Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.09.2021, Az. 6 B 360/21

6. Senat | REWIS RS 2021, 2517

ÖFFENTLICHES RECHT PARTEIEN POLIZEI- UND ORDNUNGSRECHT STRAFRECHT RECHTSEXTREMISMUS BUNDESTAGSWAHL VOLKSVERHETZUNG SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

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Gegenstand

"HÄNGT DIE GRÜNEN", Beseitigungsanordnung, Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hier: Beschwerde


Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des [X.] vom 13. September 2021 - 7 L 393/21 - geändert und der Antrag der Antragstellerin abgelehnt.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des [X.] für beide Rechtzüge auf je 250,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Die mit den Beschwerden vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich beschränkt ist, ergeben, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. September 2021 auch unter Auflagen nicht wiederherzustellen oder anzuordnen ist. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat deshalb Erfolg; die Beschwerde der Antragstellerin bleibt dagegen ohne Erfolg.

2

1. Die Antragstellerin, eine zur [X.] am 26. September 2021 zugelassene [X.], hat im [X.]gebiet der Antragsgegnerin mehrere Wahlplakate in der Farbe Grün aufgehängt. Die obere Hälfte des Plakats wird von der Aufschrift "[X.] [X.]!" ausgefüllt. Die untere Hälfte bestimmen ein Schriftzug mit dem Wortlaut "Wählt [X.]!" mit daneben einem Kreuz für eine Stimmenabgabe sowie (ganz unten) in Großbuchstaben "[X.]", dazwischen in kleinen Lettern "www.[X.]" sowie unterhalb der (gedachten) Mittellinie in ebenfalls kleineren Buchstaben findet sich der Satz: "Macht unsere nationalrevolutionäre Bewegung durch Plakatwerbung in unseren [X.]farben in [X.] und Land bekannt." Nach Angaben der Antragstellerin sind die Großbuchstaben dieses Schriftzugs tatsächlich jedenfalls 2 cm hoch. Das Plakat ist grün hinterlegt.

3

Mit Bescheid vom 9. September 2021 verfügte die Antragsgegnerin unter [X.], dass die Wahlplakate der Antragstellerin mit dem Aufdruck "[X.] [X.]!" spätestens drei Tage nach Zustellung vom Standort [X.] Straße sowie von allen anderen Standorten im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin aus dem öffentlichen Verkehrsraum sowie von Stellen zu entfernen sind, die von öffentlichen Straßen oder Grün- und Erholungsanlagen aus sichtbar sind; die entfernten Plakate sind so unterzubringen, dass sie keine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellten. Unter Nr. 2 ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung dieses Bescheides an, unter Nr. 3 drohte sie für den Fall, dass die Antragstellerin der nach [X.] auferlegten Pflicht nicht nachkommt, die Ersatzvornahme an, wobei die Kosten der Ersatzvornahme vorläufig auf 250,00 € beziffert wurden. Zur Begründung hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass die Verfügung auf § 2 Abs. 1 i. V. m. § 12 Abs. 1 [X.] beruhe. In dem Wahlplakat mit der Aufschrift "[X.] [X.]" sei sowohl ein Verstoß gegen § 111 StGB als auch gegen die Vorschrift des § 118 OWiG zu erkennen. Es sei von einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch die Plakate auszugehen. Nach Angaben der Antragsgegnerin im Verfahren befänden sich zum Zeitpunkt des Verfahrens noch zwei Plakate der Antragstellerin im [X.]gebiet.

4

Das Verwaltungsgericht hat auf den von der Antragstellerin erhobenen Eilantrag mit dem angegriffenen [X.]uss vom 13. September 2021 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 9. September 2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin mit der Maßgabe wiederhergestellt bzw. angeordnet, dass die den Gegenstand des Bescheides bildenden Plakate der Antragstellerin "[X.] DIE [X.]!" in einem Abstand von mindestens 100 m von [X.] "[X.][X.]" aufzuhängen seien, und im Übrigen den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht in Abwägung der widerstreitenden Interessen und der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren unter Heranziehung von § 2 Abs. 1 i. V. m. § 12 Abs. 1 [X.] zu der von der Antragsgegnerin angenommenen Gefahr des Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit im Hinblick auf § 111 StGB wie auch § 118 OWiG ausgeführt, dass es sich bei den streitbefangenen [X.] um Werturteile handele, die von dem Schutzbereich des Grundrechts der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst seien, wobei dies auch das Recht einschließe, sich in der öffentlichen Auseinandersetzung im politischen Meinungskampf - selbst in überspitzter und polemischer Form - kritisch zu äußern. Dieses Grundrecht gelte gemäß Art. 5 Abs. 2 GG jedoch nicht schrankenlos, sondern könne im Rahmen allgemeiner Gesetze begrenzt werden. Ausgehend von diesen Grundsätzen könne dem streitbefangenen Plakat zwar entnommen werden, dass sich die Aufforderung "[X.] [X.]!" auf das Aufhängen der die grüne Farbe tragenden Plakate der Antragstellerin beziehe. Auf der Grundlage einer Interessenabwägung sei es angemessen, dass die Plakate der Antragstellerin in einem Mindestabstand von 100 m von Plakaten, die von [X.][X.] aufgehängt wurden, aufgehängt bzw. angebracht würden. Damit sei gewährleistet, dass die Plakate der Antragstellerin räumlich losgelöst von der Wahlwerbung der [X.] [X.][X.] vollständig gelesen und inhaltlich wahrgenommen werden und dadurch das kommunikative Anliegen der Antragstellerin nicht beeinträchtigt werde.

