an der Ziehbank, an der Fixbeize und an der Tandemmaschine gearbeitet“ hat. Da die Beklagte die „entsprechenden Maschine“, an welcher der Kläger gearbeitet hat, nicht benannt hat, hat das Arbeitsgericht zutreffend die vom Kläger genannten Maschinen in das Zeugnis aufgenommen. Da zweitinstanzlich letztlich nur noch die Tätigkeit am Ofen streitig war und der Kläger diese Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung nicht hat konkretisieren können, war sie zu streichen.

2.2.3. Der Arbeitgeber entscheidet allein, welche Leistungen und Eigenschaften seines Arbeitnehmers er mehr hervorheben oder zurücktreten lassen will (BAG v. 23.09.1992, EzA § 630 BGB Nr. 16 [Haupt] = PersR 1993, 329 [Hohmeister]). Das Zeugnis muß nur wahr sein und darf auch dort keine Auslassungen enthalten, wo der Leser eine positive Hervorhebung erwartet, wie etwa die Ehrlichkeit eines Kassierers (BAG v. 29.07.1971, AP Nr. 6 zu § 630 BGB [Schnorr von Carolsfeld] = AR-Blattei ES 1850 Nr. 10 = „Zeugnis: Entsch. 10“ [Monjau] = EzA § 630 BGB Nr. 1). Unter Leistung ist die berufliche Verwendbarkeit des Arbeitnehmers zu verstehen. Sie umfaßt sechs Hauptmerkmale: Arbeitsbefähigung (Können), Arbeitsbereitschaft (Wollen), Arbeitsvermögen (Ausdauer), Arbeitsweise (Einsatz), Arbeitsergebnis (Erfolg), Arbeitserwartung (Potential), bei Vorgesetzten auch die sog. Führungsleistung (Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2422; ausf. dazu mit Formulierungsbeispielen Huber, a.a.O., S. 53–57; H. Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 15. Aufl. 1998, S. 121–128). Die Einzelheiten müssen stets berufsbezogen sein (LAG Hamm v. 11.07.1996 – 4 Sa 1285/95, n.v.; LAG Hamm v. 27.02.1997 – 4 Sa 1691/96, NZA-RR 1998, 151). Bei einer Zeugnisberichtigung ist der Streit der Parteien im Rahmen des Klageantrags über die gesamte Inhaltsfrage des Zeugnisses zu klären und festzulegen, welches Zeugnis mit welchem Wortlaut vom Arbeitgeber zu erteilen ist (LAG Hamm v. 13.02.1992 – 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB Nr. 16). Dabei hat das Gericht die Leistungen des Arbeitnehmers festzustellen, sie nach objektiven Maßstäben zu bewerten und gegebenenfalls ein Zeugnis zu formulieren (BAG v. 23.06.1960, AP Nr. 1 zu § 73 HGB [A. Hueck] = AR-Blattei ES 1850 Nr. 3 = „Zeugnis: Entsch. 3“; BAG v. 24.03.1977, AP Nr. 12 zu § 630 BGB = AR-Blattei ES 1850 Nr. 20 = „Zeugnis: Entsch. 20“ = EzA § 630 BGB Nr. 9). Es hat dabei auch Ungereimtheiten zu beseitigen.

2.2.3.1. Es müssen nicht in jedem Zeugnis alle Punkte ausführlich enthalten sein. Mehrere Punkte können auch zusammengefaßt werden. Die Art der Beschäftigung und die Beschreibung des Aufgabengebietes gehen meist ineinander über. Gleiches gilt im Regelfall auch für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit und des Sozialverhaltens, nämlich der Führung des Arbeitnehmers. Auch kann sich z.B. eine Gesamtbewertung über Führung und Leistung verhalten, wie zum Beispiel (Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2366): »Mit seinem Arbeitseinsatz, seinem Fleiß, seinen Leistungen und seiner Führung waren wir stets und in jeder Hinsicht außerordentlich zufrieden« (= ein außergewöhnlicher, hervorragender Mitarbeiter), oder: »Seine Leistungen und seine Führung waren zufriedenstellend« (= in jeder Hinsicht unterer Durchschnitt). Dies ist jedoch in aller Regel nur bei zusammenfassenden Führungs‑ und Leistungsbeurteilungen zulässig. In anderen Fällen führt dies – wie der vorliegende Rechtsstreit eindrucksvoll belegt – meist zu einer negativen Beurteilung. Die Formulierung in dem Schlußzeugnis:

„Wir haben Herrn E.......  als stets rührigen und vielseitig fähigen Mitarbeiter kennengelernt, der alle ihm eingeräumten Möglichkeiten wahrnahm und im Betrieb einen hohen Wirkungsgrad erreichte“,

vermengt Elemente der Führungsbeurteilung mit denen der Leistungsbeurteilung. Die Formulierung:  „als … Mitarbeiter kennengelernt, der alle ihm eingeräumten Möglichkeiten wahrnahm“, betrifft an sich nicht die Leistungsbeurteilung, sondern das Sozialverhalten des Klägers, also seine Verhaltensbeurteilung. Im Kontext mit der weiteren Formulierung: „und im Betrieb einen hohen Wirkungsgrad erreichte“, führt die Vermengung von Führungs‑ und Leistungselementen zu einer negativen Beurteilung, denn für einen verständigen Leser kann dies – wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – nur bedeuten, daß der Kläger im Betrieb unter den anderen Mitarbeitern Unruhe stiftete. Die heutige Zeugnissprache ist so „diplomatisch“ angelegt (siehe dazu ErfK-Müller-Glöge, § 630 BGB Rz. 75), daß positiv klingende Formulierung durch zarte Äußerungen der Kritik oder durch ihre Satzstellung die Benotung bereits in den ausreichenden oder mangelhaften Bereich verlagern können. Dies ist dem geschulten Leser bekannt (ErfK-Müller-Glöge, § 630 BGB Rz. 76). Der negative Effekt der verschleiernden Zeugnissprache führt vorliegend dazu, daß statt der „im deutschen Sprachgebrauch positiv besetzten Formulierungen“ – wie die Beklagte es in der Berufungsbegründung darstellen will – hinsichtlich seiner Leistungen („hoher Wirkungsgrad“) durch die Vermengung der Führungs‑ und Leistungselemente eine negative Verhaltensbeurteilung steht, auf die an der richtigen Stelle zurückzukommen sein wird.

