Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.12.2014, Az. III B 36/14

3. Senat | REWIS RS 2014, 802

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Gegenstand

Anforderungen an die Substantiierung eines Wiedereinsetzungsantrags, der auf ein bei der Postbeförderung verlorengegangenes Schriftstück gestützt wird


Leitsatz

1. NV: Beruft sich ein Steuerberater zur Begründung seines Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde darauf, dass das zur Wahrung der Frist erforderliche Schreiben auf dem Postwege verlorengegangen sei, muss er innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist insbesondere angeben, zu welchem Zeitpunkt der Briefumschlag von welcher Person und auf welche Weise zur Post aufgegeben worden ist. Außerdem ist eine Schilderung der Fristenkontrolle nach Art und Umfang erforderlich .

2. NV: An einer schlüssigen Darlegung des Wiedereinsetzungsgrundes in der Wiedereinsetzungsfrist fehlt es, wenn der Steuerberater nicht erläutert, weshalb er die Beschwerdebegründung nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist, aber vor Zugang eines Hinweises des Senatsvorsitzenden auf die Fristversäumnis "erneut" versendet hat .

3. NV: Eine wirksame Fristenkontrolle ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht, wenn der Steuerberater nur eine Kopie aus seinem Postausgangsbuch vorlegt, aus dem hervorgeht, dass in dem von den Aufzeichnungen umfassten Zeitraum eine Reihe von eine gesetzliche Frist wahrenden Schriftsätzen nicht in das Postausgangsbuch eingetragen wurde .

Tatbestand

1

I. Mit Urteil vom 3. Dezember 2013 wies das Finanzgericht ([X.]) die Klage des [X.] und Beschwerdeführers (Kläger), mit der dieser sich gegen eine die Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2008 bis 2010 umfassende Prüfungsanordnung wandte, als unbegründet ab. Gemäß der vom Postbediensteten gefertigten [X.] wurde das Urteil dem Kläger, einem Steuerberater, am 1. März 2014 zugestellt.

2

Am 14. März 2014 ging beim [X.] ([X.]) ein Telefax des [X.] ein, mit dem er Nichtzulassungsbeschwerde einlegte und eine Begründung in einem gesonderten Schriftsatz ankündigte.

3

Im Schreiben vom 7. Mai 2014, das laut [X.] am 10. Mai 2014 zugestellt wurde, wies der Senatsvorsitzende den Kläger auf den bereits am 2. Mai 2014 erfolgten Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist und die Vorschrift des § 56 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) hin.

4

Bereits am 9. Mai 2014 ging per Telefax eine nicht unterschriebene, am 12. Mai 2014 eine unterschriebene Fassung der unter dem 21. April 2014 gefertigten Beschwerdebegründung ein.

5

Mit weiterem Schreiben vom 10. Mai 2014 (beim [X.] eingegangen am 13. Mai 2014) teilte der Kläger mit, dass die Begründung am 21. April 2014 per Post versandt worden und offensichtlich beim [X.] nicht eingegangen sei. Es werde deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

6

Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) u.a. den verspäteten Vortrag der die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Tatsachen gerügt hatte, teilte der Kläger mit am 15. Juli 2014 beim [X.] eingegangenem Schreiben u.a. mit, dass er selbst die Beschwerdebegründung als einfachen Brief am Ende der Straße seines Kanzleisitzes in einen Briefkasten eingeworfen habe. Er habe die Absendung auch in seinem Postausgangsbuch vermerkt, weil sein Telefaxgerät an diesem Tag nicht funktionsfähig gewesen sei. Zudem legte der Kläger die Kopie eines Teiles der entsprechenden Seite seines Postausgangsbuchs vor.

Entscheidungsgründe

7

II. [X.] ist unzulässig, weil die Beschwerdebegründung nicht innerhalb der [X.] beim [X.] eingegangen ist (vgl. § 116 Abs. 3 FGO).

8

1. a) Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 FGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen und die Begründung beim [X.] einzureichen.

9

b) Das [X.] ist dem Kläger am 1. März 2014 zugestellt worden. [X.]begründungsfrist endete, da es sich beim 1. Mai 2014 um einen gesetzlichen Feiertag handelte, am Freitag, den 2. Mai 2014 (§ 54 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung sowie §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Eine unterschriebene Beschwerdebegründung ging indessen erst am 12. Mai 2014 beim [X.] ein.

2. Dem Kläger kann für die Versäumnis der Begründungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) gewährt werden.

a) Der Kläger hat innerhalb der [X.] den [X.] nicht hinreichend substantiiert und in sich schlüssig dargelegt.

aa) Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist bei Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO).

