Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2002, Az. 5 StR 588/01

5. Strafsenat | REWIS RS 2002, 4688

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[X.]: [X.]: ja[X.] §§ 136 Abs. 1 Satz 2; 141 Abs. 3 Satz 21. Die Pflicht zur Belehrung über das Recht auf [X.] gebietet nicht, den Beschuldigten, der keinen Wunsch auf Zuziehung eines Verteidigers äußert, auf einen vorhandenen anwaltlichen Notdienst hinzuweisen (im Anschluß an [X.]St 42, 15). 2. Eingeschrän[X.] Notwendigkeit einer Verteidiger-bestellung im Ermittlungsverfahren ([X.], 93 und [X.], [X.]eil vom [X.] 1 [X.], zur Veröffentlichungin [X.]St bestimmt).[X.], Beschluß vom 5. Februar 2002 - 5 StR 588/01 LG [X.] Œ5 StR 588/01BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSSvom 5. Februar 2002in der Strafsachegegen1.2.wegen Beihilfe zum versuchten Totschlag u.a.- 2 -Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 5. Februar 2002beschlossen:Die Revisionen der Angeklagten gegen das [X.]eil des Land-gerichts [X.] vom 23. Juli 2001 werden nach § 349 Abs. 2[X.] als unbegründet verworfen.Jede Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels und diedem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigenAuslagen zu tragen.[X.] hat die Angeklagten jeweils u.a. wegen Beihilfe zumversuchten Totschlag zu Jugendstrafen verurteilt. Die Revisionen der Ange-klagten sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.]. Ergänzend [X.] des [X.] merkt der Senat folgendes an:Die Verfahrensrüge, mit der die Angeklagte [X.]beanstandet, daß [X.] beider Angeklagter durch den Haftrichter anläßlich ihrerVorführung gemäß § 128 [X.] Œ ungeachtet ihres in der Hauptverhandlungrechtzeitig erhobenen Widerspruchs Œ verwertet worden sind, bleibt erfolg-los.1. Auf eine angeblich unzulängliche Belehrung der [X.] § 136 Abs. 1 Satz 2 [X.] kann sich die Angeklagte nicht berufen; ihreRechte werden hierdurch nicht berührt (vgl. [X.]R [X.] § 136 Belehrung 5;[X.] wistra 2000, 311, 313; [X.] 1998, 366, 372 f.). Bereits daran- 3 -scheitert ihre R, soweit sie sich gegen die Verwertung der richterlichenVernehmung der Mitangeklagten [X.] Die Angeklagte ist unmittelbar vor der verwerteten haftrichterlichenVernehmung wie bereits vor ihrer ersten polizeilichen Beschuldigtenverneh-mung, bei der sie die Einlassung verweigert hat, r ihr Recht, jederzeit,auch schon vor ihrer Vernehmung, einen zu wlenden Verteidiger zu [X.] (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 Satz 2 [X.]), belehrt [X.] ist jeweils protokolliert worden. Die Angeklagte hat nicht zu erkennengegeben, [X.] sie einen Verteidiger konsultieren wolle. Vor dem [X.] sie unter Zuziehung eines Dolmetschers nach der Belehrung ohne [X.]) Über die erfolgte Belehrung hinaus war angesichts der fehlendenReaktion der Angeklagten hierauf ein ausdrcklicher Hinweis auf die Ein-richtung eines Verteidigernotdienstes und die Möglichkeit, zu diesem einetelefonische Verbindung mit dem Ziel alsbald realisierbarer [X.] herzustellen, nicht geboten.Der Senat hat ± entgegen dem weitergehenden Verstis der [X.] (entsprechend [X.], 262; vgl. auch [X.], 2185, 2186) ± eine Pflicht der Ermittlungsbehörden zu einer derarti-gen Hilfestellung lediglich fr den Fall erwogen, [X.] ein Beschuldigter nachder vorgeschriebenen Belehrung zu erkennen gegeben hat, [X.] er von sei-nem Recht aus § 137 