Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.05.2017, Az. VI ZR 261/16

6. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10508

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Gegenstand

Persönlichkeitsrechtsverletzung: Vererblichkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung


Leitsatz

Der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung ist grundsätzlich nicht vererblich. Dies gilt auch, wenn der Anspruch noch zu Lebzeiten des Geschädigten anhängig oder rechtshängig geworden ist (Fortführung von BGH, Urteil vom 29. April 2014, VI ZR 246/12, BGHZ 201, 45 ff.).

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des [X.] vom 10. Juni 2016 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin macht als Rechtsnachfolgerin ihres im Laufe des Verfahrens verstorbenen Ehemannes, des staatenlosen ursprünglichen [X.] (nachfolgend: Erblasser), einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch mehrere von der Beklagten im [X.] veröffentlichte Artikel geltend. Im Revisionsverfahren ist nur noch der Artikel vom 14. Mai 2010 von Interesse.

2

Der 1920 in der [X.] geborene Erblasser kämpfte im [X.] in der [X.], ehe er in [X.] Kriegsgefangenschaft geriet. Gegen ihn war erstmals in den 1970er-Jahren in den [X.] der Verdacht aufgekommen, er sei als Kollaborateur der Nationalsozialisten an der Massenermordung von [X.] in Konzentrationslagern beteiligt gewesen. In [X.] wurde ihm wegen des Vorwurfs, in den Jahren 1942 und 1943 im [X.] tätig gewesen zu sein, der Prozess gemacht. Dieser endete mit einem Freispruch. Im Mai 2011 verurteilte ihn das [X.] wegen von März bis September 1943 im [X.] erfolgter 16facher Beihilfe zum Mord an 28.060 vornehmlich aus den [X.] stammenden [X.] zu einer Freiheitsstrafe. Sowohl der Erblasser als auch die Staatsanwaltschaft legten Revision ein, über die nicht mehr entschieden wurde, weil der Erblasser am 17. März 2012 starb.

3

Die Beklagte berichtete in dem von ihr betriebenen [X.]portal regelmäßig unter voller Namensnennung über das Strafverfahren, unter anderem am 14. Mai 2010 unter der Überschrift "Vor Gericht spielt er [X.]. D. singt und lacht im Knast". Mit der im November 2011, also noch zu seinen Lebzeiten zugestellten Klage nahm der Erblasser die Beklagte im Hinblick auf diesen und eine Reihe weiterer dort veröffentlichter Artikel wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe eines [X.] von 5.100 € nebst Zinsen in Anspruch. Die Klägerin führt den Prozess als Alleinerbin fort. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht bezogen auf den Streit über den am 14. Mai 2010 veröffentlichten Artikel zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

4

Nach Ansicht des Berufungsgerichts wäre ein Anspruch des Erblassers auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nach dem maßgeblichen [X.] Recht mangels Vererblichkeit nicht im Wege der Erbfolge auf die Klägerin übergegangen. Der Anspruch auf Geldentschädigung sei auch dann nicht vererblich, wenn er vor dem Eintritt des [X.] bereits rechtshängig gemacht worden sei. Denn die Rechtshängigkeit stelle kein besonderes Kriterium dar, das eine Ausnahme vom Grundsatz der [X.] des Anspruchs erfordere. Eine Analogie zu § 847 Abs. 1 Satz 2 [X.] aF, wonach der Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld bei einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung nicht übertragbar sei und nicht auf die Erben übergehe, es sei denn, dass er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden sei (§ 847 [X.] in der Fassung vom 1. Januar 1964), komme nicht in Betracht, weil eine nicht mehr geltende Norm nicht analog angewendet werden könne und sie keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz enthalten habe. Soweit die Rechtsprechung diese Norm zur [X.] ihrer Geltung entsprechend herangezogen habe, sei dies nur zur Begründung der Unübertragbarkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung erfolgt, nicht aber zur Begründung der [X.] bzw. der Ausnahme davon nach Rechtshängigkeit. Diesbezüglich sei eine Analogie schon vor der Abschaffung dieser Norm nicht anerkannt gewesen. Der Vererblichkeit eines rechtshängig gemachten Anspruchs auf Geldentschädigung stünden damit dessen Natur, Zweck und Funktion entgegen.

