Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.07.2017, Az. I ZR 162/15

1. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 7258

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Gegenstand

Wettbewerbsverstoß: Geschäftliche Handlung einer baden-württembergischen Gemeinde bei ausschließlicher Beauftragung ihres Eigenbetriebs Friedhöfe mit behördlich zu veranlassenden Bestattungen - Eigenbetrieb Friedhöfe


Leitsatz

Eigenbetrieb Friedhöfe

Eine Gemeinde nimmt keine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vor, wenn sie mit Bestattungen, die gemäß § 31 Abs. 2 Fall 2 BestattG-BW behördlich zu veranlassen sind, weil die bestattungspflichtigen Angehörigen nicht oder nicht rechtzeitig für die Bestattung sorgen, ausschließlich ihren Eigenbetrieb Friedhöfe betraut.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 17. Juli 2015 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt in [X.]    ein Bestattungsinstitut. Die beklagte Stadt [X.]    unterhält einen Eigenbetrieb Friedhöfe (Eigenbetrieb). Der Eigenbetrieb hat (hoheitliche) Aufgaben der Friedhofsverwaltung zu erfüllen und ist darüber hinaus auch privatwirtschaftlich im Bereich des Bestattungsdienstes tätig.

2

Die Beklagte beauftragte bis ins [X.] bei Todesfällen, bei denen Angehörige nicht oder nicht rechtzeitig für die Bestattung sorgten und deshalb gemäß § 31 Abs. 2 Bestattungsgesetz [X.] ([X.]) die Bestattung behördlich veranlasst werden musste, den Kläger mit diesen Bestattungen. Im [X.] stellte die Beklagte diese Praxis um und ließ seitdem ausschließlich den Eigenbetrieb die behördlich veranlassten Bestattungen vornehmen.

3

Der Kläger hält dieses Verhalten für wettbewerbsrechtlich unlauter. Er macht geltend, die Beklagte nutze die nur ihr zur Verfügung stehenden Informationen über Sterbefälle von Personen ohne Angehörige, in denen sie zur hoheitlichen Bestattungsanordnung verpflichtet sei, für ihre eigenen Geschäftsinteressen aus und [X.] ausschließlich den Eigenbetrieb mit behördlich veranlassten Bestattungen, ohne Angebote privater Anbieter zu prüfen.

4

Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, beantragt, der Beklagten unter Androhung von [X.] zu verbieten,

im Falle einer ordnungsbehördlichen Bestattungsanordnung die Bestattung ausnahmslos dem städtischen Bestattungsdienst zu übertragen;

hilfsweise dazu

im Falle einer ordnungsbehördlichen Bestattungsanordnung die Bestattung ohne vorherige Prüfung von Angeboten privater Anbieter dem städtischen Bestattungsdienst zu übertragen.

5

Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei bei den in Rede stehenden behördlichen Bestattungsveranlassungen nicht zur öffentlichen Ausschreibung und Vergabe an private Anbieter verpflichtet. Mit der Einschaltung ihres Eigenbetriebs erfülle sie im Interesse einer sparsamen Wirtschaftsführung eine öffentliche Aufgabe.

6

Das [X.] hat die für das Revisionsverfahren noch relevanten Anträge abgewiesen ([X.], Urteil vom 26. September 2014 - 12 O 150/13, juris). Das Berufungsgericht hat die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen.

7

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger diese Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

8

A. [X.]as Berufungsgericht hat beide [X.] als unbegründet angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

9

[X.]er Unterlassungshauptantrag sei zu weitgehend, weil er auch [X.] nicht zu beanstandende Verhaltensweisen der [X.]n umfasse. [X.]er [X.] sei ebenfalls unbegründet. Bei gemäß § 31 Abs. 2 [X.] behördlich angeordneten Bestattungen durch das Standesamt liege in der Übertragung der zur Bestattung notwendigen [X.]ienstleistungen an den Eigenbetrieb keine geschäftliche Handlung der [X.]n. Es fehle an einem [X.]. Mit der Anordnung oder Veranlassung der Bestattung erfülle die zuständige Behörde der [X.]n eine öffentlich-rechtliche Pflicht. Sie nehme dadurch nicht als Anbieter am privatrechtlichen [X.] teil. [X.]ie [X.] verschaffe ihrem Bestattungsdienst zudem keinen unlauteren Wettbewerbsvorteil.