2.2.3.2. Mag die Beurteilung als „vielseitig fähiger Mitarbeiter“ auf den ersten Blick ein Ausdruck dafür sein, daß der Kläger in vielen Bereichen des Betriebes hat eingesetzt werden können, jedoch ist eine solche Bewertung nur angebracht, wenn ein Arbeitnehmer seinen Fähigkeiten entsprechend auch tatsächlich „vielseitig“ verwendet worden ist. Wenn ein Arbeitnehmer – wie der Kläger – fast ausschließlich nur in einer Abteilung eingesetzt worden ist, dann ist – wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – jedenfalls auf den zweiten Blick festzustellen, daß angesichts der relativ einfachen Tätigkeiten innerhalb einer Rohrzieherei für einen verständigen Leser die Formulierung „vielseitig fähig“ mit „zu allem fähig“ zu übersetzen ist. Auch die Beurteilung des Klägers als „stets rührigen Mitarbeiter“ hat mit der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit nicht zu tun, jedenfalls nicht – worauf bereits das Arbeitsgericht zutreffend abgestellt hat – in dem Sinne, daß der Kläger intensiv mit hohem Erfolg gearbeitet hat. Das Wort „rührig“ ist im Arbeitsleben eher abwertend zu verstehen. Es kennzeichnet einen Mitarbeiter, der zwar viel tut, im Ergebnis aber nichts bringt. Zwar wird dem Kläger im zweiten Teil des Nebensatzes bescheinigt, „im Betrieb einen hohen Wirkungsgrad erreicht“ zu haben, aber man muß den Satz in dem Kontext, in dem die von der Beklagten gewählte Formulierung steht, lesen, um ihn ins rechte Licht rücken und verstehen lernen zu können. Es heißt eben nicht:

„Wir haben Herrn E.......  als stets rührigen und vielseitig fähigen Mitarbeiter kennengelernt, der im Betrieb einen hohen Wirkungsgrad erreichte“,

sondern es ist ein weiterer Halbsatz zwischen geschoben, nämlich daß die Beklagte den Kläger „als stets rührigen und vielseitig fähigen Mitarbeiter kennengelernt, der alle ihm eingeräumten Möglichkeiten wahrnahm“. In diesem Kontext sind die gewählten Formulierungen durch die unselige Vermengung von Führungs‑ und Leistungselementen als negativ zu bewerten. Im übrigen bedeutet die berühmte Formulierung „wir hatten Gelegenheit ¼ kennenzulernen“, in puncto Leistung die Note »ungenügend« (Presch in: Januschek, a.a.O. S. 316; zust. Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2500). Wenn auch die von der Beklagten gewählte Formulierung „wir haben … kennengelernt“, sich nicht ganz so abwertend anhört, wird dem Kläger damit jedoch gerade nicht bescheinigt, daß er ein tatsächlich „vielseitig fähiger Mitarbeiter“ gewesen ist, denn der Gebrauch des Wortes „kennengelernt“ drückt stets das Nichtvorhandensein der im Kontext aufgeführten Fähigkeit aus, wie der Germanist Presch (in: Januschek, a.a.O.), der sich in einer ganzen Reihe von Schriften mit der Zeugnissprache befaßt hat, eindrucksvoll belegt hat. Der Einholung des von der Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens bedarf es daher nicht.

2.2.3.3. Müssen die Gericht für Arbeitssachen im Rahmen eines Klageverfahrens ein Zeugnis selbst neu formulieren, so haben sie sich innerhalb der gestellten Anträge an die Zeugnissprache und die gebräuchlichen Leistungsbewertungen zu halten. Bei Abfassung des qualifizierten Zeugnisses haben sich im Laufe der Jahre in der betrieblichen Praxis hinsichtlich der zusammenfassenden Leistungs‑ bzw. Führungsbeurteilung Standardformulierungen entwickelt, die weitgehend bekannt sind und deshalb vom Arbeitnehmer hingenommen werden müssen (Berscheid, WPrax Heft 17/1994, S. 2, 6; Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2366). Es existieren fünf‑, sechs‑ und siebenteilige Notenskalen. Dennoch können sie als im wesentlichen abgeschlossen angesehen werden. Die Formulierungen und ihre notenmäßige Zuordnung weichen im Ergebnis nur noch in Nuancen voneinander ab, Unterschiede sind kaum noch meßbar (siehe zur Leistungsbewertung in Notenskalen grundlegend: Presch/ Gloy, a.a.O. S. 174 ff.; ferner Huff, FAZ Nr. 124 v. 01.06.1991, S. 43; Schmid, DB 1982, 1111; Weuster, BB 1992, 58; Berscheid, HwB AR, 1980 „Zeugnis“ Rz. 150 ff.). Schon zwecks „Entschleierung“ der Zeugnisse ist es angezeigt, eine Notenskala mit sieben Noten zu verwenden (LAG Hamm v. 13.02.1992 – 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB Nr. 16, m.w.N.). Bei der sog. zusammenfassenden Zufriedenheitsaussage erfolgt die Abstufung durch die Variation des Zufriedenheitsgrades von »vollst zufrieden« bis »insgesamt zufrieden« sowie durch den Zeitfaktor »stets« oder »jederzeit« oder »immer« (Berscheid, WPrax Heft 17/1994, S. 2, 6; ErfK-Müller-Glöge, § 630 BGB Rz. 73; H. Schleßmann, a.a.O., S. 117). Danach ergibt bei einer siebenteiligen Notenskala nach der zusammenfassenden Zufriedenheitsaussage folgende Bewertung (Berscheid, HwB AR, 1980 „Zeugnis“ Rz. 159; Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2517; Haupt, Kasseler Handbuch ArbR, Kap. 1.2 Rz. 282; H. Schleßmann, a.a.O., S. 117; siehe auch die differenzierten Formulierungsvorschläge bei Huber, a.a.O., S. 58–61):

