Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.08.2020, Az. AK 20/20

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1105

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Gegenstand

Voraussetzungen des Qualifikationstatbestands des Handelns für den Geheimdienst einer fremden Macht; Strafbarkeit von Verstößen gegen das Russland-Embargo


Leitsatz

Für die Qualifikation des § 18 Abs. 7 Nr. 1 AWG ist nicht zu verlangen, dass das Tun des Täters zu einer funktionellen Eingliederung in die Ausforschungsbemühungen des Geheimdienstes einer fremden Macht führt. Ausreichend ist jedenfalls, wenn sich die Tat als Ausfluss der Einbindung des Täters lediglich in die geheimdienstliche Beschaffungsstruktur darstellt.

Tenor

Die Untersuchungshaft hat [X.].

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe

[X.]

1

Der Beschuldigte ist am 11. Februar 2020 vorläufig festgenommen worden und befindet sich seit dem 12. Februar 2020 aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom selben Tag (1 [X.]) ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe im Zeitraum von Januar 2016 bis Januar 2018 in sieben Fällen gewerbsmäßig und für den Geheimdienst einer fremden Macht handelnd einem Ausfuhrverbot und einem Verkaufsverbot eines im [X.] veröffentlichten unmittelbar geltenden [X.] zuwidergehandelt, der der Durchführung einer vom [X.] im Bereich der [X.] beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme gedient habe, strafbar gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Abs. 7 Nr. 1 und 2 Alternative 1 [X.] i.V.m. Art. 1 lit. a, Art. 2 Abs. 1 der [X.] ([X.]) Nr. 833/2014 (veröffentlicht im [X.]. L 229 am 31. Juli 2014), §§ 52, 53 StGB.

2

Aufgrund mündlicher Haftprüfung am 5. Juni 2020 hat der Ermittlungsrichter mit Beschluss vom 10. Juni 2020 (1 [X.] 197/20 VS-NfD) entschieden, dass der vorbenannte Haftbefehl aufrechterhalten wird und in Vollzug bleibt.

I[X.]

3

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

4

1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl vom 12. Februar 2020 vorgeworfenen Tat dringend verdächtig.

5

a) Im Sinne eines dringenden Tatverdachts ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

6

Der Beschuldigte war im Tatzeitraum zwischen Januar 2016 und Januar 2018 alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma [X.] mit Sitz in [X.]    . Diese hatte keine weiteren tatsächlich für das Unternehmen tätigen Mitarbeiter. Namens der [X.]      verkaufte der Beschuldigte in sieben Fällen Werkzeugmaschinen im Gesamtwert von 7.936.045 € an die [X.] Firma [X.]mit Sitz in [X.]        ([X.]) und führte sie an diese aus. Für die [X.]handelte deren Generaldirektor, der gesondert Verfolgte [X.]    . Die von diesem vorgegebenen Empfänger der Maschinen waren die beiden unter seinem unmittelbaren Einfluss stehenden Firmen [X.].     und [X.](   ), die unter einer Firmenadresse ebenfalls in [X.]        ansässig waren. Die in einer gesonderten Werkshalle der [X.].     aufgestellten Maschinen waren für einen militärischen Endnutzer bestimmt; sie wurden von der oder für die Firma    N.    verwendet, die ihren Sitz in unmittelbarer Nähe hatte und Teil des staatlichen Rüstungskonzerns Al.      war. Die    N.    war im Bereich der Trägertechnologie tätig; unter anderem befasste sie sich mit der Entwicklung von Marschflugkörpern für das [X.].    -Raketensystem.

7

Die von der [X.]      veräußerten und exportierten Werkzeugmaschinen unterfielen den [X.] 2B001 oder 2B201 des [X.] der Dual-Use-VO ([X.]) Nr. 428/2009 (veröffentlicht im [X.]. L 134 am 29. Mai 2009). Seit dem 31. Juli 2014 sind sowohl der Verkauf als auch die Ausfuhr derart gelisteter Güter nach [X.] gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 lit. a der [X.] ([X.]) Nr. 833/2014 verboten, wenn diese Güter ganz oder teilweise für militärische Zwecke oder für einen militärischen Endnutzer bestimmt sind oder bestimmt sein können.

