Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.02.2014, Az. V ZB 116/13

5. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7695

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Gegenstand

Bruchteilssondereigentum an einer Doppelstockgarage in einer Wohnungseigentumsanlage: Nutzungsregelung für die einzelnen Stellplätze; funktionelle Zuständigkeit der Wohnungseigentumsgerichte für Streitigkeiten


Leitsatz

1. Steht eine Doppelstockgarage in einer Wohnungseigentumsanlage im Bruchteilssondereigentum mehrerer Personen, können die Bruchteilseigentümer die Nutzung der einzelnen Stellplätze gemäß § 745 Abs. 1, § 1010 BGB regeln; zulässig ist aber auch eine Zuweisung der Stellplätze mittels Gebrauchsregelung durch Vereinbarung aller Wohnungs- und Teileigentümer gemäß § 15 Abs. 1 WEG.

2. Streitigkeiten zwischen Bruchteilssondereigentümern über die Benutzung der Stellplätze sind unabhängig von der Rechtsgrundlage der Benutzungsregelung stets Wohnungseigentumssachen im Sinne von § 43 Nr. 1 WEG.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] vom 4. Juli 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.

Gründe

A.

1

Die Parteien sind Miteigentümer des Sondereigentums an einem Doppelparker in einer Wohnungseigentumsanlage. Die Beklagten nutzen den oberen Stellplatz. Die Klägerin nutzt - wie zuvor ihre Rechtsvorgängerin - den unteren Stellplatz; sie will eine monatlich wechselnde Nutzungsregelung hinsichtlich der beiden Stellplätze erreichen. Der darauf gerichteten Klage hat das Amtsgericht gestützt auf § 745 Abs. 2 [X.] stattgegeben. Das [X.] hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen.

B.

2

Das Berufungsgericht sieht das Landgericht [X.]furt am Main als das gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG zuständige Gericht an. Es handele sich um eine Wohnungseigentumssache gemäß § 43 Nr. 1 [X.]. Denn zwischen sämtlichen Wohnungseigentümern liege eine [X.] im Sinne des § 15 [X.] vor, nach der der Klägerin der untere und den Beklagten der obere Stellplatz zugewiesen sei. Dies ergebe sich aus einer Mitteilung des Verwalters, die als Beschluss der Wohnungseigentümer gemäß § 15 [X.] anzusehen sei und die Streitigkeit in der zwischen den Parteien bestehenden Bruchteilsgemeinschaft überlagere.

C.

3

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

4

I. Sie ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ein Zulassungsgrund ist gegeben, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO eine Entscheidung des [X.] erfordert. Das Berufungsgericht hat den Beklagten den Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Dies verletzt ihren Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. [X.] 77, 275, 284) und eröffnet die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO (Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - [X.], [X.], 367, 368 mwN).

5

II. Das Rechtsmittel ist auch in der Sache begründet.

6

1. Allerdings sieht das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht das Landgericht [X.]furt am Main als das gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG für [X.] zuständige Berufungsgericht an.

7

a) Zu den [X.] gehören gemäß § 43 Nr. 1 [X.] unter anderem Streitigkeiten über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander; diese Bestimmung ist weit auszulegen (Senat, Beschlüsse vom 10. Dezember 2009 - [X.], [X.], 187 Rn. 7 und vom 8. Juli 2010 - [X.]/09, NJW 2011, 384 Rn. 7). Ausschlaggebend für die Zuständigkeit des Gerichts ist nicht die jeweilige Rechtsgrundlage, aus der die Ansprüche hergeleitet werden, sondern allein der Umstand, ob das von einem Wohnungseigentümer in Anspruch genommene Recht oder die ihn treffende Pflicht in einem inneren Zusammenhang mit einer Angelegenheit steht, die aus dem [X.] der Wohnungseigentümer erwachsen ist (Senat, Urteil vom 30. Juni 1995 - [X.], [X.], 159, 165).

8

b) Daran gemessen ist der Rechtsstreit als Wohnungseigentumssache im Sinne von § 43 Nr. 1 [X.] einzuordnen.

