Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2006, Az. XI ZR 306/04

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 5447

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 306/04 Verkündet am: 24. Januar 2006 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.]ndesgerichtshofes hat auf die mündliche [X.] vom 24. Januar 2006 durch [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] Ellenberger und Prof. Dr. [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 22. Juli 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückver-wiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht der [X.]

(im Folgenden: Zedentin) aus zwei Bürg-schaften für Verbindlichkeiten aus einem Geschäftskonto der K.

GmbH & Co. KG (im Folgenden: Hauptschuldnerin) bei der Zedentin in Anspruch. 1 - 3 - [X.] unterhielt bei der Zedentin seinerzeit unter anderem das als Kontokorrentkonto geführte Geschäftskonto Nr. ... . In einem Gespräch zwischen Vertretern der Zedentin und der Hauptschuldnerin sowie dem Beklagten am 3. April 1997 wurde vereinbart, dass die Zedentin der Hauptschuldnerin für dieses Konto ei-nen Kontokorrentkredit von 9,4 Millionen DM zur Verfügung stellte. Bis zum Stichtag 30. Mai 1997 wurde eine Überziehungslinie bis 11,95 Millionen DM, für die [X.] vom 1. Juni bis 30. Juli 1997 eine Über-ziehungslinie von 11 Millionen DM vereinbart. Der Beklagte übernahm mit Erklärung vom 20./21. Mai 1997 zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche aus der über einen [X.] von 11,55 Millionen DM hinausgehenden Überziehung des [X.] eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 400.000 DM. Mit Vereinbarung vom 11./19. Juni 1997 (Ziffer 6) wurde die Bürgschaft dahin abgeändert, dass sie erst am 1. September 1997 fällig sein und mögliche Überziehungen des dann geltenden Kreditrahmens der Hauptschuldnerin von 9,4 Millionen DM absichern sollte. Am 15. Juli/1. August 1997 über-nahm der Beklagte eine weitere selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 500.000 DM zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche aus der Überziehung des [X.] über einen [X.] von 12,2 Millionen DM hinaus. 2 Nachdem die Kreditverträge mit der Hauptschuldnerin wegen Zah-lungsverzugs gekündigt worden sind, nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zahlung in Höhe von 400.000 DM aus der Bürgschaft vom 20./21. Mai 1997 sowie auf Zahlung eines erststelligen [X.] von 3 - 4 - 100.000 DM aus der Bürgschaft vom 15. Juli/1. August 1997 nebst Zin-sen in Anspruch. 4 Das [X.] hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefoch-tenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. 5 [X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, bei den beiden Bürgschaften habe es sich um auch [X.] wirksame sog. Teilbürgschaften gehandelt. Auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage könne der Beklagte sich nicht berufen. Die Bürgschaft vom 20./21. Mai 1997 sichere begrenzt auf einen Betrag von 400.000 DM Überziehungen des für die [X.] bis 30. Mai 1997 gewährten Kreditrahmens von 11,55 Millionen DM, die Bürgschaft vom 15. Juli/ 1. August 1997 begrenzt auf einen Betrag von 500.000 DM die Überzie-hung des am 30. Juni 1997 maßgeblichen Kreditrahmens von 12,2 Milli-onen DM. Eine Haftung des Beklagten scheide gleichwohl aus, da es an 6 - 5 - da es an ausreichendem Vortrag der Klägerin fehle, dass der [X.] auf dem Geschäftskonto der Hauptschuldnerin am 30. Mai 1997 höher als 11,55 Millionen DM (Bürgschaft vom 20./21. Mai 1997) und am 30. Juni 1997 höher als 12,2 Millionen DM (Bürgschaft vom 15. Juli/1. August 1997) gewesen sei. Die Klägerin habe die von ihr be-haupteten [X.] von 13.523.714,37 DM am 30. Mai 1997 und von 12.263.172,21 DM am 30. Juni 1997 nicht hinreichend dargelegt. Selbst wenn man das anders beurteile, müsse von den [X.]eiligen [X.] wegen einer unberechtigten Rückbuchung ein Betrag von 214.735,43 DM in Abzug gebracht werden, da die Zedentin eine vorbehaltlose Gutschrift erteilt habe. Dies führe hinsichtlich der Bürgschaft vom 15. Juli/1. August 1997 zum Entfallen der Haftung, da zum maßgeblichen [X.]punkt kein über die Überziehungslinie hinausgehender Kredit von der Hauptschuld-nerin in Anspruch genommen worden sei. Hinsichtlich der Bürgschaft vom 20./21. Mai 1997 gelte im Ergebnis nichts anderes, weil sich unter Berücksichtigung der bis 7. Juli 1997 eingegangenen Gutschriften ein [X.] von unter 11.550.000 DM ergebe. Nach dem Stichtag 30. Mai 1997 zu Lasten des Kontos getroffene Verfügungen seien nicht zu [X.], da der Beklagte sich nur für den letztrangigen Teil der Überziehungslinie verbürgt habe und daher für Kontobelastungen nach diesem [X.]punkt angesichts der Befristung der Überziehungslinie nicht hafte. I[X.] Diese Ausführungen halten in mehreren Punkten rechtlicher Nach-prüfung nicht stand. 