Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.09.2010, Az. X R 31/09

10. Senat | REWIS RS 2010, 3361

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Gegenstand

Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen: Vorübergehende Reduzierung der Zahlungen unschädlich - Wiederkehrende Leistungen als Sonderausgaben


Leitsatz

1. NV: Werden Versorgungsleistungen in Anpassung an das Versorgungsbedürfnis des Leistungsempfängers für einen vorübergehenden Zeitraum in Abweichung zu dem vereinbarten Betrag vorübergehend reduziert, lässt dies nicht den Rechtsbindungswillen in Hinblick auf den gesamten Versorgungsvertrag entfallen .

2. NV: Künftige Abweichungen vom Versorgungsvertrag sind schriftlich zu dokumentieren, um überprüfen zu können, ob sie durch die Änderung der Verhältnisse gerechtfertigt sind .

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 2001 und 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Klägerin wurde durch notariellen Vertrag vom 5. August 1997 (Übergabevertrag) im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von ihren Eltern zum 15. August 1997 das Eigentum an deren Hof --einem Hof im Sinne der [X.] übertragen. Die Eltern der Klägerin erhielten im Gegenzug ein lebenslängliches Altenteilsrecht. Neben einem Wohnungsrecht und verschiedenen Sachleistungen wurde eine monatliche Barzahlung vereinbart, deren Höhe sich nach der Höhe der Altersrente des [X.] der Klägerin richten sollte. Diese Rente war in dem Übergabevertrag mit "z.Zt. 948 [X.]" angegeben. Die [X.] waren entsprechend der Leistungsfähigkeit des übertragenen Grundbesitzes und den Bedürfnissen der altenteilsberechtigten Übergeber änderbar (§ 323 der Zivilprozessordnung).

2

Die Klägerin erbrachte --neben dem Wohnungsrecht und den [X.] folgende monatliche Barzahlungen: Von Dezember 1997 bis April 1998 jeweils 948 [X.] monatlich; von Mai 1998 bis Februar 1999 monatlich 1.000 [X.]; von März 1999 bis Oktober 2000 jeweils 500 [X.] monatlich; von November bis Dezember 2000 und im Streitjahr 2001 monatlich 1.000 [X.] sowie im Streitjahr 2002 jeweils 511,99 € monatlich.

3

Die Rente des [X.] betrug ab Juli 1998  969,42 [X.] bzw. 967,84 [X.], ab Juli 1999  980,60 [X.] bzw. 981,13 [X.], im Streitjahr 2001 von Januar bis Juni monatlich 986,85 [X.] und von Juli bis Dezember jeweils 1.005,78 [X.] bzw. im Streitjahr 2002 von Januar bis Juni jeweils 514,24 € und von Juli bis Dezember jeweils 525,32 € monatlich.

4

In ihren Einkommensteuererklärungen für 1999 und die Streitjahre 2001 und 2002 machte die Klägerin für die [X.] Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der in den Streitjahren gültigen Fassung geltend (2001: [X.] in Höhe von 12.000 [X.]; Strom, Wasser und Heizung in Höhe von 2.137,96 [X.] = 14.137,96 [X.]; 2002 [X.] in Höhe von 6.143,88 €; Strom, Wasser und Heizung in Höhe von 1.065,33 € = 7.209,21 €).

5

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) versagte für die Streitjahre --wie auch für das [X.] den begehrten Sonderausgabenabzug. Im Einspruchsverfahren trugen die Kläger vor, die Übergeber hätten schon kurze [X.] nach Abschluss des Versorgungsvertrags einen geringeren Barbedarf festgestellt, weil der Vater [X.] habe. Ab März 1999 sei daher die Barleistungsverpflichtung aufgrund mündlicher Vereinbarung abgeändert worden. [X.] sei der Vater schwer erkrankt und habe nicht mehr arbeiten können. Deshalb seien ab November 2000 wieder Versorgungsleistungen in Höhe von 1.000 [X.] monatlich bezahlt worden. Der Einspruch blieb erfolglos.