5

Besondere Umstände, die eine Ausnahme vom Grundsatz der [X.] des Geldentschädigungsanspruchs geboten erscheinen ließen, seien nicht ersichtlich. Der Präventionsgedanke stehe im Streitfall nicht im Vordergrund, weil es sich entgegen der Auffassung der Klägerin um keinen Fall der Zwangskommerzialisierung des Persönlichkeitsrechts handele. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte im [X.]punkt der Berichterstattung ein baldiges Versterben des Klägers ins Kalkül gezogen und deswegen leichtfertig dessen Persönlichkeitsrecht der Berichterstattung geopfert habe. Die Dauer des Rechtsstreits sei nicht auf von der Beklagten verursachte Verzögerungen zurückzuführen.

6

Entgegen der Auffassung der Klägerin gelange ein materieller Anspruch, auf den es in Abgrenzung zum prozessualen Anspruch allein ankomme, durch Geltendmachung im Prozess nicht in eine "rechtliche Sicherheitsstufe". Die Grundrechte, das Unionsrecht und die [X.] erforderten ebenfalls keine andere Beurteilung.

II.

7

Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich selbst dann nicht vererblich ist, wenn der Erblasser erst nach Rechtshängigkeit des Anspruchs, aber vor dessen rechtskräftiger Zuerkennung stirbt.

8

1. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 1 [X.][X.] iVm Art. 1 Abs. 2 lit. g der Verordnung ([X.]) Nr. 864/2007 des [X.] und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ([X.]; ABl. [X.]) nach [X.] Recht zu beurteilen ist.

9

2. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob dem Erblasser aufgrund des Artikels vom 14. Mai 2010 gegen die Beklagte wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 [X.], Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Geldentschädigung zustand. Dies ist daher im Revisionsverfahren zu Gunsten der Klägerin zu unterstellen.

3. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein solcher - unterstellter - Anspruch nicht im Erbwege auf die Klägerin übergangen wäre.

a) Die Frage, ob ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts vererblich ist, richtet sich auf der Grundlage des für das Rechtsverhältnis maßgebenden Einzelstatuts (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Dezember 2014 - [X.], NJW 2015, 623 Rn. 28 mwN; [X.]/[X.], [X.], 2007, Art. 25 [X.][X.] Rn. 135; [X.]-[X.]/[X.], Art. 25 [X.][X.] Rn. 31 [Stand: 1. November 2015]; MünchKomm-[X.]/[X.], 6. Aufl., Art. 25 [X.][X.] Rn. 196) ebenfalls nach [X.] Recht. Auch dagegen wendet sich die Revision nicht.

b) Der erkennende [X.] hat im Urteil vom 29. April 2014 ([X.], [X.]Z 201, 45 Rn. 8 ff. - Berichterstattung über trauernden Entertainer) klargestellt, dass der Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich nicht vererblich ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Erblasser vor Rechtshängigkeit des anhängig gemachten Anspruchs stirbt (ebenso [X.]surteil vom 29. November 2016 - [X.], [X.], 301 Rn. 8). Soweit sich die Revision gegen dieses Urteil wendet (so auch [X.]/[X.], § 1922 Rn. 353.1 [Stand: 1. März 2017]; [X.], GRUR 2014, 957 ff.; [X.], [X.] 2014, 706 f.; MünchKomm-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 1922 Rn. 121 f.; [X.], JZ 2014, 1056 ff.; [X.]/[X.], [X.], 2017, § 1922 Rn. 311 ff.; [X.]/[X.], Jura 2016, 783, 789 ff.), sieht der [X.] keine Veranlassung, davon abzurücken. Mit ihren Argumenten hat sich der [X.] bereits in dieser Entscheidung auseinandergesetzt.