5

Hiergegen wendet die Antragstellerin in der Begründung ihrer Beschwerde ein, dass sich der Bescheid der Antragsgegnerin bereits als formell rechtswidrig erweise, da die nicht entbehrliche Anhörung unterblieben sei. In der Sache sei festzustellen, dass die Schriftgröße des vermeintlich kleinen Konkretisierungstextes doppelt so groß sei wie die Schriftgröße der Internetadresse, die vom Verwaltungsgericht in einer vergleichbaren Entscheidung vom 3. Mai 2019 - 7 L 271/19 - akzeptiert worden sei. Die Botschaft des Plakates sei nicht auf den "Blickfang" zu reduzieren. Ein nur flüchtiger Betrachter solle durch das im Bereich des Marketings übliche Vorgehen dazu bewegt werden, auch den ausführlicheren Text zu lesen, sich damit auseinander zu setzen und die beworbene Marke (bzw. vorliegend die [X.]) im Gedächtnis zu behalten. Die Nähe zu von der [X.] [X.][X.] aufgehängten Plakaten sei unerheblich. Anhand des vorliegenden Wortlautes werde unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass Plakate und nicht Menschen gehängt werden sollen. Die durch das Verwaltungsgericht ausgesprochene Einschränkung des Anbringens der Plakate auf einen Abstand von mindestens 100 m zu [X.] [X.][X.] stelle sich als unverhältnismäßig dar, in Betracht zu ziehen sei allenfalls ein Radius von fünf Metern.

6

Die Antragsgegnerin hat im Rahmen ihrer am 16. September 2021 eingelegten Beschwerde an ihrer Auffassung festgehalten, dass ihr Bescheid vom 9. September 2021 rechtmäßig ist. Entgegen der Ansicht des [X.] sei bei dem in Frage stehenden Plakat der Antragstellerin auch in 100 m Entfernung von Plakaten der [X.] [X.][X.] eine hinreichende Wahrnehmung des vollständigen Plakatinhalts u. a. angesichts der Plakatgestaltung nicht gewährleistet. Neben Ausführungen zur Befugnis für die Anbringung von [X.] hat die Antragsgegnerin bei einer bewussten Gestaltung von Plakaten dahingehend, dass bei einem unvoreingenommenen Betrachter zwingend eine selektive Wahrnehmung bezogen auf die Kenntnisnahme nur der Hauptparole erzeugt werde, die Auffassung vertreten, dass
sich der Nutzer diese Wirkung als gewollt zurechnen lassen müsse. Er dürfe sich nicht auf den die Hauptparole relativierenden weiteren Satz berufen, da dieser - wie gewollt - gar nicht zur Kenntnis genommen werde. Dem Verwaltungsgericht wäre auf Tatbestandsebene eine Abwägung des hohen [X.]s der Meinungsfreiheit und der durch das Strafrecht geschützten Interessen möglich gewesen und diese sei auch erforderlich, es fehle hingegen eine Auseinandersetzung mit den
Argumenten der Antragsgegnerin. Einer eingehenden Sachaufklärung im Hauptsacheverfahren habe es nicht bedurft. Die Grenze der Meinungsfreiheit im politischen Meinungskampf sein überschritten, wenn öffentlich zur Tötung des politischen Gegners aufgerufen werde. Das Grundrecht der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG sei unantastbar und stehe nicht dem Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG nach, auch nicht im Wahlkampf.

7

Zur Beschwerde der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin auf ihre Ausführungen zur materiellen Rechtmäßigkeit des Bescheides verwiesen und im Hinblick auf die Anhörung ausgeführt, dass sie sich im Rahmen des Antragsverfahrens mit dem Vortrag der Antragstellerin im Schriftsatz vom 10. September 2021 auseinandergesetzt und ausgeführt habe, dass die Beseitigungsanordnung weiterhin für rechtmäßig gehalten werde; damit habe sie nach Prüfung und Würdigung erneut über die Frage entschieden, ob sie den angefochtenen Verwaltungsakt aufrechterhält.

8

Der Senat hat einen [X.]uss des [X.] vom 17. September 2021 - 607 UJs 41059/21 -, mit dem zwei gleiche Plakate wegen des Verdachts einer Straftat nach § 111 Abs. 1, 2, § 130 Abs. 1 [X.] und 2 und § 140 Nr. 2 StGB beschlagnahmt wurden, beigezogen. Diesem [X.]uss ist die Antragstellerin entgegengetreten. Das Gericht habe mit der Verengung des Plakats auf die Aussage "[X.] [X.]!" die verfassungsrechtlichen Anforderungen verfehlt. Unter Berücksichtigung des Konkretisierungstextes auf dem Plakat und der übrigen Angaben ergebe sich kein strafrechtlich relevanter Inhalt. Bei mehrdeutigen Aussagen sei zu ihren Gunsten von der straffreien Auslegung auszugehen.