Er/Sie hat die ihm/ihr übertragenen Aufgaben

stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt =

stets (und) zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt =

zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt =

stets zu unserer Zufriedenheit erledigt =

zu unserer Zufriedenheit erledigt =

im großen und ganzen zu unserer Zufriedenheit erledigt =

zu unserer Zufriedenheit zu erledigen versucht =

sehr gute Leistungen.

gute Leistungen.

vollbefriedigende Leistungen.

befriedigende Leistungen.

ausreichende Leistungen.

mangelhafte Leistungen.

unzureichende Leistungen.

Die vom Kläger gewünschte Formulierung „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ entspricht der Note »gut«. Demgegenüber hat die Beklagten ihm zwar einen „hohen Wirkungsgrad“ bescheinigt, aber ohne die Steigerung durch das Wort „stets“. Mit der gewählten Formulierung „hohen Wirkungsgrad“ (sie muß sich an die darin steckende Bewertung festhalten lassen) hat die Beklagte ihm zwar keine überdurchschnittlichen, aber auch keine unterdurchschnittlichen Leistungen bescheinigt. Im Berufungsrechtszug läßt sie sich dahingehend ein, sie habe zu keinem Zeitpunkt bestritten, daß der im Akkord eingesetzte Kläger fleißig gearbeitet habe und daß er „dabei auch erfolgreich war“. Wird einem Arbeitnehmer bescheinigt:

„Er hat sich mit großem Eifer an diese Aufgabe herangemacht und war erfolgreich“,

so bedeutet das, die Leistungen waren mangelhaft (Presch/Gloy, a.a.O. S. 171). Gleiches gilt für die Formulierung:

„Er hat sich mit großem Fleiß an diese Aufgabe herangemacht und war erfolgreich“.

Mit anderen Worten, die Beklagte möchte dem Kläger mit ihrem Berufungsvortrag gerade keine besonders gute, sonder eine ausgesprochen schlechte Beurteilung zukommen lassen. Will der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer nur unterdurchschnittliche Leistungen bescheinigen, so muß er darlegen und ggf. beweisen, daß der Arbeitnehmer Fehler gemacht hat und wegen dieser ermahnt oder abgemahnt worden ist. Will andererseits der Arbeitnehmer eine Leistungsbewertung im Zeugnis mit der Note »sehr gut« oder »gut« haben, muß er darlegen und ggf. nachweisen, welche seiner Leistungen diese Anerkennung verdient (LAG Hamm v. 13.02.1992 – 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB Nr. 16). Vorliegend haben beide Parteien hinsichtlich der Auf‑ bzw. Abwertung bereits ihre jeweilige Darlegungslast nicht erfüllt. Mithin war deshalb davon auszugehen, daß der Kläger während der Zeit seiner Beschäftigung bei der Beklagten zumindest eine durchschnittliche Leistung und damit eine „Normalleistung“ erbracht hat. Bei einer „Normalleistung“, also einer Leistung, die in jeder Hinsicht durchschnittlichen Anforderungen entspricht, muß der Arbeitgeber demnach bescheinigen, daß der Arbeitnehmer die ihm gestellten Aufgaben »stets zu unserer Zufriedenheit« (= befriedigende Leistungen) erledigt hat (Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2518). Da die Beklagte dem Kläger in ihrer Berufungsbegrüdnung selbst Fleiß und Erfolg bescheinigt, kann man das Erreichen eines „hohen Wirkungsgrades“ auch als „gehobenen“ Durchschnitt ansehen. Eine solche Leistung ist zusammenfassend mit »zu unseren vollen Zufriedenheit« (= vollbefriedigende Leistungen) in der Zeugnissprache zu bewerten (Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2518). Das weitergehende Klagebegehren (»stets zu unserer vollen Zufriedenheit« = gute Leistungen) bleibt ohne Erfolg, denn der Kläger hat sich darlegen können, eine solche Beurteilung zu verdienen. Für eine schlechtere, nämlich unterdurchschnittliche Bewertung gibt der Berufungsvortrag der Beklagten nichts her, so daß es bei der „gehobenen“ Durchschnittsbewertung verbleiben muß.

