Bundessozialgericht, Urteil vom 26.05.2011, Az. B 14 AS 132/10 R

14. Senat | REWIS RS 2011, 6212

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Beschränkung des Streitgegenstandes - Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Angemessenheitsprüfung - Wohnflächengrenze in Bremen - räumlicher Vergleichsbereich in Großstädten bzw Ballungszentren - Anwendung der Wohngeldtabelle - Zurückverweisung


Tenor

Auf die Revision des [X.]wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der [X.]vom 18. Februar 2009 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.]Niedersachsen-Bremen zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem beklagten Jobcenter Leistungen für die Unterkunft und Heizung ausgehend von der von ihm tatsächlich gezahlten Bruttokaltmiete nach dem [X.](SGB II).

2

Der Kläger bewohnt seit dem Jahr 2001 eine 48 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung in Bremen-W, für die er eine Bruttokaltmiete von 378,24 Euro zu zahlen hat. Bis zum 31.12.2004 bezog er Leistungen nach dem [X.](BSHG), als Kosten der Unterkunft waren 245 Euro anerkannt, nachdem eine ihm eingeräumte insgesamt achtmonatige Frist zur Beschaffung einer sozialhilferechtlich angemessenen Wohnung abgelaufen war. Die Rechtsvorgängerin des jetzigen Beklagten (im Folgenden: "Beklagter") bewilligte dem Kläger für die [X.]vom 1.1. bis zum 30.6.2005 Leistungen nach dem SGB II, darunter 245 Euro für die Unterkunft und 31 Euro für die Heizung monatlich (Bescheid vom 28.11.2004, Widerspruchsbescheid vom 2.5.2005).

3

Das Verwaltungsgericht (VG) [X.]- [X.]- hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 28.7.2006). Im Laufe des Berufungsverfahrens hat der Beklagte am 22.11.2006 dem Kläger für die umstrittene [X.]Leistungen für die Unterkunft in Höhe von 265 Euro monatlich bewilligt. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) der Freien Hansestadt [X.]- [X.]- hat unter Änderung der angefochtenen Bescheide den Beklagten verurteilt, dem Kläger vom 1.1. bis zum 30.6.2005 Leistungen nach dem [X.]unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 291,50 Euro zu bewilligen und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 18.2.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Streitgegenstand sei nur die Bewilligung höherer Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, bei deren Prüfung in mehreren Schritten vorzugehen sei (Hinweis auf BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 [X.]2; BSG vom 7.11.2006 - B 7b [X.]- BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 [X.]3).

4

Die angemessene Wohnungsgröße für Ein-Personen-Haushalte reiche in der [X.][X.]bis 48 qm nach der Neufassung der Richtlinien zur Durchführung der vertraglich vereinbarten Förderung der Modernisierung von Mietwohnungen in der Freien Hansestadt [X.]vom 10.5.2004 (Amtsblatt der Freien Hansestadt [X.]<Abl> 417). Der [X.]müsse nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen. Der räumliche Vergleichsmaßstab sei so zu wählen, dass der Leistungsberechtigte in seinem [X.]Umfeld verbleiben könne. Bei einer Großstadt wie [X.]mit rund 548 000 Einwohnern sei eine Differenzierung geboten. Angemessen als räumlicher Vergleichsmaßstab sei vorliegend der Stadtbezirk Bremen-West, in dem der Stadtteil [X.]liege, in dem der Kläger wohne. In [X.]wohnten ca 88 600 Einwohner, er umfasse 15 Ortsteile, in denen ein Umzug zumutbar sei und er sei im Hinblick auf Wohnbebauung und Mietniveau ähnlich strukturiert. Die Ortsteile seien durch öffentliche Verkehrsmittel gut miteinander verbunden.

