Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2012, Az. 3 BGs 262/12

Ermittlungsrichter | REWIS RS 2012, 3127

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[X.]
Ermittlungsrichter
3 [X.]
262/12
2 [X.]-2

BESCHLUSS
vom
18. September 2012

[X.]R:

ja
[X.]St:

Nein
Veröffentlichung:
ja
[X.] §
406g Abs.
1, 3 Satz
1 Nr.
1, §
397a Abs.
1 Nr.
2, §
395 Abs.
2 Nr.
1; [X.] Gesetz über das internationale Privat-
und Zivilverfahrensrecht [X.]. [X.]) Art. 14, 58
Zur [X.] des Ehegatten im Falle einer in [X.] rechtskräftig erfolgten Scheidung einer zwischen [X.]ischen Staatsangehörigen geschlossenen Ehe bei Fehlen der nach dem anzuwendenden materiellen tür-kischen Recht erforderlichen Anerkennungsentscheidung.
[X.], Beschluss vom 18. September 2012 -
3 [X.] 262/12 -

In dem Ermittlungsverfahren

gegen

X. u.a.

wegen des Verdachts

-
2
-
Der Antrag der [X.]
Ö.
vom 21. Februar 2012, ihr Rechtsanwalt Dr.
D., B., als Beistand zu bestellen,
wird
nach Anhörung des [X.] beim [X.]

zurückgewiesen.

Gründe:
[X.]
Der [X.] führt gegen die Beschuldigte X.
ein Ermitt-lungsverfahren wegen des Verdachts

I[X.]
1. Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2012 beantragte Rechtsanwalt Dr.
D. seine Beiordnung für [X.], die Tochter des [X.]
Ö.
(siehe oben [X.] (3)), und für die Antragstellerin [X.]
Ö., die das Tatopfer im Jahre 1980 in der [X.] nach [X.]ischem Recht geheiratet hatte.
Nach dem Umzug der Antragstellerin und des [X.] in die Bundesrepublik [X.] wurde deren Eheschlie-ßung auch nach [X.] Recht vor dem Standesamt in N.
vollzogen. Im Jahre 1998 erfolgte die Scheidung der Ehe durch rechtskräftiges Urteil des Fa-miliengerichts N.
Während seitens des [X.] beim [X.] ge-gen den Antrag der Tochter des Getöteten Einwendungen nicht erhoben und insoweit durch Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 29.
Februar 2012 (3
[X.] 109/12) Rechtsanwalt Dr.
D.
als Beistand beigeordnet wurde, wies der [X.] die Antragstellerin [X.] Ö.
darauf hin, dass 1
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nach Aktenlage die Eheleute Ö.
geschieden und deshalb eine Nebenklagebe-rechtigung nicht mehr
gegeben sei. Rechtsanwalt Dr.
D.
bat den Generalbun-desanwalt daraufhin, den Antrag zurückzustellen, um ihm Gelegenheit zu er-gänzendem Vortrag zu geben. Auf den daraufhin vorgelegten Schriftsatz vom 29.
Februar 2012 wies der [X.] unter Bezugnahme auf ein Urteil des [X.] vom 27.
Mai 2003 ([X.], 953
f.) auf fortbestehende Bedenken hin und gab Rechtsanwalt Dr. D.
die Möglich-keit, ergänzend zu Art.
13, 54 und 58 des [X.]ischen Gesetzes über das inter-nationale Privat-
und Zivilverfahrensrecht [X.]. [X.])
vorzutragen, da auch nach den Ausführungen im Schriftsatz vom 29. Februar 2012 von der Geltung [X.] Scheidungsrecht auszugehen sei. Eine -
ablehnende
-
Stellungnah-me des [X.] beim Ermittlungsrichter des [X.] zum Beiordnungsantrag der Antragstellerin sollte einvernehmlich bis dahin [X.] werden. Mit Schriftsatz vom 23.
August 2012 hat Rechtsanwalt Dr. D.
ergänzend Stellung
genommen.
2. Der [X.] ist dem Antrag mit Stellungnahme vom 30.
August 2012 entgegengetreten und hat zur Begründung ausgeführt:

e-schiedenen Ehe des getöteten A.
Ö.
und der Antragstellerin auszugehen.
Beide Ehegatten
waren [X.]ische Staatsangehörige, auf deren Scheidungsantrag ge-mäß Art.
14 Abs.
1 Nr.
1, Art.
17 EGBGB materielles [X.]isches Recht Anwendung [X.]. Damit wird aber auch auf das [X.]ische internationale Privatrecht und dessen Art.
13 verwiesen, nach dem das materielle Recht des Aufenthalts der Ehegatten [X.] ist. Die Eheleute Ö.
waren beide in der Bundesrepublik [X.] aufenthäl-tig, so dass auf [X.] Scheidungsrecht zurückverwiesen wird (vgl. [X.] [X.], 953
f.). Dementsprechend ging die Antragstellerin auch in ihren Verneh-mungen nach der Tat von einer geschiedenen Ehe aus (vgl. S.
2
f. vom 14. Juni 2001; [X.], 6, 9
ff. vom 29. August 2001; S.
2 vom 17.
September 2002). Ob für eine Wirk-samkeit des [X.] Scheidungsurteils in
der [X.] die im Schriftsatz vom 23.
August 2012 angesprochene -
[X.]ische
-
Anerkennungsentscheidung rechtskräftig vorliegt, kann hier dahinstehen. Für die Frage der [X.] nach §
395 Abs.
2 Nr.
1 [X.] kann es nur darauf ankommen, ob eine Ehe nach [X.] Recht im Tatzeitpunkt bestand. Dies ist nach rechtskräftig ausgesprochener Scheidung nicht

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4
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II[X.]
1. Für die beantragte Entscheidung ist gemäß §
406g Abs.
3 Satz
2 in Verbindung mit §
162 Abs. 1 Satz 1, § 169 Abs. 1 Satz 2 [X.] der Ermittlungs-richter des [X.] zuständig.
2. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Rechtsan-walts als Beistand für die Antragstellerin liegen nicht vor (§
406g Abs.
1 Satz 1, Abs. 3 Satz
1 Nr.
1, §
397a Abs.
1 Nr.
2, §
395 Abs.
2 Nr.
1 [X.] i.V.m. §
211 StGB).
a) Gemäß § 406g Abs. 1 Satz 1 [X.] können nach § 395 zum [X.] mit der Nebenklage Befugte sich auch vor Erhebung der öffentlichen Klage und ohne Erklärung eines Anschlusses eines Rechtsanwalts als Beistand bedienen oder sich durch diesen vertreten lassen. Für die Bestellung eines sol-chen Beistands gilt gemäß § 406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] die Vorschrift des §
397a [X.] entsprechend. Nach § 397a Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist dem zur Neben-klage Berechtigten auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestel-len, wenn er Angehöriger eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten im [X.] des § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist. Angehöriger gemäß dieser Vorschrift ist derjenige, dessen Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner durch eine rechtswidrige Tat getötet wurden. Das Angehörigenverhältnis muss im Zeitpunkt des Verfahrens bestehen ([X.], [X.], 55.
Aufl., § 395 Rn. 8 mwN).
b) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Entgegen der von ihr vertre-tenen Auffassung ist die Antragstellerin nicht (mehr) Ehegatte des [X.] Ö.
im Sinne des § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

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Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, sie sei angesichts der An-wendbarkeit des [X.]ischen internationalen Privatrechts trotz der durch das [X.] rechtskräftig ausgesprochenen Scheidung nach wie vor als Ehegatte des Getöteten im Sinne des § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] anzusehen. Denn das [X.] Scheidungsurteil entfalte in der [X.] aufgrund des [X.] der nach [X.]ischem Recht erforderlichen Anerkennungsentscheidung durch ein [X.]isches Gericht keine unmittelbare familienrechtliche Wirkung. [X.] sei sie zum Zeitpunkt der Ermordung des [X.] [X.]