2.2.4. Mit „Führung“ wird das allgemeine Verhalten, die Fähigkeit, mit anderen zusammenzuarbeiten, die Vertrauenswürdigkeit, Verantwortungsbereitschaft und die Beachtung betrieblicher Ordnung angesprochen (Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2455). Unter die Führung fällt das dienstliche Verhalten, außerdienstliches nur, soweit es das erstere beeinflußt (z.B. bei einem Kassierer seine Verschwendungssucht). Mit anderen Worten, mit „Führung“ ist nicht etwa die sozialethische Führung des Arbeitnehmers zu verstehen, sondern dessen Sozialverhalten, seine Kooperations- und Kompromißbereitschaft, gegebenenfalls sein Führungsverhalten und -stil. Gemeint ist hier ein zusammenfassendes Urteil über die Eigenschaften und das gesamte dienstliche Verhalten des Arbeitnehmers, also um das betriebliche Zusammenwirken, nämlich sein Verhalten zu Vorgesetzten, gleichgeordneten Arbeitskollegen, nachgeordneten Mitarbeitern, aber auch gegenüber Kunden (Berscheid, WPrax Heft 22/1994, S. 9, 10; Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2462). Es ist wichtig, daß alle Verhaltensrichtungen beurteilt werden, da Auslassungen – bspw. Nichterwähnung einer Gruppe – Rückschlüsse auf Verhaltens‑, Anpassungs‑, Kontakt‑ oder Führungsschwierigkeiten zulassen. In der Zeugnissprache spricht man von einem „beredtem Schweigen“ (BGH v. 22.09.1970, AP Nr. 16 zu § 826 BGB [E. Wolf] = LM Nr. 7 zu § 826 [Gb] BGB = AR-Blattei ES 1850 Nr. 9 = „Zeugnis: Entsch. 9“ = SAE 1972, 35 [Gitter]). Zum Beurteilungsrahmen des Sozialverhaltens gehört auch das Fehlverhalten des zu Beurteilenden. Die Bewertung kann von vielen Faktoren abhängig sein wie z.B. die eigene Einstellung des Beurteilers gegenüber Mitmenschen, seine Erfahrungen, die Erwartungshaltung. Dabei ist zu beachten, daß sich persönliche Animositäten und Feindschaften in einem Zeugnis nicht niederschlagen dürfen. Das vielleicht zur Person des Beurteilers bestehende, gespannte Verhältnis darf sich nicht auf die Gesamtbeurteilung durchschlagen, wenn der Arbeitnehmer im übrigen mit anderen Personen gut ausgekommen ist.

2.2.4.1. Vorliegend ist die von der Beklagten gewählten Formulierung, die – wie bereits erwähnt – mit der Leistungsbewertung vermengt worden ist, dem Kreis der „verschlüsselten“ oder „doppelbödigen“ Zeugnisformulierung zuzurechnen. Wie hier das Berufungsvorbringen zeigt, wird der Leser den harmlos oder positiv klingenden Formulierungen aufsitzen, denn die (möglicherweise vorhandenen) negativen Eigenschaften des Klägers werden durch die Wort- und Ausdruckswahl in ihr Gegenteil verkehrt. Es ist das Verdienst der Sprachwissenschaft, eine Reihe „beschönigender“ Zeugnisformulierungen nebst Übersetzung veröffentlicht und ausgewertet zu haben (vgl. Presch/Gloy, a.a.O. S. 168 ff.). Wie schwer die jeweiligen Formulierungen in Klartext übersetzbar sind, hängt von der Art der Verschlüsselung und von den Vorkenntnissen des Beurteilten oder Deutenden ab. Je geringer das Vorwissen des Beurteilten oder Deutenden ist, desto eher wird er den in ihrer alltagssprachlichen Bedeutung harmlos oder positiv klingenden Formulierungen aufsitzen. Vielfach bedeutet Lob in Wahrheit Kritik, wie einige vergleichbare Beispiele zeigen mögen (siehe dazu Berscheid, WPrax Heft 17/1994, S. 2, 4, m.w.N.; Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2497; ferner Heine, Das Arbeitszeugnis, 3. Aufl. 1993, S. 105 ff.; Huber, a.a.O., S. 66 f.; Nasemann, Capital 1993, 193, 200; H. Schleßmann, a.a.O., S. 136–138; Weuster, BB 1992, 58, 61):

Formulierung

Bedeutung

Er verfügt über Fachwissen und hat ein gesundes Selbstvertrauen.

Er klopft große Sprüche, um mangelndes Fachwissen zu überspielen.

Er war sehr tüchtig und wußte sich gut zu verkaufen.

Er war ein unangenehmer Zeitgenosse und Wichtigtuer, dem es an Kooperationsbereitschaft fehlte.

Sie ist einen anspruchsvolle und kritische Mitarbeiterin.

Sie war eigensüchtig, pocht anderen gegenüber auf ihre Rechte und nörgelt gerne.

Sie war sehr tüchtig und in der Lage, ihre eigene Meinung zu vertreten.

Sie hat eine hohe Meinung von sich und vermag sachliche Kritik nicht zu akzeptieren.

Wir lernten sie als umgängliche Kollegin kennen.

Viele Mitarbeitern sahen sie lieber von hinten als von vorn.

Im Kollegenkreis galt er als toleranter Mitarbeiter.

Für Vorgesetzte war er ein schwerer Brocken.