5

Für die [X.][X.]liege weder ein einfacher noch ein qualifizierter Mietspiegel vor. Der Beklagte habe auch kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung des [X.]für eine sozialrechtlich angemessene Wohnung für Ein-Personen-Haushalte im Stadtbezirk [X.]erstellt. Das vom Beklagten vorgelegte Ergebnis einer Recherche aufgrund von Wohnungsanzeigen genüge den Anforderungen für ein schlüssiges Konzept nicht. Dem "GEWOS-Gutachten", in dem eine umfassende Erhebung des [X.]in [X.]erfolgt sei, könne der zu ermittelnde abstrakt angemessene Mietzins für den Stadtbezirk [X.]nicht entnommen werden, denn die Angaben zum Mietniveau bezögen sich auf die ganze Stadt. Daher seien nach der Rechtsprechung des [X.](<BSG> Hinweis auf die Urteile vom 7.11.2006, aaO) zur Bestimmung des abstrakt angemessenen Mietzinses die Werte der Tabelle zu § 8 [X.](in der Fassung des Gesetzes vom 24.12.2003, [X.]2954, im Folgenden: [X.]aF) zugrunde zu legen. Diese Werte seien durch die in den [X.]über die [X.]in [X.]enthaltenen Erkenntnisse zu modifizieren. Der Beklagte habe vorliegend bei der Bemessung der Leistung für die Unterkunft § 8 [X.]aF und die [X.]angewandt, aber nicht die äußere rechte Spalte (Bezugsfertigkeit ab 1.1.1992), sondern die zweite von rechts (Bezugsfertigkeit vom [X.]bis zum 31.12.1991) und einen Betrag von 265 Euro als angemessen angesehen. Dem könne aufgrund der Untersuchungen des [X.]nicht gefolgt werden, weil ein unausgeglichenes Verhältnis zwischen der Anzahl der nach dem [X.]hilfebedürftigen alleinstehenden Personen und dem Bestand an Wohnraum zu diesem Mietpreis vorgelegen habe. Als angemessener Wohnungsbestand für Alleinstehende mit bis zu 50 qm seien insgesamt 16 100 Einheiten ermittelt worden, von denen 13 100 bis 14 500 von Haushalten nach dem [X.]und dem [X.](SGB XII) bewohnt wurden und weitere 310 Wohnungen leer standen. Die Anzahl der nicht angemessen wohnenden Alleinstehenden habe 5000 bis 5500 Personen betragen, für die folglich nur 1600 bis 3000 Wohnungen zur Verfügung gestanden hätten. Nach dem [X.]und den Ausführungen der Sachverständigen S würde sich durch eine Anhebung der Mietobergrenze um [X.]die Anzahl der angemessenen Wohnungen von 16 100 auf 24 000 erhöhen und ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Nachfrage und angemessenem Wohnungsbestand für Alleinstehende ergeben. Der angemessene Mietzins für den Kläger betrage daher monatlich (265 + 26,50 =) 291,50 Euro. Zwar beziehe sich das [X.]auf die gesamte [X.]Bremen, der Übertragung auf den Stadtbezirk [X.]stünden aber keine durchgreifenden Hinderungsgründe entgegen.

6

Entgegen der Ansicht des [X.]beinhalte § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II in der Fassung des [X.]am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 ([X.]2954, im Folgenden: [X.]aF) keine Regel, nach der eine Absenkung der Unterkunftskosten erst sechs Monate nach Bezug von Leistungen nach dem [X.]möglich sei. Für den Kläger habe die Möglichkeit eines Umzugs bestanden, wie sich aus dem [X.]und den Erläuterungen der Sachverständigen ergebe. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, ihm günstigen Wohnraum nachzuweisen. Vielmehr sei es eine Obliegenheit des [X.]gewesen, sich um eine angemessene Unterkunft zu bemühen. Ein Umzug in eine kostengünstigere Wohnung sei dem Kläger auch zuzumuten gewesen. [X.]Gründe seien weder vorgetragen worden, noch ersichtlich.

7

Mit der - vom BSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend: Nach den Feststellungen des [X.]liege für die [X.][X.]kein einfacher und kein qualifizierter Mietspiegel vor, auch habe der Beklagte kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung des Mietniveaus. Demgemäß sei der Bemessung der Leistung für die Unterkunft des [X.]zumindest der Mietzins nach der rechten Spalte in § 8 [X.]aF in Höhe von 325 Euro zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 %, also 357,50 Euro zugrunde zu legen (Hinweis ua auf BSG vom 7.11.2006 - B 7b [X.]- BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 [X.]3). Wäre das [X.]seiner Verpflichtung nachgekommen, der Bemessung der Leistung für die Unterkunft ein schlüssiges Konzept zugrunde zu legen und sich ggf von dem Beklagten vorlegen zu lassen, hätte es den Beklagten verpflichten müssen, die tatsächlichen Unterkunftskosten des [X.]zu übernehmen.

