24. Zivilkammer | REWIS RS 2022, 7000
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Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 31. Mai 2022 - 14c C 26/22 - wie folgt abgeändert:
Wegen vertraglicher, vorvertraglicher und deliktischer Schadenersatzansprüche der Antragstellerin in Höhe von EUR 258,4 Mio. im Zusammenhang mit dem zwischen den Parteien geschlossenen T Purchase Agreement vom 15. Mai 2021 wird der dingliche Arrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Antragsgegnerin zu 1. angeordnet.
Die Vollziehung des Arrests gegen die Antragsgegnerin zu 1. wird durch Hinterlegung eines Geldbetrages in Höhe von EUR 258,4 Mio. durch die Antragsgegnerin zu 1. gehemmt. Die Antragsgegnerin zu 1. ist berechtigt zu verlangen, einen bereits vollzogenen Arrest gegen Hinterlegung des genannten Betrages aufzuheben.
Wegen vertraglicher, vorvertraglicher und deliktischer Schadenersatzansprüche der Antragstellerin in Höhe von EUR 258,4 Mio. im Zusammenhang mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Share Purchase Agreement vom 15. Mai 2021 wird der dingliche Arrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Antragsgegnerin zu 2. angeordnet.
Die Vollziehung des Arrests gegen die Antragsgegnerin zu 2. wird durch Hinterlegung eines Geldbetrages in Höhe von EUR 258,4 Mio. durch die Antragsgegnerin zu 2. gehemmt. Die Antragsgegnerin zu 2. ist berechtigt zu verlangen, einen bereits vollzogenen Arrest gegen Hinterlegung des genannten Betrages aufzuheben.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.
Von den Kosten des Arrestverfahrens im ersten und zweiten Rechtszug haben die Antragstellerin 65 % und die Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldner 35 % zu tragen.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 30 Mio. EUR festgesetzt.
I.
Die Parteien schlossen am 15. Mai 2021 einen Anteilskaufvertrag („SPA“) über 80 % der durch die Antragsgegnerinnen gehaltenen Anteile an der B („Zielgesellschaft“). Der Kaufpreis betrug EUR 258,4 Mio.
Die von der Antragstellerin mehrheitlich erworbene Zielgesellschaft ist Muttergesellschaft der "T " (Tx). Über ihre direkte Tochter T (SF), deren Geschäftsanteile sie vollständig hält, hält sie mittelbar 100 % der Geschäftsanteile an der österreichischen Taa (SFHO). Herr Michael Txx war CEO der T Gruppe und Geschäftsführer der B, der SF und der SFHO. Dr. Michael G war CFO der Txx Flexibles Gruppe und Prokurist der SFHO.
Der Kaufvertrag zwischen den Parteien wurde am 30. September 2021 (Closing) vollzogen, indem die Antragstellerin an diesem Tag unter anderem den Kaufpreis an die Antragsgegnerinnen überwies und die Antragsgegnerinnen der Antragstellerin im Gegenzug 80 % der Gesellschaftsanteile übertrugen. Eine Minderheitsbeteiligung von insgesamt 20 % verblieb bei den Antragsgegnerinnen.
Die Antragstellerin macht gegen die Antragsgegnerinnen Schadensersatzansprüche wegen arglistiger Täuschung geltend.
Die Antragstellerin beantragt,
1.
wegen eines Zahlungsanspruchs i.H.v. EUR 395,6 Mio. gegen die Antragsgegnerin zu 1. den dinglichen Arrest in das Vermögen der Antragsgegnerin zu 1. anzuordnen.
2.
wegen eines Zahlungsanspruchs i.H.v. EUR 395,6 Mio. gegen die Antragsgegnerin zu 2. den dingliche Arrest in das Vermögen der Antragsgegnerin zu 2. anzuordnen.
3.
anzuordnen, dass die Vollziehung des Arrestes gegen die Antragsgegnerin zu 1. durch Hinterlegung i.H.v. EUR 395,6 Mio. durch die Antragsgegnerin zu 1. gehemmt wird.
4.
anzuordnen, dass die Vollziehung des Arrestes gegen die Antragsgegnerin zu 2. durch Hinterlegung i.H.v. EUR 395,6 Mio. durch die Antragsgegnerin zu 2. gehemmt wird.