B. [X.]ie hiergegen gerichtete Revision des [X.] ist unbegründet.

I. [X.]ie Revision ist uneingeschränkt zulässig.

[X.]er Entscheidungssatz des angefochtenen Urteils enthält keine Beschränkung der Revisionszulassung. Eine solche Beschränkung ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungsgründen. [X.]as Berufungsgericht hat dort zwar ausgeführt, die Revision werde zugelassen, soweit es die Berufung des [X.] zur Abweisung des [X.] als unbegründet zurückgewiesen habe, weil die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung seien. [X.]amit ist aber lediglich der Grund für die Zulassung der Revision genannt. [X.]as genügt nicht, um mit der notwendigen Sicherheit von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen. [X.]er Grundsatz der Rechtsmittelklarheit gebietet es, dass für die Parteien zweifelsfrei erkennbar ist, welches Rechtsmittel für sie in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist ([X.], Urteil vom 27. März 2013 - [X.], [X.], 1213 Rn. 14 = [X.], 1620 - Sumo; Urteil vom 9. Oktober 2014 - I ZR 162/13, [X.], 498 Rn. 12 = [X.], 569 - Combiotik; Urteil vom 11. Juni 2015 - [X.], [X.], 184 Rn. 11 = [X.], 66 - [X.]; Urteil vom 23. Juni 2016 - I ZR 241/14, [X.], 965 Rn. 17 = [X.], 1236 - [X.]; Urteil vom 16. März 2017 - [X.], [X.], 702 Rn. 16 - [X.] mit [X.]estplatte I).

II. [X.]ie Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Unterlassungshauptantrag sei bereits deshalb unbegründet, weil er zu weit gefasst sei.

1. [X.]as Berufungsgericht hat angenommen, der Unterlassungshauptantrag sei unbegründet, weil er auch erlaubte Verhaltensweisen verbiete. [X.]er [X.]n solle mit dem Antrag wegen der [X.]dung "ausnahmslos" die nach den [X.] keineswegs ausgeschlossene und nach der allgemeinen Lebenserfahrung durchaus nicht völlig fernliegende Übertragung der Bestattung an den Eigenbetrieb auch dann untersagt werden, wenn dieser in [X.] nicht zu beanstandender Weise ausnahmslos zum Zuge käme.

2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Begründetheit des [X.] nicht verneint werden. [X.]as Berufungsgericht ist unzutreffend von einem zu weiten Klagebegehren ausgegangen.

a) Allerdings ist ein Klageantrag unbegründet, wenn er aufgrund seiner zu weiten [X.]assung die vom Kläger geltend gemachte konkrete Verletzungsform verfehlt, weil er auch erlaubte Verhaltensweisen erfasst ([X.], Urteil vom 22. Januar 2014 - I ZR 164/12, [X.], 393 Rn. 47 = [X.], 424 - wetteronline.de, mwN). [X.]ie Reichweite des Klagebegehrens ist jedoch nicht allein anhand der [X.]assung des Klageantrags zu bestimmen. Zur Auslegung des Klageantrags ist vielmehr der Klagevortrag heranzuziehen ([X.], Urteil vom 22. April 2009 - [X.], [X.], 845 Rn. 11 = [X.], 1001 - Internet-Videorecorder I; Urteil vom 19. November 2009 - [X.], [X.], 620 Rn. 30 = [X.], 933 - [X.]ilm-Einzelbilder; Urteil vom 19. Januar 2017 - I ZR 242/15, [X.], 390 Rn. 13 = [X.], 753 - East Side Gallery).

b) Aus dem zur Begründung des [X.] gehaltenen Vortrag des [X.] ergibt sich vorliegend, dass sein Klagebegehren die vom Berufungsgericht als erlaubt angesehenen Verhaltensweisen nicht erfassen sollte.