9

2. Die Beschwerde der Antragsgegnerin führt zu einer Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

10

Im Verfahren auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO sind das [X.] der Antragstellerin und das [X.] der Antragsgegnerin gegeneinander abzuwägen. Maßstab der gebotenen Interessenabwägung sind grundsätzlich die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs. An der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht kein überwiegendes öffentliches Interesse. Dagegen überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung, wenn der Verwaltungsakt rechtmäßig ist und - in Fällen der Anordnung des [X.] - ein besonderes Vollzugsinteresse vorliegt. Lassen sich die Erfolgsaussichten bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht abschließend beurteilen, hat das Gericht im Rahmen einer eigenen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der behördlichen Verfügung und das private Interesse des Betroffenen und die Interessen Dritter, vorläufig von deren Wirkung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. ([X.], [X.]. v. 14. Mai 2021 - 6 [X.]/21-, juris Rn. 4; st. Rspr.).

11

a) Der angegriffene Bescheid ist nicht wegen unterbliebener Anhörung rechtswidrig. Zwar ist eine Anhörung der Antragstellerin zunächst zu Unrecht unterblieben. Dieser Mangel wurde aber geheilt.

12

Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem nach § 1 Satz 1 SächsVwVfZG i. V. m. § 28 Abs. 1 VwVfG Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Ein solches Anhörungsverfahren wurde von der Antragsgegnerin vor dem gerichtlichen Eilverfahren nicht durchgeführt. Eine vorherige Anhörung der Antragstellerin war auch nicht nach § 28 Abs. 2 [X.] VwVfG entbehrlich. Danach kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Die vorherige Gefahr im Verzug besteht, wenn durch die vorherige Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass die behördliche Maßnahme zu spät käme, um ihren Zweck noch zu erreichen ([X.], [X.]. v. 18. Oktober 1988 - 1 A 89.83 -, juris Rn. 28; [X.], [X.]. v. 21. Mai 2019 - 3 [X.]/19 -, juris Rn. 10). Ob eine sofortige Entscheidung objektiv notwendig war oder die Behörde eine sofortige Entscheidung zumindest für notwendig halten durfte, ist vom Gericht aus [X.] zu beurteilen. Hierbei ist wegen der Bedeutung des Anhörungsrechts als tragendem Prinzip des rechtsstaatlichen Verfahrens ein strenger, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter Maßstab anzulegen. Von der Anhörung darf nur abgesehen werden, wenn die Maßnahme selbst bei mündlicher, eventuell telefonischer Anhörung zu spät käme ([X.], [X.]. v. 22. März 2012 - 3 C 16.11 -, juris Rn. 14; [X.], [X.]. v. 21. Mai 2019 a. a. 0.).

13

Hiernach lagen die Voraussetzungen für ein Absehen von einer vorherigen Anhörung nicht vor. Eine solche Gefahrenlage war nicht gegeben, wie auch die der Antragstellerin zum Abhängen der Plakate eingeräumte Frist sowie die Tatsache, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt erlassen wurde, verdeutlichen. Der Antragstellerin hätte per Fax, elektronischer Nachricht oder telefonisch unter kurzer Fristsetzung Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werden können.

14

Ist eine Anhörung entgegen § 1 Satz 1 SächsVwVfZG i. V. m. § 28 Abs. 1 VwVfG unterblieben, kann der Mangel nach § 1 Satz 1 SächsVwVfZG i. V. m. § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG unbeachtlich sein, wenn die Anhörung nachgeholt wird. Voraussetzung hierfür ist es, dass die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Diese Funktion besteht nicht allein darin, dass der Betroffene seine Einwendungen vorbringen kann und diese von der Behörde zur Kenntnis genommen werden, sondern schließt vielmehr ein, dass die Behörde ein etwaiges Vorbringen bei ihrer Entscheidung in Erwägung zieht. Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren stellen regelmäßig keine nachträgliche Anhörung im Sinne dieser Regelung dar ([X.], [X.]. v. 24. Juni 2010 - 3 C 14.09 -, juris Rn. 37; [X.], [X.]. v. 21. Mai 2019 a. a. [X.] Rn. 13; [X.], [X.]. v. 30. April 2014 - 11 S 244/14 -, juris Rn. 94). Im Prozess abgegebene Äußerungen und Erklärungen von Beteiligten, insbesondere auch schriftsätzliche Äußerungen, sind in erster Linie auf den Fortgang des Rechtsstreits und nur ausnahmsweise auch auf die Änderung der materiellen - streitigen - Rechtslage gerichtet. Deshalb müssten besondere Umstände vorliegen, um annehmen zu können, ein Prozessbeteiligter wolle sich durch eine schriftsätzliche Äußerung materiell-rechtlich binden ([X.], [X.]. v. 7. Februar 1986 - 4 C 28.84 -, [X.]E 74, 15, 17; [X.]. v. 19. März 2013 - 5 C 16.12 -, NJW 2013, 1832 Rn. 12; [X.], [X.]. v. 12. August 2014 - [X.] [X.]/14 -, juris Rn. 7). Daher setzt eine funktionsgerecht nachgeholte Anhörung voraus, dass sich die Behörde nicht darauf beschränkt, die einmal getroffene Sachentscheidung zu verteidigen, sondern das Vorbringen des Betroffenen erkennbar zum Anlass nimmt, die Entscheidung kritisch zu überdenken ([X.], [X.]. v. 17. Dezember 2015 - 7 C 5.14 -, juris Rn. 17; [X.], [X.]. v. 21. Mai 2019 a. a. [X.] Rn. 13). So liegt es hier.