5.
in Vollziehung des Arrestes bis zu einem Höchstbetrag von EUR 395,6 Mio.
a.
die der Antragsgegnerin zu 1. zustehenden Geschäftsanteile an der Q, AG Düsseldorf, HRB 83121, mit den lfd. Nummern 2.411 bis 25.000;
b.
alle der Antragsgegnerin zu 1. aus den Geschäftsanteilen an der Q GmbH, AG Düsseldorf, HRB 83121, mit den lfd. Nummern 2.411 bis 25.000 zustehenden Ansprüche, namentlich
- Ansprüche auf fortlaufende Auszahlung festgestellter Gewinne (§ 29 GmbHG);
- Ansprüche auf das Auseinandersetzungsguthaben im Fall der Liquidation (§ 72 GmbHG);
- Ansprüche auf das Entgelt für die Einziehung des Geschäftsanteils (§ 34 GmbHG);
- Ansprüche auf Rückzahlung von Stammeinlagen nach Kapitalherabsetzung (§ 58 Abs. 2 GmbHG);
- Ansprüche auf Auszahlung eines Überschusses aus dem Verkauf des „preisgegebenen" Anteils (§ 27 Abs. 2 GmbHG);
c.
alle etwaigen Ansprüche der Antragsgegnerin zu 1. gegen die PACCOR Holdings GmbH, AG Düsseldorf, HRB 83121, aus ihr gewährten Gesellschafterdarlehen, namentlich
- Ansprüche auf Rückzahlung;
- Ansprüche auf Zahlung von Zinsen;
- Ansprüche auf Kündigung der Darlehensverträge;
d.
die der Antragsgegnerin zu 2. zustehenden Geschäftsanteile an der Q Holdings GmbH, AG Düsseldorf, HRB 83121, mit den lfd. Nummern 1 bis 2.410;
e.
alle der Antragsgegnerin zu 2. aus den Geschäftsanteilen an der Q Holdings GmbH, AG Düsseldorf, HRB 83121, mit den lfd. Nummern 1 bis 2.410 zustehenden Ansprüche, namentlich
- Ansprüche auf fortlaufende Auszahlung festgestellter Gewinne (§ 29 GmbHG);
- Ansprüche auf das Auseinandersetzungsguthaben im Fall der Liquidation (§ 72 GmbHG);
- Ansprüche auf das Entgelt für die Einziehung des Geschäftsanteils (§ 34 GmbHG);
- Ansprüche auf Rückzahlung von Stammeinlagen nach Kapitalherabsetzung (§ 58 Abs. 2 GmbHG);
- Ansprüche auf Auszahlung eines Überschusses aus dem Verkauf des "preisgegebenen" Anteils (§ 27 Abs. 2 GmbHG);
f.
alle etwaigen Ansprüche der Antragsgegnerin zu 2) gegen die Q Holdings GmbH, AG Düsseldorf, HRB 83121, aus ihr gewährten Gesellschafterdarlehen, namentlich
- Ansprüche auf Rückzahlung;
- Ansprüche auf Zahlung von Zinsen;
- Ansprüche auf Kündigung der Darlehensverträge
zu pfänden.
Das Amtsgericht hat die Anträge der Antragstellerin auf Erlass der Arrestbefehle zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Antragstellerin habe keinen Arrestgrund glaubhaft gemacht.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres Sachvortrages.
II.
Die sofortige Beschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Anordnung des dinglichen Arrestes ergibt sich aus § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Die zweiwöchige Notfrist des § 569 Abs. 1 ZPO und die Formvorschriften des § 569 Abs. 2 ZPO sind gewahrt.
2.
Die sofortige Beschwerde ist teilweise begründet. Die Antragstellerin hat Arrestansprüche in Höhe von EUR 258,4 Mio. sowie einen Arrestgrund glaubhaft gemacht.
Eine Behauptung ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dann im Sinne von 294 ZPO glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft, also letztlich mehr für das Vorliegen der in Rede stehenden Behauptung spricht als dagegen (st. Rspr., z.B. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2022 – XII ZB 227/21 –, Rn. 11, juris m.N.).
a)
Die Antragstellerin hat Arrestansprüche gegen die Antragsgenerinnen in Höhe von EUR 258,4 Mio. aus Garantieverletzung (Schedule 10 Part B Ziffer 2.3 SPA), culpa in contrahendo sowie aus deliktischen Ansprüchen (§ 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB) glaubhaft gemacht.