rechtmäßig geschieden und im Umkehrschluss [X.]. Zudem hätten sie und das Tatopfer sich nach der Scheidung wieder angenähert und sich zuletzt sogar eine gemeinsame größere Wohnung suchen wollen. Deshalb sei das Anerkennungsverfahren in der [X.] nicht weiterver-folgt worden.
Ob hinsichtlich des rechtskräftigen Scheidungsurteils des [X.] eine Anerkennungsentscheidung durch ein [X.]isches Gericht, wie die Antragstellerin vorträgt, bisher nicht ergangen ist, kann dahinstehen. Denn im vorliegenden
Fall ist auch bei -
hier gegebener -
Anwendbarkeit mate-riellen [X.]ischen Rechts bereits mit der Rechtskraft des [X.] Schei-dungsurteils von einem Fehlen der Ehegatteneigenschaft der Antragstellerin im Sinne der §
395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in Verbindung mit §
406g Abs. 3 Satz 1 Nr.
1, § 397a Abs. 1 Nr. 2 [X.] auszugehen.
aa) Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sind geschiedene Ehegatten nicht nebenklageberechtigt (siehe nur [X.], NJW 1993, 3316, 3317; [X.] in [X.], [X.], 26. Aufl., § 395 Rn. 11; [X.] in KK-[X.], 6. Aufl., § 395 Rn. 8; [X.], aaO; [X.] in BeckOK-[X.], Stand: 1. Juni 2012, § 395 Rn. 14a). Demgemäß kann ihnen 9
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auch nicht nach § 406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] in Verbindung mit § 397a Abs. 1 Nr. 2
[X.] ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt werden.
bb) In Übereinstimmung mit dem [X.] ist die Antrag-stellerin jedenfalls im Rahmen der hier maßgeblichen Vorschriften der § 406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, §
§ 397a Abs. 1 Nr. 2, § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] als ge-schiedener Ehegatte anzusehen.
(1) Anders als der [X.] unter Berufung auf ein Urteil des Oberlandesgerichts
Frankfurt am [X.] vom 27. Mai 2003 ([X.], 953) meint, folgt dies allerdings nicht bereits aus einer Verweisung in Art. 13 Abs. 1 [X.]. [X.] (aF) auf das [X.] Recht. Denn diese Vorschrift, nimmt -
ebenso wie die im Wesentlichen inhaltsgleiche Nachfolgeregelung in Art. 14 des [X.]ischen Gesetzes Nr. 5718 vom 27. November 2007 über das internatio-nale Privat-
und Zivilverfahrensrecht [X.]. [X.] nF) -
eine solche Verweisung nur unter bestimmten, hier nicht gegebenen Voraussetzungen vor.
Aufgrund der [X.]ischen Staatsangehörigkeit der Antragstellerin und des [X.] war für deren Scheidung gemäß Art.
14 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, Art. 17 Abs. 1 EGBGB materielles [X.]isches Recht anzuwenden. Mit der Verweisung auf dieses Recht gemäß den vorgenannten Bestimmungen des EGBGB wird auch auf das [X.]ische internationale Privatrecht und damit auf dessen die Scheidung betreffenden Art. [X.]. [X.] nF (und zuvor auf die Vorgängerre-gelung in § 13 [X.]. [X.] aF) verwiesen (vgl. [X.], [X.], 220 Rn. 16; [X.], aaO). Gemäß diesen Vorschriften unterliegen die Grün-de und Folgen der Scheidung und Trennung -
ebenso wie die allgemeinen [X.] der Ehe (Art. 13 Abs. 3 [X.] [X.] nF bzw. §
12 Abs. 2 [X.]. [X.] aF) -
dem gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten. Nur wenn die Ehegatten -
wie hier nicht der Fall -
verschiedener Staatsangehörigkeit sind, wird das Recht des 12