8

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt [X.]vom 18. Februar 2009 und den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt [X.]vom 28. Juli 2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 28. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Mai 2005 und den Bescheid vom 22. November 2006 zu ändern
und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen für die Unterkunft und die Heizung in Höhe von 423,24 Euro vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 monatlich zu zahlen.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des [X.]ist das Urteil des [X.]aufzuheben, weil der rechtlichen Auffassung des [X.]in mehreren Punkten nicht gefolgt werden kann. Der Rechtsstreit ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.][X.](LSG) zurückzuverweisen, weil eine endgültige Entscheidung seitens des [X.]mangels ausreichender Feststellungen nicht möglich ist.

Streitgegenstand des Verfahrens ist nach den Anträgen des [X.]in den Vorinstanzen die "Übernahme seiner tatsächlichen Unterkunftskosten" und der diesen Anspruch regelnde Bescheid des Beklagten vom 28.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.]und der im Laufe des Berufungsverfahrens ergangene Änderungsbescheid vom [X.]Eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Leistungen für die Unterkunft und Heizung ist zulässig, soweit es sich bei der Verfügung über diese Leistungen um eine abtrennbare Verfügung (Verwaltungsakt iS des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGB X>) des [X.]handelt. Eine weitere Aufspaltung des Streitgegenstandes in die Leistungen für die Unterkunft und für die Heizung ist rechtlich nicht möglich, weil diese Leistungen eng miteinander verknüpft sind, zB über die Wohnungsgröße (vgl mit weiterer Begründung: [X.]vom 7.11.2006 - B 7b [X.]- BSGE 97, 217 = [X.]4-4200 § 22 [X.]Rd[X.]18 ff). Hierin hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von [X.]und zur Änderung des [X.]und [X.]([X.]453), das insofern zum 1.1.2011 in [X.]getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über frühere Bewilligungsabschnitte nichts geändert.

Die aufgezeigten Voraussetzungen für eine Beschränkung des Streitgegenstandes sind vorliegend erfüllt, weil insbesondere der Widerspruchsbescheid eine abtrennbare Verfügung über die Leistung für die Unterkunft und Heizung enthält. Soweit der vor dem [X.]und dem [X.]nicht anwaltlich vertretene Kläger in seinen Sachanträgen "die tatsächlichen Unterkunftskosten" begehrt hat, ist hierin bei sachgerechter Auslegung seiner Anträge (vgl § 123 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) keine Beschränkung des Streitgegenstandes und Ausschluss der Leistung für die Heizung zu sehen, sodass sich für die streitgegenständliche [X.]aufgrund der tatsächlichen Bruttokaltmiete von 378,24 Euro plus des zu zahlenden Vorschusses für die Heizung von 45 Euro ein Betrag von 423,24 Euro ergibt.

Ob der Kläger zu dem dem Grunde nach anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem [X.]gehört, kann nicht abschließend beurteilt werden, weil das Urteil des [X.]zu einigen Grundvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (Alter, Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit) keine Feststellungen hinsichtlich des [X.]enthält.

Die vorliegend umstrittenen Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II, das insofern vom 1.1.2005 bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht geändert wurde). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (ständige Rechtsprechung vgl nur [X.]vom 19.2.2009 - [X.]AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = [X.]4-4200 § 22 [X.]19 <München>, jeweils Rd[X.]12 mwN). Zwischen der Leistung für die Unterkunft und der Leistung für die Heizung ist zu unterscheiden, wie schon im Wortlaut der Vorschrift mit der Verwendung des Plurals Leistungen sowie der Rechtsprechung des [X.]zu entnehmen ist ([X.]vom [X.]AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = [X.]4-4200 § 22 [X.]23; zuletzt [X.]vom 19.10.2010 - [X.]AS 50/10 R - [X.]4-4200 § 22 [X.]42 <Berlin> Rd[X.]18).

Die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistung für die Heizung kann vom Senat nicht beurteilt werden, weil das Urteil des [X.]insofern keine weitergehenden Feststellungen enthält, außer der dem Kläger von dem Beklagten bewilligten 31 Euro.