Auf der gleichen Ebene liegt die von den Beklagten gewählten Formulierung, den Kläger als „Mitarbeiter kennengelernt (zu haben), der alle ihm eingeräumten Möglichkeiten wahrnahm“, denn darin versteckt sich – wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – der deutliche Hinweis an andere Arbeitgeber, daß man es hier mit einem besonders unangenehmen Arbeitnehmer zu tun hat, der bis zum letzten nur die ihm eignen Interessen und Rechte in einem Arbeitsverhältnis verfolgt. Offensichtlich will die Beklagte, die in diesem Punkte in ihrer Berufungsbegründung dem angefochtenen Urteil nichts hat entgegensetzen können, auf diesem Weg in unzulässiger Art und Weise den für den Kläger angesichts der Höhe des Abfindungbetrages von 80 TDM letztlich äußerst erfolgreich geführten Kündigungsschutzprozeß ihm nachteilig anlasten. Solche „doppelbödigen“ Zeugnisformulierungen sind ersatzlos zu streichen, denn das Zeugnis darf nicht mit Merkmalen (Geheimzeichen) oder mit geheimen bzw. verschlüsselten Kennzeichen oder Formulierungen versehen werden, welche den Zweck haben, den Arbeitnehmer in einer aus dem Wortlaut des Zeugnisses nicht ersichtlichen Weise zu charakterisieren. Hierbei handelt es sich um einen in § 113 Abs. 3 GewO zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundsatz des Zeugnisrechts.

2.2.4.2. Bei der Bewertung der Führung kommen ebenfalls zusammenfassende Beurteilungen vor. Hier ist aber meist wichtiger, ob alle drei bzw. vier Bereiche (Vorgesetzte, Arbeitskollegen, Untergebenen und Kunden) bewertet werden oder ob durch eine Leerstelle, d.h. Nichterwähnung einer Gruppe, Schwierigkeiten in diesem Bereich wie folgt angedeutet werden (Berscheid, HwB AR, 1980 „Zeugnis“ Rz. 166; ders., WPrax Heft 17/1994, S. 2, 7; Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2525; ähnl. mit weiteren Differenzierungen Huber, a.a.O., S. 200 f.; H. Schleßmann, a.a.O., S. 119):

Sein/Ihr Verhalten zu Vorgesetzten, Arbeitskollegen, (Untergebenen) und Kunden

war stets vorbildlich =

war vorbildlich =

war stets einwandfrei =

war einwandfrei =

war ohne Tadel =

gab zu keiner Klage Anlaß =

Über ... ist uns nichts Nachteiliges bekannt geworden =

sehr gute Führung.

gute Führung.

vollbefriedigende Führung.

befriedigende Führung.

ausreichende Führung.

mangelhafte Führung.

unzureichende Führung.

Vielfach wird auch (positiv) ausgedrückt, in welchem Maße der Arbeitnehmer bei Vorgesetzten, Kollegen und Geschäftspartnern geschätzt war (siehe dazu Huber, a.a.O., S. 200). Anstelle von »einwandfrei« kann auch »korrekt« stehen, da dieses Wort gleichen Aussagewert hat (ArbG Solingen v. 17.05.1990, ARST 1991, 77). Gleiches gilt – wie bei der Leistungsbeurteilung – für den Zeitfaktor. Hier kann das Wort »stets« auch durch die Worte »jederzeit« oder »immer« ersetzt werden (Berscheid, WPrax Heft 17/1994, S. 2, 6; ErfK-Müller-Glöge, § 630 BGB Rz. 88). Müssen die Gericht für Arbeitssachen im Rahmen eines Klageverfahrens ein Zeugnis selbst neu formulieren, so haben sie sich innerhalb der gestellten Anträge an die Zeugnissprache und die gebräuchlichen Führungsbewertungen zu halten sowie die Darlegungs‑ und Beweislast beachten. Will der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer im Schlußzeugnis lediglich eine durchschnittliche Führung bescheinigen, so genügt er seiner Darlegungspflicht, wenn er sich darauf beruft, daß er sich von dem Arbeitnehmer aus verhaltensbedingten Gründen durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag getrennt hat. Will er ihm dagegen nur unterdurchschnittliche Leistungen bescheinigen, so muß er darlegen und ggf. beweisen, daß das Verhalten des Arbeitnehmers fehlerhaft gewesen ist Will andererseits der Arbeitnehmer eine gute Führungsbewertung im Zeugnis haben, muß er darlegen und ggf. nachweisen, inwieweit sein Verhalten diese Anerkennung verdient. Im Zeugnisberichtigungsprozeß besteht hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast keine Veranlassung, von den Grundsätzen abzugehen, wonach derjenige die über‑ oder unterdurchschnittliche Leistung darzulegen und zu beweisen habe, der sich hierauf beruft. Vorliegend hätte die Beklagte es jederzeit in der Hand gehabt, ihrerseits ggf. eine andere gleichwertige Formulierung zu wählen oder sich im Rahmen der Skala der zusammenfassenden Führungsbewertung festzulegen, was zwar wiederum gerichtlich nachprüfbar gewesen wäre, aber dem Berufungsgericht die Möglichkeit gegeben hätte, eine konkrete Sachprüfung vorzunehmen. Da dies nicht geschehen ist und von der Beklagten keinerlei anderslautende Anhaltspunkte vorgetragen worden sind, war deshalb davon auszugehen, daß dem Kläger während der Gesamtdauer seiner Beschäftigung bei der Beklagten eine durchschnittliche Führung zu bescheinigen ist. Die vom Kläger gewünschte Formulierung:

„Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war stets korrekt“,

entspricht danach der Note »vollbefriedigend«. Sie ist ihm vom Arbeitsgericht zutreffend zugesprochen worden. Da der Kläger keinen Kundenkontakt hat und nicht Vorgesetzter war, konnte sich die Führungsbewertung auf die Beurteilung seines Sozialverhaltens in bezug auf Vorgesetzte und Arbeitskollegen beschränken.

