Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 08.12.2010, Az. 5 AZR 263/10

5. Senat | REWIS RS 2010, 607

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Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 18. März 2010 - 6 [X.]/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die klagende [X.] nimmt die [X.]eklagte als Hauptunternehmerin wegen der Leistung von Insolvenzgeld aus übergegangenem Recht nach § 1a [X.] in der vom 1. April 2006 bis zum 30. Juni 2007 bzw. 1. Juli 2007 bis zum 23. April 2009 geltenden Fassung (im Folgenden: [X.] aF) in Anspruch.

2

Die [X.]eklagte ist ein [X.]auunternehmen und führte das [X.]auvorhaben „[X.]“ durch. Sie betraute die [X.] mit der Ausführung des [X.]. Über das Vermögen der [X.] wurde mit [X.]eschluss des [X.] vom 16. Juli 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet.

3

Die Klägerin gewährte ua. dem bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer [X.] Insolvenzgeld und meldete am 2. August 2007 übergegangene Ansprüche auf Arbeitsentgelt iHv. insgesamt 300.000,00 [X.]uro zur Tabelle an. Mit Schreiben vom 4. September 2008 machte sie gegenüber der [X.]eklagten einen Anspruch nach § 1a [X.] iHv. 1.689,50 [X.]uro geltend.

4

Mit ihrer am 6. November 2008 eingereichten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, der Arbeitnehmer [X.] sei im Insolvenzgeldzeitraum auf dem [X.]auvorhaben „[X.]“ beschäftigt gewesen. Dessen Anspruch gegen die [X.]eklagte aus § 1a [X.] aF sei nach § 187 SG[X.] III auf sie übergegangen.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

die [X.]eklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.440,07 [X.]uro nebst Zinsen in Höhe von fünf [X.]rozentpunkten über dem [X.]asiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

6

Die [X.]eklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Haftung nach § 1a [X.] aF gehe nicht auf die [X.] über. Das ergebe sich aus dem Schutzzweck der Vorschrift und aus ihren Grundrechten. Zudem hat sie sich auf den Verfall der Ansprüche berufen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die [X.]erufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das [X.] hat die [X.]erufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

9

I. Das [X.] hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, es könne dahingestellt bleiben, ob der Arbeitnehmer der [X.], dem die Klägerin Insolvenzgeld gewährte, gegen die [X.]eklagte einen Anspruch nach § 1a [X.] aF habe. Dieser Anspruch sei jedenfalls nicht nach § 187 Satz 1 SG[X.] [X.] auf die Klägerin übergegangen. Das ergebe eine verfassungskonforme Auslegung der Norm. Den Gesetzesmaterialien seien keine Hinweise dafür zu entnehmen, der Gesetzgeber habe den Fall der Insolvenz des [X.] bedacht bzw. die wirtschaftliche Entlastung der [X.]undesagentur für Arbeit als Zielsetzung erwogen. Sinn und Zweck der Regelung sprächen dafür, das Insolvenzrisiko des [X.] dem [X.] nur im Falle seiner Inanspruchnahme durch die beim Nachunternehmer beschäftigten Arbeitnehmer aufzuerlegen, nicht aber bei einer Inanspruchnahme durch die [X.]undesagentur für Arbeit aus übergegangenem Recht. Anderenfalls eröffne sich der [X.]undesagentur für Arbeit eine  Möglichkeit zur Refinanzierung des [X.], die mit einer zusätzlichen [X.]elastung des ([X.]au-)[X.]s verbunden wäre. Für eine Ungleichbehandlung der Unternehmen der [X.]auwirtschaft gegenüber Unternehmen anderer [X.]ranchen, die Nachunternehmen einsetzten, seien im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG keine verfassungsrechtlich hinreichenden sachlichen Gründe erkennbar.