Der Kläger könnte gegen den Beklagten einen Anspruch auf eine höhere Leistungen für die Unterkunft (Nettokaltmiete plus kalte Betriebskosten) als die ihm vom [X.]zugesprochenen 291,50 Euro monatlich für die [X.]vom 1.1. bis zum 30.6.2005 haben, weil die Herleitung des Betrags nicht frei von [X.]ist.

Zur Ermittlung der Leistung für die Unterkunft, auf die der dem Grunde nach Leistungsberechtigte Anspruch hat, ist in mehreren Schritten vorzugehen: Zunächst ist die angemessene Leistung für die Unterkunft unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren abstrakt zu ermitteln (dazu 1.). Dann ist - falls insofern vom Leistungsberechtigten Einwände vorgebracht werden - zu prüfen, ob in dem maßgeblichen örtlichen [X.]eine solche abstrakt angemessene Wohnung auch tatsächlich hätte angemietet werden können (dazu 2.). Soweit die Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft übersteigen, sind erstere solange zu berücksichtigen, wie es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 Satz 2 SGB II aF, der durch die Einführung des neuen Satzes 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, [X.]1706, ohne inhaltliche Änderung zu [X.]wurde; zu dieser Voraussetzung unter 3.; vgl zu allen Voraussetzungen ua [X.]vom 7.11.2006 - B 7b [X.]- BSGE 97, 254 = [X.]4-4200 § 22 [X.]3, jeweils Rd[X.]19 ff; [X.]vom 19.2.2009 - [X.]AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = [X.]4-4200 § 22 [X.]19 <München>, jeweils Rd[X.]12 ff; [X.]vom 20.8.2009 - [X.]AS 65/08 R - [X.]4-4200 § 22 [X.]26; [X.]vom [X.]- [X.]AS 18/09 R - BSGE 104, 192 = [X.]4-4200 § 22 [X.]30; [X.]vom 17.12.2009 - [X.]AS 27/09 R - [X.]4-4200 § 22 [X.]27 <Essen>; [X.]vom 17.12.2009 - [X.]AS 50/09 R - [X.]4-4200 § 22 [X.]29; zuletzt: [X.]vom 19.10.2010 - [X.]AS 50/10 R - [X.]4-4200 § 22 [X.]42 <Berlin> Rd[X.]20 ff).

1. Die Höhe der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft des [X.]kann aufgrund der Feststellungen des [X.]nicht beurteilt werden.

Die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft ist entsprechend der soeben aufgezeigten Rechtsprechung in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln: a) Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. b) [X.]ist der maßgebliche örtliche [X.]festzulegen. c) Im nächsten Schritt ist unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro qm Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen [X.]zu zahlen ist, um die nach der Produkttheorie angemessene Nettokaltmiete zu ermitteln. d) Zu der so ermittelten Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen.

a) Die angemessene Wohnungsgröße beträgt für Alleinstehende in [X.]48 qm.

Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist auf die [X.]für [X.]im [X.]Mietwohnungsbau abzustellen (ständige Rechtsprechung seit [X.]vom 7.11.2006 - B 7b [X.]- BSGE 97, 254 = [X.]4-4200 § 22 [X.]3, jeweils Rd[X.]19; zuletzt [X.]vom 19.10.2010 - [X.]AS 50/10 R - [X.]4-4200 § 22 [X.]42 <Berlin>). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsbau verweisen § 27 Abs 4, § 10 des Gesetzes über die [X.]Wohnraumförderung vom 13.9.2001 ([X.]2376, "Wohnraumförderungsgesetz", im Folgenden: WoFG) wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße auf die "Bestimmungen des jeweiligen Landes".

Nach den Feststellungen des [X.]ist nach der Neufassung der Richtlinien zur Durchführung der vertraglich vereinbarten Förderung der Modernisierung von Mietwohnungen in der Freien Hansestadt [X.]vom 20.5.2004 ([X.]ff) für einen Ein-Personen-Haushalt eine Wohnungsgröße bis 48 qm angemessen. An diese Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist für die Bestimmung der [X.]nach § 22 Abs 1 SGB II aus den genannten Gründen anzuknüpfen.

b) Der für den Kläger maßgebliche örtliche [X.]kann nach den derzeitigen Feststellungen des [X.]nicht auf den Stadtbezirk [X.]beschränkt werden.