8

[X.]    s Beschaffungen wurden durch einen [X.]n Geheimdienst beaufsichtigt und gesteuert. Die [X.]war in diesen eingebunden. [X.]    betrieb in [X.] ein konspirativ arbeitendes Beschaffungsnetzwerk, bestehend aus drei Lieferfirmen, unter anderem der [X.]      , sowie einer Spedition. Er erhielt Anweisungen von einem "[X.]" genannten Hintermann, bei dem es sich um seinen - dem Beschuldigten bekannten - nachrichtendienstlichen Auftraggeber handelte.

9

Bei den Verkäufen und Ausfuhren rechnete der Beschuldigte mit einer militärischen [X.] durch die    N.    , ebenso mit der Beaufsichtigung und Steuerung von [X.]    s Beschaffungen durch einen [X.]n Geheimdienst. Als alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter der [X.]      wollte er sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang verschaffen.

Im Einzelnen beging der Beschuldigte die folgenden sieben Taten:

aa) Verkauf und Ausfuhr eines High speed                   center,                                                                                im Wert von 973.990 €, erfasst von [X.] der [X.] ([X.]) Nr. 428/2009, [X.] 2B001b, an die [X.]mit dem angeblichen Endverwender "[X.].     " am 23. Januar 2016. Die Ausfuhrgenehmigung des [X.] ([X.]) vom 22. Oktober 2015, [X.]      , wurde mit der Behauptung erschlichen, Verwendungszweck sei die Herstellung von Laufschaufeln für Gasturbinen (Fall 1).

bb) Verkauf und Ausfuhr von zwei      Bearbeitungszentren                                                                  im Wert von 704.720 €, erfasst von [X.] der Dual-Use-VO ([X.]) Nr. 428/2009, [X.] 2B001, an die [X.]mit dem angeblichen Endverwender "[X.].     " am 20. und 22. Januar 2016. Die Ausfuhrgenehmigung des [X.] vom 3. November 2015, [X.]      , wurde mit der Behauptung erschlichen, Verwendungszweck sei die Herstellung von Teilen für Gasturbinen (Fall 2).

cc) Verkauf und Ausfuhr von zwei      Bearbeitungszentren        und drei Bearbeitungszentren                                      im Gesamtwert von 1.638.515 €, erfasst von [X.] der Dual-Use-VO ([X.]) Nr. 428/2009, [X.] 2B201a und 2B001, an die [X.]mit dem angeblichen Endverwender "[X.].     " am 27. November, 2. und 9. Dezember 2016. Die Ausfuhrgenehmigung des [X.] vom 27. Juli 2016, [X.]      , wurde mit der Behauptung erschlichen, Verwendungszweck sei die Herstellung von Teilen für Gasturbinen (Fall 3).

dd) Verkauf und Ausfuhr von zwei Bearbeitungszentren                                                                        im Wert von 1.364.400 €, erfasst von [X.] der Dual-Use-VO ([X.]) Nr. 428/2009, [X.] 2B001, an die [X.]mit dem angeblichen Endverwender "[X.]" am 16., 18. und 28. Mai 2017. Die Ausfuhrgenehmigung des [X.] vom 26. Januar 2017, [X.]      , wurde mit der Behauptung erschlichen, Verwendungszweck sei die Herstellung von Metallteilen (Fall 4).

ee) Verkauf und Ausfuhr von zwei      Bearbeitungszentren                                                                  im Wert von 1.284.590 €, erfasst von [X.] der Dual-Use-VO ([X.]) Nr. 428/2009, [X.] 2B001, an die [X.]mit dem angeblichen Endverwender "[X.]" am 7., 8. und 11. Juli 2017. Die Ausfuhrgenehmigung des [X.] vom 4. Mai 2017, [X.]      , wurde mit der Behauptung erschlichen, Verwendungszweck sei die Herstellung von Metallteilen (Fall 5).