6

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1458 veröffentlichtem Urteil für die Streitjahre 2001 und 2002 statt. Die Klage betreffend das [X.] wies es ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Kürzung der [X.] ab März 1999 sei nicht durch eine Änderung der Verhältnisse gerechtfertigt gewesen. Der Vater der Klägerin habe bereits vor der Vermögensübergabe gearbeitet und dieser Hinzuverdienst habe sich später nicht wesentlich geändert. Allein die subjektive Einschätzung der Eltern, nicht den vollen Betrag zu benötigen, lasse nach der Rechtsprechung, die objektive und nachweisbare Umstände einer veränderten Bedarfslage verlange (Urteil des [X.] --BFH-- vom 27. August 1996 IX R 86/93, [X.], 175, [X.] 1997, 47), eine Kürzung der [X.] nicht zu. Die im [X.] erbrachten wiederkehrenden Leistungen seien deshalb als Sonderausgaben nicht abziehbar. Anders sei die Rechtslage 2001 und 2002. In diesen Jahren habe die Klägerin die Versorgungsleistungen wieder in voller Höhe erbracht. [X.] sei, dass die Barzahlungen teilweise etwas über und teilweise etwas unter der Rente des [X.] gelegen hätten. Rechtsgrundlage der Leistungen sei nach wie vor der Übergabevertrag. Die Rechte und Pflichten aus dem Übergabevertrag würden fortbestehen, auch wenn sie zeitweise von den Parteien nicht eingehalten worden seien. Deshalb könnten die [X.] die von ihnen zeitweise nicht eingehaltenen Regelungen für die Zukunft wieder als rechtlich bindend ansehen.

7

Mit seiner Revision macht das [X.] die Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG geltend. Die steuerliche Privilegierung der privaten Versorgungsrente, die zum Sonderausgabenabzug führe, ende, wenn die vereinbarten wiederkehrenden Zahlungen wie im Streitfall willkürlich abgeändert würden. Für die Zukunft würden dann die allgemeinen Grundsätze des Einkommensteuerrechts gelten, so dass die Leistungen beim Vermögensübernehmer nicht abziehbare und die Bezüge beim [X.] nicht steuerbare Unterhaltsleistungen seien. Sei einmal der Rechtsbindungswille aufgegeben worden, gebe es kein Zurück mehr in die steuerliche Privilegierung, selbst wenn die Leistungen wieder in der vertraglich ursprünglich vereinbarten Höhe aufgenommen worden seien.

8

Das [X.] beantragt,

das [X.]-Urteil für die Streitjahre 2001 und 2002 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

9

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Im Ergebnis zu Recht hat das [X.] erkannt, dass die in den Jahren 2001 und 2002 erbrachten Versorgungsleistungen als Sonderausgaben abziehbar sind.

1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG). Hierzu hat die Rechtsprechung des [X.] im Wesentlichen die folgenden Grundsätze entwickelt:

a) Nach Maßgabe des § 12 EStG sind nicht abziehbar u.a. freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht (§ 12 Nr. 2 EStG). Dies gilt auch für die im Einleitungssatz des § 12 EStG nicht erwähnten Renten und dauernden Lasten (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG), soweit diese --außerhalb der für die Vermögensübergabe geltenden Sonderregelung-- Unterhaltsleistungen oder Leistungen aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht sind (Senatsurteil vom 27. Februar 1992 [X.], [X.]E 167, 381, [X.] 1992, 612).

b) Die steuerrechtliche Behandlung der Versorgungsleistungen als dauernde Last/wiederkehrende Bezüge "beruht auf dem Umstand, dass sich der [X.] in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen" (Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, [X.]E 161, 317, [X.] 1990, 847). Dem liegt nach dem Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 12. Mai 2003 GrS 1/00 ([X.]E 202, 464, [X.] 2004, 95) die normleitende Vorstellung zugrunde, dass der Übergeber das Vermögen --ähnlich wie beim [X.] ohne die vorbehaltenen Erträge, die nunmehr als Versorgungsleistungen zufließen, übertragen hat. [X.] Kriterium für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut Gegenstand einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein kann, ist, so der [X.], "die Vergleichbarkeit mit dem Vorbehaltsnießbrauch. Die Vermögensübergabe muss sich so darstellen, dass die vom Übernehmer zugesagten Leistungen --obwohl sie von ihm erwirtschaftet werden müssen-- als zuvor vom Übergeber vorbehaltene --abgespaltene-- Nettoerträge vorstellbar sind". Dies ist für die Abziehbarkeit und materiell-rechtlich korrespondierend für die Steuerbarkeit der privaten Versorgungsrente konstituierend (Senatsurteil vom 16. Juni 2004 [X.]/01, [X.]E 207, 114, [X.] 2005, 130, unter II.1.b der Gründe).

2. Im Ergebnis zu Recht hat das [X.] die in den Jahren 2001 und 2002 gezahlten wiederkehrenden Leistungen als Sonderausgaben anerkannt.

a) [X.] ist im Streitfall, dass die Klägerin und ihre Eltern die Abweichung des tatsächlich [X.] vom Vereinbarten zwischen März 1999 und Oktober 2000 nicht dokumentiert haben. Künftige Abweichungen vom Vereinbarten sind jedoch schriftlich zu dokumentieren, damit geprüft werden kann, ob sie durch eine Änderung der Verhältnisse gerechtfertigt oder willkürlich sind (vgl. hierzu Senatsurteil vom [X.], [X.]E 231, 116).

b) Dem Abzug der Rente als Sonderausgaben in den Streitjahren steht auch nicht entgegen, dass sie abweichend von der Höhe der Altersrente des [X.] gezahlt wurde.