2.2.5.               Es ist vielfach üblich, als Abschluß eines Zeugnisses eine Dankes-Bedauern-Formel mit Zukunftswünschen anzubringen. Der Dank für geleistete Arbeit und/oder Bedauern über das Ausscheiden (den Verlust) des Mitarbeiters, wird vereinzelt noch durch eine Würdigung bleibender Verdienste, eine ausdrückliche Einstellungsempfehlung, ein Wiedereinstellungsversprechen oder die Bitte um Wiederbewerbung nach Abschluß der Weiterbildung ergänzt. Aus der Tatsache, daß die Dankes-Bedauern-Formel nicht in jedem Zeugnis enthalten sei, wird gefolgert, daß ihr besonderes Gewicht zukomme (LAG Köln v. 29.11.1990, LAGE § 630 BGB Nr. 11). Es soll als Einschränkung einer guten Leistungsbeurteilung wirken, wenn im Schlußabsatz dem Mitarbeiter nicht gedankt und/oder sein Ausscheiden nicht bedauert werde, das Fehlen der Zukunftswünsche sei wie ein grußloser Abschied, der auf eine tiefgreifende Verärgerung oder Verstimmung schließen lasse. Zumindest bei Mitarbeitern in höheren Positionen soll das Fehlen der Schlußformel einem beredten, ja vielsagenden Schweigen gleichkommen, womit – bewußt oder unbewußt – deutlich negative Signale gesetzt würden (KG v. 06.11.1978 - 2 U 2290/77, insoweit in BB 1979, 1988 nicht abgedruckt; ferner Huber, a.a.O., S. 69; H. Schleßmann, a.a.O., S. 130; Weuster AiB 1992, 327, 337; a.A. ; LAG Frankfurt/Main Urt. v. 16.01.1981 – 6 Sa  876/80, n.v. ;LAG Hamm v. 02.05.1991 - 4 Sa 156/91, n.v., LAG Hamm v. 02.05.1991 - 4 Sa 183/91, n.v., LAG Hamm v. 11.06.1992 - 4 Sa 318/92, n.v. welches die Einklagbarkeit der Schlußformel verneint; ebenso ArbG Bremen v. 11.02.1992, NZA 1992, 800; Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2475; ErfK-Müller-Glöge, § 630 BGB Rz. 93; Schmid, DB 1988, 2253, 2254). Wird eine Schlußformel verwendet, muß sie mit der Leistungs‑ und Führungsbewertung des Arbeitnehmers übereinstimmen, denn (zuvor) unterlassene negative Werturteile dürfen nicht versteckt mit einer knappen, „lieblosen“ Schlußformel nachgeholt werden (H. Schleßmann, a.a.O. S. 95; LAG Hamm v. 12.07.1994 – 4 Sa 564/94, LAGE § 630 BGB Nr. 26; LAG Hamm v. 12.07.1994 – 4 Sa 192/94, LAGE § 630 BGB Nr. 27; LAG Hamm v. 01.12.1994 – 4 Sa 1631/94, LAGE § 630 BGB Nr. 28 = EzBAT § 61 BAT Nr. 25; zust. Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2475; ErfK-Müller-Glöge, § 630 BGB Rz. 94). Vorliegend hat die Beklagte in dem von ihr ausgestellten Zeugnis keine Schlußformel verwendet, so daß der Kläger keine solche erstreiten kann (LAG Berlin v. 10.12.1998, BB 1999, 851).

2.2.6. Jedes Zeugnis ist schriftlich abzufassen, auch wenn dies nur in § 630 Satz 1 BGB und § 73 Satz 1 HGB so ausdrücklich bestimmt ist und in § 113 GewO und § 8 BBiG entsprechende Angaben fehlen. Im Falle der Berichtigung hat das Zeugnis das Ausstellungsdatum des ursprünglich erteilten zu tragen (LAG Bremen v. 23.06.1989, LAGE § 630 BGB Nr. 6). Der Arbeitgeber muß als Aussteller des Zeugnisses mit Namen und Anschrift erkennbar sein. Es ist deshalb grundsätzlich der Firmenbogen des Betriebes zu verwenden, bei dem der Arbeitnehmer beschäftigt gewesen ist. Ist ein Zeugnis nicht unterzeichnet, ist es formal unvollständig, so daß seine Ergänzung im Vollstreckungsverfahren durchgesetzt werden kann. Eine ausdrückliche Verurteilung zur „Unterschrift“ ist daher nicht notwendig (LAG Hamm v. 13.02.1992 – 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB Nr. 16).