[X.]er Kläger hat mit seinem Antrag die von der [X.]n seit dem [X.] geübte Praxis angegriffen, bei den gemäß § 31 Abs. 2 [X.] zu veranlassenden Bestattungen ohne Ausnahme den Eigenbetrieb einzuschalten. [X.]er Kläger hat insoweit beanstandet, dass die [X.] bei ihrer Auswahlentscheidung nicht prüft, ob solche behördlich veranlasste Bestattungen an private Bestattungsunternehmer vergeben werden können. [X.] wird damit der Sache nach, dass die [X.] das ihr gesetzlich eingeräumte Auswahlermessen, welches Unternehmen sie mit der behördlich veranlassten Bestattung beauftragt, nicht ausübt, sondern ohne weiteres den Eigenbetrieb einschaltet. [X.]er Kläger hat ferner geltend gemacht, dieses Verhalten sei unlauter, weil die [X.] bei der ausnahmslosen Betrauung des Eigenbetriebs mit Bestattungsleistungen gemäß § 31 Abs. 2 [X.] stets in unlauterer Weise ihr Informationsmonopol über Sterbefälle im Sinne dieser Vorschrift ausnutze. Angesichts dieses Klagevorbringens hätte das Berufungsgericht die Reichweite des mit dem Unterlassungshauptantrag verfolgten Klagebegehrens bestimmen müssen. [X.]ür den [X.]all, dass sich das Berufungsgericht an einer dem Klagebegehren entsprechenden Auslegung durch die vom Kläger gewählte konkrete [X.]assung des Antrags gehindert gesehen hat, hätte es dem Kläger gemäß § 139 ZPO Gelegenheit geben müssen, den Bedenken durch eine angepasste Antragsfassung Rechnung zu tragen (vgl. [X.], [X.], 393 Rn. 49 - wetteronline.de; [X.] in [X.]/[X.], UWG, 35. Aufl., § 12 Rn. 2.44a).

III. [X.]as angefochtene Urteil stellt sich allerdings im Hinblick auf den Unterlassungshauptantrag aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

1. [X.]ie Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs gemäß § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1 UWG sind nicht gegeben. Es fehlt an einer geschäftlichen Handlung der [X.]n im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

a) [X.]as Berufungsgericht hat angenommen, die Übertragung der zur Bestattung notwendigen [X.]ienstleistungen an den Eigenbetrieb bei behördlich angeordneten Bestattungen gemäß § 31 Abs. 2 [X.] stelle keine geschäftliche Handlung der [X.]n dar. Es fehle ein [X.]. Mit der Veranlassung der Bestattungen erfülle die zuständige Behörde der [X.]n eine öffentlich-rechtliche Pflicht. Sie nehme dadurch nicht als Anbieter am privatrechtlichen [X.] teil. Es handele sich bei der Einschaltung des Eigenbetriebs um einen betriebsinternen Vorgang aufgrund hoheitlichen Handelns. Gegen diese Begründung wendet sich die Revision ohne Erfolg.

b) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung im Sinne dieses Gesetzes jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der [X.]örderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder [X.]ienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der [X.]urchführung eines Vertrages über Waren oder [X.]ienstleistungen objektiv zusammenhängt. [X.]er Begriff der geschäftlichen Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist nicht enger als der der [X.] im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 2012 - [X.], [X.], 301 Rn. 22 = [X.], 491 - Solarinitiative, mwN). Zur Bestimmung einer geschäftlichen Handlung kann daher auf die Rechtsprechung des [X.] zum Begriff der [X.] im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 zurückgegriffen werden (vgl. [X.] in [X.]/[X.], UWG, 7. Aufl., Einf. [X.] Rn. 24; [X.] in [X.], 2. Aufl., [X.]. [X.] Rn. 47).