Zwar gehört nach der Rechtsprechung des Senats nicht nur die Art, sondern auch die Höhe der Versorgungsleistungen zu dem Mindestbestand an bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen, der eine Qualifikation als Versorgungsvertrag erlaubt (Senatsurteil vom 3. März 2004 [X.], [X.]E 205, 261, [X.] 2004, 826, unter [X.], m.w.N. aus der Rechtsprechung). Gleichwohl steht die Nichtbeachtung einer Wertsicherungsklausel im Versorgungsvertrag dem Abzug einer Leibrente oder dauernden Last als Sonderausgabe nicht entgegen (Senatsurteil in [X.]E 205, 261, [X.] 2004, 826). Nichts anderes kann im Streitfall angesichts der geringfügigen Abweichungen der Zahlungen von den vereinbarten Versorgungsleistungen sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten der Versorgungsberechtigten gelten, zumal sich die Altersrente des [X.], an deren Höhe die Rentenzahlungen gekoppelt waren, teilweise jährlich mehrfach geändert hat.

c) Im Streitfall scheitert der Sonderausgabenabzug in den Streitjahren 2001 und 2002 auch nicht an der Tatsache, dass die Klägerin zwischen März 1999 und Oktober 2000 in Absprache mit den Eltern lediglich Versorgungsleistungen in Höhe von 500 DM und damit nur ca. die Hälfte der vertraglich vereinbarten Barzahlungen geleistet hat.

aa) Nach dem Senatsurteil vom [X.] kommt eine Rückkehr zum vertragsgerechten Verhalten nach einer Phase der willkürlichen Aussetzung der Versorgungsleistungen nicht in Betracht (so auch Schreiben des [X.] --BMF-- vom 11. März 2010 [X.] - [X.], [X.], 227, [X.], bzw. BMF-Schreiben vom 16. September 2004 [X.] -S 2255- 354/04, [X.], 922, [X.] 39). Das vertragswidrige Verhalten während eines längeren Zeitraums zeigt den fehlenden Rechtsbindungswillen der Parteien und wirkt sich auf dem gesamten Übergabevertrag aus. Deshalb kommt in solchen Fällen ein Sonderausgabenabzug auch dann nicht in Betracht, wenn die vereinbarten Versorgungsleistungen in späteren Jahren vereinbarungsgemäß erbracht würden.

bb) Anders als im Verfahren [X.] hat die Klägerin im Streitfall die Versorgungsleistungen nicht während eines längeren Zeitraums völlig ausgesetzt, sondern vielmehr die unbaren Versorgungsleistungen wie geschuldet erbracht und lediglich die Barzahlungen in Absprache mit den Eltern um ca. die Hälfte gekürzt. Diese Verabredung beruhte nach Einlassung der Mutter im finanzgerichtlichen Verfahren auf dem Umstand, dass die Eltern nach Abschluss des [X.] erkannt hatten, den vereinbarten Barbetrag zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht zu benötigen. Mit ihrem Verhalten hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt ihre sich aus dem Sinn und Zweck des Versorgungsvertrags ergebende Hauptpflicht gefährdet, nämlich die Sicherung des finanziellen Unterhalts des [X.]s. Es liegt keine willkürliche Nichtbeachtung der vertraglichen Pflichten seitens der Klägerin vor, sondern deren einvernehmliche --lediglich vorübergehende-- Reduzierung, die gerade an dem Versorgungszweck des Vertrags orientiert war. Der erkennende Senat hat daher keine Zweifel am Rechtsbindungswillen der Klägerin. In einem solchen Fall ist es nicht gerechtfertigt, dem Vermögensübernehmer den Sonderausgabenabzug der vertragsgerecht geleisteten Rentenzahlungen zu verwehren.

Andererseits müssen dann auch die [X.], im Streitfall die Eltern der Klägerin, als Ausfluss des Korrespondenzprinzips die Versorgungsleistungen als sonstige Einkünfte versteuern.

Meta

X R 31/09

15.09.2010

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 26. März 2009, Az: 2 K 2204/05 E, Urteil

§ 10 Abs 1 Nr 1a EStG 1997, § 10 Abs 1 Nr 1a EStG 2002, § 12 EStG 1997, § 12 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.09.2010, Az. X R 31/09 (REWIS RS 2010, 3361)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3361

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