Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.06.2016, Az. III ZR 334/14

III. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 10620

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:020616BIIIZR334.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZR 334/14
vom
2. Juni 2016
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 91 Abs. 1; [X.] § 123 Abs. 1, 2, § 124 Abs. 1, 2; [X.] Art. 18 ff
a)
Nach § 123 Abs. 1, 2, § 124 Abs. 1, 2 [X.] in Verbindung mit den [X.] (hier: Art. 18 ff des Bayerischen Hinterlegungsgesetzes -
[X.]) handelt es sich bei dem [X.] um einen gesetzlichen Anspruch, dessen Entstehung voraussetzt, dass die Sicherheit nach § 123 Abs. 1 [X.] frei geworden und die amtliche Verstrickung durch einen (feststellenden) [X.] gelöst worden ist. Erst dadurch erlangt der Hinterleger einen Her-ausgabeanspruch gegen die Hinterlegungsstelle nach den jeweiligen lan-desrechtlichen Hinterlegungsvorschriften.
b)
Entsteht der im Voraus abgetretene Anspruch auf Kautionsrückzahlung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und hat der Zessionar vor der Insolvenzeröffnung auch keine gesicherte Rechtsposition erlangt, er-wirbt er gemäß §
91 Abs. 1 [X.] kein Forderungsrecht zu Lasten der [X.].

[X.], Beschluss vom 2. Juni 2016 -
III ZR 334/14 -
OLG [X.] in [X.]

[X.]

-
2 -

Der III. Zivilsenat des [X.] hat am 2. Juni 2016 durch den Vorsitzenden
[X.] Dr.
[X.],
die [X.] [X.], Dr.
Remmert und Reiter
sowie die [X.]in Pohl

beschlossen:

Die Beschwerde des Beklagten
gegen die Nichtzulassung der Re-vision in dem Urteil des Oberlandesgerichts [X.] -
27.
Zivil-senat -
vom 15. Oktober 2014 -
27 [X.]
-
wird zurückgewie-sen.

Der Beklagte hat
die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§
97
Abs.
1 ZPO).
Streitwert: 45.

Gründe:

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs.
2 Satz
1 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fort-bildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung er-forderlich (§ 543 Abs.
2 Satz
1 Nr. 2 ZPO).

1.
Die von der Beschwerde aufgeworfene
Rechtsfrage, inwieweit der Be-schuldigte, der eine Sicherheitsleistung zur Außervollzugsetzung eines Haftbe-fehls als Eigenhinterleger zu leisten hat, den Rückzahlungsanspruch gegen die Staatskasse schon vor Freigabe der Sicherheit nach § 123 Abs. 2 [X.] wirk-1
2
-
3 -

sam abtreten kann, ist zwar erst durch Urteil des [X.] vom 16.
März 2016 ([X.], [X.], 757), also nach Einlegung des Rechtsmittels des Beklagten, höchstrichterlich geklärt worden. Die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist dennoch nicht geboten. Die Rechtsfrage ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich, da die
am 16. Juli 2010 erfolgte Abtretung des [X.] gemäß §
91 Abs.
1 [X.] unwirksam ist.

2.
Nach § 91 Abs. 1 [X.] können nach der Eröffnung des Insolvenzverfah-rens Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nicht wirksam erwor-ben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangs-vollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt. Im Falle der Abtre-tung einer künftigen Forderung ist die Verfügung selbst bereits mit Abschluss des [X.] beendet. Der [X.] erfolgt jedoch erst mit dem Entstehen der Forderung. Entsteht die im Voraus abgetretene Forderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, kann der Zessionar gemäß §
91 Abs.
1 [X.]
kein Forderungsrecht zu Lasten der Insolvenzmasse mehr erwer-ben. Nur wenn der Zessionar bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der abgetretenen Forderung erlangt hat, ist die Abtretung [X.] (z.B. [X.], Urteile vom 22. April 2010

-
IX
ZR 8/07, [X.], 682
Rn. 9 mwN und vom 26. Januar 2012 -
IX
ZR 191/10, NJW 2012, 1510 Rn. 29). Daran fehlt es hier. Der Beklagte hatte vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners zu kei-nem Zeitpunkt eine gesicherte Rechtsstellung hinsichtlich des an ihn abgetrete-nen [X.] inne.

a) Nach § 123 Abs. 1, 2, § 124 Abs. 1, 2 [X.] in Verbindung mit den jeweiligen Hinterlegungsgesetzen der Länder (hier: Art. 18 ff des
Bayerischen 3
4
-
4 -

Hinterlegungsgesetzes -
[X.]) handelt es sich bei dem [X.] um einen gesetzlichen Anspruch, dessen Entstehung voraus-setzt, dass die Sicherheit nach § 123 Abs. 1 [X.] frei geworden und die amtli-che Verstrickung durch einen (feststellenden) Gerichtsbeschluss gelöst worden ist. Erst dadurch erlangt der Hinterleger einen Herausgabeanspruch gegen die Hinterlegungsstelle nach den jeweiligen landesrechtlichen Hinterlegungsvor-schriften (ganz herrschende Meinung; vgl. nur [X.] [X.]/[X.], §
123 Rn.
4 [Stand: 16. November 2015]; [X.] in [X.], [X.], 26. Aufl., §
123 Rn. 2, 26; [X.]/[X.], [X.], 59. Aufl., § 123 Rn. 5;
MüKo[X.]/[X.]/[X.], § 123 Rn. 17, 19; s. auch [X.], [X.], 278 Rn.
1 noch zur
Geltung der bundesrechtlichen Hinterlegungsordnung). Diese Auffassung liegt auch der Entscheidung des [X.] vom 17. März 2016 ([X.], [X.], 757) zugrunde. Denn danach bezieht sich die vor der Freigabe der Sicherheit erfolgte Abtretung des Kautionsrückzahlungs-anspruchs auf eine "künftige"
Forderung (so ausdrücklich der amtliche Leitsatz). Der [X.] hat erst dann einen Anspruch auf Rückzahlung (nach [X.] der landesrechtlichen Hinterlegungsvorschriften), wenn die Sicherheit
frei geworden ist (aaO Rn. 21).