c) [X.]ür die [X.]rage, ob die öffentliche Hand eine geschäftliche Handlung vornimmt, ist zunächst zwischen rein erwerbswirtschaftlichen und hoheitlichen Tätigkeiten zu unterscheiden (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 3a Rn. 2.17). [X.]ie erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand ist auch dann als geschäftliche Handlung anzusehen, wenn öffentliche Zwecke mitverfolgt werden (vgl. [X.], Urteil vom 21. Juli 2005 - [X.], [X.], 960, 961 = [X.], 1412 - [X.]riedhofsruhe; Urteil vom 26. Januar 2006 - [X.], [X.], 428 Rn. 12 = [X.], 741 - [X.]; [X.] in Harte/[X.], UWG, 4. Aufl., § 2 Rn. 46, 68; [X.] in [X.]/[X.] aaO Einf. [X.] Rn. 25; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 3a Rn. 2.18; [X.] in [X.], 2. Aufl., [X.]. [X.] Rn. 56). [X.]agegen ist bei einer Tätigkeit zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben weiter danach zu unterscheiden, ob die öffentliche Hand aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich tätig wird. Ist dies der [X.]all, ist ihre Betätigung einer Überprüfung anhand des Wettbewerbsrechts entzogen ([X.], [X.], 428 Rn. 12 - [X.]; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 3a Rn. 2.21; [X.] in Harte/[X.] aaO § 2 Rn. 44; [X.] in [X.]/[X.] aaO Einf. [X.] Rn. 27). Handelt die öffentliche Hand dagegen zwar zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, wird sie aber ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung tätig, ist eine geschäftliche Handlung nicht ausgeschlossen (vgl. [X.], [X.], 428 Rn. 12 - [X.]; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 3a Rn. 2.22; [X.] in Harte/[X.] aaO § 2 Rn. 45). Sie ist allerdings auch nicht ohne weiteres zu vermuten, sondern anhand einer umfassenden Würdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls besonders festzustellen (vgl. [X.], Urteil vom 7. März 1969 - [X.], GRUR 1969, 418, 420 - Standesbeamte; [X.], [X.], 301 Rn. 20 f. - Solarinitiative; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 3a Rn. 2.22 f.; [X.] in [X.]/[X.] aaO Einf. [X.] Rn. 28 f.; [X.]/Obergfell, UWG, 3. Aufl., [X.] Rn. 11 ff.). Maßgeblich sind insoweit vor allem die konkreten Auswirkungen des Handelns der öffentlichen Hand im Wettbewerb (vgl. [X.], Urteil vom 22. [X.]ebruar 1990 - [X.], [X.], 611, 613 = WRP 1990, 626 - Werbung im Programm; [X.] in Harte/[X.] aaO § 2 Rn. 45; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 3a Rn. 2.23) und die [X.]rage, ob das Tätigwerden zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe nach Art und Umfang sachlich notwendig ist und die Auswirkungen auf den Wettbewerb nur notwendige Begleiterscheinung der Erfüllung öffentlicher Aufgaben sind (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 3a Rn. 2.23).

d) Mit diesen Grundsätzen steht die Beurteilung des Berufungsgerichts im Einklang. [X.]as Berufungsgericht hat angenommen, die zuständige Behörde erfülle eine öffentlich-rechtliche Pflicht und handele nicht marktbezogen, wenn sie eine Bestattung gemäß § 31 Abs. 2 [X.] veranlasst. [X.]iese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.

aa) Eine rein erwerbswirtschaftliche Betätigung der [X.]n steht im Streitfall nicht in Rede. [X.]ie in der Revisionsinstanz noch relevanten Klageanträge wenden sich nicht dagegen, dass der Eigenbetrieb auf dem allgemeinen Markt der [X.] tätig ist, die von Angehörigen von Verstorbenen nachgefragt werden.

bb) [X.]as Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass das beanstandete Verhalten der [X.]n einen Bereich betrifft, in dem sie aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich tätig wird.

(1) [X.]ür die im Streitfall maßgebliche [X.]rage, ob die öffentliche Hand aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich handelt und ihre Betätigung damit einer Überprüfung anhand des Wettbewerbsrechts entzogen ist oder die öffentliche Hand zwar zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, aber ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung tätig wird und damit die [X.]eststellung einer geschäftlichen Handlung im Rahmen einer umfassenden Würdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls möglich ist, kommt es maßgeblich auf die Bestimmungen an, die der streitigen Handlung zugrunde liegen (vgl. [X.], [X.], 428 Rn. 15 f. - [X.]).

(2) Gemäß § 30 Abs. 1 [X.] müssen Verstorbene bestattet werden. [X.]ür die Bestattung müssen die Angehörigen sorgen (§ 31 Abs. 1 [X.]). Sorgen diese nicht oder nicht rechtzeitig für die Bestattung, hat die zuständige Behörde diese anzuordnen oder auf Kosten der [X.] selbst zu veranlassen (§ 31 Abs. 2 [X.]).

