Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.03.2018, Az. 3 StR 577/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 11819

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Gegenstand

Strafverfahren: Schlechterstellung eines Angeklagten wegen rückwirkender Anwendung der neuen Vorschriften zur Vermögensabschöpfung


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 30. August 2017 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 [X.]).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der [X.]:

Die Strafkammer hat rechtsfehlerfrei die Einziehung des Werts der [X.] von 48.000 € angeordnet. Die Strafkammer hat nach Art. 306h [X.] zutreffend die Vorschriften der § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1, § 73d Abs. 1 StGB in der Fassung des [X.] vom 13. April 2017 ([X.] S. 872) angewendet, weil sie erst nach dessen Inkrafttreten am 1. Juli 2017 über die Abschöpfung des durch die Taten [X.] befunden hat und in dem Verfahren zuvor keine andere Entscheidung zum früheren Verfall oder Wertersatzverfall ergangen war.

Der [X.] vermag dem Beschwerdeführer nicht darin zu folgen, dass die Anwendung des neuen Rechts auf die im [X.] begangenen Taten Verfassungsrecht verletze, sei es das spezielle in Art. 103 Abs. 2 GG normierte Rückwirkungsverbot für (Kriminal-)Strafen und strafähnliche Sanktionen, sei es das allgemeine im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) verankerte Rückwirkungsverbot für sonstige Maßnahmen (s. auch BT-Drucks. 18/11640, [X.]). Ungeachtet der Rechtsnatur der nach § 73 StGB nF angeordneten Einziehung von [X.]n (zum alten Recht des Verfalls vgl. [X.], Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95, [X.]E 110, 1, 14 ff.; [X.], Urteil vom 21. August 2002 - 1 [X.], [X.]St 47, 369) wird der Angeklagte durch die Anwendung des neuen Vermögensabschöpfungsrechts schon nicht im Ergebnis schlechter gestellt.

Die von ihm vereinnahmten Kaufpreiszahlungen aus seinen Drogenverkäufen wären nach altem Recht ebenfalls abgeschöpft worden; gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB aF wäre der Wertersatzverfall nach dem [X.], wonach sich die vom Angeklagten für das Handeltreiben getätigten Aufwendungen nicht verfallsmindernd ausgewirkt hätten, grundsätzlich zwingend anzuordnen gewesen (vgl. [X.], Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, [X.]St 51, 65, 68).

Dadurch, dass im Erkenntnisverfahren nach neuem Recht keine Verhältnismäßigkeitsprüfung mehr entsprechend der Härtevorschrift des § 73c StGB aF vorgesehen ist, ist ebenso wenig eine derartige Schlechterstellung eingetreten. Denn eine solche Prüfung findet nunmehr nach § 459g Abs. 5 Satz 1 [X.] nF im Vollstreckungsverfahren statt. Die Neuregelung ist für den Angeklagten insofern vorteilhaft, als nach § 459g Abs. 5 Satz 1 Alternative 1 [X.] nF die Vollstreckung obligatorisch zu unterbleiben hat, soweit der Wert des [X.] nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, während § 73c Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 StGB aF für diesen Fall lediglich ein fakultatives Absehen von der Verfallsanordnung nach tatrichterlichem Ermessen regelte. Daneben ist über den Einzelfall hinaus zu bedenken, dass nach früherem Recht ein Angeklagter, wenn er im Hinblick auf die Härtevorschrift Angaben zu seinem Vermögen machen wollte, gegebenenfalls auf seine Verteidigung gegen den Tatvorwurf Bedacht nehmen musste. So können Verfahrenskonstellationen bestehen, in denen die positive Darstellung der eigenen Vermögenslage einem [X.] zuwiderläuft. Zu denken ist insbesondere an Wirtschaftsstraftaten, aber auch an Betäubungsmitteldelikte, falls etwa ein Angeklagter, der im Besitz einer erheblichen Menge Rauschgift angetroffen worden war, erklärt, er sei für die Finanzierung des Eigenkonsums nicht auf die gewinnbringende Veräußerung einer Teilmenge angewiesen. Derartige - ein rein interessengeleitetes Vorgehen erschwerende - faktische Einschränkungen für das Vorbringen zur Verhältnismäßigkeit bestehen für den rechtskräftig Verurteilten nicht.

Der durch § 459g Abs. 5 Satz 1 [X.] nF gewährte Schutz vor unverhältnismäßigen Eingriffen stellt sich aus Sicht des Verurteilten als wirkungsvoll dar. Die Vorschrift bestimmt, dass die Prüfung der Härteklausel von einem Gericht (zur Zuständigkeit s. § 462 Abs. 1 Satz 1, § 462a Abs. 1 und § 462a Abs. 2 Satz 1 [X.]) vorzunehmen ist. Der rechtskräftig Verurteilte kann diese gerichtliche Prüfung selbst herbeiführen, ohne dass er eine vollstreckungsrechtliche Entscheidung der Vollstreckungsbehörde abzuwarten hätte. Zwar erweist sich das neue Vermögensabschöpfungsrecht insoweit als lückenhaft, als es im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht regelt, unter welchen Voraussetzungen der jeweilige Vorgang von der Vollstreckungsbehörde zum Gericht gelangt. § 459g Abs. 5 Satz 1 [X.] nF ist jedoch dahin auszulegen, dass nicht nur die Vollstreckungsbehörde die gerichtliche Entscheidung anregen kann, sondern auch der Einziehungsadressat antragsberechtigt ist, das Gericht aber auch amtswegig vorgehen darf (ebenso [X.] [X.]/[X.], § 459g Rn. 20). Dieses Verständnis entspricht der herrschenden Meinung zu der Vorschrift des § 459d [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Dezember 1984 - 1 Ws 568/84, [X.], 575; [X.]/Graalmann-Scheerer, [X.], 26. Aufl., § 459d Rn. 12; [X.]/[X.], [X.], 60. Aufl., § 459d Rn. 2), die ein gerichtliches Absehen von der Geldstrafenvollstreckung zum Zweck der Resozialisierung ermöglicht, ohne Fragen eines Antragsrechts oder einer Prüfung von Amts wegen zu normieren. Sollte die Vollstreckungsbehörde indes bereits eine anderweitige vollstreckungsrechtliche Entscheidung nach den §§ 459g bis 459n [X.] nF getroffen haben, so hat der Betroffene außerdem die Möglichkeit, hiergegen Einwendungen gemäß § 459o [X.] nF zu erheben, um so eine gerichtliche Entscheidung zu § 459g Abs. 5 Satz 1 [X.] nF herbeizuführen.

Nach alledem macht allein der Umstand, dass - anders als nach der alten Rechtslage - nunmehr nach § 459g Abs. 5 Satz 2 [X.] nF die Vollstreckung wieder aufgenommen werden kann, wenn sich die für die Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgebenden Tatsachen oder Erkenntnisse nachträglich ändern, die neue Rechtslage nicht für den Angeklagten insgesamt ungünstiger.

[X.]     

      

Spaniol     

      

Tiemann

      

Berg     

      

Leplow     

      

Meta

3 StR 577/17

22.03.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stade, 30. August 2017, Az: 1301 KLs 3/15

§ 73 Abs 1 S 1 StGB, § 73c S 1 StGB, § 73c Abs 1 S 2 Alt 1 StGB vom 13.11.1998, § 73d Abs 1 StGB, § 459g Abs 5 S 1 Alt 1 StPO, Art 103 Abs 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.03.2018, Az. 3 StR 577/17 (REWIS RS 2018, 11819)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11819

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