Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.01.2011, Az. 26 W (pat) 61/10

26. Senat | REWIS RS 2011, 10305

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Bunte Zeit/BUNTE" - keine Verwechslungsgefahr -


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 78 579.3

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 19. Januar 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.], des [X.] [X.] und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Gegen die am 5.12.2007 für die Dienstleistungen

2

„[X.]: Bereitstellung des Zugriffs auf Informationen im [X.];

3

Klasse 39: Veranstaltung von Reisen;

4

Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen“

5

angemeldete, am 28.02.2008 eingetragene Wortmarke 307 78 579.3

6

[X.]

7

ist ein auf die Dienstleistung der [X.] der angegriffenen Marke beschränkter Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren, seit 11.3.1981 aufgrund von Verkehrsdurchsetzung für die Waren und Dienstleistungen:

8

„Klasse 16: Zeitschriften;

9

[X.]: Veröffentlichung und Herausgabe von Zeitschriften“

eingetragenen Wortmarke 1015307

[X.].

In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 39 des [X.] den Widerspruch zurückgewiesen und eine Verwechslungsgefahr im Sinne der §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] verneint. Zwischen der Dienstleistung der [X.] der angegriffenen Marke und der Ware und den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke bestehe eine [X.]falls durchschnittliche Ähnlichkeit. Dem geforderten durchschnittlich hohen Markenabstand werde die angegriffene Marke gerecht. Die Gesamtmarke „[X.]“ werde nicht durch den Wortbestandteil „Bunte“ geprägt; diesem könne auch keine selbständig kennzeichnende Stellung zugesprochen werden.

Gegen diese Entscheidungen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, dass der Widerspruchsmarke im publizistischen Bereich eine erhöhte Kennzeichnungskraft zukomme. Aus der Tatsache, dass Zeitschriften wie die „Bunte“ über Onlineauftritte verfügten, ergebe sich eine hochgradige Ähnlichkeit der zu beurteilenden Waren und Dienstleistungen. Der die angegriffene Marke allein prägende Bestandteil „Bunte“ sei mit der Widerspruchsmarke identisch. Angesichts dessen bestehe zwischen den Kollisionsmarken [X.] § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.].

Die Widersprechende beantragt,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 39 des [X.] vom [X.] und 11.5.2010 aufzuheben.

Die Markeninhaberin hat in der Beschwerdeinstanz keinen Antrag gestellt.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akte des [X.] Aktenzeichen 307 78 579.3 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg, da die Markenstelle zu Recht eine Verwechselungsgefahr zwischen beiden sich gegenüberstehenden Marken verneint hat, §§ 66 Abs. 1 und 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.].

Die Verwechslungsgefahr des § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen [X.] in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Identität oder Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke in der Weise, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt ([X.] [X.], 237, 238, Nr. 18 ff. - [X.]; [X.], 513, 514 – [X.]/[X.]; [X.], 859, 861 - Malteserkreuz; [X.], 235 ff. – Goldhase).

Hiervon ausgehend hat die Markenstelle unter Hinweis auf einschlägige Vorentscheidungen zutreffend festgestellt, dass zwischen der Dienstleistung der [X.] der angegriffenen Marke und den Dienstleistungen der [X.] sowie der Ware „Zeitschriften“, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist, von einer [X.]falls mittelgradigen Ähnlichkeit auszugehen ist (vgl. [X.], GRUR 2004,104-110; [X.]/[X.], 14. Aufl., [X.]. [X.]). So besteht zwar die Möglichkeit, dass derjenige, der Zeitschriften im [X.] veröffentlicht, zugleich den Zugriff auf die hierdurch im [X.] erhältlichen Informationen bereitstellt. Der durch den [X.]auftritt einer Zeitschrift angesprochene Verbraucher wird  jedoch nicht davon ausgehen, dass für beide Dienstleistungen typischerweise derselbe, mit dem Herausgeber einer Zeitschrift identische Unternehmer verantwortlich ist. Denn Verlage gehören zum Kreis der Abnehmer der von der jüngeren Marke beanspruchten technischen Dienstleistung; als deren Anbieter gegenüber [X.] am Markt kommen sie - soweit ersichtlich - hingegen kaum in Betracht (vgl. [X.], 25 W pat 152/05 – Bild Punkt/Bild).