ff) Verkauf und Ausfuhr von zwei      Bearbeitungszentren                                                                 im Wert von 1.284.590 €, erfasst von [X.] der Dual-Use-VO ([X.]) Nr. 428/2009, [X.] 2B001, an die [X.]mit dem angeblichen Endverwender "[X.]" am 18. und 20. Januar 2018. Die Ausfuhrgenehmigung des [X.] vom 4. Mai 2017, [X.]      , wurde mit der Behauptung erschlichen, Verwendungszweck sei die Herstellung von Bauteilen und Baugruppen für die Öl- und Gasförderung, metallurgische Ausrüstung, Stromerzeugung und Bergbauausrüstung (Fall 6).

gg) Verkauf und Ausfuhr eines      Bearbeitungszentrums                                                                  im Wert von 685.240 €, erfasst von [X.] der Dual-Use-VO ([X.]) Nr. 428/2009, [X.] 2B201A, an die [X.]mit dem angeblichen Endverwender "[X.]" am 12. Januar 2018. Die Ausfuhrgenehmigung des [X.] vom 23. August 2017, [X.]      , wurde mit der Behauptung erschlichen, Verwendungszweck sei die Herstellung von Bauteilen und Baugruppen für die Öl- und Gasförderung (Fall 7).

b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus einer Gesamtschau der bisherigen Ermittlungsergebnisse, von denen vor allem folgende von besonderer Bedeutung sind:

Die geschilderten sieben Ausfuhrvorgänge werden namentlich durch die die Ausfuhranträge betreffenden Schriftstücke und die erfassten zollamtlichen Daten, ferner durch die Angaben des Beschuldigten als Exporteur sowie die Ausfuhrgenehmigungen belegt. Die Annahme, dass sich diese Vorgänge mit hoher Wahrscheinlichkeit auf gelistete Güter bezogen, die für eine Verwendung im militärischen Bereich geeignet waren, beruht insbesondere auf den fachtechnischen Bewertungen des BAF[X.]

Die militärische [X.] der ausgeführten Werkzeugmaschinen und die Zuordnung der Endverwender zum militärischen Bereich ergeben sich unter anderem aus nachrichtendienstlichen Erkenntnissen. Durch [X.] und [X.] ist das hohe Maß an Konspiration aufgedeckt worden, das den Beschaffungen zugrunde lag; so wurden noch nach den Taten mehrfach Behörden - etwa über die Identität des Empfängers von Gütern oder dessen Zugehörigkeit zur Rüstungsindustrie - getäuscht. Dass die [X.].     und die [X.](   ) auch tatsächlich Endverwender der ausgeführten Werkzeugmaschinen waren, ist schon nicht plausibel. Im Zeitraum von Januar 2014 bis Dezember 2019 wurden ausweislich der Ausfuhranmeldungen 63 hochwertige Werkzeugmaschinen an die beiden Unternehmen exportiert. Eine [X.] durch diese scheint im Hinblick auf die Firmenprofile und die Jahresumsätze der Unternehmen (nach dem [X.]: 8,87 Mio. € und 1,86 Mio. €) kaum nachvollziehbar. Aus dem jeweiligen [X.] des Beschuldigten und des [X.]    folgt, dass die    N.    nicht nur vorab technische Spezifikationen für die Werkzeugmaschinen, sondern auch nachträglich Beanstandungen in Bezug auf sie vornahm. Zwischenzeitlich hat ermittelt werden können, dass sich eine der im Fall 2 gelieferten Maschinen tatsächlich auf dem Gelände der    N.    befand.