15

Im vorliegenden Fall kommt der Wille der Antragsgegnerin, gegenüber der Antragstellerin nicht nur im Rechtsmittelverfahren ihre Entscheidung zu verteidigen, sondern nach einer erneuten Prüfung eine inhaltsgleiche Entscheidung zu treffen, noch hinreichend zum Ausdruck. Die Antragsgegnerin hat im erstinstanzlichen Eilverfahren in Kenntnis der fehlenden Anhörung an der getroffenen Regelung festgehalten, wobei sie ergänzend zu den Gründen im Bescheid zu den von der Antragstellerin vorgetragenen Aspekten Stellung genommen hat und diese in die (neuerliche) rechtliche Bewertung eingeflossen sind. In ihrer Beschwerdeerwiderung hat sie ausdrücklich bestätigt, sich im Rahmen des Eilverfahrens mit dem Vortrag der Antragstellerin im Schriftsatz vom 10. September 2021 auseinandergesetzt zu haben und an der Beseitigungsanordnung in Kenntnis dieser Argumente weiter festzuhalten. Mit dieser letzten Stellungnahme wird hinreichend klar, dass nicht nur die Verwaltungsentscheidung verteidigt werden, sondern die bereits getroffene (Ermessens-)Entscheidung erneut auch außerhalb des Rechtsstreits inhaltsgleich bestätigt werden soll. Im Übrigen könnte sowohl durch die Ausgangsbehörde als auch durch die Widerspruchsbehörde eine erneute inhaltsgleiche Entscheidung auch in Bescheidform noch bis zum Wahltag getroffen werden.

16

b) Die angegriffene Verfügung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.

17

Die Antragsgegnerin hat zu Recht § 12 [X.] als Rechtsgrundlage für ihren Bescheid vom 9. September 2021 herangezogen. Eine spezialgesetzliche Regelung polizeibehördlicher Eingriffsbefugnisse für die hier in Rede stehende rechtliche Materie ist nicht ersichtlich. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 12 [X.] sind erfüllt. Gemäß § 12 Abs. 1 [X.] können die Polizeibehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, soweit die Befugnisse nicht besonders geregelt sind.

18

Zutreffend sieht die Antragsgegnerin als für ihren Dienstbezirk gemäß § 5 [X.] zuständige Polizeibehörde in den angebrachten Plakaten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit.
Der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen, wobei in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht ([X.], [X.]. v. 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81 -, juris Rn. 77).

19

aa) Die Antragstellerin, deren Wahlvorschlag zur [X.] zugelassen wurde, kann sich für ihre Wahlwerbung zwar grundsätzlich auf ihre Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 20 Abs. 1 Satz 1 [X.]) berufen. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist hiervon das Recht, auch in überspitzter und polemischer Form Kritik zu äußern, umfasst. Dass eine Aussage scharf und übersteigert formuliert ist, entzieht sie nicht schon dem Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] ([X.], [X.]. v. 24. September 2009 - 2 BvR 2179/09 -, juris Rn. 3; [X.], [X.]. v.21. Mai 2019 a. a. [X.] juris Rn. 8; jeweils m. w. N.).

20

Eine Grenze der Meinungsäußerung bilden aber gemäß Art. 5 Abs. 2 GG, Art. 20 Abs. 3 [X.] u. a. Strafgesetze, die zum Rechtsgüterschutz ausnahmsweise bestimmte geäußerte Inhalte verbieten, wie allgemein §§ 185 ff. StGB (Beleidigung, Verleumdung), § 111 StGB (öffentliche Aufforderung zu Straftaten) und speziell im Bereich politischer Auseinandersetzungen etwa § 130 StGB (Volksverhetzung), § 86 a StGB (Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) oder §§ 90 a, b StGB (Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole oder von Verfassungsorganen). Eine Entfernung von [X.] ist zulässig, wenn durch sie gegen allgemeine Strafgesetze verstoßen wird, die kein Sonderrecht gegen die [X.]en enthalten, und wenn dieser Verstoß evident ist und nicht leicht wiegt, so dass kein Zweifel bestehen kann, dass im konkreten Fall eine ins Gewicht fallende Verletzung des vom Strafrecht geschützten Rechtsguts vorliegt (vgl. [X.], [X.]. v. 15. Mai 2019 -1 BvQ 43/19 -, juris; v. 27. April 2019 - 1 BvQ 36/19 -, juris; v. 25. April 1985 - 2 BvR 617/84 -, juris Rn. 33; v. 14. Februar 1978 - 2 BvR 523/75 u. a. -, juris Rn. 102 ff.; [X.], [X.]. v. 21. Mai 2019 a. a. [X.]; jeweils m. w. N.). Ausreichend ist ein Verstoß gegen den objektiven Tatbestand einer Strafnorm; eines Vorsatzes oder einer Schuld bedarf es im Gegensatz zum Strafrecht im präventiv ausgerichteten Polizeirecht nicht. In einem solchen Fall überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung das Interesse der [X.] und ihrer Anhän-ger, ihre Meinung zu äußern und im Wahlkampf gleiche Chancen wie die anderen [X.]en zu haben.