Die Widerspruchsmarke „[X.]” verfügt über normale Kennzeichnungskraft. Marken, die auf Grund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen worden sind, weisen im Regelfall eine normale Kennzeichnungskraft und damit einen durchschnittlichen Schutzumfang auf (vgl. [X.], 672, 678 – [X.]; [X.], 171 [173f.] = WRP 2001, 1315 - Marlboro-Dach; [X.], 1066 [X.]. 34 - Kinderzeit). Um bei solchen Marken von mehr als normaler Kennzeichnungskraft ausgehen zu können, bedarf es der Feststellung zusätzlicher besonderer Umstände, die eine solche Feststellung ausnahmsweise zu tragen geeignet sind. Solche Umstände sind von der Widersprechenden weder vorgetragen noch nachgewiesen worden und auch sonst nicht ersichtlich.

Ihrem Vortrag in ihrer Eingabe vom 03.07.2008 hierzu fehlt zum einen die Glaubhaftmachung durch geeignete Glaubhaftmachungsmittel wie etwa eine eidesstattliche Versicherung. Zum anderen beziehen sich ihre Angaben zur Auflagenstärke sowie zur Anzahl von Zugriffen auf ihr [X.]portal „www.[X.].de“ nicht oder nicht ausdrücklich auf einen Zeitraum vor Dezember 2007. Beruft sich der Inhaber der älteren Marke auf einen erhöhten Schutzumfang, müssen dessen Voraussetzungen jedoch bereits im Zeitpunkt der Anmeldung der jüngeren Marke, hier im Dezember 2007, vorgelegen haben ([X.] GRUR 1997, 840, 843, 24 W (pat) 255/05 – [X.], im [X.] an [X.], 130 - "[X.]"; [X.] 1963, 626 - "Sunsweet"). Zum anderen sagt die Anzahl von Besuchen auf einer Website nichts über die konkrete Anzahl von Personen aus, die die Widerspruchsmarke als Kennzeichnung der einzelnen Dienstleistungen kennen.

Der Hinweis der Widersprechenden darauf, dass es sich bei „[X.]“ um eine bekannte Marke handele, führt zu keiner anderen Beurteilung. Hohe Zuordnungsgrade, die die hohe, hier von der Widersprechenden nicht näher spezifizierte Bekanntheit einer Marke in der Bevölkerung voraussetzen, sind bereits notwendig, um die Verkehrsdurchsetzung einer Marke zu begründen. Sie können nicht [X.] zur Begründung einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke herangezogen werden, da dies einer „doppelten Belohnung“ auf Grund ein und desselben Umstandes gleichkäme, was mit dem Wesen der Verkehrsdurchsetzung nicht vereinbar ist. Zusätzliche besondere Umstände, die, wie beispielsweise ein nahezu einhelliger Zuordnungsgrad, ausnahmsweise eine erhöhte Kennzeichnungskraft des verkehrsdurchgesetzten Zeichens rechtfertigen könnten, sind hier nicht ersichtlich.

Ausgehend von einer mittelgradigen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen und einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält die jüngere Marke den angesichts dessen gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke ein.

[X.] und klanglich unterscheiden sich beide Marken in Zeichenlänge, Silbenanzahl, im Klangbild und in der Anzahl der Wortbestandteile hinreichend deutlich dadurch voneinander, dass in der angegriffenen Marke dem Wortbestandteil „Bunte“ das Nomen „Zeit“ hinzugesetzt ist.