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gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, bei Fehlen eines solchen [X.]isches Recht angewandt. Das [X.] beurteilt sich mithin, wenn beide Ehe-gatten -
wie hier -
bei Zustellung der Scheidungsklage die [X.]ische Staatsan-gehörigkeit besitzen, nach [X.]ischem Recht (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Juni 2007 -
XII ZB 17/04, NJW 2007, 3347 Rn. 13; [X.], aaO).
(2) Aus dieser Anwendung materiellen [X.]ischen Rechts folgt indes für die Beurteilung der hier in Rede stehenden strafverfahrensrechtlichen Frage der [X.] der Antragstellerin nicht, dass dem rechtskräftigen inländischen Scheidungsurteil nur bei Vorliegen einer Anerkennungsentschei-dung durch ein [X.]isches Gericht Bedeutung zukäme.
(a) Allerdings bedarf ein Scheidungsurteil eines
[X.] Gerichts, um in der [X.] Rechtswirksamkeit zu erlangen, einer förmlichen Anerkennung durch ein dortiges Gericht (Art. 58 [X.]. [X.]; [X.], 200, 203; [X.], Urteil vom 14. Februar 2012 -
L 18 R 677/10, juris Rn. 27; [X.], [X.] Familienrecht in der anwaltlichen Praxis, 2011, § 11 Rn. 1; [X.] in [X.], [X.] Familienrecht, [X.], Stand April 2009, Rn. 42 ff.).
(b) Gleichwohl kann ein solches Scheidungsurteil im Inland [X.] bereits mit seiner
Rechtskraft erlangen.
(aa) Zu der Frage, inwiefern das Urteil eines [X.] Gerichts, durch das die Ehe zweier ausländischer Staatsangehöriger nach deren Heimatrecht geschieden wird, in [X.] Gestaltungswirkung entfaltet, solange noch eine nach
dem betreffenden Heimatrecht erforderliche Anerkennung durch eine Stelle dieses Staates fehlt, werden in der Literatur unterschiedliche Auffassun-gen vertreten (zum [X.] vgl. [X.], aaO).
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Die höchstrichterliche Rechtsprechung sieht insoweit, ohne dass bisher die hier gegebene Fallkonstellation hinsichtlich der [X.] entschieden worden wäre, eine differenzierte Betrachtungsweise als sachge-recht an und differenziert nach dem rechtlichen Zusammenhang, in welchem sich die (Vor-) Frage der Gestaltungswirkung eines [X.] Scheidungsur-teils stellt.
So hat der [X.] bei der Prüfung von nach ausländischem Recht zu beurteilenden Ehehindernissen auf die Anerkennung des Schei-dungsurteils nach dem betreffenden Recht abgestellt ([X.], Beschlüsse vom 12. Februar 1964 -
IV AR ([X.]) 39/63, [X.]Z 41, 136, 145 ff.; vom 19. April 1972 -
IV AR ([X.]) 7/72, NJW 1972, 1619 unter II). Bei der Anwendung ausländischen Erbrechts hingegen hat er dem Fehlen einer Anerkennung des [X.] Scheidungsurteils im Ausland keine Bedeutung beigemessen ([X.], Urteil vom 12. März 1981 -
IVa [X.], NJW 1981, 1900 unter II). Auch bei der Beurtei-lung der Frage einer Ehenichtigkeit wegen angeblichen [X.] der
ersten Ehe hat der [X.] dem Fehlen einer (dort allerdings durch das ausländische Recht wegen Unauflöslichkeit der Ehe ausgeschlossenen) Anerkennung des [X.] Scheidungsurteils im Ausland keine [X.] Bedeutung beigemessen und die erste Ehe letztlich aus der Sicht des deut-schen Rechts durch rechtskräftiges Scheidungsurteil eines [X.] Gerichts für aufgelöst erachtet ([X.], Urteil vom 27. November 1996 -
XII [X.], NJW 1997, 2114 unter 2 c bis e; vgl. auch KG, NJW-RR 1994, 774, 775 -
zum Fall der Feststellung der Nichtehelichkeit durch ein rechtskräftiges [X.] Statusurteil ohne Vorliegen einer [X.]ischen Anerkennungsentscheidung; vgl. hierzu auch [X.], [X.] 1988, 354).