Vorliegend geht es allein um die in § 31 Abs. 2 [X.] geregelten [X.]älle, in denen die Angehörigen eines Verstorbenen nicht oder nicht rechtzeitig ihrer gesetzlichen Pflicht nachkommen, für die Bestattung zu sorgen. Nicht im Streit ist allerdings die von § 31 Abs. 2 [X.]all 1 [X.] erfasste Konstellation der behördlichen Anordnung der Bestattung, die dann zu ergehen hat, wenn zwar ein Angehöriger vorhanden ist, dieser allerdings seiner Bestattungspflicht nicht oder nicht rechtzeitig nachgekommen ist. [X.]ie in der [X.]olge einer solchen behördlichen Anordnung vom Angehörigen privatrechtlich zu erteilenden Bestattungsaufträge sind nicht vom Streitgegenstand umfasst. [X.]er Kläger wendet sich mit dem anhand seines Klagevortrags auszulegenden Unterlassungsantrag vielmehr ausschließlich dagegen, dass kein Angehöriger, sondern allein die beklagte [X.] im [X.]alle der behördlichen Veranlassung einer Bestattung im Sinne von § 31 Abs. 2 [X.]all 2 [X.] die Bestattung stets dem Eigenbetrieb überträgt, ohne zuvor Angebote privater Bestattungsanbieter zu prüfen.

(3) Bei der im Streitfall mithin allein maßgeblichen behördlichen Veranlassung einer Bestattung wird die [X.] gemäß § 31 Abs. 2 [X.]all 2 [X.] und damit aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich tätig. [X.]ies gilt auch für die Entscheidung der [X.]n über die [X.]urchführung der behördlich zu veranlassenden Bestattung.

Allerdings richtet sich die öffentlich-rechtliche Pflicht im Sinne einer gebundenen Entscheidung nach dem Wortlaut des § 31 Abs. 2 [X.] lediglich auf die Anordnung oder Veranlassung der Bestattung. Insoweit muss die zuständige Behörde tätig werden; ein Ermessen ist ihr auf dieser das "Ob" einer Anordnung oder einer Veranlassung betreffenden Stufe nicht eröffnet. [X.]ie Revision macht mit Recht geltend, dass es sich im Hinblick auf die vorliegend maßgebliche zweite Stufe des "Wie" und "durch [X.]" anders verhält. Insoweit besteht ein Auswahlermessen, das die [X.] nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vorbringen des [X.] bis zum [X.] so ausgeübt hat, dass sie in den Jahren 2000 bis 2004 bei [X.].     Bestattungsunternehmen entsprechende Angebote eingeholt und den Kläger als kostengünstigsten Anbieter mit der [X.]urchführung der gemäß § 31 Abs. 2 [X.] angeordneten und veranlassten Bestattungen beauftragt hat.

[X.]as Berufungsgericht ist dennoch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die vorliegend streitgegenständliche Entscheidung der [X.]n über die [X.]urchführung der behördlich zu veranlassenden Bestattung ebenso wie die Entscheidung, ob eine Bestattung auf der Grundlage der öffentlich-rechtlichen Eingriffsermächtigung des § 31 Abs. 2 [X.] veranlasst wird, keine geschäftliche Handlung darstellt.

[X.]ass die Entscheidung der [X.]n über die Art der [X.]urchführung der behördlich zu veranlassenden Bestattung auf der Grundlage der öffentlich-rechtlichen Eingriffsermächtigung des § 31 Abs. 2 [X.] erfolgt, folgt sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung.