21

Auch mit Blick auf das Gebot der Chancengleichheit politischer [X.]en im Wahlkampf reicht dagegen allein eine Störung der öffentlichen Ordnung grundsätzlich nicht aus (vgl. [X.], [X.]. v. 23. Juni 2004 - 1 BvQ 19/04 -, juris Rn. 21; [X.], [X.]. vom 21. Mai 2019 a. a. [X.]). Der Gesetzgeber hat in den allgemeinen Gesetzen, insbesondere den Strafgesetzen (so etwa in den §§ 86, 86a, 111, 130 StGB), Beschränkungen des Inhalts von Meinungsäußerungen an nähere tatbestandliche Voraussetzungen gebunden; eine Berufung auf das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Ordnung ist
insofern nicht vorgesehen ([X.], [X.]. v. 23. Juni 2004 a. a. [X.]; [X.], [X.]. v. 21. Mai 2019 a. a. [X.] Rn. 15). Deshalb kommt hier ein Rückgriff auf § 118 OWiG nicht in Betracht (vgl. auch [X.], [X.]. vom 21. Mai 2019 a. a. [X.]). Auch sonstige verfassungsimmanente Schranken außer den in Art. 5 Abs. 2 GG, Art. 20 Abs. 3 [X.] genannten (allgemeine Gesetze, gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Jugend und Recht der persönlichen Ehre) können grundsätzlich nicht herangezogen werden (vgl. [X.], [X.]. v. 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, juris Rn. 25).

22

In tatsächlicher Hinsicht ist Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen, dass ihr Sinn zutreffend erfasst worden ist (vgl. [X.], [X.]. v. 13. Februar 1996 - 1 BvR 262/91 -, juris Rn. 30). Dabei gilt es, den objektiven Sinn einer Äußerung zu ermitteln, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums objektiv hat. Unerheblich ist hingegen die subjektive Absicht des sich Äußernden sowie das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen (vgl. [X.], [X.] v. 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 u. a. -, juris Rn. 124 f.).
Die Grundlage dieser objektiven Auslegung ist stets der Wortlaut der Äußerung selbst, wobei aber auch der Kontext und die Begleitumstände der Äußerung zu berücksichtigen sind. Dies gilt insbesondere, wenn die Äußerung selbst in schlagwortartiger Form zusammengefasst ist (vgl. [X.], [X.]. v. 1. Dezember 2007 - 1 BvR 3041/07 -, juris Rn. 16 m.w. N.). Sofern es sich um eine nach diesem Maßstab mehrdeutige Äußerung handelt, darf der Äußerung eine sanktionierte Bedeutung nur dann beigemessen werden, wenn zuvor alle in Betracht kommenden sanktionslosen Bedeutungen mit schlüssigen Gründen - beispielsweise im Hinblick auf die Begleitumstände der Äußerung - ausgeschlossen wurden (vgl. u. a. [X.], [X.]. v. 19. April 1990 - 1 BvR 40/86 u. a. -, juris Rn. 32 ff.).