Das [X.] hat in dem bereits erwähnten Urteil vom 13.
Januar 1999 einen Witwenrentenanspruch angesichts des Vorliegens eines 19
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rechtskräftigen [X.] Scheidungsurteils trotz Fehlens einer [X.]ischen An-erkennungsentscheidung verneint ([X.], aaO [X.]05). Es hat im Rahmen der auch von ihm für sachgerecht erachteten differenzierten Betrachtungsweise ([X.], aaO [X.]03) angenommen, dass die somit vorzunehmende Abwägung bei der Auslegung der für die Hauptfrage maßgeblichen Norm anzusetzen ha-be, in deren Zusammenhang sich die Vorfrage des Bestehens einer gültigen Ehe stelle ([X.], aaO S.
204). Hierbei hat das [X.] auch auf den Gesichtspunkt eines Inlands-
bzw. Auslandsbezugs der [X.] abgestellt und ausgeführt, das dort zugrunde liegende Verfahren weise ei-nen starken Inlandbezug auf, da es eine Leistungsgewährung aus dem inländi-schen System der gesetzlichen Rentenversicherung betreffe. Zudem hätten der verstorbene Versicherte und dessen geschiedene Ehefrau im Zeitpunkt seines Todes im Inland gewohnt. Beide hätten im Hinblick auf die von ihnen selbst be-triebene Ehescheidung durch ein [X.] Gericht auch nicht davon ausge-hen können, dass sie weiterhin in einer gültige Ehe lebten ([X.], aaO
[X.]05).
(bb) Im vorliegenden Fall führt die vorzunehmende differenzierte Be-trachtungsweise zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin auch im Falle des Fehlens der Anerkennungsentscheidung durch ein [X.]isches Gericht nicht (mehr) als Ehegatte des [X.] [X.] anzusehen ist.
Dabei kann dahinstehen, ob dem vom [X.] verwendeten Gesichtspunkt des Inlands-
bzw. Auslandsbezug (vgl. hierzu auch [X.], aaO Rn. 30) auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer [X.] gemäß § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] maßgebliche Bedeu-tung zukommt oder ob diesem Gesichtspunkt hier die Rechtsprechung
des [X.]s entgegensteht, wonach die in § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bestimmte Regelung insofern Rechtssicherheit und auch Praktikabilität 22
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besorge, indem sie die Feststellung der [X.] eindeutig treffen lasse und verhindere, dass zur Bestimmung des Kreises der Nebenklagebe-rechtigten erst umfangreiche Aufklärungsbemühungen des Gerichts entwickelt werden müssten, um über die [X.] zu entscheiden ([X.], aaO).
Denn auch unabhängig vom Vorliegen eines -
hier schon wegen des langjährigen Aufenthalts der Antragstellerin und des [X.] in der Bundesre-publik [X.] sowie des Umstands, dass beide sich mit ihrem Schei-dungsbegehren an ein [X.] Gericht gewandt haben und es vorliegend um die Beteiligung als Nebenklägerin an einem im Inland geführten Strafverfahren geht, zu bejahenden -
starken Inlandsbezugs führt bereits die Auslegung der für die Hauptfrage maßgeblichen Norm (vgl. hierzu [X.], aaO [X.]04) zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin nicht (mehr) als Ehegatte des [X.] ist.
Mit der Vorschrift des § 395 Abs. 1 Nr. 2 [X.] soll den nahen Angehöri-gen des durch eine rechtwidrige Tat Getöteten (wie Ehegatten, Kindern und Geschwistern) ein Recht zur Nebenklage zugesprochen werden, um einen An-spruch auf Genugtuung und Entschädigung durch Beteiligung am Strafverfah-ren durchzusetzen ([X.], aaO mwN). Die Nebenklage schafft hierfür eine umfassende Beteiligungsbefugnis. Dem Nebenkläger wird Gelegenheit gege-ben, im Verfahren seine persönlichen Interessen auf Genugtuung zu verfolgen ([X.], Urteil vom 23. Januar 1979 -