Die Steuerung der einzelnen Geschäfte durch einen [X.]n Geheimdienst ergibt sich nach Aktenlage zunächst aus [X.]Erkenntnissen zu dem Hintermann namens "[X.]". Es besteht die starke Vermutung, dass es sich bei diesem um [X.]    s nachrichtendienstlichen Auftraggeber handelte.

Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der subjektiven Tatseite beruht auf den Angaben des Mitbeschuldigten [X.]  sowie den Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung. Des Weiteren ist eine E-Mail des Beschuldigten gesichert worden, die naheliegend dahin zu verstehen ist, dass er um die    N.    als Endverwender positiv wusste.

Wegen weiterer Einzelheiten zu den [X.] wird Bezug genommen auf die Ausführungen in der Antragsschrift des [X.] vom 5. August 2020 und im Abschlussvermerk des [X.]s vom 29. Juli 2020, welche die zutreffende Bewertung in dem Haftbefehl vom 12. Februar 2020 sowie in dem [X.] vom 10. Juni 2020 ergänzen und fortschreiben.

c) In rechtlicher Hinsicht ist der unter a) geschilderte Sachverhalt dahin zu beurteilen, dass der Beschuldigte der gewerbsmäßigen sowie geheimdienstlich gesteuerten Zuwiderhandlung gegen ein Verkaufsverbot und ein Ausfuhrverbot eines unmittelbar geltenden [X.], der der Durchführung einer vom [X.] im Bereich der [X.] beschlossenen Sanktionsmaßnahme diente, in sieben Fällen dringend verdächtig ist (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Abs. 7 Nr. 1 und 2 Alternative 1 [X.] i.V.m. Art. 1 lit. a, Art. 2 Abs. 1 der [X.] [[X.]] Nr. 833/2014, §§ 52, 53 StGB). Mit dem Verkauf und der Ausfuhr der im [X.] der Dual-Use-VO ([X.]) Nr. 428/2009 unter den Positionen 2B001 oder 2B201 gelisteten Güter nach [X.] zur militärischen [X.] verstieß er gegen das Verkaufs- und das Ausfuhrverbot nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 lit. a der [X.] ([X.]) Nr. 833/2014. Die Zuwiderhandlung gegen das Verkaufs- und diejenige gegen das Ausfuhrverbot stehen zueinander im Verhältnis der Idealkonkurrenz (s. [X.], [X.]teil vom 24. Juli 2014 - 3 [X.], NJW 2014, 3047 Rn. 16).

Auf der Grundlage des geschilderten Sachverhalts verwirklichte der Beschuldigte neben dem [X.] des gewerbsmäßigen Handelns nach § 18 Abs. 7 Nr. 2 Alternative 1 [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 5. März 2019 - 3 StR 413/18, juris Rn. 26 ff. [insoweit in NStZ 2019, 736 nicht abgedruckt]) denjenigen des Handelns für den Geheimdienst einer fremden Macht nach § 18 Abs. 7 Nr. 1 [X.]. Der Gesetzgeber hat diese seit dem 1. September 2013 gültige Qualifikation geschaffen, um "der erhöhten Gefährlichkeit einschlägiger Beschaffungsoperationen bei geheimdienstlicher Steuerung" zu begegnen (BT-Drucks. 17/11127 [X.]). Wie für eine Strafbarkeit wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit nach § 99 Abs. 1 StGB bedarf es für § 18 Abs. 7 Nr. 1 [X.] keiner organisatorischen Eingliederung des [X.] in den fremden Geheimdienst (s. [X.]/[X.]/[X.], 231. EL, § 17 [X.] Rn. 18; zu § 99 Abs. 1 StGB vgl. [X.], [X.]teil vom 5. Juli 1972 - 3 StR 4/71 II, [X.]St 24, 369, 372). Da diese Qualifikation anders als § 99 Abs. 1 StGB keine geheimdienstliche Tätigkeit, sondern nur ein schlichtes Handeln für den fremden Geheimdienst voraussetzt, ist für sie auch nicht zu verlangen, dass [X.] des [X.] zu einer funktionellen Eingliederung in die Ausforschungsbemühungen des [X.] führt (s. [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.], Vor §§ 17, 18 [X.] Rn. 114; [X.]/[X.] in [X.], Zollrecht, 193. EL, § 17 [X.] Rn. 28; MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 17 [X.] Rn. 45; ferner [X.], Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 17 [X.] Rn. 26; [X.]/[X.]/[X.] aaO). Die abweichende Auslegung des § 99 Abs. 1 StGB ergibt sich gerade aus der Beschreibung der tatbestandlichen Handlung als geheimdienstlicher Tätigkeit; denn hieraus folgt, dass nicht jedes Handeln für einen fremden Geheimdienst dieses Strafgesetz verletzen kann, sondern es einer gewissen Mindestqualität des Tuns bedarf (s. [X.], Beschluss vom 9. Mai 2006 - StB 4/06, [X.], 93 Rn. 3 mwN).