Sie hat durch Vorlage von Versicherungen an Eides statt glaubhaft gemacht, dass ihr Kaufangebot im Wesentlichen auf dem im geprüften Konzernabschluss der SFHO ausgewiesenen EBITDA von EUR 78,8 Mio. für das Jahr 2020 beruhte. Dieses EBITDA wurde um weitere auf Basis damaliger Informationen angemessen erschienenen Anpassungen auf EUR 90,2 Mio. erhöht und mit dem Faktor 10 multipliziert. Von diesem Betrag wurde die Nettoverschuldung der T Flexibles Gruppe abgezogen, um den Wert des Eigenkapitals aus Sicht der Antragstellerin als Basis des Kaufpreises zu ermitteln. Die Antragstellerin hat ferner glaubhaft gemacht, dass sie diese Vorgehensweise bei der Berechnung ihres Kaufangebotes den Antragsgegnerinnen mitgeteilt hat.
Die Antragstellerin hat ferner glaubhaft gemacht, dass die Herren Michael Txx und Dr. Michael G das EBITDA der SFHO der Jahre 2018 bis 2020 durch diverse Anpassungen erhöhten und es der Antragstellerin vor Abschluss des SPA in einer Präsentaion und in Expert Sessions erläuterten. Des Weiteren hat sie glaubhaft gemacht, dass ihr für die Due Dilligence nur ein Zeitraum von 3 Wochen eingeräumt worden sei, dass der Data Room lückenhaft gewesen sei und sie den Angaben insbesondere der Herren Txx und Dr. G vertraut habe. Um zu einer Kaufpreisfindung zu gelangen, hat die Antragstellerin danach mangels gegenteiliger Anhaltspunkte die Angaben in der Due Diligence und vor allem die Aussagen von Michael Txx zum EBITDA und den Finanzkennzahlen als richtig zugrunde gelegt.
Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass es in zahlreichen Fällen zur ungerechtfertigten Aktivierung entstandener Aufwendungen anstelle der gebotenen erfolgsmindernden Erfassung der betreffenden Aufwendungen in der Gewinn- und Verlustrechnung kam. Durch diese Aktivierungen entstand der Anschein, es handle sich nicht um getätigte Ausgaben für operativen Aufwand, sondern um Anschaffungsvorgänge für Vermögen. Zwar wird auch angesetztes Vermögen über laufende Abschreibungen in Folgeperioden aufwandswirksam und reduziert auf diese Art den ausgewiesenen Unternehmenserfolg. Solche Abschreibungen belasten jedoch nicht das EBITDA, da Abschreibungen definitionsgemäß nicht in dieser Kennzahl enthalten sind. Dies führte zu einer in unvertretbarer Weise falschen Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im Konzernabschluss der T Flexibles Gruppe.
Die Antragstellerin hat durch Vorlage des Zwischenberichtes der L Austria Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungs GmbH vom 13. April 2022 (Anlage AS 12) insbesondere glaubhaft gemacht, dass das EBITDA des Jahres 2020 tatsächlich EUR 45,6 Mio. niedriger war als von den Herren Txx und Dr. G dargestellt. Die Antragstellerin hat ferner mit dem vorgenannten Bericht glaubhaft gemacht, dass diese Falschangabe des EBITDA zumindest zum Teil vorsätzlich erfolgte. So hat die Antragstellerin mit diesem Zwischenbericht z.B. glaubhaft gemacht, dass die Herren Txx und Dr. G für das Jahr 2020 entschieden, willkürlich Beraterhonorar in Höhe von EUR 5,5 Mio. etwa für ein „Programm zur EBITDA Verbesserung“ sowie für Beratungsleistungen im Zusammenhang mit der „Implementierung einer neuen Strategie“, „Nachhaltigkeit“, dem „Finanzbereich“ oder der „Vertriebsabteilung“ zu aktivieren, anstatt sie als ergebnismindernden Aufwand beim EBITDA zu berücksichtigen, obwohl durch die Beratungsleistungen keinerlei Vermögenswerte geschaffen wurden. Da für jedermann völlig offensichtlich ist, dass derartige Beratungsleistungen, durch die keinerlei Vermögenswerte geschaffen werden, nicht aktiviert werden dürfen, sondern als Aufwand im Rahmen der EBITDA angesetzt werden müssen, ist bei lebensnaher Betrachtung überwiegend wahrscheinlich, dass auch die Herren T und Dr. G dies wussten und zumindest insoweit vorsätzlich das EBITDA falsch darstellten, d.h. hierüber arglistig täuschten, wobei sie wussten, dass die Entscheidung der Antragstellerin 80%, der Anteile an der Zielgesellschaft zu einem Kaufpreis von EUR 258,4 Mio. zu erwerben hierauf beruhte. Wie weit der Vorsatz der Herren Txx und Dr. G darüber hinaus reichte, das EBITDA des Jahres 2020 unzutreffend hoch darzustellen, muss im Rahmen der Beschwerdeentscheidung nicht festgestellt werden. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass sie den SPA zu einem Kaufpreis in Höhe von EUR 258,4 Mio. in Kenntnis des Umstandes, dass das EBITDA des Jahres 2020 tatsächlich erheblich niedriger war, so nicht abgeschlossen hätte. Der Schaden, der der Antragstellerin aus der glaubhaft gemachten arglistigen Täuschung entstanden ist, ist somit die Kaufpreisverbindlichkeit in Höhe von EUR 258,4 Mio. aus dem ungewollten Kaufvertrag. Ob die Antragstellerin ohne arglistige Täuschung der Herren Txx und Dr. G über das EBITDA des Jahres 2020 die Zielgesellschaft zu einem anderen Kaufpreis erworben hätte, ist nach dem Dafürhalten der Kammer eine Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens bzw. der Reserveursache. Für diese Einwände ist der Schädiger darlegungs- und beweisbelastet (z.B. BGH Urteil vom 19. November 2013 – VI ZR 343/12 –, BeckRS 2013, 21950 Rn. 24).
Nach dem SPA ist den Antragsgegnerinnen das Verhalten der Herren Txx und Dr. G für Fragen der Haftung zuzurechnen. Da die Antragstellerin als Arrestansprüche Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Pflichtverletzung bzw. arglistiger Täuschung glaubhaft gemacht hat, sind die vertraglichen Haftungsbeschränkungen nicht einschlägig.
Der Antragstellerin ist durch die arglistigen Täuschungen der Herren Txxund Dr. G ein Schaden in Höhe der Kaufpreisverbindlichkeit, d.h. EUR 258,4 Mio. entstanden. Einen weitergehenden Schaden hat die Antragstellerin hingegen nicht glaubhaft gemacht. Die Bezugnahme auf die zur Gerichtsakte gereichten Claim Notices reicht hierfür nicht aus.
b)
Die Antragstellerin hat auch den Arrestgrund glaubhaft gemacht.
Gemäß § 917 Abs. 1 ZPO findet der dingliche Arrest statt, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Titels vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Ob ein Arrestgrund vorliegt, bemisst sich nach dem objektiven Standpunkt eines verständigen, gewissenhaft prüfenden Menschen (vgl. Musielak/Huber, ZPO, 19. Aufl., § 917 Rn. 2; Zöller/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., § 917 Rn. 4). Im Vordergrund stehen Gefährdungshandlungen des Schuldners (vgl. MüKoZPO/Drescher, 4. Aufl., § 917 Rn. 5), wobei auch ein rechtmäßiges Verhalten des Schuldners eine Gefährdung bewirken und ein Arrestgrund sein kann (vgl. Zöller/Vollkommer a.a.O. Rn. 5; MüKoZPO/Drescher a.a.O.). Es genügt, dass solche Handlungen bevorstehen, mit der Realisierung muss nicht begonnen sein (Musielak/Huber a.a.O. Rn. 3). Zweck des dinglichen Arrestes ist ausschließlich die Verhinderung der Verschlechterung der Lage des Gläubigers gegenüber dem Vermögen des Schuldners und mithin die Stilllegung des Schuldnervermögens bis zur Entscheidung in der Hauptsache (vgl. OLG München, Urteil vom 13. Januar 1981 - 17 U 3742/80 -, NJW 1983, 2577 a. E.). Um die Besorgnis der Vollstreckungsvereitelung bzw. Erschwerung zu begründen, muss mithin zumindest glaubhaft sein, dass eine ungünstige nicht unerhebliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners bevorsteht (vgl. KG, Beschluss vom 28. März 2013 – 18 UF 72/13 –, NJOZ 2013, 1203; OLG München, Beschluss vom 16. November 2010 − 33 UF 1650/10 –, NJOZ 2011, 1411).