c) Die Frage, ob der Geldentschädigungsanspruch auch dann unvererblich ist, wenn der Erblasser erst nach dessen Rechtshängigkeit stirbt, konnte der erkennende [X.] dort offenlassen (aaO, Rn. 25; ebenso schon zu § 847 Abs. 1 Satz 2 [X.] aF [X.]surteil vom 4. Juni 1974 - [X.], [X.], 797, 800 - [X.]). Die Frage ist jetzt in dem Sinne zu entscheiden, dass die Rechtshängigkeit keine Ausnahme von der grundsätzlichen [X.] dieses Anspruchs rechtfertigt (ohne Differenzierung zwischen rechtshängigen und nicht rechtshängigen Ansprüchen gegen die Vererblichkeit auch [X.]/[X.], [X.], § 12 Rn. 118 [Stand: 1. Februar 2017]; [X.]/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl., Rn. 1011 ff.; [X.]/Klass, [X.], 14. Aufl., Anhang zu § 12 Rn. 320; [X.], Medienrecht, 17. Aufl., [X.]. 4 Rn. 157; jurisPK-[X.]/[X.]/[X.], § 253 Rn. 47 [Stand: 1. Dezember 2016]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 2008, § 51 Rn. 28; [X.]/[X.], Presserecht, 6. Aufl., § 6 LPG Rn. 344; NK-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 823 Rn. 245; [X.]/[X.], [X.], 76. Aufl., § 1922 Rn. 36; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 1922 Rn. 48; [X.] in [X.]/[X.], Handbuch des Presserechts, 6. Aufl., 44. [X.]. Rn. 43b; offen gelassen von [X.] InfoMedienR/[X.], § 823 [X.] Rn. 306 [Stand: 1. Februar 2017]; gegen einen Einfluss des [X.] auch [X.]/[X.], Jura 2016, 783, 790; für eine Vererblichkeit nach Rechtshängigkeit [X.] in [X.], Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., [X.]. 14 Rn. 140; [X.] in [X.]/[X.], Presserecht, 5. Aufl., § 32 Rn. 23; [X.] 1 [sub. D.]; Beater, Medienrecht, 2. Aufl., Rn. 2166).

aa) Der erkennende [X.] hält daran fest, dass sich aus der Streichung des bis zum 30. Juni 1990 geltenden § 847 Abs. 1 Satz 2 [X.] - ebenso wie aus der Streichung des § 34 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] (Gesetz über den [X.] in der Fassung vom 26. Juni 1981, [X.]l. I S. 553, beide gestrichen durch Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und anderer Gesetze vom 14. März 1990, [X.]l. I S. 478) und des § 1300 Abs. 2 [X.] (§ 1300 aufgehoben durch Art. 1 Nr. 1 Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4. Mai 1998, [X.]l. [X.]) - kein Wille des Gesetzgebers ableiten lässt, den Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vererblich auszugestalten ([X.]surteil vom 29. April 2014 - [X.], [X.]Z 201, 45 Rn. 14 ff.; BT-Drucks. 11/4415, [X.], 4; kritisch [X.], [X.] 2014, 706 f.; [X.], [X.], 10, 12). Erst recht lässt sich deshalb kein Wille des Gesetzgebers feststellen, dass ein grundsätzlich unvererblicher Anspruch im Falle seiner Rechtshängigkeit entsprechend § 847 Abs. 1 Satz 2 [X.] aF ausnahmsweise vererblich sein solle. Die Begründung des [X.] eines [X.] zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, durch das der Schmerzensgeldanspruch vom Deliktsrecht (§ 847 [X.] aF) in das allgemeine Schadensrecht (§ 253 Abs. 2 [X.]) überführt wurde, stellt ausdrücklich klar, dass der auf den Schutzauftrag aus Artikel 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgehende Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von den §§ 847, 253 [X.] geltenden Rechts unabhängig ist, so dass Änderungen dieser Vorschriften ihn auch nicht tangieren können (BT-Drucks. 14/7752, S. 24 f.).

bb) Die Rechtsordnung enthält keinen allgemeinen Grundsatz, aus dem die Vererblichkeit rechtshängig gemachter Ansprüche ableitbar wäre.