Für § 18 Abs. 7 Nr. 1 [X.] ist es jedenfalls ausreichend, wenn sich die Tat als Ausfluss der Einbindung des [X.] lediglich in die geheimdienstliche Beschaffungsstruktur darstellt (s. MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 17 [X.] Rn. 45). So liegt es nach Aktenlage hier. [X.]    betrieb in [X.] mit hoher Wahrscheinlichkeit ein konspirativ arbeitendes Beschaffungsnetzwerk, in das sich der Beschuldigte einfügte und an dem er mitwirkte; diese Form der Beschaffungen wurde durch einen [X.]n Geheimdienst beaufsichtigt und gesteuert. Unter welchen Voraussetzungen über den Fall der Einbindung in die geheimdienstliche Beschaffungsstruktur hinaus ein tatbestandsmäßiges Handeln für den Geheimdienst einer fremden Macht vorliegen kann, bedarf infolgedessen keiner Klärung.

Offenbleiben kann auch, ob der Beschuldigte aufgrund der mutmaßlichen Zugehörigkeit der    N.    zur - im [X.] unter "Einrichtungen" Nr. 21 der [X.] ([X.]) Nr. 269/2014 gelisteten - Al.      darüber hinaus dringend verdächtig ist, dem unionsrechtlichen Bereitstellungsverbot nach Art. 2 Abs. 2 dieser Verordnung zuwidergehandelt und sich hierdurch ebenfalls gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Abs. 7 Nr. 1 und 2 Alternative 1 [X.] strafbar gemacht zu haben.

2. Die Ermittlungszuständigkeit des [X.] und die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des [X.] zum Erlass des Haftbefehls folgen aus § 142a Abs. 1 Satz 1 und 2, § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 lit. [X.], § 169 Abs. 1 StPO.

Die dem Beschuldigten vorgeworfenen Handlungen waren geeignet, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik [X.] erheblich zu gefährden. Die Sache hat besondere Bedeutung, weil die Taten sowie die ihnen innewohnenden und sie begleitenden Umstände vor dem Hintergrund des gegen [X.] verhängten Waffen- und Wirtschaftsembargos einen gewichtigen Angriff auf gesamtstaatliche Interessen und das Risiko einer Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik [X.] in der [X.] begründen. Das gilt umso mehr, als zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die ausgeführten Güter für eine militärische Verwendung im Bereich der Trägertechnologie bestimmt und geeignet waren. Mithin haben die Tatvorwürfe auch eine die Bundesrepublik [X.] betreffende sicherheitspolitische Dimension, die eine Verfolgung durch die Strafgerichtsbarkeit des Bundes gebietet.

3. Die weiteren allgemeinen Voraussetzungen für die Anordnung und den Vollzug der Untersuchungshaft liegen vor.

a) Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO).