Zwar ist dem Amtsgericht darin zuzustimmen, dass Vermögensumschichtungen – hier der Verkauf der Anteile an der Q Holdings GmbH – im Ausgangspunkt keinen Arrestgrund begründen (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1995 – IX ZR 82/94 –, BGHZ 131, 95-107, Rn. 24) ebenso wenig wie ein Sitz im Ausland, wenn – wie vorliegend – die Gegenseitigkeit verbürgt ist (z.B. OLG Köln, Beschluss vom 25. September 2019 – I-5 U 126/18 –, Rn. 4, juris). Die Kammer stimmt dem Amtsgericht ebenfalls darin zu, dass die Geltendmachung einer Straftat im vorliegenden Fall für die Annahme eines Arrestgrundes ebenfalls nicht ausreicht. Hat sich der Antragsgegner eines Vermögensdeliktes zulasten der Antragsteller strafbar gemacht, ist zwar die Annahme gerechtfertigt, der Antragsgegner werde sein rechtswidriges Verhalten fortsetzen und daher die Vollstreckung vereiteln oder erschweren (z.B. OLG München, Urteil vom 27. September 2021 – 3 U 3242/21 –, Rn. 20, juris). Die strafbaren Handlungen sollen indes durch Dritte begangen worden sein, die bei den Antragsgegnerinnen keinerlei Funktion haben.
Gleichwohl begründen die weiteren Umstände des Einzelfalls die Besorgnis, dass ohne Verhängung des dinglichen Arrestes die Vollstreckung eines Schiedsspruchs gegen die Antragsgegnerinnen vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Denn eine Vermögensumschichtung führt dann zur Annahme eines Arrestgrundes, wenn zu besorgen ist, dass der neue Vermögensgegenstand dem Zugriff der Gesamtheit der Gläubiger entzogen wird (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1995 – IX ZR 82/94 –, BGHZ 131, 95-107, Rn. 24). Dies hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin hat vorgetragen und durch Vorlage des Jahresabschlusses der Antragsgegnerin zu 1. für das Jahr 2020 (Anlage AS 38) glaubhaft gemacht, dass diese nach der Veräußerung der Anteile an der Atlas Flexibles GmbH neben der Beteiligung an der Q Holdings GmbH über kein nennenswertes Vermögen verfügen wird. Bei der Antragsgegnerin zu 1. handelt es sich um eine Private Equity Gesellschaft in der Form einer niederländischen Genossenschaft mit Haftungsbeschränkung, an der mittelbar Investoren beteiligt sind. Angesichts dessen liegt die Gefahr nahe, dass die Antragsgegnerin zu 1. den Erlös aus der Veräußerung der B Flexibles GmbH an Investoren ausgeschüttet hat und auch den Erlös aus der Veräußerung der Q Holdings GmbH an Investoren ausschütten wird. Außerdem liegt es nahe, dass die Antragsgegnerin zu 1. von der Konzernobergesellschaft H & M & Co. LLC mit Sitz in den USA, von ihrer 99,99%-igen Muttergesellschaft mit Sitz in Curacao oder einer anderen Gesellschaft des weit verzweigten Konzerngeflechtes verwaltet wird. Denn nach dem von der Antragstellerin vorgelegten Jahresabschluss verfügt die Antragsgegnerin zu 1. selbst über keinerlei Angestellte. Angesichts der internationalen Verflechtung besteht die naheliegende Möglichkeit, dass sie ihre Bankguthaben bei Banken im Ausland unterhalten könnte, ohne dass Gegenseitigkeit verbürgt wäre. Eine Auslandsvollstreckung, ohne dass die Gegenseitigkeit verbürgt ist, wäre nach § 917 Abs. 2 S. 1 ZPO ein Arrestgrund. Dementsprechend blieb die Vollstreckung des von einem niederländischen Gericht gegen die Antragsgegnerin zu 1. verhängten Arrestes fruchtlos. Sobald die Antragsgegnerin zu 1. ihre Anteile an der Q Holdings GmbH übertragen hat, ist nicht ersichtlich, in welche ihrer verbliebenen Vermögenswerte die Antragstellerin dann noch vollstrecken könnte. Dass die Antragsgegnerin zu 1. Rückstellungen für den von der Antragstellerin geltend gemachten Anspruch gebildet hätte, ist nicht ersichtlich unabhängig von der Frage, ob nach niederländischem Recht hieraus eine Ausschüttungsperre folgen würde. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise erhöht der von der Antragstellerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch vielmehr den Anreiz, dass die Antragsgegnerin zu 1. als Investmentvehikel den Erlös aus der Veräußerung der Q Holdings GmbH nicht reinvestiert, sondern alsbald an die Investoren ausschüttet. Im Übrigen wäre angesichts der Komplexität des Rechtsstreits ein von der Antragstellerin anzustrengendes Schiedsverfahren zeitintensiv. Es besteht daher auch im ordentlichen Geschäftsgang der Antragsgegnerin zu 1. ohne weiteres die naheliegende Gefahr, dass sie als Investmentvehikel ihr Geld ganz oder teilweise bis zum Abschluss eines Schiedsverfahrens bestimmungsgemäß an Investoren ausschüttet.
Bei der Antragsgegnerin zu 2. kommt hinzu, dass diese selbst keine Fondsgesellschaft sein dürfte. Durch Vorlage des von einer Anwaltssozietät erstellten „Legal Fact Book“ (Anlage AS44) hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin zu 2. dementsprechend die Anteile an der B Flexibles GmbH lediglich als Treuhänderin hielt. Daraus folgt, dass sie den Erlös aus dem Verkauf der Anteile an der B Flexibles GmbH an die Treugeber ausgekehrt hat. Dies legt nahe, dass sie auch die Beteiligung an der Q Holdings GmbH lediglich treuhänderisch hält und auch den Erlös aus dem Verkauf dieser Beteiligung an die entsprechenden Treugeber auszahlen wird. Aus dem vorgelegten Jahresabschluss der Antragsgegnerin zu 2. für 2020 ergibt sich ferner, dass sie von der Beteiligung an der Q Holdings GmbH abgesehen angesichts der Bilanzsumme von nur ca. einer halben Mio. EUR über keine nennenswerten weiteren Vermögenswerte verfügt.
Schließlich liegt es fern, dass die Antragstellerin durch die im SPA erwähnte X&K Insurance anderweitig hinreichend gesichert ist. Unabhängig von der Frage des Umfangs der Versicherungsdeckung ist die Haftung für vorsätzliche Pflichtverletzungen regelmäßig in den Versicherungsbedingungen ausgeschlossen.
3.
Ausschließlich zuständig für die von der Antragstellerin begehrte Vollziehung des Arrestbefehls durch Pfändung nach § 930 ZPO ist das Amtsgericht als Arrest- und damit auch Vollstreckungsgericht (§§ 802 iVm 930 Abs. 1S.3, 919 ZPO). Das Amtsgericht hat die Anträge der Antragstellerin auf Pfändung bislang nicht beschieden. Bei Erlass des Arrestes durch das Rechtsmittelgericht ist das Gericht erster Instanz - dann der Rechtspfleger - für den Vollzug durch Pfändung zuständig (OLG München Endurteil vom 25. November 2021 – 8 U 6389/21 –, BeckRS 2021, 41094 Rn. 37; MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 930 Rn. 3 m.w.N.; Zöller/Vollkommer, 34. Aufl., § 930 Rn. 3).
Düsseldorf, 20.06.202224. Zivilkammer
Dr. PapstVorsitzender Richter am Landgericht |
Dr. BendaVorsitzende Richterin am Landgericht |
Dr. SchmitzRichter am Landgericht |
AusgefertigtHartge, Justizbeschäftigteals Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Meta
20.06.2022
Landgericht Düsseldorf 24. Zivilkammer
Beschluss
Sachgebiet: T
Zitiervorschlag: Landgericht Düsseldorf, Beschluss vom 20.06.2022, Az. 24 T 1/22 (REWIS RS 2022, 7000)
Papierfundstellen: REWIS RS 2022, 7000
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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