II. Dem folgt der Senat im Ergebnis.

1. Der Anspruch eines Arbeitnehmers des [X.] gegen den [X.] nach § 1a [X.] aF - sein [X.]estehen auch in der Insolvenz des [X.] zugunsten der Klägerin unterstellt - geht weder unmittelbar nach § 187 Satz 1 SG[X.] [X.] noch iVm. §§ 412, 401 Abs. 1 [X.]G[X.] auf die Klägerin über.

a) Gemäß § 187 Satz 1 SG[X.] [X.] gehen mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die [X.]undesagentur für Arbeit über die Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen. Das ist der (Mindest-)Lohnanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber (vgl. § 183 Abs. 1 SG[X.] [X.]; [X.] in Niesel SG[X.] [X.] 4. Aufl. § 183 Rn. 61), nicht aber die Haftung nach § 1a [X.] aF. Letztere begründet keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. Soweit die Entscheidungen des Senats vom 12. Januar 2005 (- 5 [X.] - zu [X.] 2 b bb (1) und [X.] 2 c [X.] (4) der Gründe, [X.]AGE 113, 149 und - 5 [X.] - zu V 2 [X.] (1) und V 2 c [X.] (4) der Gründe, [X.] [X.] § 1a Nr. 7) dahingehend verstanden werden könnten, der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den [X.] aus § 1a [X.] aF gehe nach § 187 Satz 1 SG[X.] [X.] auf die [X.]undesagentur für Arbeit über, hält der Senat daran nicht fest.

b) Der Übergang der Haftung nach § 1a [X.] aF vollzieht sich auch nicht aufgrund von §§ 412, 401 Abs. 1 [X.]G[X.]. Nach § 412 [X.]G[X.] findet auf die Übertragung einer Forderung kraft Gesetzes ua. die Vorschrift des § 401 Abs. 1 [X.]G[X.] entsprechende Anwendung. Danach gehen mit der abgetretenen Forderung die Hypotheken, Schiffshypotheken oder Pfandrechte, die für sie bestehen, sowie die Rechte aus einer für sie bestellten [X.]ürgschaft auf den neuen Gläubiger über.

Die Haftung nach § 1a [X.] aF ist keine iSd. § 401 Abs. 1 [X.]G[X.] bestellte [X.]ürgschaft, sondern eine gesetzlich angeordnete [X.]ürgenhaftung (vgl. [X.]AG 2. August 2006 - 10 [X.] - Rn. 14, [X.]AGE 119, 170; [X.] in Thüsing [X.] § 14 Rn. 3). Es ist zwar allgemein anerkannt, dass die Aufzählung in § 401 Abs. 1 [X.]G[X.] nicht abschließend ist und die analoge Anwendung der Vorschrift auf nicht ausdrücklich genannte Nebenrechte im Gesetzgebungsverfahren als selbstverständlich vorausgesetzt wurde. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift erfasst sie auch andere unselbständige Sicherungsrechte sowie Hilfsrechte, die zur Durchsetzung der Forderung erforderlich sind ([X.]GH 7. Dezember 2006 - [X.]/04 - ZInsO 2007, 94; 19. März 1998 - [X.] - [X.]GHZ 138, 179; ähnlich [X.]AG 23. Januar 1990 - 3 [X.] - zu [X.] 2 b der Gründe, [X.]AGE 64, 62). Die Haftung nach § 1a [X.] aF ist aber im Verhältnis zum Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber nicht als ein solches Nebenrecht anzusehen (aA, jedoch ohne [X.]egründung, [X.]/Lakies [X.] 2. Aufl. [X.]. 2 zu § 5 [X.] Rn. 14; [X.]/[X.]/Hold [X.] 2. Aufl. § 1a Rn. 25; [X.] [X.] § 14 Rn. 23; Voelzke in [X.]/Noftz SG[X.] [X.] Stand Dezember 2010 § 187 Rn. 27). Zur Durchsetzung des Mindestlohnanspruchs des Arbeitnehmers ist der Übergang der gesetzlich angeordneten [X.]ürgenhaftung nicht erforderlich, denn mit dem Insolvenzgeld ist dem Arbeitnehmer in diesem Umfange die Erfüllung seines Anspruchs gewiss.