9

aa) Streitigkeiten, die die internen Rechtsbeziehungen von Bruchteilssondereigentümern betreffen, sind allerdings im Grundsatz keine [X.] (BayObLG, NJW-RR 1995, 588, 589; [X.] in Bärmann, [X.], 12. Aufl., § 43 Rn. 65; Suilmann in [X.], [X.], 3. Aufl., § 43 Rn. 25; [X.]/[X.], [X.] [2005], § 5 [X.] Rn. 14; [X.], in: [X.], 6. Aufl., § 43 [X.] Rn. 34; [X.]/Then, [X.], 2. Aufl., § 43 Rn. 15; [X.]/[X.]/Abramenko, [X.], 3. Aufl., § 43 Rn. 10). Denn weder bilden die [X.] eine Wohnungseigentümergemeinschaft noch sind deren [X.]en Gegenstand des [X.]ses der Wohnungseigentümer. Maßgeblich ist nicht das Wohnungseigentums-, sondern das allgemeine Zivilrecht. Daher sind die allgemeinen Zivilgerichte zuständig, wenn Wohnungseigentum im Bruchteilseigentum mehrerer Personen steht und deren Rechtsbeziehungen untereinander Gegenstand eines Rechtsstreits sind.

bb) Eine Ausnahme bilden jedoch die internen Beziehungen von [X.]n, in deren Teileigentum eine Doppelstockgarage (bzw. ein Mehrfachparker) steht.

(1) In dieser Fallgestaltung kommt die Zuweisung fester Stellplätze an die Miteigentümer auf der Grundlage von Sondernutzungsrechten im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 2 [X.] nicht in Betracht (so aber wohl [X.]/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 2836; [X.] in Bärmann, [X.], 12. Aufl., § 13 Rn. 113; Langhein, Notar 2012, 290), weil Sondernutzungsrechte nur an gemeinschaftlichem Eigentum bestehen können (vgl. BT-Drucks. 16/887, [X.]). Vielmehr bedarf es einer internen Nutzungsregelung zwischen den [X.]n (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 - [X.] 279/11, NJW-RR 2012, 1157 Rn. 12).

(2) Eine solche auf Dauer angelegte Benutzungsregelung können [X.] gemäß § 745 Abs. 1 [X.] treffen; in den Grenzen des § 745 Abs. 3 [X.] können sie die Nutzung ihres Eigentums ganz oder in Teilen einem einzelnen Teilhaber überlassen (vgl. [X.], Hinweisbeschluss vom 20. Oktober 2008 - [X.], [X.], 1270, 1271 mwN). Gemäß § 1010 [X.] bedarf eine solche Regelung allerdings der Eintragung in das Grundbuch, wenn sie auch gegenüber Sondernachfolgern wirken soll. Nach verbreiteter Ansicht, der das Berufungsgericht folgt, ist als weitere Gestaltungsmöglichkeit eine [X.] durch Vereinbarung aller Wohnungs- und Teileigentümer gemäß § 15 Abs. 1 [X.] zulässig ([X.] 1994, 195 ff.; OLG [X.]furt, [X.], 527; [X.], [X.], 232 f.; [X.], [X.] 2011, 419, 420; [X.], [X.], 29. Aufl., Anhang zu § 3 Rn. 31; [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl., § 15 Rn. 64; [X.], [X.] 1994, 512, 513; [X.], Rpfleger 1998, 9, 12 f.; v. Oefele, [X.] 2000, 441 f.; [X.], [X.], 207 f.). Zuständig seien insoweit die Wohnungseigentumsgerichte (so [X.] 1994, 195, 199; OLG [X.]furt, [X.], 527). Andere halten derartige [X.]en für unzulässig ([X.]/[X.], [X.], 73. Aufl., § 15 [X.] Rn. 1; Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, [X.], 10. Aufl., § 15 Rn. 1; Hügel, [X.], 766 ff.; [X.], Rpfleger 1997, 416 ff.; [X.], Rpfleger 2001, 169 ff.).

(3) Der Senat sieht die - seit geraumer Zeit üblichen und von den Grundbuchämtern gebilligten - [X.]en gemäß § 15 Abs. 1 [X.], die die Benutzung von [X.] betreffen, als zulässig an. Dagegen spricht allerdings, dass die [X.] von [X.]n - wie ausgeführt - im Grundsatz keinen Gemeinschaftsbezug aufweist. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Eigentümer von [X.] - anders als [X.] von Wohnungseigentum - typischerweise nicht in einer persönlichen Verbindung zueinander stehen, sondern eine zufällige Gemeinschaft bilden. Dauerhafte und klare Nutzungsregelungen, die eine Einigung der [X.] untereinander entbehrlich machen, dienen daher dem [X.]; hierin ist ein noch ausreichender Gemeinschaftsbezug zu sehen ([X.]/[X.]/Abramenko, [X.], 3. Aufl., § 15 Rn. 8). Weil sowohl eine Benutzungsregelung nach § 745 [X.] als auch eine [X.] nach § 15 Abs. 1 [X.] zulässig ist, kann dahinstehen, ob und ggf. welche Vor- und Nachteile diese [X.] jeweils aufweisen.