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf [X.] Ge-brauch machen wolle; hieraus könne dann eine weitergehende [X.] effektiven Ermöglichung dieses Rechts erwachsen ([X.]St 42, 15, 19 f.;vgl. dazu auch die damals restriktivere Position des 1. Strafsenats: [X.]St42, 170, 173; nicht weitergehend auch [X.] NStZ 1996, 257, 260, 262;Herrmann NStZ 1997, 209, 212). Aus dem Alter der zur Zeit der Beschul-digtenvernehmung 20jrigen Angeklagten, aus ihrer Schwangerschaft, ihrer- 4 -besonderen Betroffenheit r die vorlfige Festnahme unter dem [X.] und aus ihren mangelnden Deutschkenntnis-sen lassen sich keine Belehrungs-, Warnungs- oder Hinweiserfordernisseherleiten, dir die gesetzliche Belehrungspflicht des § 136 Abs. 1 Satz 2[X.] hinausgehen. Vielmehr t diese den rechtsstaatlichen Mindest-anforderungen aucr einer Beschuldigten in einer derart bedrn-genden Situation wie im vorliegenden Fall. Die Voraussetzungen einer gei-stig-seelischen Beschaffenheit, welche bereits die Besorgnis begrte,sie [X.] Belehrung nicht verstanden haben (vgl. [X.]St 39, 349, 351),liegen nicht vor.b) Weitergehendes wre nur zu erw, wenn die [X.] bei der gegebenen haftrichterlichen [X.] fr eineVerteidigung der damaligen Beschuldigttten Sorge tragen mssen. [X.] Strafsenat des [X.] hat eine entsprechende aus § 141Abs. 3 Satz 2 [X.] abzuleitende Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, diegehalten sein [X.], jedenfalls bis zu einer Unterrichtung des Beschuldig-ten, [X.] ihm nunmehr ein Verteidiger zu bestellen sei, mit weiteren [X.] innezuhalten, in seinem zur Verffentlichung in [X.]Stbestimmten [X.]eil vom 22. November 2001 ± 1 [X.] (Umdruck S. 16f.) erwogen. Indes vermag der Senat eine entsprechende Verpflichtung [X.] die hier gegebene Verfahrenssituation nicht anzuerkennen.Aus dem [X.] §§ 140, 141 [X.] folgt, [X.] ± insoweitauch irer Konkretisierung der Anforderungen aus Art. 6 Abs. 3Buchst. [X.] ± in bestimmten gewichtigeren Fllen die Mitwirkung [X.] [X.] ab Anklageerhebung unerlûlich ist. Ein solchesErfordernis kann indes bereits wrend des Ermittlungsverfahrens eintreten.So erstarkt insbesondere nach dreimonatigem Vollzug von Untersuchungs-haft die Position des Beschuldigten dahin, [X.] er die Bestellung eines Ver-teidigers verlangen kann (s. § 140 Abs. 1 Nr. 5, § 117 Abs. 4 [X.]; dazu- 5 -weitergehend [X.]St 46, 93, 99). Aber auch sonst steht eine [X.] den Beschuldigten ohne Wahlverteidiger [X.] im richterlichen Ermessen auf entsprechenden Antragder Staatsanwaltschaft (§ 141 Abs. 3 Stze 1 und 2 [X.]). [X.] die Stellungdieses Antrags, der sich nach der Prognose notwendiger Verteidigung ineinem [X.] gerichtlichen Verfahren richtet, steht der [X.] nicht umfassend gerichtlicrprfbarer Beurteilungsspielraum zu (vgl.[X.]St 46, 93, 98 f.; [X.], [X.]. vom 22. November 2001 ± 1 [X.], [X.] in [X.]St bestimmt, Umdruck S. 13 ff.).Hiernach wird eine Verteidigerbestellung bereits im Ermittlungsverfah-ren jedenfalls dann zu veranlassen sein, wenn mit im Sinne des § 140 Abs. [X.] 2 [X.] gewichtiger Anklageerhebung zu rechnen ist und eine effektiveWahrnehmung der Verteidigungsinteressen des Beschuldigten die Mitwir-kung eines Verteidigers, beispielsweise durch Wahrnehmung des A[X.]nein-sichtsrechts, schon vor [X.] unerlûlich erfordert (vgl. Klein-knecht/[X.], [X.] 45. Aufl. § 141 Rdn. 5). Zutreffend verlangt der1. Strafsenat des [X.], der insoweit (aaO) eine [X.] richterlichen Ermessens (§ 141 Abs. 3 Satz 1 [X.]) auf Null und eineentsprechende Einengung des staatsanwaltlichen Beurteilungsspielraums(§ 141 Abs. 3 Satz 2 [X.]) annimmt, die Bestellung eines Verteidigers [X.] ermittlungsrichterlichen Vernehmung eines [X.] Belastungszeugen in Abwesenheit des Beschuldigten ([X.]St 46, 93,99 f.); in diesem Fall wird nur so den Anforderungen des Rechtes des Be-schuldigten auf Verteidigung aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. [X.], hier insbe-sondere mit Rcksicht auf eine effektive Wahrung seines [X.]agerechts ausArt. 6 Abs. 3 Buchst. [X.], t.Dem geltenden Recht ist indes nicht zu entnehmen, [X.] bereits dann,wenn die Staatsanwaltschaft ± oder etwa gar die ermittlungsfrende [X.] ± im Ermittlungsverfahren den dringenden Verdacht eines Verbrechens- 6 -(s. § 140 Abs. 1 Nr. 2) ± oder auch eines gewichtigen Vergehens (vgl. nur§ 140 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 [X.]) ± [X.] erachtet, eineentsprechende Reduzierung des [X.] fr die Stellung eines Antrags auf Verteidigerbestellung nach § 141Abs. 3 Satz 2 [X.] anzunehmen wre, die sie jedenfalls veranlassen mûte,fimit Ermittlungen, welche die Mitwirkung des Beschuldigten erfordern, inne-zuhaltenfl, mindestens bis zu einem weitergehenden Hinweis an ihn auf dienunmehr anzunehmende Notwendigkeit einer Verteidigerbestellung ([X.],[X.]. vom 22. November 2001 ± 1 [X.], Umdruck S. 16 f.). Eine solchePosition ± die letztlich, wenn nicht allzu groûe Unsicherheiten verursachtwerden sollen, die Annahme notwendiger Verteidigung mit dem Beginn ei-nes dringenden gewichtigen Verdachts zur Konsequenz haben mûte ± ent-spricht nicht der differenzierten gesetzlichen Regelung (§§ 140, 141 [X.]nebst Sondernormen). Sie wird weder von Art. 6 Abs. 3 Buchst. [X.] nochvon dem nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG garantierten Recht [X.] auf ein faires Verfahren als Mindeststandard gefordert. [X.] wird eine Verstrkung der Verteidigungsrechte im Ermittlungs-verfahren diskutiert (vgl. nur das fiEckpun[X.]papierfl zur Reform des Straf-verfahrens, [X.], 314, 315). [X.] wird gegebenenfalls der [X.] unter [X.] im Strafverfahren verfolgten gegenlfigen [X.] zu befinden haben (vgl. [X.] 57, 250, 275 f.; 63, 45, 61). [X.] namentlich das Interesse des Beschuldigten an [X.] effektiverVerteidigung auf der einen, die Belange der Wahrheitsermittlung und Ver-fahrensbeschleunigung sowie eines effektiven Opferschutzes auf der ande-ren Seite, nicht zuletzt aber auch [X.]. De lege [X.] bestehtkeine Rechtslage, wonach eine derart frzeitig notwendige Verteidigungbereits im Ermittlungsverfahren gefordert [X.]) Da fr einen Sonderfall, in dem auf eine Verteidigerbestellung zu-gunsten der Angeklagten [X.]bereits vor ihrer haftrichterlichen [X.] 7 -im [X.] hingewirkt werden mssen, hier sonst keinedurchgreifenden Grrsichtlich sind, wird die Verwertbarkeit dieser Ver-- 8 -nehmung nicht dadurch in [X.]age gestellt, [X.] zuvor kein Hinweis auf [X.] erteilt worden ist, den bestehenden Strafverteidigernotdienst [X.] nehmen zu k.Harms Basdorf [X.]

Meta

5 StR 588/01

05.02.2002

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2002, Az. 5 StR 588/01 (REWIS RS 2002, 4688)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 4688

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