Zudem ergibt sich dieses Ergebnis aus den Normzwecken des § 1a [X.] aF. § 401 Abs. 1 [X.]G[X.] bezweckt, dass bei der Übertragung einer Forderung die mit ihr verbundenen rechtlichen Vergünstigungen und Vorteile auch dem neuen Gläubiger erhalten bleiben (MünchKomm[X.]G[X.]/[X.] 5. Aufl. § 401 [X.]G[X.] Rn. 1). [X.]ei der Abtretung der Hauptforderung gehen deshalb solche Nebenrechte auf den neuen Gläubiger über, die zwar nicht in § 401 Abs. 1 [X.]G[X.] ausdrücklich genannt sind, aber gleichwohl der Verwirklichung und Sicherung der Hauptforderung dienen ([X.]/[X.]usche Neubearbeitung 2005 § 401 [X.]G[X.] Rn. 28). Über den Zweck des § 401 Abs. 1 [X.]G[X.] geht die Haftung des [X.]s nach § 1a [X.] aF jedoch hinaus. Sie ist kein bloßes Hilfsrecht zur Durchsetzung des Mindestlohnanspruchs aus dem Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Nachunternehmer, sondern verschafft dem Arbeitnehmer einen weiteren Schuldner, den er unmittelbar in Anspruch nehmen kann. Die Haftung nach § 1a [X.] aF dient nicht nur der Sicherung des Lohnanspruchs des Arbeitnehmers gegen den Nachunternehmer als seinem Arbeitgeber. Sie soll zwar auch sicherstellen, dass die Arbeitnehmer des [X.] unabhängig von den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen den rechtlich garantierten Mindestlohn tatsächlich durchsetzen können und tatsächlich erhalten, sie verfolgt aber zugleich präventive Zwecke. Seine Haftung nach § 1a [X.] aF soll den [X.] veranlassen, bei der Vergabe von Aufträgen an Nachunternehmer verstärkt auf deren Zuverlässigkeit zu achten und so dazu beizutragen, dass zwingende Mindestarbeitsbedingungen eingehalten werden ([X.]VerfG 20. März 2007 - 1 [X.]vR 1047/05 - zu [X.] 2 b bb (2) (b) der Gründe, [X.] GG Nr. 9). Außerdem wollte der Gesetzgeber damit Schwarzarbeit in der [X.]auwirtschaft verhindern, mehr Arbeitsplätze schaffen und [X.] unterbinden, die kleinere und mittlere [X.]etriebe in der Vergangenheit vom Markt gedrängt hatte (vgl. [X.]VerfG 20. März 2007 - 1 [X.]vR 1047/05 - zu [X.] 2 [X.] (1) (a) der Gründe, aaO; [X.]T-Drucks. 14/45 S. 17; [X.]AG 12. Januar 2005 - 5 [X.] - zu [X.] 2 [X.] (1) der Gründe, [X.]AGE 113, 149). Das verbietet es, die Haftung des [X.]s nach § 1a [X.] aF als bloßes Nebenrecht zum Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers gegen den Nachunternehmer anzusehen und schließt die analoge Anwendung des § 401 Abs. 1 [X.]G[X.] aus.

2. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Haftung des [X.]s nach § 1a [X.] aF entsprechend dem Gesetzeswortlaut auch im Falle der Insolvenz des [X.] besteht oder dem Art. 12 Abs. 1 GG entgegensteht (ausdrücklich offengelassen in [X.]VerfG 20. März 2007 - 1 [X.]vR 1047/05 - zu [X.] 2 [X.] (4) (b) der Gründe, [X.] GG Nr. 9).

[X.]. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    [X.]iebl    

        

        

        

    Feldmeier    

        

    Mandrossa    

                 

Meta

5 AZR 263/10

08.12.2010

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Stuttgart, 18. Mai 2009, Az: 4 Ca 8173/08, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 08.12.2010, Az. 5 AZR 263/10 (REWIS RS 2010, 607)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 607

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