Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.04.2013, Az. II R 12/11

2. Senat | REWIS RS 2013, 6584

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Gegenstand

Bewertung einer Gesellschafterforderung für Zwecke der Erbschaftsteuer (Rechtslage bis zum 1. Januar 2009)


Leitsatz

Für die Wertermittlung des Betriebsvermögens für Zwecke der Erbschaftsteuer sind bis zum 1. Januar 2009 die Steuerbilanzwerte maßgebend, die unter Zugrundelegung der ertragsteuerrechtlichen Bilanzierungs- und Gewinnermittlungsvorschriften zutreffend sind.

Erwirbt der Erbe eine Kommanditbeteiligung des Erblassers, ist eine zum Sonderbetriebsvermögen des Erblassers gehörende Forderung gegenüber der Gesellschaft beim Erben im Falle des Fortbestehens der Gesellschaft mit dem Nennwert der Besteuerung zugrunde zu legen, selbst wenn die Forderung zum Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers wertlos ist.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe seines am 2. August 2002 verstorbenen Groß- und Adoptivvaters. Zum Nachlass gehörte u.a. eine Kommanditbeteiligung des Erblassers an der [X.] ([X.]). Die [X.] war Inhaberin eines Erbbaurechts an einem Grundstück mit aufstehender Hotelanlage. Der Erblasser war Eigentümer des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks. Anfang 1993 vermietete der Erblasser der [X.] weitere Grundstücksflächen zum Zwecke des Betriebs eines Golfplatzes.

2

Die Ansprüche des Erblassers gegenüber der [X.] auf Erbpachtzinsen für das [X.], auf Zahlung der Pachten für den Golfplatz und auf Provisionen für übernommene Bürgschaften wurden auf einem Verrechnungskonto des Erblassers verbucht. Das Guthaben auf diesem Konto belief sich ausweislich der Bilanz zum 31. Dezember 2001 auf 711.517,46 €. Nach dem Tod des Erblassers wurde für die [X.] ein Notgeschäftsführer bestellt. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] wurde am 12. November 2002 eröffnet und am 23. Januar 2006 mangels kostendeckender Masse eingestellt.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte mit [X.] vom 9. Dezember 2003 die Erbschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 2.601.346 € fest. Im [X.] an eine Außenprüfung setzte das [X.] die Erbschaftsteuer mit [X.] vom 4. Mai 2006 auf 2.711.232 € fest. Es vertrat dabei u.a. die Auffassung, dass die Forderung des Erblassers gegenüber der [X.] als Sonderbetriebsvermögen mit dem Nennwert zu erfassen sei.

4

Auf den Einspruch des [X.] setzte das [X.] die Erbschaftsteuer wegen geänderter [X.] durch Einspruchsentscheidung vom 2. Juni 2008 auf 2.466.796 € herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die dagegen erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) gab ihr insoweit statt, als es eine bislang vom [X.] nicht berücksichtigte Bürgschaftsverpflichtung als Nachlassverbindlichkeit anerkannte. Im Übrigen, also insbesondere wegen des Ansatzes der Gesellschafterforderung, wies es die Klage ab. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1009 veröffentlicht.

5

Mit der Revision wendet sich der Kläger gegen den Ansatz der Forderung des Erblassers gegenüber der [X.]. Seiner Ansicht nach sei diese bereits am Todestag wertlos gewesen. Dies ergebe sich aus der kurzfristig nach dem Tod des Erblassers eröffneten Insolvenz infolge der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Gesellschaft.

6

Mit [X.] vom 6. April 2011 setzte das [X.] die Entscheidung des [X.] inhaltlich um und die Erbschaftsteuer auf 2.302.162 € herab.

7

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den [X.] über Erbschaftsteuer vom 6. April 2011 dahingehend zu ändern, dass die Erbschaftsteuer in Höhe von 2.138.517 € festgesetzt wird.

8

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist aus verfahrensrechtlichen Gründen begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das [X.] zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). An die Stelle des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids vom 4. Mai 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Juni 2008, über den das [X.] entschieden hat, ist während des Revisionsverfahrens der Bescheid vom 6. April 2011 getreten. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben (Urteile des [X.] --[X.]-- vom 2. März 2011 II R 5/09, [X.], 1147, Rz 23, und vom 28. Juni 2012 III R 86/09, [X.], 68, Rz 8, jeweils m.w.[X.]). Da das finanzgerichtliche Urteil nicht an einem Verfahrensmangel leidet, fallen die tatsächlichen Feststellungen des [X.] nicht weg und bilden die Grundlage für die Entscheidung des [X.] ([X.]-Urteile in [X.], 1147, Rz 23, und in [X.], 68, Rz 9, jeweils m.w.[X.]).

III.

Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen. Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid in Gestalt des Änderungsbescheids vom 6. April 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zutreffend hat das [X.] die Gesellschafterforderung in Höhe von 711.517,46 € in die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer einbezogen.

1. Nach § 12 Abs. 5 Satz 2 des [X.] ([X.]) in der im Streitjahr geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 ([X.] 1997, 378, [X.], 298) --a.[X.] sind die §§ 95 bis 99, 103, 104 und 109 Abs. 1 und 2 und § 137 des [X.]es ([X.]) in der im Streitjahr geltenden Fassung (a.[X.]) für die Bewertung des Betriebsvermögens zu Erbschaftsteuerzwecken entsprechend anzuwenden; maßgebend für die Bewertung sind die Verhältnisse zur [X.] der Entstehung der Steuer (§ 12 Abs. 5 Satz 1 [X.] a.[X.]). Nach § 109 Abs. 1 [X.] a.[X.] sind bei bilanzierenden Steuerpflichtigen die zu dem Gewerbebetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter mit den [X.]n anzusetzen.