Zur Begründung dieses von ihm angenommenen örtlichen Vergleichsraums hat das [X.]angeführt, dass bei einer Großstadt wie [X.]mit rund 548 000 Einwohnern eine Differenzierung geboten sei. Das Mietniveau sei in den einzelnen Stadtteilen unterschiedlich hoch, es gebe Stadtteile, in denen 77 % der Mietwohnungen auf geringem Niveau liegen.

Nach der Rechtsprechung des [X.]ist Ausgangspunkt für die Bestimmung des [X.]zunächst der Wohnort des Leistungsberechtigten. Der [X.]muss einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung umfassen, um ein entsprechendes Wohnungsangebot aufzuweisen und die notwendigen abstrakten Ermittlungen zu ermöglichen. Des Weiteren muss er aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur, insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit, einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Das [X.]hat als solche Vergleichsräume die Städte [X.]mit rund 1,36 [X.]Einwohnern ([X.]vom 19.2.2009 - [X.]AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = [X.]4-4200 § 22 [X.]19) und [X.]mit rund 3,4 [X.]Einwohnern angesehen ([X.]vom 19.10.2010 - [X.]AS 50/10 R - [X.]4-4200 § 22 [X.]42 Rd[X.]24). Es hat darauf hingewiesen, dass eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke oder Ortsteile mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum das Risiko einer Gettoisierung birgt.

Dem folgend kann aus der Einwohnerzahl der [X.][X.]kein zwingender Grund für eine weitere Unterteilung der [X.]abgeleitet werden. Dagegen spricht vielmehr die Feststellung des OVG, in bestimmten Stadtteilen würden 77 % der Mietwohnungen auf geringem Niveau liegen, was möglicherweise die Gefahr einer Gettoisierung birgt, und die weiteren Ausführungen des [X.]zum maßgeblichen Datenbestand, bei denen oftmals auf die gesamte [X.][X.]zurückgegriffen wurde. Ob die [X.][X.]insgesamt die Voraussetzungen eines [X.]erfüllt, wird das [X.]zu prüfen haben.

c) Welche unter Berücksichtigung eines einfachen Wohnungsstandards angemessene Nettokaltmiete pro qm Wohnfläche auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen [X.]für den Kläger zugrunde zu legen ist, kann aufgrund der Feststellungen des [X.]nicht bestimmt werden.

Unabhängig von der Beantwortung der Frage nach dem maßgeblichen örtlichen [X.](siehe zuvor) gibt es nach den Feststellungen des [X.]für die [X.][X.]weder einen einfachen noch einen qualifizierten Mietspiegel, und der [X.]hat auch kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung des [X.]für eine angemessene Wohnung für Ein-Personen-Haushalte aufgestellt. Ob aus dem GEWOS-Gutachten, das eine umfassende Erhebung des [X.]für die gesamte [X.][X.]enthält, entsprechende Zahlen abgeleitet werden können, ggf in Verbindung mit weiteren Ermittlungen (vgl zB die Anhörung der Sachverständigen S und ihre sehr differenzierten Angaben zum Wohnungsbestand für Alleinstehende in Bremen), kann vom Senat mangels weiterer Feststellungen nicht beurteilt werden (vgl auch [X.]vom 18.6.2008 - B 14/7b [X.]- Rd[X.]16).

Nur wenn es nicht möglich ist, auf diesem Wege eine angemessene Nettokaltmiete zu bestimmen, kann zur Ermittlung der Leistung für die Unterkunft auf die Tabelle zu § 8 [X.]aF zurückgegriffen werden. Dieser Rückgriff auf § 8 [X.]führt jedoch nicht zu einem geeigneten Maßstab zur Bestimmung der angemessenen Leistung für die Unterkunft iS des § 22 SGB II, sondern beinhaltet nur eine [X.]nach oben, weswegen auch die rechte Spalte in der Tabelle zugrunde zu legen ist ([X.]vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = [X.]4-4200 § 22 [X.]2; [X.]vom 18.6.2008 - B 14/7b [X.]- Rd[X.]15; [X.]vom 17.12.2009 - [X.]AS 50/09 R - [X.]4-4200 § 22 [X.]29 Rd[X.]21 f, 27).