[X.]er insoweit maßgebliche Begriff der "Veranlassung" der Bestattung umfasst nach seinem Wortsinn nicht nur das "Ob", sondern ebenfalls die zweite Stufe der behördlichen Entscheidung über das "Wie" der Bestattung. Entsprechendes ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, Gesundheitsgefahren abzuwehren und dabei die Interessen des [X.], der die Kosten tragen muss, und die Belange des Verstorbenen im Hinblick auf eine angemessene Bestattung in würdiger und ortsüblicher [X.]orm zu berücksichtigen (vgl. [X.], NJW 1997, 3113, 3114; [X.], [X.], 995). Von diesem gesetzgeberischen Zweck und dessen Berücksichtigung im Rahmen der Ausübung des der [X.]n eröffneten Auswahlermessens nach § 31 Abs. 2 [X.] ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen. [X.]ie Revision macht nicht geltend, dass eine diesen Anforderungen genügende Bestattung nur oder zumindest in besserer Weise durch den Kläger oder andere private Bestattungsunternehmen gewährleistet werden kann und deshalb die Ausübung des Auswahlermessens auf der zweiten Stufe nicht mehr vom hoheitlichen Zweck im Sinne des § 31 Abs. 2 [X.]all 2 [X.] gedeckt ist. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die gemäß § 31 Abs. 2 [X.]all 2 [X.] behördlich zu veranlassenden Bestattungen zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren auch dann zwingend durchzuführen sind, wenn private Bestattungsunternehmen aus terminlichen Gründen oder aufgrund von Kapazitätsproblemen dazu im Einzelfall nicht in der Lage sein sollten.

Aus dem Umstand, dass in § 31 Abs. 2 [X.]all 2 [X.] nicht ausdrücklich bestimmt ist, dass die vorliegend in Rede stehende [X.]urchführung der Bestattung durch eine Behörde oder einen Eigenbetrieb der [X.]n selbst zu erfolgen hat, sondern eine Beauftragung privater Bestattungsunternehmen mit der [X.]urchführung dieser Bestattungen gesetzlich erlaubt ist und in der Vergangenheit auch praktiziert wurde, folgt nicht, dass die [X.] bei ihrer Auswahlentscheidung auf der zweiten Stufe nicht ebenfalls aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich tätig wird. Auch die [X.]urchführung einer behördlich anzuordnenden Maßnahme durch [X.] ist jedenfalls ein der wettbewerbsrechtlichen Überprüfung [X.] hoheitliches Handeln, wenn ein Unternehmen durch privatrechtlichen Vertrag ohne eigene Entscheidungsmacht als verlängerter Arm der Verwaltungsbehörde im Rahmen der Gefahrenabwehr tätig wird (vgl. [X.], [X.], 428 Rn. 15 f. - [X.]). Lässt die öffentliche Hand solche Maßnahmen nicht (mehr) durch [X.], sondern durch einen Eigenbetrieb durchführen, liegt erst recht ein rein hoheitliches Handeln vor. So liegt es auch hier. [X.]er Grund für die Bestattungspflicht gemäß §§ 30 ff. [X.] besteht neben sittlichen Erwägungen in der Abwehr von Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung (vgl. §§ 25, 30 Abs. 5, § 36 Abs. 2, § 37 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Satz 3 [X.]). [X.]as Berufungsgericht hat - von der Revision unbeanstandet - angenommen, dass die [X.] ihren Eigenbetrieb im Rahmen der [X.]urchführung der behördlich veranlassten Bestattungen gemäß § 31 Abs. 2 [X.]all 2 [X.] wie einen verlängerten Arm ohne eigene Entscheidungsmacht tätig werden lässt. Nichts anderes gilt, wenn die [X.] statt ihres Eigenbetriebs den Kläger oder ein anderes privates Bestattungsunternehmen einschalten würde. [X.]ie Revision macht nicht geltend, dass die Beauftragung von privaten Bestattungsunternehmen in Bezug auf die Art und Weise der [X.]urchführung der behördlich veranlassten Bestattung im Sinne von § 31 Abs. 2 [X.]all 2 [X.] davon abweichen und dem privaten Bestattungsunternehmen ein weitergehender Entscheidungsspielraum zustehen würde. [X.]afür ist auch nichts ersichtlich.

cc) [X.]a die [X.] bei [X.]urchführung der gemäß § 31 Abs. 2 [X.] veranlassten Bestattungen in einem ausdrücklich öffentlich-rechtlich geregelten Bereich tätig wird, ist ihre mit dem Unterlassungshauptantrag beanstandete Praxis, insoweit ausschließlich ihren Eigenbetrieb einzusetzen, keine geschäftliche Handlung und damit einer Überprüfung anhand des Wettbewerbsrechts entzogen. Auf eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls und damit auf die von der [X.]n für ihre Praxis angeführten Motive kommt es nach alledem nicht an.