(4) Für die Einordnung des Rechtsstreits als Wohnungseigentumssache gemäß § 43 Nr. 1 [X.] ist es unerheblich, ob die Feststellungen tatsächlich den Schluss erlauben, dass hier eine [X.] gemäß § 15 Abs. 1 [X.] besteht oder ob vielmehr - wie das Amtsgericht gemeint hat - eine Benutzungsregelung gemäß § 745 Abs. 2 [X.] zu treffen ist. Denn die Zuständigkeit des Zivil- oder des Wohnungseigentumsgerichts darf aus Gründen der Rechtswegklarheit nicht von der konkreten Ausgestaltung der Benutzungsregelung abhängen. Andernfalls würde der Rechtsschutz erschwert, wenn - wie hier - das Gericht erster Instanz eine Benutzungsregelung gemäß § 745 Abs. 2 [X.] trifft, während das Berufungsgericht von dem Vorliegen einer [X.] gemäß § 15 [X.] ausgeht und infolgedessen die Wohnungseigentumsgerichte für zuständig hält.

2. Obwohl nach alledem das Landgericht [X.]furt am Main zuständiges Berufungsgericht ist, hat die Verwerfung der Berufung als unzulässig den Anspruch der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzt. Denn nach der Rechtsprechung des Senats kann die Berufungsfrist in Ausnahmefällen auch durch Anrufung des funktionell unzuständigen Berufungsgerichts gewahrt und der Rechtsstreit entsprechend § 281 ZPO an das zuständige Gericht verwiesen werden. So verhält es sich, wenn die Frage, ob eine Streitigkeit im Sinne von § 43 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 [X.] vorliegt, für bestimmte Fallgruppen noch nicht höchstrichterlich geklärt ist und man über deren Beantwortung - wie hier - mit guten Gründen unterschiedlicher Auffassung sein kann (näher Senat, Beschluss vom 10. Dezember 2009 - [X.], [X.], 187 Rn. 9 ff.). Aus diesem Grund hätte das Berufungsgericht gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO darauf hinwirken müssen, dass die Beklagten einen Antrag auf Verweisung an das zuständige Landgericht [X.]furt am Main in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO stellen.

D.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass nach den bislang getroffenen Feststellungen keine [X.] der Wohnungseigentümer gemäß § 15 Abs. 1 [X.] besteht, die die Klägerin binden könnte. Dass diese an einer solchen Vereinbarung mitgewirkt hätte, ist nicht ersichtlich. Eine Vereinbarung ist auch nicht im Grundbuch eingetragen (vgl. § 10 Abs. 3 [X.]). Dass die Wohnungseigentümer einen Mehrheitsbeschluss gemäß § 15 Abs. 2 [X.] gefasst hätten, stellt das Berufungsgericht schon nicht fest; es verweist lediglich auf eine Aufstellung des Verwalters über die Nutzung der Stellplätze, die offenkundig keinen Beschluss der Wohnungseigentümer wiedergibt. Jedenfalls fehlte es an der erforderlichen Beschlusskompetenz. Denn nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Sondernutzungsrecht am gemeinschaftlichen Eigentum nur durch Vereinbarung und nicht durch Mehrheitsbeschluss eingeräumt werden (Senat, Beschluss vom 20. September 2000 - [X.] 58/99, [X.]Z 145, 158, 162 ff.). Nichts anderes gilt für die hier zu beurteilenden [X.]en, weil auch sie - in den Auswirkungen vergleichbar - mit einem Ausschluss vom Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Teileigentums einhergehen und deshalb keine Konkretisierung des Gebrauchs im Sinne von § 15 Abs. 2 [X.] betreffen (vgl. zu diesem Aspekt Senat, Beschluss vom 20. September 2000 - [X.] 58/99, [X.]Z 145, 158, 167).

Stresemann                      Lemke                         Roth

                    Brückner                    Weinland

Meta

V ZB 116/13

20.02.2014

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Wiesbaden, 4. Juli 2013, Az: 7 S 8/13

§ 745 Abs 1 BGB, § 1010 BGB, § 15 Abs 1 WoEigG, § 43 Nr 1 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.02.2014, Az. V ZB 116/13 (REWIS RS 2014, 7695)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7695

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