7 - 6 - - 7 - 1. Nicht zu beanstanden sind allerdings die von beiden Parteien nicht angegriffenen Ausführungen, bei den beiden vom Beklagten über-nommenen auf 400.000 DM bzw. 500.000 DM begrenzten Bürgschaften handele es sich um wirksame Teilbürgschaften; auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage könne der Beklagte sich nicht berufen. 8 2. Zu Recht rügt die Revision, dass das Berufungsgericht mit der Annahme, die Bürgschaft vom 20./21. Mai 1997 habe mögliche Überzie-hungen eines der Hauptschuldnerin bis zum 30. Mai 1997 eingeräumten Kreditrahmens von 11,55 Millionen DM sichern sollen, entscheidungser-heblichen Sachvortrag der Klägerin übergangen und damit deren [X.] auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat. 9 Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (Senatsbeschluss vom 18. Januar 2005 - [X.] ZR 340/03, [X.] 2005, 939 f. und [X.], Beschluss vom 31. August 2005 - [X.]I ZR 63/03, NJW-RR 2005, 1603, [X.]. m.w.Nachw.). Zwar ist das [X.] nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen der Parteien in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist aber anzunehmen, wenn besondere Umstände darauf schließen lassen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Ent-scheidung nicht erwogen worden ist ([X.]Z 154, 288, 300 m.w.Nachw.). Das ist etwa der Fall, wenn das Gericht auf einen wesentlichen Punkt des [X.], der für das Verfahren erkennbar von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen ohne erkennbaren Grund nicht eingeht (vgl. [X.], Beschluss vom 31. August 2005 aaO). 10 - 8 - 11 a) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG hier verletzt. Obwohl die Parteien die Bürgschaft über 400.000 DM durch Ziffer 6 der von der Klägerin zu den Akten gereichten Vereinbarung vom 11./19. Juni 1997 eindeutig dahin abgeändert hatten, dass sie erst am 1. September 1997 fällig war und mögliche Überziehungen des dann geltenden [X.] von 9,4 Millionen DM absicherte, hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung den durch die [X.] überholten Stichtag des 30. Mai 1997 und den ebenfalls nicht mehr maßgeblichen Kreditrahmen von 11,55 Millionen DM zu Grunde gelegt. Auf die Frage, aus welchen Gründen es hierauf angesichts der Ände-rungsvereinbarung vom 11./19. Juni 1997 noch ankommt, geht das [X.] ohne erkennbaren Grund mit keinem Wort ein. Dies lässt darauf schließen, dass es Ziffer 6 der Vereinbarung vom 11./19. Juni 1997 über die Änderung der Bürgschaft nicht zur Kenntnis genommen hat. Dass die Klägerin mit Schriftsatz vom 3. Juli 2002 die [X.] hat, die Bürgschaft habe nur Überziehungen nach Rückführung der Inanspruchnahme des Kontos auf 9,4 Millionen DM gesichert, ändert nichts. Es handelt sich dabei entgegen der Ansicht des Beklagten nicht um Sachvortrag, sondern um eine dem eindeutigen Wortlaut der [X.] vom 11./19. Juni 1997 widersprechende Rechtsauffassung, die dem Berufungsgericht keine Veranlassung geben konnte, sich mit der genannten Vereinbarung überhaupt nicht zu befassen.
b) Auf diesem Verfahrensfehler beruht das Berufungsurteil (§ 545 Abs. 1 ZPO). Wie die Revision zu Recht geltend macht, kommt es nach der Änderung des Sicherungszwecks durch die Vereinbarung vom 11./19. Juni 1997 nicht auf den [X.] am 30. Mai 1997, sondern dar-12 - 9 - auf an, ob der [X.] am 1. September 1997 den zu diesem Termin gültigen Kreditrahmen von 9,4 Millionen DM überstieg. Dies war nach dem Vortrag der Klägerin der Fall. Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu fehlen. 13 3. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist des weiteren die Begründung, mit der das Berufungsgericht angenommen hat, die Klägerin habe die [X.] per 30. Mai und 30. Juni 1997 nicht ausreichend vorgetra-gen. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind die von der Klägerin unter Zeugenbeweis gestellten Rechnungsabschlüsse vom 31. Dezember 1996 und vom 30. Juni 1997 nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht vor-gelegt sind; auch die Darlegung der Kontenentwicklung ab 31. Dezember 1996 sei nicht substantiiert.