23

bb) In tatsächlicher Hinsicht geht der Senat davon aus, dass die überwiegende Mehrzahl der Passanten und [X.], die das Plakat wahrnehmen, nur die Schriftzüge „[X.] [X.]!“, „Wählt [X.]!“ und „[X.]“ wahrnehmen, wobei der Schriftzug „[X.] [X.]!“ nach Größe und Gestaltung eindeutig dominiert und im Gedächtnis bleibt. Die überwiegende Mehrheit wird dagegen den Schriftzug „Macht unsere nationalrevolutionäre Bewegung durch Plakatwerbung in unseren [X.]farben in [X.] und Land bekannt!“ nicht wahrnehmen oder wahrnehmen können. Angesichts dessen, dass die Schriftgröße nur 2 cm beträgt und der Schriftzug nach der grafischen Gestaltung des Plakats - auch durch Textschattierung, die nur einen eingeschränkten Kontrast zum Hintergrund aufweist - zurücktritt, ist er jedenfalls bei zügigem Vorbeifahren im Kraftwagen oder auf dem Fahrrad sowie bei hoher Hängung der Plakate auch für Fußgänger aus einiger Entfernung nicht zu entziffern. Er geht weiter davon aus, dass ein ganz überwiegender Teil der Passanten und [X.], die das Plakat sehen, die Aussage auf die [X.]mitglieder der [X.] [X.][X.] beziehen werden. Mit "[X.]" werden umgangssprachlich und üblicherweise die [X.] [X.][X.] und deren Mitglieder bezeichnet. Nach dem objektiven Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums wird die Farbe Grün "Den [X.]", also der [X.] [X.][X.] zugeordnet, zumal der [X.]namen selbst die Wortgruppe "[X.]" enthält. Dass die Antragstellerin ebenfalls die [X.]farbe Grün hat, ist in großen Teilen der Bevölkerung nicht bekannt. Die Antragstellerin wird auch nicht umgangssprachlich mit "[X.]" bezeichnet. Dass sich die Aussage deshalb auf die Antragstellerin oder ihre Plakate bezieht, wie sie vorträgt, wird somit für die Mehrzahl der Betrachter nicht klar. Die Aussage ist - jedenfalls ohne den kleingedruckten Zusatz - auch nicht dahingehend mehrdeutig, dass sie sowohl auf die [X.]mitglieder von [X.][X.] als auch auf die Plakate der Antragstellerin bezogen werden wird. Der durchschnittliche [X.] wird den Schriftzug nur auf die Mitglieder der [X.] [X.][X.], nicht aber auf weitere grün eingefärbte Plakate der Antragstellerin selbst beziehen, weil diese Assoziation ohne die kleingedruckte Erläuterung fernliegend ist, zumal das Anbringen von [X.] regelmäßig als "Plakate kleben" oder "Plakate aufhängen" bezeichnet, aber nicht mit einer Farbe und dem Verb "hängen" assoziiert wird. Die Formulierung, jemanden "zu hängen", wird in der Regel dahin verstanden, jemanden aufzuhängen. In einem übertragenen Sinn kann es auch bedeuten, ihn in sonstiger Weise zu schädigen oder herabzuwürdigen.

24

cc) Der Senat lässt im Rahmen des Eilverfahrens offen, ob durch die Verwendung des Plakats, das Gegenstand der Verfügung im streitbefangenen Bescheid ist, der (objektive) Straftatbestand des § 111 Abs. 1, 2 StGB verwirklicht ist. Nach dieser Norm wird, wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Abs. 3 StGB) zu einer rechtswidrigen Tat auffordert, wie ein Anstifter (§ 26 StGB) bestraft. Bleibt die Aufforderung ohne Erfolg, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

25

Hier kommt die Aufforderung, [X.]mitglieder der [X.] zu hängen, d. h. zu töten (§§ 211, 212 StGB), bei wörtlichem Verständnis des Plakats durchaus in Betracht. Hingegen würde eine Deutung des Plakats in einem übertragenen Sinne als plakative Herabwürdigung der [X.] und ihrer Mitglieder im politischen Meinungskampf noch keine konkrete Aufforderung zu bestimmten Taten darstellen (vgl. hierzu [X.], StGB, 66. Aufl. 2019, § 111 Rn. 4c). Offen ist auch, ob das Plakat - falls man es als Aufforderung zur Tötung von Mitgliedern der „[X.]“ versteht - den Eindruck der Ernstlichkeit macht (vgl. hierzu [X.], in: [X.], 29. Aufl. 2018, StGB, § 111 Rn. 3).

26

dd) Dies kann aber dahinstehen, weil sich die Gefahr für die öffentliche Sicherheit jedenfalls aus der evidenten Verwirklichung des objektiven Straftatbestands von § 130 Abs. 1 [X.] und 2 StGB durch die Zurschaustellung des Plakats ergibt.

27

Nach dieser Vorschrift wird bestraft, wer in einer Weise, die geeignet
ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

1. gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einem
Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung
beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.

28

Mit dem von der Antragstellerin verwandten Plakat wird jedenfalls zum Hass gegen einen Teil der Bevölkerung aufgestachelt und zudem die Menschenwürde eines Teils der Bevölkerung durch Beschimpfen und [X.] angegriffen.

29

§ 130 StGB verlangt einen Angriff auf die Menschenwürde. Allein die Verletzung der Ehre einer Person genügt hierfür nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen [X.] abgesprochen und sie als minderwertiges Wesen behandelt wird. Der Angriff muss sich mithin gegen
den ihre menschliche Würde ausmachenden Kern der Persönlichkeit, nicht lediglich gegen einzelne Persönlichkeitsrechte, richten ([X.], [X.]. v. 15. März 1994 - 1 [X.] -, juris Rn. 25). [X.] zum Hass setzt deshalb voraus, dass nachhaltig auf Sinne und Gefühle anderer mit dem Ziel eingewirkt wird, um eine feindselige Haltung, nicht bloße Ablehnung oder Verachtung, zu erzeugen oder zu steigern ([X.] a. a. [X.], § 130 Rn. 8; [X.] a. a. [X.], § 130 Rn. 4). Beschimpfen bedeutet - weitergehend als eine bloße Beleidigung - eine nach Inhalt oder Form besonders verletzende Missachtenskundgebung, das böswillige [X.] betrifft Äußerungen, in denen die Betroffenen aus verwerflichen Beweggründen als der Achtung der
Bürger unwert und unwürdig hingestellt werden ([X.], in: [X.]/[X.], 30. Aufl. 2019, StGB, § 130 Rn. 5d m. w. N.). Teile der Bevölkerung sind im Inland lebende Personenmehrheiten nicht ganz geringfügiger Größe und Bedeutung, die von der Gesamtheit der Bevölkerung auf Grund äußerer oder innerer Merkmale als unterscheidbare Teile abgegrenzt werden können, z. B. Mitglieder politischer Gruppierungen ([X.] a. a. [X.], § 130 Rn. 2 m. w.N.).