aa) Dieses Ergebnis folgt insbesondere aus dem Zweck der Untersu-chungshaft und der Systematik von
§ 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, § 116a Abs. 2, §§
123, 124 [X.]. Die nach § 116 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, § 116a Abs. 2 [X.] durch den [X.] festgesetzte Kaution dient ausschließlich der Erfüllung des Zwecks der Untersuchungshaft, nämlich dass sich der Beschuldigte dem weite-ren Verfahren und gegebenenfalls der erkannten Freiheitsstrafe oder freiheits-entziehenden Maßnahme stellt ([X.], Urteil vom 17. März 2016 aaO Rn.
20
mwN). Dann hat die Sicherheit ihren strafprozessualen Zweck vollständig erfüllt. Dementsprechend wird eine Sicherheit gemäß § 123 Abs. 2 [X.] kraft [X.]
-
5 -

zes von selbst frei, wenn der Haftbefehl aufgehoben (§ 123 Abs. 1
Nr. 1 [X.]) oder die Untersuchungshaft beziehungsweise die erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird (§
123 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) und die Sicherheit zu diesem Zeitpunkt -
als negati-ves Tatbestandsmerkmal
-
noch nicht gemäß § 124 Abs. 1 [X.] verfallen war. Das Freiwerden der Sicherheit kraft Gesetzes hat zur Folge, dass sie später nicht mehr durch ein anderes Ereignis verfallen kann. Diese Rechtslage ist un-verrückbar, das heißt die freigewordene Sicherheit kann nicht mehr in Anspruch genommen werden, auch wenn der Haftbefehl zu Unrecht oder irrtümlich auf-gehoben wurde oder nachträglich ein Ereignis eintritt, durch das, wenn es sich früher ereignet hätte, die Sicherheit verfallen wäre ([X.] in [X.] aaO § 123 Rn. 2; KK-[X.]/Schultheis, 7. Aufl.,
§ 123 Rn. 7).

[X.]) Allerdings führt allein das Freiwerden der Sicherheit noch nicht zu einem Rückzahlungsanspruch gegenüber der Hinterlegungsstelle. Zur Lösung der amtlichen Verstrickung bedarf es
vielmehr eines Gerichtsbeschlusses. Dazu reicht der (lediglich feststellende, deklaratorische) Beschluss aus, dass die [X.] frei geworden ist. Erst auf Grund dieses Beschlusses erlangt der Hin-terleger -
wie bereits ausgeführt
-
einen Herausgabeanspruch gegen die Hinter-legungsstelle nach den jeweiligen Hinterlegungsgesetzen der Länder ([X.] [X.]/[X.] aaO § 123 Rn. 4; KK-[X.]/[X.] aaO § 123 Rn. 7; [X.]/[X.] aaO §
123 Rn. 5; MüKo[X.]/[X.]/[X.]
aaO § 123 Rn. 19).

b) Danach ist im vorliegenden Fall die hinterlegte Sicherheit mit der Festnahme des Schuldners auf Grund des Beschlusses des [X.] vom 22. März 2012, durch den der Haftbefehl wieder in Vollzug ge-setzt wurde, gemäß § 123 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 [X.] frei geworden. Durch die gleichzeitig verfügte Freigabe der Kaution wurde die amtliche Verstrickung ge-6
7
-
6 -

löst, so dass von da an ein Anspruch auf Herausgabe der Sicherheit gegenüber der Hinterlegungsstelle nach Maßgabe der Art.
18 ff [X.] entstand.

Vor dem Freiwerden der Sicherheit
hatte der Beklagte als Zessionar noch keine gesicherte Rechtsposition erworben.
Dies wäre nur dann anders
zu beurteilen, wenn die Rechtsposition des Beklagten ohne seine Zustimmung nicht mehr hätte zerstört werden können ([X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., §
91 Rn. 15 m. zahlr. wN).
Daran fehlt es hier.
Denn der
künftige Anspruch auf Kautionsrückzahlung hätte
vor dem Vollzug der
Untersuchungshaft auf Grund
des Beschlusses des [X.] vom 22. März 2012 jederzeit
ohne Zustim-mung des Beklagten durch den Beschuldigten zu Fall
gebracht werden können, insbesondere
durch dessen
Flucht
(§ 124 Abs. 1 [X.]).

Da das Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.] bereits am 29. November 2010 eröffnet worden war, konnte nach alledem
durch die Abtretung des
[X.] vom 16. Juli
2010 kein wirksa-mer Rechtserwerb zugunsten des Beklagten herbeigeführt werden (§ 91 Abs. 1
[X.]). Dies hat das Berufungsgericht zutreffend gesehen.

8
9
-
7 -

Von einer weiteren
Begründung wird
gemäß § 544 Abs.
4 Satz
2
Halb-satz
2 ZPO abgesehen.

[X.]
[X.]
Remmert

Reiter
Pohl

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.04.2014 -
31 O 1972/13 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 15.10.2014 -
27 [X.] -

10

Meta

III ZR 334/14

02.06.2016

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.06.2016, Az. III ZR 334/14 (REWIS RS 2016, 10620)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10620

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZR 334/14

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