2. Das Betriebsvermögen umfasst gemäß § 95 Abs. 1 [X.] a.[X.] alle Teile eines Gewerbebetriebs i.S. des § 15 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass sich der Umfang des Betriebsvermögens weitgehend danach richtet, was [X.] dem Betriebsvermögen zugerechnet wird ([X.]-Beschluss vom 27. Januar 1999 II B 7/98, [X.]E 187, 332, [X.] 1999, 206; [X.]-Urteil vom 31. März 2004 II R 67/01, [X.]/NV 2004, 1074). Zum Betriebsvermögen gehören danach grundsätzlich alle Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze sowie Schulden und sonstigen Abzüge einschließlich des Sonderbetriebsvermögens einzelner Gesellschafter (§ 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 [X.] a.[X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, [X.], 2. Aufl., § 12 [X.] Rz 38).

3. Für die Bestands- und Wertermittlung des Betriebsvermögens für Zwecke der Festsetzung von Erbschaftsteuer sind die [X.] maßgebend, die unter Zugrundelegung der [X.]en Bilanzierungs- und Gewinnermittlungsvorschriften zutreffend sind bzw. richtigerweise anzusetzen gewesen wären ([X.]-Urteile vom 5. Mai 2010 II R 16/08, [X.]E 230, 188, [X.] 2010, 923, und vom 1. September 2011 II R 67/09, [X.]E 239, 137, [X.] 2013, 210; [X.], [X.], 1205). Maßgebend für die Bewertung von Forderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft ist dabei der Steuerbilanzwert, der in einer auf den [X.]punkt des Todes des Gesellschafters erstellten [X.] und korrespondierend als [X.] in der Bilanz der Gesellschaft enthalten ist oder auszuweisen gewesen wäre (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 230, 188, [X.] 2010, 923 zum Fall einer Pensionsverpflichtung).

4. Durch die Rechtsprechung ist geklärt, dass der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft bei Sondervergütungen einer Personengesellschaft an einen ihrer Gesellschafter in der Weise ermittelt wird, dass die in der Steuerbilanz der Gesellschaft passivierte Verbindlichkeit zur Zahlung der Sondervergütung durch einen gleich hohen Aktivposten in der [X.] des begünstigten Gesellschafters ausgeglichen wird ([X.]-Beschluss vom 9. Dezember 2009 IV B 129/08, [X.]/NV 2010, 640, m.w.[X.]). Die in der [X.] zu bildende Forderung des Gesellschafters wird in der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft wie Eigenkapital behandelt. Auch wenn feststeht, dass die Forderung wertlos ist, folgt aus der Behandlung als Eigenkapital, dass eine Wertberichtigung während des Bestehens der Gesellschaft nicht in Betracht kommt. Der Verlust im Sonderbetriebsvermögen [X.] wie der Verlust der Einlage in das [X.] wird grundsätzlich erst im [X.]punkt der Beendigung der Mitunternehmerstellung realisiert (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Urteil vom 1. März 2005 VIII R 5/03, [X.]/NV 2005, 1523, m.w.[X.], und [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2010, 640).

5. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die auf den Kläger übergegangene Forderung des Erblassers gegen die Gesellschaft zutreffend mit dem Nennwert bei der Bemessung der Erbschaftsteuer angesetzt worden. Bei dem Verrechnungskonto handelt es sich um eine Forderung des Gesellschafters, die ertragsteuer-rechtlich wie Eigenkapital behandelt wird. Das Guthaben auf dem Konto wurde [X.] zutreffend in der [X.] des Erblassers auf den 31. Dezember 2001 und in der Zwischenbilanz auf den Todeszeitpunkt in Höhe von 711.517,46 € angesetzt. Dieser Wert aus der Steuerbilanz war gemäß § 12 Abs. 5 Satz 2 [X.] a.[X.]. §§ 95, 97, 109 [X.] a.[X.] bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer zugrunde zu legen. Auf den tatsächlichen Wert der Forderung kommt es nach dem Verweis auf die [X.] in § 109 Abs. 1 [X.] a.[X.] nicht an. Selbst wenn die Forderung wertlos gewesen wäre, wäre eine Wertberichtigung im Todeszeitpunkt [X.] nicht möglich gewesen, denn zu diesem [X.]punkt bestand die Gesellschaft fort. Diese Grundsätze sind auch für die Erbschaftsteuer maßgeblich. Anhaltspunkte für eine Übermaßbesteuerung sind nicht ersichtlich.

Aus dem Beschluss des [X.] ([X.]) vom 7. November 2006  1 BvL 10/02 ([X.]E 117, 1, [X.] 2007, 192) folgt entgegen der Ansicht des [X.] nichts anderes. Zwar hat das [X.] aufgrund der unterschiedlichen Bewertung einzelner Wirtschaftsgüter die Unvereinbarkeit der Tarifvorschrift des § 19 Abs. 1 [X.] a.[X.] mit dem Grundgesetz festgestellt. Es hat aber diese Vorschrift nicht für nichtig erklärt (§ 78 des [X.]gesetzes), sondern ihre weitere Anwendung für Besteuerungszeitpunkte bis zum 31. Dezember 2008 zugelassen. Somit ist § 12 Abs. 5 [X.] a.[X.]. § 109 Abs. 1 [X.] a.[X.] auch im Streitjahr anwendbar.

Meta

II R 12/11

17.04.2013

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 27. Januar 2011, Az: 3 K 2476/08 Erb, Urteil

§ 12 Abs 5 S 2 ErbStG 1997, § 95 Abs 1 BewG 1991, § 97 Abs 1 S 1 Nr 5 S 2 BewG 1991

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.04.2013, Az. II R 12/11 (REWIS RS 2013, 6584)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6584

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