30

Durch die in dem Plakat zum Ausdruck kommende Meinungsäußerung wird ein Teil der Bevölkerung, nämlich die Mitglieder der [X.] [X.][X.], böswillig verächtlich gemacht. Die Aufforderung "[X.] [X.]!" bezieht sich vor dem Hintergrund des [X.]kampfes auf die Mitglieder der politischen [X.] [X.][X.], also auf einen Teil der Bevölkerung i. S. v. § 130 StGB. Mit dieser Aufforderung wird zum Ausdruck gebracht, dass den diesem Bevölkerungsteil angehörigen Personen das Lebensrecht abgesprochen wird (sie aufzuhängen sind), womit diese Menschen als unwert und unwürdig hingestellt werden. Gleichzeitig wird durch diesen Satz eine Feindschaft zu den Mitgliedern der [X.] [X.][X.] so zum Ausdruck gebracht, dass dadurch nachhaltig auf Sinne und Gefühle anderer derart eingewirkt wird, auch bei diesen Personen über bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende feindselige Haltung zu fördern. Bei einem Aufruf, jemanden zu hängen, d. h. aufzuhängen und damit umzubringen, wird der Bereich bloßer Ablehnung und Verachtung überschritten und der Person das Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen [X.] abgesprochen und sie als minderwertiges Wesen dargestellt. Damit ist das Tatbestandsmerkmal des [X.]s zum Hass erfüllt.

31

Die Äußerung ist auch geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Für die Eignung zur Friedensstörung ist der Eintritt einer konkreten Gefahr nicht erforderlich ([X.], [X.].v. 12. Dezember 2000 - 1 SIR 184/00 -, juris Rn. 49). Erforderlich ist aber die Prüfung, ob die jeweilige Handlung bei genereller Betrachtung konkret gefahrengeeignet ist (abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt, vgl. [X.], [X.]. v. 12. Dezember 2000 a. a. [X.] Rn. 50; [X.] a. a. [X.], § 130 Rn. 13a). Der öffentliche Frieden ist nicht erst gestört, wenn - von Bedeutung insbesondere für die Begehungsweisen des Absatzes 1 [X.] - offene oder latente Gewaltpotenziale geschaffen werden, ein Zusammenleben ohne Furcht um Leib und Leben, [X.] und [X.] usw. bereits nicht mehr möglich ist. Wie Absatz 1 Nr. 2 zeigt, ist eine Friedensstörung hier auch im Vorfeld von [X.] und entsprechenden Ängsten möglich, wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt und entsprechend behandelt werden, indem ihren Angehörigen pauschal der sittliche, personale oder [X.] Geltungswert abgesprochen wird und sie im Fall des Absatzes 1 Nr. 2 mit dem hier erforderlichen Angriff auf die Menschenwürde darüber hinaus als "Unperson" abgestempelt werden (Sternberg-Lieben/Schittenhelm a. a. [X.], § 130 Rn. 10) und damit eine "Vergiftung [X.]" eintritt, die § 130 StGB mit der Vorverlagerung der Strafbarkeit unterbinden will (vgl. [X.], [X.]. v. [X.]. v. 12. Dezember 2000 a. a. [X.] Rn. 65).

32

Durch das im Streit stehende Plakat wird objektiv nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums vor dem Hintergrund des [X.]kampfes ein Bezug zur politischen [X.] [X.][X.] hergestellt.
Mit der Aufforderung "[X.] [X.]!" wird den dieser [X.] angehörigen Personen, d. h. den [X.]mitgliedern, das Lebens- und damit Existenzrecht abgesprochen. [X.] kann, ob sich unter Einbeziehung des Textteils in deutlich kleinerer Schriftgröße an dieser Bewertung etwas ändern würde, weil der Textteil vom durchschnittlichen Betrachter - wie ausgeführt - entweder nicht wahrgenommen werden kann oder wahrgenommen werden
wird.

33

Der Senat verkennt nicht, dass im Einzelfall Schärfen und Übersteigerungen des öffentlichen Meinungskampfes oder ein Gebrauch der Meinungsfreiheit, der zu sachgemäßer Meinungsbildung nichts beitragen kann, in Kauf zu nehmen sind ([X.], [X.]. v. 13. Mai 1980 - 1 BvR 103/77 -, juris Rn. 29), auch hat jedermann insbesondere in der öffentlichen Auseinandersetzung, zumal im politischen Meinungskampf, das Recht, auch in überspitzter und polemischer Form Kritik zu äußern, wobei selbst eine scharf und übersteigert formulierte Aussage sich nicht schon dem Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG entzieht ([X.], [X.]. v. 24. September 2009 a. a. [X.] Rn. 3). Ein das Recht auf Meinungsfreiheit einschränkender Angriff auf die Menschenwürde liegt aber vor, wenn den angegriffenen Personen ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeiten abgesprochen und sie als minderwertige Wesen behandelt werden ([X.], [X.]. v. 24. September 2009 a. a. [X.] Rn. 11). Die Menschenwürde ist im Verhältnis zur Meinungsfreiheit nicht abwägungsfähig ([X.], [X.]. v. 24. September 2009 a. a. [X.] Rn. 16).

