Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.10.2017, Az. 1 StR 410/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 4155

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2017:111017B1STR410.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 410/17

vom
11. Oktober
2017
in der Strafsache
gegen

wegen
bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln

in nicht geringer Menge u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 11. Oktober
2017
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Mai 2017 aufgehoben, soweit von einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und bewaffneten unerlaub-ten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision.
Sein Rechtsmittel hat nur Erfolg, soweit die Maßregel des § 64 StGB nicht angeordnet worden ist. Im Übrigen aber zeigt die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils aus den vom [X.] in seiner [X.] aufgezeigten Gründen keinen den Angeklagten [X.] auf.
1
2
-
3
-
1. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen konsumierte der 34 Jahre alte Angeklagte seit seinem 14. Lebensjahr Cannabis, probierte aber auch härtere Drogen, wie Heroin, Kokain, Subutex und psilocybinhaltige Pilze. Nach Verbüßung einer achtjährigen Jugendstrafe bis Februar 2009 ge-lang es ihm für zwei [X.] wieder häufiger Marihuana, der [X.] steigerte sich ab 2015 auf zwei bis drei Gramm pro Tag. Zusätzlich nahm der Angeklagte regelmäßig, wenn auch nicht täglich, Amphetamin ein. Beeinträchtigungen bei der Arbeit oder im Alltag traten nicht auf. Vor zweieinhalb bis drei Jahren gelang es dem Angeklagten über einen Zeitraum von zwei Monaten hinweg,
ohne Drogen zu leben. Seit seiner Festnahme hat der Angeklagte seinen Drogenkonsum reduziert, seit zwei Monaten lebt er

in der Untersuchungshaft

der Verurteilung zugrunde liegenden Taten bezogen sich auf Marihuana und Amphetamin, welches teilweise auch zum Eigenkonsum bestimmt war.
Das sachverständig beratene [X.] hat einen Hang des Angeklag-ten zum übermäßigen [X.] von [X.] verneint. Hierfür hat es aus-geführt, dass der Angeklagte über mehrere Jahre hinweg teilweise täglich Can-nabis und regelmäßig Amphetamin genommen habe, aber nicht sozial gefähr-det oder gefährlich sei. Denn er zeige noch keine gesundheitlichen Beeinträch-tigungen, verfüge über Wohnung und Arbeit und lebe mit Frau und seinem klei-nen Kind zusammen. Schließlich sei es dem Angeklagten immer wieder gelun-gen, von sich aus [X.] zu leben, was zeige, dass er sein [X.]-verhalten selbst steuern könne. [X.] hält es ihm zugute, dass er nach seiner Festnahme Gespräche bei der Suchtberatung wahrgenommen habe und sich um einen Therapieplatz bemühe.
3
4
-
4
-
2. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das [X.] ein unzu-treffendes Verständnis des Begriffs Hang im Sinne des § 64 StGB zugrunde gelegt hat.
a) Für die Annahme eines Hangs ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsu-mieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängig-keit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von [X.] im Sinne des §
64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Januar 2017

1 StR 587/16; Urteile vom 14.
Oktober 2015

1 StR 415/15; vom 10. November 2004

2 [X.], [X.], 210 und vom 15.
Mai 2014

3 [X.]). Letzteres ist der Fall bei der Begehung von zur Befriedigung des eigenen Drogenkonsums dienender Beschaffungstaten ([X.], Beschlüsse vom 6. Juni 2017

2 [X.]; vom 12. Januar 2017

1 StR 587/16 und vom 2. April 2015

3 [X.]).
Insoweit kann dem Umstand, dass durch den [X.] bereits die Gesundheit, Arbeits-
und Leis-tungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Be-deutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen. Wenngleich solche Beein-trächtigungen in der Regel mit übermäßigem [X.] einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hanges aus ([X.], Beschlüsse vom 10. November 2015

1 [X.], [X.], 113, 114; vom
2. April 2015

3 [X.] und vom 1. April 2008

4 StR 56/08, [X.], 198).
5
6
-
5
-
b) Eine dieses in den Blick nehmende Gesamtwürdigung lässt sich dem Urteil jedoch nicht entnehmen. So setzt es sich weder mit dem täglichen [X.] und dessen Finanzierung, noch mit dem Umstand auseinander, dass die Taten auch dem Eigenkonsum dienten. Soweit auf die Phasen der Abstinenz [X.] während der Untersuchungshaft als vom Angeklagten ausgehend zu werten ist. In einem gewissen Spannungsverhältnis zu der Wertung, es lie-ge keine Neigung vor, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, steht es zudem, das Bemühen um einen Suchttherapieplatz strafmildernd zu werten.
c) Auf diesem Fehler beruht das Urteil im Hinblick auf die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt. Angesichts dessen, dass der Angeklagte die Taten jedenfalls auch begangen hat, um seinen Ei-
genkonsum befriedigen zu können, liegt der erforderliche symptomatische Zu-
sammenhang nahe (vgl. [X.], Beschlüsse vom 12. Januar 2017

1
StR 587/16 und vom 10.
Januar 2017

1 StR 613/16). Auch eine hinreichend [X.] Erfolgsaussicht der Maßregel kann angesichts des Therapiewillens des bisher nicht therapierten Angeklagten nicht ausgeschlossen werden.
7
8
-
6
-
d) Es handelt sich lediglich um einen Wertungsfehler des [X.]. Die der Entscheidung bezüglich der Maßregel zugrunde liegenden Feststellun-gen bleiben daher aufrechterhalten.
Graf

Jäger Bellay

Cirener Radtke
9

Meta

1 StR 410/17

11.10.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.10.2017, Az. 1 StR 410/17 (REWIS RS 2017, 4155)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4155

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 410/17 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bei Rauschmittelkonsum: Urteilsfeststellungen zur Annahme eines Hanges


1 StR 415/17 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmitteldelikt: Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


2 StR 93/19 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmitteldelikt: Unterbringung in einer Entziehungsanstalt; Vorliegen eines Hangs


3 StR 645/17 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wegen einer Betäubungsmittelstraftat: Anforderungen an die tatrichterliche Feststellung eines …


1 StR 155/20 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Vorliegen eines Hangs zum übermäßigen Rauschmittelgenuss


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 StR 410/17

1 StR 587/16

3 StR 386/13

2 StR 103/17

1 StR 482/15

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.