(1) Materiellrechtlich entfaltet die Rechtshängigkeit zwar rechtserhaltende Wirkungen, wenn eine Rechtsnorm die Durchsetzbarkeit oder den Bestand eines Rechts, regelmäßig eines Anspruchs, ausschließt, sofern das Recht nicht innerhalb einer bestimmten Frist rechtshängig gemacht wird (vgl. [X.] in [X.], ZPO, 23. Aufl., § 262 Rn. 6 ff.; [X.] in [X.]/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 262 Rn. 9; [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 14. Aufl., § 262 Rn. 1). Motiv dieses Zusammenspiels von [X.] und Rechtserhalt ist typischerweise, dass der Schuldner oder [X.] nach einer bestimmten [X.] Klarheit darüber erhalten soll, ob das Recht verfolgt wird oder nicht. Besonders deutlich wird dies am [X.] des § 204 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Da die Verjährungsvorschriften dem Rechtsfrieden, der Rechtsklarheit und dem Zweck dienen, den Schuldner vor Beweisnöten zu bewahren, die mit einem zu langen zeitlichen Abstand zum Entstehen des Anspruchsgrunds eintreten können (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Dezember 2014 - [X.] 181/13, NJW 2015, 1014 Rn. 46; Urteil vom 22. April 2010 - [X.], NJW 2011, 218 Rn. 25; jeweils mwN), verjährt ein Anspruch nicht, wenn er innerhalb der laufenden Verjährungsfrist gerichtlich geltend gemacht wird. Entsprechendes gilt für andere Normen, die für die gerichtliche Geltendmachung eine bestimmte Frist setzen (vgl. etwa § 562b Abs. 2 Satz 2, § 801 Abs. 1 Satz 3, § 864 Abs. 1, § 977 Satz 2, § 1002 Abs. 1, § 1965 Abs. 2 Satz 1 [X.], § 440 Abs. 3 HGB). Bei der Frage der Vererblichkeit eines Geldentschädigungsanspruchs wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts stellt sich dieser [X.] aber nicht. Hier geht es nicht darum, dass der Anspruch aus Gründen des Rechtsfriedens, der Rechtsklarheit oder zum Schutz des Verletzers zu Lebzeiten des Verletzten geltend gemacht werden muss, um [X.] zu verhindern. Vielmehr folgt die [X.] unabhängig von der Schutzwürdigkeit des Verletzers oder des Rechtsverkehrs aus der Funktion dieses Geldentschädigungsanspruchs (vgl. [X.]surteil vom 29. April 2014 - [X.], [X.]Z 201, 45 Rn. 17 ff.).

(2) Der Rechtshängigkeit kann zwar auch eine rechts(ver)stärkende Wirkung zukommen (vgl. [X.] in [X.]/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 262 Rn. 11; [X.] in [X.], ZPO, 23. Aufl., § 262 Rn. 16). Soweit man § 847 Abs. 1 Satz 2 [X.] aF und § 1300 Abs. 2 [X.] eine solche Wirkung entnahm, ist diese aber bereits durch deren Streichung gegenstandslos geworden. Abgesehen davon wurde mit § 847 Abs. 1 Satz 2 aF [X.] nicht das Ziel verfolgt, einen grundsätzlich unvererblichen Anspruch ausnahmsweise vererblich auszugestalten. Vielmehr schuf der historische Gesetzgeber diese Norm, weil er es als etwas Anstößiges ansah, den Erben die Verfolgung eines Anspruchs zu gestatten, an dessen Geltendmachung der Verletzte vielleicht nicht dachte, sei es, weil er den betreffenden Schaden gar nicht empfunden hatte, sei es, weil er aus persönlichen Rücksichten die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen wünschte. Nur aus Gründen praktischer Zweckmäßigkeit zur Vermeidung der sonst zu [X.] Streitigkeiten hielt es der Gesetzgeber für ratsam, den Übergang des Anspruchs auf die Erben nicht schon dann zuzulassen, wenn der Verletzte die Geldentschädigung nur außergerichtlich verlangt hatte, sondern nur dann, wenn der Anspruch vertragsmäßig anerkannt oder rechtshängig geworden war ([X.]/[X.], Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse, §§ 652-853, 1983, 25. Titel, Unerlaubte Handlungen, [X.], [X.] 2836; siehe auch Motive, [X.], S. 802 = Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das [X.], [X.], [X.]; dazu ferner [X.]surteil vom 6. Dezember 1994 - [X.], NJW 1995, 783). Dem Erben sollte mithin nur dann die [X.] gestattet werden, wenn erstens der Wille des Verletzten hierzu klar erkennbar war und zweitens Streit über die Äußerung dieses Willens ausgeschaltet werden konnte (so der Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze, BT-Drucks. 11/5423, S. 4).