2.2.6.1. Für die Unterzeichnung des Zeugnisses vertretungsberechtigt sind bei einer Einzelfirma deren Inhaber und bei juristischen Personen alle Personen, deren Berechtigung sich aus dem Vereins-, Handels- oder Genossenschaftsregister ergibt (Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2482; Staudinger/Preis, § 630 BGB Rz. 22). Der Arbeitnehmer hat regelmäßig keinen Anspruch darauf, daß der Arbeitgeber das Zeugnis persönlich unterschreibt. Deshalb kann gerichtlich keine Verurteilung zur Unterschrift durch eine bestimmte Person erfolgen (LAG Hamm v. 13.02.1992 – 4 Sa 1077/91, LAGE § 630 BGB Nr. 16). Es versteht sich in einer arbeitsteiligen Organisation von selbst, daß der Arbeitgeber die Verpflichtung zur Zeugnisausstellung auch durch andere Betriebsangehörige wahrnehmen lassen kann. Daher gehören zum Kreis der Zeugnisberechtigten Personen auch Prokuristen, Generalbevollmächtigte, Handlungsbevollmächtigte, Betriebs- und Werksleiter oder mit Personalangelegenheiten betraute Personen, die insoweit für den Arbeitgeber verbindliche Erklärungen abgeben dürfen, also einstellungs- und entlassungsbefugt i.S.d. § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG bzw. des § 14 Abs. 2 KSchG sind (LAG Köln v. 14.07.1994, AR-Blattei ES 1850 Nr. 36 [Grimm] = MDR 1995, 612 = NZA 1995, 685; Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2482; Huber, a.a.O., S. 32; teilw. a.A. H. Schleßmann, a.a.O., S. 91, der auch die Unterschrift eines Meisters für ausreichend hält). Die Vertretungsbefugnis des Unterzeichners des Zeugnisses muß durch entsprechende Zusätze – z.B. „ppa.“  oder „i.V.“ – oder durch Angabe seiner hierarchischen Position – z.B. Personalleiter oder Betriebsleiter – kenntlich gemacht werden (Küttner/Reinecke, Personalhandbuch 1997, „Zeugnis“ Rz. 21; H. Schleßmann, a.a.O., S. 92; RGRK-Eisemann, § 630 BGB Rz. 11; Staudinger/Preis, § 630 BGB Rz. 25). Der Unterzeichner des Zeugnisses muß auf jeden Fall im Rang höher stehen als der Arbeitnehmer, dessen Zeugnis er erstellt (Berscheid, WPrax Heft 22/1994, S.9, 12; Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2483). Ein leitender Angestellter braucht sich in der Regel nicht mit der Unterschrift eines Handlungsbevollmächtigten unter seinem Zeugnis abzufinden (LAG Düsseldorf v. 05.03.1969, DB 1969, 534; siehe zur Unterzeichnung des Zeugnisses durch den Geschäftsführer BAG v. 16.11.1995, EzA § 630 BGB Nr. 20).

2.2.6.2. Die Ausstellung des Zeugnisses durch einen freiberuflich, d.h. nicht im Betrieb tätigen Rechtsanwalt ist unzulässig (LAG Hamm v. 02.11.1966 – 3 Ta 72/66, DB 1966, 1815; zust. Berscheid, HwB AR, 1980 „Zeugnis“ Rz. 89; ders., WPrax Heft 22/1994, S. 9, 12; Berscheid/Kunz, a.a.O., Teil 4 Rz. 2483; ErfK-Müller-Glöge, § 630 BGB Rz. 11; Erman/Hanau, § 630 BGB Rz. 5; Huber, a.a.O., S. 33; MünchArbR-Wank, § 124 Rz. 6; MünchKomm-Schwerdtner, § 630 BGB Rz. 29; H. Schleßmann, a.a.O., S. 93; Wessel, in: Tschöpe [Hrsg.], Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht, Teil 3 I Rz. 18; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 146 I 2 in Fn. 5; Soegerl/Kraft, § 630 BGB Rz. 18; Staudinger/Preis, § 630 BGB Rz. 22). An diesem Grundsatz ist festzuhalten. Die von der Beklagten hiergegen vorgebrachten Bedenken greifen nicht durch. Sie meint, das von ihrem Prozeßbevollmächtigten unterschriebene Zeugnis vom 07.08.1997 sei ordnungsgemäß unterzeichnet gewesen, weil dieser gemäß § 3 BRAO der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten gewesen sei. Das gemäß § 3 Abs. 3 BRAO gegebene Recht, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art – also auch in Zeugnisangelegenheiten – anwaltlich vertreten zu lassen, könne durch die Rechtsprechung nicht eingeschränkt werden. Auch das Recht des Rechtsanwalts, in Rechtsangelegenheiten aller Art – also auch bei der Unterzeichnung eines Arbeitszeugnisses – aufzutreten, könne gemäß § 3 Abs. 2 BRAO nicht durch die Rechtsprechung, sondern allenfalls durch ein Bundesgesetz beschränkt werden. Die Regelungen des § 3 BRAO, der das Recht zur Beratung und Vertretung durch Rechtsanwälte regelt, sind hier nicht einschlägig, wie bereits der Wortlaut der Vorschrift zeigt. Nach § 3 Abs. 3 BRAO hat „Jedermann“ und damit auch die Beklagte das Recht, „sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen“ (§ 3 Abs. 3 BRAO). Daraus folgt für die Zeugniserteilung, daß die Beklagte sich vor Ausstellung des Zeugnisses an den Kläger durch ihren späteren Prozeßbevollmächtigten hat beraten lassen dürfen. Sie hat auch das von ihm entworfene Arbeitszeugnis vollinhaltlich, d.h. wortwörtlich übernehmen dürfen. Die Unterzeichnung des Zeugnisses ist jedoch keine „Rechtsangelegenheit“ im Sinne dieser Vorschrift, so daß auch die Berufung auf § 3 Abs. 2 BRAO fehlschlägt. Nach dieser Vorschrift kann das Recht des Rechtsanwalts, „in Rechtsangelegenheiten aller Art vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden aufzutreten, kann nur durch ein Bundesgesetz beschränkt werden“. Unabhängig davon, daß das Unterzeichnen eines Arbeitszeugnisses keine „Rechtsangelegenheit“ ist, ist diese Vorschrift auch deshalb nicht einschlägig, weil es hierbei nicht um das Auftreten „vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden“, sondern gegenüber einem Arbeitnehmer geht. Das Recht, sich durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen, besteht zudem nur „im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften“, und zwar in der Ausformung, die sie durch die Rechtsprechung erfahren haben.