Der Beschuldigte hat im Fall seiner Verurteilung mit einer erheblichen Haftstrafe zu rechnen. Für jede der sieben Taten sieht § 18 Abs. 7 [X.] als Strafrahmen Freiheitsstrafe zwischen einem Jahr und 15 Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB) vor. Das Maß der [X.] wird bestimmt durch den Zeitraum und den Umfang der vom Beschuldigten betriebenen Ausfuhrgeschäfte sowie den Wert der betroffenen Güter und das Ausmaß deren potentiellen militärischen Nutzens, ferner durch den diesen Geschäften innewohnenden gewichtigen Angriff auf gesamtstaatliche Interessen der Bundesrepublik [X.]. Dem von der Straferwartung ausgehenden hohen Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Eine berufliche Bindung des Beschuldigten an [X.] besteht nicht. Seine unternehmerische Existenz beschränkte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Geschäftsbeziehung zu [X.]    . Der Beschuldigte verfügt allerdings nach bisherigen Erkenntnissen über die finanziellen Möglichkeiten, sich dem weiteren Strafverfahren durch Flucht zu entziehen. Er spricht die [X.] Sprache, hat gute Kontakte nach [X.] und würde im Fall einer Flucht voraussichtlich durch [X.] Stellen unterstützt werden (zum notwendigen Beweismaß für die die Fluchtgefahr begründenden tatsächlichen Umstände vgl. [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2018 - StB 43 u. 44/18, juris Rn. 37). Die familiäre Bindung des Beschuldigten an [X.] kann - ungeachtet deren Stabilität (s. hierzu Haftbefehl vom 12. Februar 2020 S. 15 und [X.] vom 10. Juni 2020 S. 10) - die Fluchtgefahr nicht ausräumen.

Da der Haftgrund der Fluchtgefahr vorliegt, kann dahinstehen, ob der Ermittlungsrichter des [X.] den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO) zu Recht angenommen hat.

b) Eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 Abs. 1 StPO) ist nicht erfolgversprechend. Unter den gegebenen Umständen kann der Zweck der Untersuchungshaft nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als ihren Vollzug erreicht werden.

c) Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

4. Die besonderen Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor. Trotz der - der Verfahrensbeschleunigung dienenden - Beschränkung der Ermittlungen auf die Ausfuhr gelisteter Güter an den Endempfänger    N.    haben der besondere Umfang der Ermittlungen sowie deren besondere Schwierigkeit ein [X.]teil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Das Ermittlungsverfahren ist mit der in Haftsachen gebotenen Zügigkeit geführt worden:

Es richtet sich derzeit gegen drei Beschuldigte, ursprünglich auch gegen den nunmehr gesondert Verfolgten [X.]    . Die [X.] umfassen mittlerweile 23 Stehordner. Bei der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschuldigten sowie weiterer Wohn- und [X.] zwischen dem 11. Februar und dem 10. März 2020 ist umfangreiches schriftliches und elektronisches Beweismaterial sichergestellt worden; dieses hat gesichtet und ausgewertet werden müssen. Das [X.] hat die Ermittlungen vom 23. März bis zum 22. Mai 2020 aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der [X.] nur mit eingeschränktem Personalaufwand durchführen können; denn in diesem Zeitraum ist dort zur Sicherstellung der Dienstfähigkeit ein Schichtbetrieb im wöchentlichen Wechsel mit jeweils 50% des Personals eingerichtet gewesen. Gleichwohl hat das [X.] seine Ermittlungen am 3. August 2020 mit der Vorlage der Ermittlungsakten abgeschlossen. Der [X.] hat mitgeteilt, dass die Anklage derzeit erarbeitet wird.

Schäfer              Berg                [X.]

Meta

AK 20/20

31.08.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 18 Abs 1 Nr 1 Buchst a AWG, § 18 Abs 7 Nr 1 AWG, § 18 Abs 7 Nr 2 AWG, Art 1 Buchst a EUV 833/2014, Art 2 Abs 1 EUV 883/2014, § 112 Abs 2 Nr 2 StPO, § 121 Abs 1 StPO, EGV 428/2009

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.08.2020, Az. AK 20/20 (REWIS RS 2020, 1105)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1105

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