34

Vorliegend sind die Plakate geeignet, das psychische Klima aufzuheizen, das Aggressionspotential im [X.]n Gefüge zu erhöhen und das politische Klima durch Erzeugung von Hass zu vergiften. Diese Bewertungen drängen sich dem Senat auch vor dem Hintergrund von Geschehnissen in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik [X.]land auf, wonach Angriffe auf Gesundheit und Leben politisch Andersdenkender und ([X.] (neben anderen auch der [X.] [X.] im Jahr 2019; vgl. [X.], [X.]. v. 28. Januar 2021 - 5-2 StE 1/20 - 5a -3/20 -, Pressemitteilung des [X.] Nr. 8/2021 v. 28. Januar 2021, juris) tatsächlich verübt wurden, ferner Straftaten mit politisch-religiösen Hintergründen (erwähnt seien die [X.] und [X.] 2020). Auch mit Blick auf diese Ereignisse handelt es sich bei einem Aufruf"[X.] [X.]!" nicht um eine im Rahmen der Meinungsfreiheit hinzunehmende Aussage, sondern um die Schaffung einer Gefahr für den politischen und gesellschaftlichen Frieden.

35

Soweit daneben der Schriftenverbreitungstatbestand des § 130 Abs. 2 [X.] Buchst. b und [X.] erfüllt sein sollte, wird er von § 130 Abs. 1 StGB verdrängt (vgl. [X.], [X.]. v. 12. Dezember 2000 a. a. 0. Rn. 45).

36

c) Selbst wenn man - mit dem Verwaltungsgericht - demgegenüber von keiner evidenten Erfüllung des Tatbestands der Volksverhetzung ausginge, fiele die dann wegen der offenen Erfolgsaussichten durchzuführende Folgenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus.

37

Nach den Ausführungen der Antragsgegnerin handelt es sich um aktuell zwei Plakate, die am Rand einer vielbefahrenen Straße angebracht wurden und die nach dem angegriffenen Bescheid abgehängt werden müssten. Wenn danach die Wahrnehmung der Plakate vornehmlich durch Autofahrer erfolgt, die aufgrund der Plakatgestaltung nicht in der Lage sind, während der Fahrt den kleingedruckten Text unterhalb der Mitte zu erfassen, kommt die von der Antragstellerin beabsichtigte Botschaft, nämlich dass ihre eignen Plakate angebracht werden sollen, kaum zum Tragen. Der Antragstellerin bleibt zudem neben der Nutzung anderer Wahlwerbeformen auch die Möglichkeit erhalten, die von der [X.] erteilte Sondernutzungserlaubnis für die Anbringung anderer Sichtwerbung zu nutzen. Angesichts dieser Umstände und der geringen bis zum Abschluss des Wahlkampfes verbleibenden Restdauer, die der Antragstellerin im Fall einer stattgebenden Entscheidung zur Verfügung stünde, ist der mit dem [X.] einer einstweiligen Anordnung verbundene Nachteil - auch unter Berücksichtigung des Rechts der [X.]en, ihre politischen Ziele und Inhalte in selbstgewählter Form auch mit unterschiedlich gestalteten Werbemitteln nach außen zu präsentieren - vorliegend gering. Insbesondere ist auch eine spezifische Beeinträchtigung des Rechts auf Chancengleichheit der [X.]en von einigem Gewicht vorliegend weder dargetan noch ersichtlich. Hierin liegt im Verhältnis zu der Wirkung, die es hätte, wenn Plakate mit volksverhetzendem Inhalt hängen bleiben dürften, kein besonders schwerer Nachteil (vgl. insoweit auch: [X.], [X.]. v. 24. Mai 2019 - 1 BvQ 45/19 -, juris Rn. 18).

38

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

39

Die Festsetzung des Streitwertes und die Abänderung der Streitwertfestsetzung des [X.] beruhen auf § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1,§ 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Maßgeblich ist die sich aus dem Antrag für die Antragstellerin für sie ergebende Bedeutung der Sache, die der Senat mit den von der Antragsgegnerin für den
Fall der Ersatzvornahme angegebenen voraussichtlichen Kosten bemisst.

40

Der [X.]uss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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Meta

6 B 360/21

21.09.2021

Sächsisches Oberverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

Verwaltungsgericht Chemnitz, 7 L 393/21

Zitier­vorschlag: Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.09.2021, Az. 6 B 360/21 (REWIS RS 2021, 2517)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2517


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 6 B 360/21

Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 6 B 360/21, 21.09.2021.


Az. 7 L 393/21

Verwaltungsgericht Chemnitz, 7 L 393/21, 14.09.2021.


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