2.2.6.3. Für die Zeugnisberichtigung ist hier folgendes anerkannt: Wird der Arbeitgeber zur Zeugnisberichtigung verurteilt, so hat er diese durch Ausstellung eines neuen Zeugnisses vorzunehmen. Dabei ist von ihm das neue Zeugnis so abzufassen, als ob es sich um eine Erstausfertigung handeln würde. Eine von den Arbeitsvertragsparteien über den Inhalt eines Zeugnisses geführte außergerichtliche oder gar gerichtliche Auseinandersetzung darf aus der neuen Fassung nicht zu entnehmen sein. Eine Bezugnahme auf das Urteil, das dem Arbeitgeber die Zeugnisberichtigung aufträgt, ist daher im Zeugnis ebensowenig erlaubt wie eine Andeutung, daß außergerichtlich ein Streit über seinen Inhalt bestanden hat, und daß der Arbeitgeber sich im Vergleichswege mit dem Arbeitnehmer oder seiner Gewerkschaft auf eine Neufassung geeinigt hat (LAG Baden-Württemberg v. 27.10.1966, ARST 1967, 61 = BB 1967, 161 = DB 1967, 48; zust. Berscheid, HwB AR, 1980 „Zeugnis“ Rz. 110; Schaub, a.a.O., § 146 IV 2). Aus diesem Grunde ist auch die Angabe der Anschrift im Zeugnis nicht nur überflüssig, sondern darf deshalb nicht im für Briefe üblichen Adressenfeld erfolgen, weil dies den Eindruck erweckt könnte, das Zeugnis sei dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer nach außergerichtlicher oder gerichtlicher Auseinandersetzung über den Inhalt postalisch zugestellt worden (LAG Hamburg v. 07.09.1993, NZA 1994, 890, 891; LAG Hamm v. 27.02.1997 – 4 Sa 1691/96, NZA-RR 1998, 151). Für die erstmalige Ausstellung eines Zeugnisses kann nichts anderes gelten, so daß auch von daher gesehen die Unterzeichnung des Zeugnisses vom 07.08.1997 durch den heutigen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten unzulässig war, denn damit wird offengelegt, daß das Zeugnis erst nach außergerichtlicher oder gerichtlicher Auseinandersetzung erteilt worden ist. Der Beklagten war mithin aufzugeben, auf dem Firmenbogen (siehe dazu ArbG Siegen v. 23.06.1989, AR-Blattei ES 1850 Nr. 30 = „Zeugnis: Entsch. 30“; LAG Bremen v. 23.06.1989, LAGE § 630 BGB Nr. 6; LAG Köln v. 26.02.1992, LAGE § 630 BGB Nr. 15; BAG v. 03.03.1993, EzA § 630 BGB Nr. 17 = NZA 1993, 697) unter dem Datum des 07.08.1997, dem Ausstellungsdatum des ursprünglichen Zeugnisses (siehe dazu BAG v. 09.09.1992, AP Nr. 19 zu § 630 BGB [van Venrooy] = EzA § 630 BGB Nr. 15 = NZA 1993, 698), von einem betrieblichen Vorgesetzten, der zur Einstellung und Entlassung befugt ist, das im Tenor formulierte Zeugnis auszustellen. Die Beklagte wird bei der Ausstellung des zu berichtigenden Zeugnisses auf die gemachten Vorgaben zu achten haben und insbesondere nicht nochmals durch ihren Prozeßbevollmächtigten unterzeichnen lassen. Geschieht dies dennoch, hat der Arbeitgeber im Falle seiner Verurteilung den Titel nicht erfüllt, so daß er im Wege der Zwangsvollstreckung über § 888 ZPO zur Neuausstellung eines Zeugnisses angehalten werden kann (LAG Hamm v. 02.11.1966 – 3 Ta 72/66, DB 1966, 1815; ebenso Berscheid, HwB AR, 1980 „Zeugnis“ Rz. 111).

3. Nach alledem war – wie aus der Urteilsformel ersichtlich – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung und Abweisung der Klage im übrigen zu entscheiden.

3.2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1 , 92 Abs. 1 ZPO. Die Quotelung erfolgte nach dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien.

3.3. Der Streitwert war nach § 25 GKG i.V.m. § 10 Abs. 2 BRAGO i.V.m. §§ 3ff. ZPO für den Zeugnisanspruch auf die Höhe eines Monatsverdienstes festzusetzen (LAG Hamm v. 22.01.1980, AR-Blattei ES 1850 Nr. 22 = „Zeugnis: Entsch. 22“; LAG Düsseldorf v. 26.08.1982 EzA § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 18). Der Streitwertbeschluß hat mit der Urteilsformel verbunden werden können.

3.3. Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 1 ArbGG ist bei der vorliegenden Einzelfallgestaltung nicht ersichtlich. Daß das Unterzeichnen eines Arbeitszeugnisses keine „Rechtsangelegenheit“ im Sinne des § 3 BRAO ist, ist so offenkundig, daß der bereits obergerichtlich entschiedenen Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt, zumal es ein eherner Grundsatz des Zeugnisrechts ist, daß der Arbeitgeber jeden Eindruck darauf, der Inhalt des Zeugnisses sei das Ergebnis einer außergerichtlichen oder gerichtlichen Auseinandersetzung, zu vermeiden hat.

Meta

4 Sa 2587/98

17.06.1999

Landesarbeitsgericht Hamm 4. Kammer

Urteil

Sachgebiet: Sa

Zitier­vorschlag: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17.06.1999, Az. 4 Sa 2587/98 (REWIS RS 1999, 75)

Papier­fundstellen: REWIS RS 1999, 75

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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