Diese Annahmen beruhen auf einem Verstoß gegen das aus §§ 286 Abs. 1, 525 ZPO folgende Gebot, sich mit dem Streitstoff umfas-send auseinander zu setzen und den Sachverhalt durch die Erhebung der angetretenen Beweise möglichst vollständig aufzuklären (vgl. [X.], Urteil vom 29. Januar 1992 - [X.], NJW 1992, 1768, 1769; Se-natsurteile vom 29. Januar 2002 - [X.] ZR 86/01, [X.], 557, vom 18. November 2003 - [X.] ZR 332/02, [X.], 27, 31 und vom 20. Januar 2004 - [X.] ZR 460/02, [X.], 521, 524). Das [X.] hätte sich mit dem durch Vernehmung der Zeugin [X.]. unter Beweis gestellten Vortrag, dass die beiden Rechnungsabschlüsse der Haupt-schuldnerin übersandt worden seien und dass diese hiergegen keine Einwendungen erhoben habe, auseinandersetzen müssen, da hierin - wie die Revision zu Recht rügt - unter Berücksichtigung von Nr. 7 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Zedentin die ord-14 - 10 - nungsgemäße Darlegung eines Saldoanerkenntnisses liegt (vgl. Senats-urteil vom 18. Dezember 2001 - [X.] ZR 360/00, [X.], 281, 282). Dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Zedentin vereinbart worden sind, steht entgegen der Ansicht des Beklagten aufgrund des vorgelegten Kreditvertrages vom 7. März 1997 außer Zweifel. Entgegen der Ansicht des Beklagten bedurfte es keines weitergehenden Vortrags, wann genau und an welche konkrete Person bei der Hauptschuldnerin die Rechnungsabschlüsse übersandt worden sind. Angesichts des [X.] der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 29. Dezember 2003, in dem diese auf 30 Seiten alle Veränderungen des Kontos seit dem 31. Dezember 1996 detailliert dargestellt und für die meisten Positionen Belege vorgelegt hat, hätte das Berufungsgericht - wie die Revision zu Recht rügt - das Vorbringen zur Kontenentwicklung auch nicht als [X.] erachten dürfen.
4. Rechtsfehlerhaft ist weiter die vom Berufungsgericht für durch-greifend erachtete Reduzierung der Hauptschuld um 214.735,43 DM, weil die Zedentin diesen Betrag vorbehaltlos gutgeschrieben habe. Das Berufungsgericht übersieht, wie die Revision zu Recht rügt, insoweit, dass die Zedentin das in der Gutschrift liegende abstrakte Schuldaner-kenntnis ([X.]Z 105, 263, 269) nach dem von der Klägerin mit Schrift-satz vom 28. Juni 1999

unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag kondizieren kann, weil sie danach in Höhe des gutgeschriebenen [X.] keine Deckung erlangt hat (vgl. nur Senatsurteil vom 7. Juli 1992 - [X.] ZR 239/91, [X.], 1522, 1523). 15 5. Zu Recht beanstandet die Revision schließlich, dass das [X.] unter Berufung auf § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB nur [X.] - 11 - ten, nicht aber Belastungen nach dem 30. Mai 1997 berücksichtigt hat. Diese Auffassung steht ersichtlich im Widerspruch zur Rechtsprechung des [X.]ndesgerichtshofs. Danach haftet der Bürge bei einer gegenständ-lich beschränkten Kontokorrentbürgschaft grundsätzlich nach § 356 HGB in dem bei Fristende erreichten Umfang weiter, wenn das debitorische Kontokorrent - wie hier - bis zur Inanspruchnahme des Bürgen ungekün-digt fortbesteht ([X.], Urteil vom 15. Januar 2004 - [X.]/00, [X.], 720, 722 m.w.Nachw.). Der Hinweis des Berufungsgerichts auf § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB entbehrt entgegen der Ansicht des [X.] schon deshalb jeder Grundlage, weil die Fortführung des [X.] nicht auf einer nach Übernahme der Bürgschaft getroffenen [X.] mit der Hauptschuldnerin beruht, sondern bereits bei [X.] des [X.] vereinbart war.
- 12 - II[X.] 17 Das angefochtene Urteil war nach alledem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zu-rückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
[X.] Joeres [X.] Ellenberger [X.] Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 06.07.1999 - 27 O 50/99 - KG [X.], Entscheidung vom 22.07.2004 - 2 U 7257/99 -

Meta

XI ZR 306/04

24.01.2006

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2006, Az. XI ZR 306/04 (REWIS RS 2006, 5447)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5447

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