Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.04.2021, Az. B 4 AS 394/20 B

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Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 22. September 2020 - L 14 AS 560/17 - wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt höhere Leistungen nach dem [X.] wegen Erstausstattung anlässlich der Geburt des [X.] (Babyerstausstattung). Antrag, Klage und Berufung mit dem Begehren auf einen höheren Betrag als die vom beklagten Jobcenter bewilligte Pauschale in Höhe von 260 Euro sind erfolglos geblieben (zuletzt Urteil des [X.] vom 22.9.2020). Zur Begründung hat das [X.] ausgeführt, eine isolierte Überprüfung der vom Beklagten ermittelten Pauschale sei nicht veranlasst. Diese Frage wäre nur zu beantworten gewesen, wenn die Klägerin einen durch den gewährten Betrag ungedeckten Bedarf konkret bezeichnet hätte, woran es trotz mehrfacher Aufforderung gefehlt habe. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin beim [X.] Beschwerde eingelegt, die sie mit einem Verfahrensfehler und einer Divergenz zur Rechtsprechung des [X.] begründet.

2

II. Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil die Klägerin den von ihr geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) sowie eine Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) nicht in der erforderlichen Form bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 [X.] iVm § 169 [X.] zu verwerfen.

3

Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 [X.] (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]) die diesen Verfahrensmangel des [X.] (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits [X.] vom 29.9.1975 - 8 [X.] 64/75 - [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl 2020, § 160a Rd[X.] 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des [X.] - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits [X.] vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - [X.] 1500 § 160a [X.]6).

4

Zu dem von ihr gerügten Verstoß gegen § 123 [X.] trägt die Klägerin vor, das [X.] habe ihr "[X.]" als "Bescheidungsbegehren" im Sinne eines "Minus zur Verpflichtung" auslegen müssen. Es habe nur prüfen dürfen, ob die in Ansatz gebrachten Pauschalbeträge auf nachvollziehbaren Erfahrungswerten beruhten. Eine eigenständige Bedarfsermittlung und Bestimmung der Leistungshöhe sei versagt gewesen. Das Berufungsgericht habe zu dem Ergebnis gelangen können, dass die in Ansatz gebrachten Pauschalbeträge nicht auf nachvollziehbaren Erfahrungswerten beruhten und der Klage deshalb durch den Erlass eines Verpflichtungsbescheidungsurteils (ggf unter teilweiser Berufungsabweisung) und damit jedenfalls teilweise stattgeben können.

5

Mit diesem Vortrag ist ein Verfahrensfehler nicht ausreichend bezeichnet. Nach § 123 [X.] entscheidet das Gericht über die erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Bei unklaren Anträgen muss das Gericht mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und vor allem bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 [X.]). Im Übrigen ist das Gewollte, also das mit der Klage bzw der Berufung verfolgte Prozessziel, bei nicht eindeutigen Anträgen im Wege der Auslegung festzustellen. Die Klägerin hat jedoch - wie von ihr vorgetragen - ausdrücklich die Zahlung weiterer 185 Euro für die Erstausstattung anlässlich der Geburt ihres [X.] beantragt. Sie legt nicht dar, warum ein Verständnis dieses eindeutig abgefassten Antrags als "[X.]" ihrem Begehren besser entsprochen hätte. Hierzu hätte sie sich mit der ständigen Rechtsprechung des [X.] auseinandersetzen müssen. Hiernach ist allerdings die Anfechtungs- und Leistungsklage die gebotene Klageart bei - wie vorliegend - bereits stattgehabter Ausübung des Auswahlermessens in Bezug auf die Form der Leistungserbringung (Sach- oder Geldleistung) durch das Jobcenter und wegen höherer Leistungen als die bereits bewilligten Leistungen (vgl nur [X.] vom 13.4.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 23 [X.] 12 Rd[X.] 17, 23).

6

Auch eine Divergenz hat die Klägerin nicht ausreichend bezeichnet. Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des [X.] von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das [X.], der [X.] oder das [X.] aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das [X.] diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa [X.] vom [X.] [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.]4; [X.] in [X.]/[X.], jurisPK-[X.], 2017, § 160 Rd[X.] 119). Diese Anforderungen sind nicht erfüllt.

7

Insofern trägt die Klägerin vor, das [X.] habe den Rechtssatz aufgestellt, der Leistungsträger habe einen Ermessensspielraum nach § 24 Abs 3 Satz 5 [X.] nur dahingehend, ob die Erstausstattung als Sachleistung oder als Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werde. Es bestehe aber "kein Ermessen" in Bezug auf die Leistungshöhe. Dagegen habe das [X.] in seinem Urteil vom 20.8.2009 ([X.] [X.]/08 R - [X.] 4-4200 § 23 [X.] 5) den Rechtssatz aufgestellt, dass der Leistungsträger nicht nur einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Leistungsart, sondern "auch bei der Festsetzung der Höhe der gewählten Pauschale einen Beurteilungsspielraum" habe. Insofern befasst sich die Klägerin aber nicht in der erforderlichen Weise damit, warum mit einem Beurteilungsspielraum bei der Festsetzung der Höhe der Pauschalen ein Ermessen des Leistungsträgers verbunden sein soll, obgleich das [X.] in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass bei einer Entscheidung des [X.] für die Leistungsart Geldleistung eine richterliche Plausibilitätskontrolle durchzuführen ist, ob bei deren Bemessung geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte über die Kosten der Erstausstattungsgegenstände zur Stützung der Pauschalbeträge berücksichtigt worden sind (vgl nur [X.] vom 27.9.2011 - B 4 [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 23 [X.] 13 Rd[X.]5). Bezogen auf das ihrem Vorbringen zu entnehmende Begehren auf Prüfung der Anforderungen an die Bemessung von Pauschalbeträgen nach § 24 Abs 3 Satz 5 [X.] - als möglicher Revisionsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung - fehlt es neben einer Darlegung der Klärungsfähigkeit auch an einer Darlegung der Klärungsbedürftigkeit, weil dies bereits mehrfach Gegenstand von Entscheidungen des [X.] gewesen ist (vgl nur [X.] vom 20.8.2009 - [X.] [X.]/08 R - [X.] 4-4200 § 23 [X.] 5 Rd[X.] 19 f; [X.] vom 19.8.2010 - [X.] AS 10/09 R - [X.] 4-4200 § 23 [X.] 10 Rd[X.]1; [X.] vom 13.4.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 23 [X.] 12 Rd[X.] 17, 23 ff). Maßgebend ist danach, ob die Pauschalen jeweils auf nachvollziehbaren Erfahrungswerten beruhen (vgl auch [X.] vom 23.12.2013 - [X.] [X.]/13 B - Rd[X.] 4). Soweit die Klägerin die Höhe der von dem Beklagten konkret zugrunde gelegten Pauschalen kritisiert, kann die Behauptung einer inhaltlichen Unrichtigkeit nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl [X.] vom [X.]; [X.] vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.]2 Rd[X.] 4; [X.] vom [X.] - 1 BvR 96/10 - [X.] 4-1500 § 178a [X.] 11 Rd[X.]8 mwN).

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 4 AS 394/20 B

22.04.2021

Bundessozialgericht

Beschluss

Sachgebiet: AS

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.04.2021, Az. B 4 AS 394/20 B (REWIS RS 2021, 6640)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6640

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1 BvR 96/10

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