2. Entgegen der Ansicht der Revision ist der Unterlassungshauptantrag ferner nicht gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung begründet.

a) [X.]ie Revision macht geltend, die [X.] verfüge auf dem Markt der gemäß § 31 Abs. 2 [X.]all 2 [X.] veranlassten Bestattungen über ein Nachfragemonopol, da allein sie über die Informationen verfüge, aus denen sich die Notwendigkeit einer Anordnung nach dieser Vorschrift ergebe. Zudem sei nur die [X.] als zuständige Behörde zur Beauftragung von derartigen Bestattungen befugt. [X.]ie [X.] nutze dieses Monopol missbräuchlich im Sinne von § 19 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 GWB aus, indem sie private Unternehmen wie den Kläger bei der Beauftragung mit Bestattungen auf der Grundlage von § 31 Abs. 2 [X.] ohne sachlich gerechtfertigten Grund grundsätzlich nicht berücksichtige. Nach dem vom Berufungsgericht nicht zur Kenntnis genommenen Vortrag des [X.] sei dieser vor dem [X.] von der [X.]n als günstigster Anbieter von Bestattungen gemäß § 31 Abs. 2 [X.] ausgewählt worden. [X.]ie Beauftragung ihres Eigenbetriebs mit Bestattungen nach dieser Vorschrift dürfe die [X.] somit jedenfalls gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB nicht vornehmen, ohne zuvor ein Angebot des [X.] oder eines anderen privaten Bestattungsunternehmens zu berücksichtigen. Anderenfalls könne unter keinem denkbaren Gesichtspunkt davon ausgegangen werden, dass sachlich gerechtfertigte Gründe für eine Nichtberücksichtigung der privaten Bestattungsbetriebe vorlägen. [X.]amit hat die Revision keinen Erfolg.

b) Es kann auf sich beruhen, ob die öffentliche Hand als Unternehmen im Sinne des [X.] Kartellrechts tätig wird, wenn sie im Rahmen der Beschaffung Waren oder [X.]ienstleistungen nachfragt und sich dabei der [X.]ormen des Privatrechts bedient (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 19. Juni 2007 - [X.] 23/98, [X.], 252 Rn. 12 - [X.], mwN). Jedenfalls ist ein hoheitliches Handeln der öffentlichen Hand der Geltung des [X.] von vornherein entzogen (vgl. [X.], Urteil vom 25. September 2007 - [X.], [X.], 1491 Rn. 6 f. - Rettungsleitstelle; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], Kartellrecht, 3. Aufl., § 18 Rn. 2; [X.]/Möschel in [X.]/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., § 18 Rn. 3; [X.] in [X.], Kartellrecht, 3. Aufl., [X.]. § 4 Rn. 9; [X.], [X.], S. 233). [X.]ie beklagte [X.] handelt bei der im Streitfall angegriffenen Ermessensausübung im Rahmen des § 31 Abs. 2 [X.]all 2 [X.] hoheitlich. Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass ein besonderer Markt für [X.] nach § 31 Abs. 2 [X.]all 2 [X.] besteht, auf dem die [X.] gegenüber dem Kläger als marktbeherrschender oder auch nur marktstarker Nachfrage im Sinne von § 18 Abs. 1 oder § 20 Abs. 1 GWB tätig ist. [X.]er Kläger ist Bestattungsunternehmer, der seine Leistungen allgemein anbietet. [X.]er für ihn relevante Markt ist damit der [X.] für [X.]. Auf diesem Markt ist die [X.] nicht marktbeherrschend. Auch zu einer [X.] der [X.]n gemäß § 30 Abs. 1 GWB ist nichts festgestellt oder in der Revisionsbegründung ausgeführt.

IV. Aus den vorstehenden Gründen ist der [X.] ebenfalls unbegründet.

V. [X.]anach ist die Revision gegen das Berufungsurteil auf Kosten des [X.] (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.

Büscher      

        

Schaffert      

        

[X.]

        

Löffler      

        

Schwonke      

        

Meta

I ZR 162/15

27.07.2017

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 17. Juli 2015, Az: 4 U 164/14

§ 2 Abs 1 Nr 1 UWG, § 31 Abs 2 Alt 2 BestattG BW

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.07.2017, Az. I ZR 162/15 (REWIS RS 2017, 7258)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 879-880 REWIS RS 2017, 7258

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