Entgegen der Ansicht der Widersprechenden hat der Begriff „[X.]“ innerhalb der angegriffenen Marke keine den Gesamteindruck prägende oder selbständig kennzeichnende Stellung inne. Vielmehr verbindet er sich mit dem ihm nachfolgenden Wort „Zeit“ bereits aufgrund unmittelbarer Aneinanderfügung zwanglos zu einem für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres erkennbaren Gesamtbegriff, weil der Verkehr das Adjektiv „Bunte“ in der angegriffenen Marke auf das ihm hinzugesetzte Nomen „Zeit“ bezieht. In „[X.]“ ist dem älteren Zeichen zudem weder der Handelsname noch eine bekannte Marke des jüngeren Kennzeicheninhabers hinzugefügt (vgl. hierzu [X.] GRUR 2005, 1042 – [X.]; BGH [X.], 859 - Malteserkreuz). Zur Annahme einer unmittelbaren begrifflichen Verwechselung mit der Widerspruchsmarke gibt der Gesamtbegriff „[X.]“ daher keinen Anlass.

Es besteht schließlich auch nicht die Gefahr von Verwechslungen unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 [X.]. Diese Art der Verwechslungsgefahr hat zur Voraussetzung, dass der Verkehr, der die Unterschiede der Marken wahrnimmt und sie deshalb nicht unmittelbar verwechselt, auf Grund von Gemeinsamkeiten in der Markenbildung oder in prägenden Einzelteilen Anlass hat, die jüngere Marke (irrtümlich) der Inhaberin der älteren Marke zuzuordnen oder auf Grund dieser Umstände auf sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen den Markeninhabern, vor allem im Sinne einer gemeinsamen Produktverantwortung, zu schließen. Ausschließlich assoziative Gedankenverbindungen, die zwar zu behindernden, [X.] oder verwässernden Wirkungen, nicht jedoch zu eigentlichen Herkunftsverwechslungen führen, werden von § 9 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 [X.] nicht erfasst ([X.] GRUR 1998, 387, 389, Nr. 18 - Sabèl/[X.]; [X.] 2000, 886, 887 - [X.]/[X.]; [X.], 544, 547 – [X.] 24).

Die Widersprechende hat nicht behauptet, Inhaberin einer Markenserie zu sein. Im Einzelfall kann zwar auch ohne vorherige Benutzung einer Markenserie die Gefahr einer gedanklichen Verbindung der Marken bestehen. Wie ausgeführt, nimmt die Widerspruchsmarke innerhalb der mehrteiligen jüngeren Marke jedoch auch keine derart selbständig kennzeichnende Stellung ein, dass der durch das zusammengesetzte Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck das Publikum glauben machen könnte, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen ([X.] a. a. [X.]. 30 ff. [X.] LIFE; [X.] 1996, 267, 269 - [X.]). Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 [X.] gibt der entschiedene Fall keine Veranlassung, so dass gemäß § 71 Abs. 1 S. 2 [X.] jeder Verfahrensbeteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt.

Meta

26 W (pat) 61/10

19.01.2011

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.01.2011, Az. 26 W (pat) 61/10 (REWIS RS 2011, 10305)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10305

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

26 W (pat) 19/13 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Die Neue Post Brief & Paketdienste (Wort-Bild-Marke)/POST/Deutsche Post (Unionsmarke)/DIE POST" - Dienstleistungsidentität – …


26 W (pat) 30/07 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "CITIPOST (Wort-Bildmarke)/POST" – keine Verwechslungsgefahr


26 W (pat) 35/14 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "DIN-POST (Wort-Bild-Marke)/POST" - Dienstleistungsidentität – zur Kennzeichnungskraft – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr – keine …


26 W (pat) 87/13 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "City-POST 24 (Wort-Bild-Marke)/POST/Deutsche Post (Gemeinschaftsmarke)/ExtraPost" – zur Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit und -identität – …


26 W (pat) 50/04 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "MORGEN POST BRIEFSERVICE GMBH (Wort-Bild-Marke)/POST" - zur Kennzeichnungskraft - zur Feststellung der Verkehrsdurchsetzung …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.