Gegen ein "Mischverfahren" wie es das [X.]angewandt hat, bei dem von Werten aus der Tabelle nach § 8 [X.]aF ausgegangen wird und diese aufgrund bestimmter lokaler Erkenntnisse verändert werden, um ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Nachfrage und angemessenem Wohnungsbestand zu erreichen, spricht schon, dass ihm keine systematische Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete zugrunde liegt. Offen bleibt zB, warum von den Werten der zweiten Spalte von rechts in der Tabelle ausgegangen wird und nicht von denen in der ganz rechten oder dritten von rechts.

d) Feststellungen zu den abstrakt angemessenen kalten Betriebskosten fehlen.

2. Ob in dem maßgeblichen örtlichen [X.]eine solche abstrakt angemessene Wohnung auch tatsächlich hätte gemietet werden können, kann mangels entsprechender Feststellungen nicht beurteilt werden (vgl [X.]vom 13.4.2011 - [X.]AS 106/10 R - <Freiburg>, zur [X.]vorgesehen).

3. Ob die Aufwendungen des [X.]für seine Unterkunft (Bruttokaltmiete von 378,24 Euro), wenn sie die abstrakt angemessene Leistung für seine Unterkunft übersteigen, nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II aF zu berücksichtigen sind, weil es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar war, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, kann ebenfalls nicht abschließend entschieden werden.

Das [X.]hat insofern zu Recht auf die schon durch den Sozialhilfeträger erfolgten Kostensenkungsinformationen hingewiesen ([X.]vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = [X.]4-4200 § 22 [X.]2, jeweils Rd[X.]23; [X.]vom 7.11.2006 - B 7b [X.]- BSGE 97, 254 = [X.]4-4200 § 22 [X.]3, jeweils Rd[X.]24). Individuelle Gründe, die seitens des [X.]einer Kostensenkung entgegenstehen, hat das [X.]nicht festgestellt.

4. Der Rechtsstreit ist an das [X.][X.]zurückzuverweisen. Zwar hat das [X.]"das Urteil erlassen" (vgl § 170 Abs 2 Satz 2 SGG am Ende) und nicht das [X.]Niedersachsen-Bremen. Die früheren §§ 50a ff SGG, nach denen aufgrund Landesrechts die Sozialgerichtsbarkeit in bestimmten sozialrechtlichen Materien durch besondere Spruchkörper der Verwaltungsgerichte ausgeübt wurde (eingeführt durch Gesetz vom 9.12.2004, [X.]3302), sind jedoch mit Wirkung vom 1.1.2009 aufgehoben. Die Übergangsregelung in § 206 Abs 2 SGG sieht vor, dass Verfahren, die am 1.1.2009 bei den besonderen Spruchkörpern der Verwaltungsgerichte anhängig sind, bei diesen anhängig bleiben und entsprechend der bisherigen Rechtslage fortgeführt werden; für Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung eines besonderen Spruchkörpers, die nach dem 31.12.2008 ergehen, ist jedoch das [X.]zuständig. Entsprechend dieser vom Gesetzgeber getroffenen Regel, die anhängigen Verfahren in der jeweiligen Instanz in den besonderen Spruchkörpern zu belassen, nach Abschluss einer Instanz diese aber der üblichen Zuständigkeitsregelung zu unterwerfen, ist nunmehr für das zurückverwiesene Verfahren das [X.]zuständig.

5. Das [X.]wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 14 AS 132/10 R

26.05.2011

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend VG Bremen, 28. Juli 2006, Az: S2 K 1016/05, Gerichtsbescheid

§ 95 SGG, § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 24.12.2003, § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 vom 24.12.2003, § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 vom 20.07.2006, § 19 Abs 1 SGB 2 vom 24.03.2011, § 8 WoGG 2 vom 24.12.2003, § 31 SGB 10, § 50a SGG vom 09.12.2004, §§ 50aff SGG, § 170 Abs 2 S 2 SGG, § 206 Abs 2 SGG vom 09.12.2004

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 26.05.2011, Az. B 14 AS 132/10 R (REWIS RS 2011, 6212)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6212

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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