cc) Für die Frage, ob der Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundsätzlich vererblich ist, ist deshalb sowohl vor als auch nach der Rechtshängigkeit allein dessen Funktion maßgebend. Der erkennende [X.] hat bereits mehrfach klargestellt, dass bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung - anders als beim Schmerzensgeld - regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund steht (vgl. [X.]surteile vom 29. April 2014 - [X.], [X.]Z 201, 45 Rn. 18; vom 6. Dezember 2005 - [X.], [X.]Z 165, 203, 206; vom 5. Oktober 2004 - [X.], [X.]Z 160, 298, 302; jeweils mwN), während der Präventionsgedanke die Gewährung einer Geldentschädigung nicht alleine zu tragen vermag (vgl. [X.]surteile vom 29. April 2014 - [X.], [X.]Z 201, 45 Rn. 19; vom 6. Dezember 2005 - [X.], [X.]Z 165, 203, 207; vom 5. März 1974 - [X.], [X.], 756, 758). Der [X.] hat deshalb für die Frage der Vererblichkeit eines bereits anhängigen Entschädigungsanspruchs ausgeführt, dass die Anhängigkeit einer auf Geldentschädigung gerichteten Klage nichts daran ändert, dass die von der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung mit dem Tod des Verletzten an Bedeutung verliert ([X.]surteil vom 29. April 2014 - [X.], [X.]Z 201, 45 Rn. 24). Aus dem Gedanken der Genugtuung folgt weiter, dass auch ein rechtshängiger Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht vererblich ist. Denn ebenso wenig wie der Erblasser Genugtuung bereits mit der Einreichung der Klage erlangt, erlangt er sie mit deren Zustellung (vgl. [X.], NJW 2014, 2831, 2833; MünchKomm-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 1922 Rn. 122; [X.], [X.] 22/2014 [X.]. 1 [sub. [X.]]; [X.], [X.], 359158 [sub. 2]). Sie tritt erst mit der rechtskräftigen Zuerkennung eines Anspruchs auf Geldentschädigung ein. Denn mit der Rechtskraft und nicht - wie die Revision meint - mit der Zustellung der Klage, mit der allenfalls eine Aussicht auf Genugtuung entsteht, wird eine gesicherte Position erlangt. Der [X.] hat in dem Urteil vom 29. April 2014 ([X.], aaO, Rn. 18) formuliert, sterbe der Erblasser, bevor sein Entschädigungsanspruch erfüllt worden sei, verliere die mit der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung regelmäßig ebenfalls an Bedeutung. Daraus kann nicht abgeleitet werden, Genugtuung werde erst mit der Erfüllung erlangt (aA [X.], [X.], 359158 [sub. 2.]; [X.], GRUR 2014, 957, 958). Stirbt der Erblasser nach Rechtskraft der Entscheidung, geht der rechtskräftig zuerkannte Anspruch auf seinen Erben über.

[X.]     

       

Oehler     

       

Roloff

       

Müller     

       

Klein     

       

Meta

VI ZR 261/16

23.05.2017

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 10. Juni 2016, Az: I-16 U 89/15

§ 823 Abs 1 BGB, Art 1 GG, Art 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.05.2017, Az. VI ZR 261/16 (REWIS RS 2017, 10508)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 3004 WM2017,1623 REWIS RS 2017, 10508


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 1789/17

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 1789/17, 28.09.2017.


Az. VI ZR 261/16

Bundesgerichtshof, VI ZR 261/16, 23.05.2017.


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I - 16 U 89/15 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


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