5 [X.], [X.]St 28, 272, 273; [X.]
in KK-[X.], 6. Aufl., vor § 395 Rn. 1), insbesondere durch aktive Beteiligung das Verfahrensergebnis zu beeinflussen und sich gegen die Leugnung oder Verharmlosung der Verletzung des [X.] zu wehren (vgl. [X.], aaO, vor § 395 Rn. 1; [X.], aaO Rn. 1 f.).
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Der Sinn und Zweck des § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] sowie der § 406g Abs.
3 Satz 1 Nr. 1, §
397a Abs. 1 Nr. 2 [X.] lässt es demnach nicht
sachge-recht erscheinen, ein Genugtuungsinteresse der Antragstellerin und deren Mög-lichkeit einer aktiven Beteiligung am Strafverfahren noch über den Zeitpunkt der Rechtskraft des -
hier bereits 14 Jahre zurückliegenden -
inländischen Schei-dungsurteils hinaus bis zu dem -
unbestimmten -
Zeitpunkt des Vorliegens einer [X.]ischen Anerkennungsentscheidung anzunehmen. Durch das -
hier sogar von der Antragstellerin selbst beantragte -
Scheidungsverfahren vor einem inländischen statt vor einem [X.]ischen Gericht haben die Ehegatten, die zu diesem Zeitpunkt schon seit vielen Jahren in [X.] lebten und arbeite-ten, deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie das Scheidungsurteil des deut-schen Gerichts für sich als maßgebend erachten und künftig nicht mehr von einem rechtlichen Fortbestand ihrer Ehe ausgehen wollten. Dem entsprechend hat auch die Antragstellerin selbst, wie sich aus ihren nach der Ermordung des [X.] erfolgten polizeilichen Vernehmungen ergibt und vom Generalbun-desanwalt in seiner Stellungnahme mit Recht hervorgehoben wird, ihre Ehe als geschieden angesehen.
(c) Ob im Einzelfall besondere Umstände es bei einer Konstellation wie der vorliegenden ausnahmsweise rechtfertigen können, im Rahmen der § 406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, §
397a Abs. 1 Nr. 2, § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht auf die Rechtskraft des inländischen Scheidungsurteils, sondern auf die [X.]ische An-erkennungsentscheidung abzustellen oder ob einer solchen Beurteilung der vom [X.] in Bezug auf die letztgenannte Vorschrift ange-führte Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und der Praktikabilität ([X.], aaO) entgegensteht, bedarf keiner Entscheidung. Denn solche Umstände hat die [X.] weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich. Die von der [X.] in ihren polizeilichen Vernehmungen und in der Begründung des vorliegenden Antrags geschilderten Umstände einer späteren Wiederannähe-26
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rung der geschiedenen Ehegatten rechtfertigen eine Ausnahme in dem vorste-hend genannten Sinne jedenfalls nicht.

Dr. Bünger
Richter am [X.]

Meta

3 BGs 262/12

18.09.2012

Bundesgerichtshof Ermittlungsrichter

Sachgebiet: BGs

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2012, Az. 3 BGs 262/12 (REWIS RS 2012, 3127)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3127

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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