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist aus § 56 Abs. 2 FGO zu folgern, dass die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen sind (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 24. April 2008 IX B 164/07, [X.]/NV 2008, 1349, m.w.N.; Senatsbeschluss vom 23. September 2010 III R 64/09, [X.]/NV 2011, 54). Beruft sich der Kläger darauf, dass das maßgebliche Schreiben auf dem Postwege verlorengegangen sei, sind insbesondere Angaben dazu erforderlich, zu welchem Zeitpunkt (Tag und Uhrzeit) der Briefumschlag von welcher Person und auf welche Weise (Einwurf in einen bestimmten Postbriefkasten) zur Post aufgegeben worden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 12. April 1989 II B 197/88, [X.]/NV 1990, 298; vom 13. Juli 1989 VIII R 64/88, [X.]/NV 1990, 577, und vom 20. Mai 2011 V S 10/11, [X.]/NV 2011, 1526). Außerdem ist eine Schilderung der Fristenkontrolle nach Art und Umfang erforderlich ([X.]-Beschluss vom 10. März 1994 IX R 43/90, [X.]/NV 1994, 813; Senatsurteil vom 20. November 1987 III R 208/84, III R 210-211/84, [X.]/NV 1989, 370). Ist dies nicht geschehen, kann Wiedereinsetzung nur gewährt werden, wenn ein [X.] offenkundig, gerichtsbekannt oder aktenkundig ist.

bb) Ausgehend vom Vortrag des [X.] ist das Hindernis im vorliegenden Fall spätestens am 10. Mai 2014 entfallen, da der Kläger in dem Schreiben des Senatsvorsitzenden darauf hingewiesen wurde, dass innerhalb der Frist des § 116 Abs. 3 FGO keine Beschwerdebegründung beim [X.] eingegangen war.

Innerhalb der am 10. Juni 2014 endenden Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO hat der Kläger nur mitgeteilt, dass die Begründung am 21. April 2014 per Post versandt worden sei. Weitere Angaben zu den näheren Umständen der Aufgabe des [X.] hat der Kläger weder innerhalb der [X.] gemacht noch können solche Umstände aus Unterlagen entnommen werden, die dem [X.] innerhalb der [X.] vorgelegen haben. Ebenso fehlen Angaben zu Art und Umfang der Fristenkontrolle. Um seinen Vortrag schlüssig zu machen, wären insbesondere Erläuterungen zur Frage erforderlich gewesen, wieso der Kläger am 9. Mai 2014 eine Beschwerdebegründung "vorab per Telefax" versandt hat, obwohl er den Hinweis des Senatsvorsitzenden zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erhalten hatte (Zugang 10. Mai 2014) und deshalb --nach seinem [X.] davon ausgehen hätte müssen, dass die am 21. April 2014 versandte Beschwerdebegründung bereits beim [X.] eingegangen war. Damit hat der Kläger innerhalb der [X.] [X.] des [X.]es nicht hinreichend vollständig, substantiiert und in sich schlüssig dargelegt.

Da die aufgezeigten Lücken in der Begründung des Wiedereinsetzungsbegehrens nach Ablauf der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht mehr geschlossen werden können ([X.]-Beschluss vom 19. Januar 1993 [X.], [X.]/NV 1993, 611, m.w.N.), kommt es auf den Inhalt des erst am 15. Juli 2014 beim [X.] eingegangenen Schreibens des [X.] nicht an.

b) Überdies hat der Kläger den [X.] auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

aa) Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO sind die Tatsachen zur Begründung des [X.] bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen.

bb) Der Kläger hat nur eine teilweise Kopie einer Seite aus einem Postausgangsbuch vorgelegt, aus der eine Eintragung für den 21. April 2014 hervorgeht, wonach eine Beschwerdebegründung in Sachen einer Prüfungsanordnung an den [X.] gesendet worden sei. Hieraus lässt sich insbesondere nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entnehmen, dass in der Kanzlei des [X.] eine wirksame Fristenkontrolle stattgefunden hat. Über den oben dargelegten Schlüssigkeitsmangel hinaus ergeben sich erhebliche Zweifel an einer solchen Fristenkontrolle daraus, dass die Schriftsätze über die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde, über den Antrag auf Wiedereinsetzung und über die Nachreichung der Beschwerdebegründung nicht auf der übermittelten Kopie des Postausgangsbuchs verzeichnet sind, obwohl sie in den dort aufgezeichneten Zeitrahmen fallen. Die bloße Behauptung des [X.], er habe im Postausgangsbuch nur Schriftstücke eingetragen, bei welchen der Versand nicht durch andere Belege (z.B. [X.]) glaubhaft gemacht werden könne, genügt für eine Glaubhaftmachung der wirksamen Fristenkontrolle nicht, zumal etwa der Wiedereinsetzungsantrag dem [X.] nicht per Telefax übermittelt wurde. Dies gilt umso mehr als der Kläger sehr ungewöhnliche Umstände behauptet, wenn er darlegt, dass an dem betreffenden [X.] (21. April 2014) sowohl sein Telefaxgerät nicht funktionsfähig gewesen, als auch die Briefsendung auf dem Postweg verloren gegangen sei.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

4. [X.] folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO.

Meta

III B 36/14

02.12.2014

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 3. Dezember 2013, Az: 3 K 1323/12, Urteil

§ 116 Abs 3 FGO, § 56 Abs 1 FGO, § 56 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 02.12.2014, Az. III B 36/14 (REWIS RS 2014, 802)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 802

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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