Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.03.2022, Az. VIII S 10/21

Die Anhörungsrüge der Kläger, Beschwerdeführer und [X.] ([X.]) ist unbegründet.

1. Der Senat geht zugunsten der [X.] von einer fristgerecht erhobenen Rüge aus.

a) Gemäß § 133a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) ist die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben. Auf den Zugang der Entscheidung kommt es nicht an. § 133a Abs. 2 Satz 3 [X.]O, der nur die Bekanntgabe, nicht aber die Kenntnisnahme betrifft, findet in diesem Zusammenhang keine Anwendung (vgl. etwa Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 15.12.2014 - [X.], [X.], 508, und vom 04.05.2020 - VII S 39/19, [X.], 1080, Rz 3). Da die Frage, wann der [X.] nach diesen Grundsätzen von der Verletzung des rechtlichen Gehörs Kenntnis erlangt hat, nur von ihm selbst beantwortet werden kann, also in seine Sphäre bzw. seinen Wahrnehmungsbereich fällt, hat ihm der Gesetzgeber in § 133a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 [X.]O aufgegeben, den Zeitpunkt der Kenntniserlangung glaubhaft zu machen. Eine Glaubhaftmachung kann z.B. durch eine anwaltliche Versicherung erfolgen, in der die konkreten Umstände substantiiert und in sich schlüssig dargelegt werden. Allerdings ist auch eine substantiierte und in sich schlüssige anwaltliche Versicherung --ebenso wie eine eidesstattliche [X.] nur dann uneingeschränkt zur Glaubhaftmachung eines Sachverhalts geeignet, wenn keine weiteren Mittel der Glaubhaftmachung zur Verfügung stehen oder wenn dargelegt wird, weshalb objektive Beweismittel nicht vorgelegt werden können ([X.] in [X.], 1080, Rz 5).

b) Auf dieser Grundlage geht der Senat mit den [X.]n davon aus, dass diese vom Inhalt des Senatsbeschlusses vom 19.05.2020 - VIII B 126/19 ([X.], 1264) erst ab dem 17.05.2021 Kenntnis nehmen konnten, weil der am 17.09.2020 formlos mit einfachem Brief übersandte Beschluss den [X.]n nicht zugegangen ist. Zwar wird in der Rechtsprechung auch erwogen, dass es der positiven Kenntnis gleichstehen kann, wenn der Betroffene sich dieser bewusst verschließt und eine gleichsam auf der Hand liegende Kenntnisnahmemöglichkeit, die jeder andere in seiner Lage wahrgenommen hätte, nicht wahrnimmt ([X.] in [X.], 1080, Rz 3, m.w.N.). Eine solche fiktive Kenntnisnahme des Beschlussinhalts ist hier aber zu Lasten der [X.] nicht anzunehmen. Sie tragen vor, sie hätten erst im Oktober 2020 aufgrund der Schlussrechnung des [X.] zum [X.] von der möglichen Existenz eines Beschlusses erfahren, dann aber zugewartet, wann dieser ihnen zugehe und schließlich im Mai 2021 beim [X.] nachgefragt. Mangels konkreter Anhaltspunkte, dass die [X.] anhand der Schlussabrechnung sicher erkannt hatten, dass der Beschluss schon zuvor ergangen sein musste, ist eine frühere fiktive Kenntnisnahme der [X.] nicht anzunehmen.

c) Bei einer Kenntnisnahme des Beschlussinhalts am 20.05.2021 haben die [X.] die Rüge fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Frist gemäß § 133a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]O erhoben. Auch die Jahresfrist seit der Bekanntgabe des Beschlusses (§ 133a Abs. 2 Satz 2 [X.]O), die am 17.09.2020 mit der Absendung des Beschlusses vom 19.05.2020 durch die [X.] in Gang gesetzt wurde, ist eingehalten worden.

2. Die Anhörungsrüge ist jedoch unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Sätze 2 und 3 [X.]O), weil kein Gehörsverstoß des Senats i.S. des § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]O erkennbar ist.

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör i.S. von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und § 96 Abs. 2 [X.]O verpflichtet das Gericht u.a., die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit [X.] des Vorbringens auseinanderzusetzen. Dabei ist das Gericht naturgemäß nicht verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. Beschluss des [X.] vom 11.06.2008 - 2 BvR 2062/07, [X.], 1056). Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 [X.]O sind erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 28.08.2019 - IX S 18/19, [X.], 25, und vom 20.08.2020 - IX S 3/20, [X.]NV 2021, 37) oder wenn das Gericht den Hinweis auf einen entscheidungserheblichen rechtlichen Gesichtspunkt unterlässt, mit dem auch ein gewissenhafter und rechtskundiger [X.] nicht zu rechnen braucht ([X.] vom 22.11.2019 - II S 11-13/19 und [X.], [X.], 368, Rz 9).

b) Nach diesem Maßstab hat der Senat den Anspruch der [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht verletzt.

aa) In den unter 1. bis 6. im Schriftsatz vom 04.06.2021 dargelegten [X.] machen die [X.] jeweils geltend, dass der Senat ihrer Beschwerdebegründung nicht gefolgt sei und das Vorliegen eines [X.], insbesondere von geltend gemachten Verfahrensfehlern des [X.], verneint habe. Aus dem Vorbringen der [X.] geht damit zugleich hervor, dass der Senat sich mit ihren in der Beschwerdebegründung geäußerten Rechtsansichten auseinandergesetzt hat. Da sie im Rahmen der Rüge ihr Vorbringen aus der Beschwerdebegründung nur wiederholen, wenden sich die [X.] durchgehend gegen die materielle Richtigkeit der Senatsentscheidung, die Revision nicht zuzulassen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Verfahren der Revisionszulassung kann nämlich nur dann i.S. von § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]O in entscheidungserheblicher Weise verletzt sein, wenn der [X.] ein Vorbringen im Zusammenhang mit der Darlegung von Gründen für die Zulassung der Revision i.S. von § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 [X.]O nicht zur Kenntnis genommen und nicht in Erwägung gezogen hat. Eine Gehörsverletzung liegt aber nicht vor, wenn --wie hier-- der Vortrag seitens des Gerichts zur Kenntnis und dazu in der angefochtenen Entscheidung auch Stellung genommen wurde ([X.] in [X.], 25). Hat sich der Senat mit der im [X.] geäußerten Rechtsansicht befasst und wiederholt --wie auch vorliegend-- der [X.] seine Ausführungen aus der Beschwerdebegründung im Rahmen der Anhörungsrüge, macht er keinen Gehörsverstoß geltend, sondern wendet sich in unbeachtlicher Weise gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung in der Nichtzulassungsbeschwerde ([X.]-Beschlüsse vom 10.05.2016 - III S 10/16, [X.]NV 2016, 1290, Rz 4, 10, und in [X.]NV 2021, 37, Rz 6).

bb) Soweit die [X.] sich in ihrem Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren verletzt sehen, ist die Rüge ebenfalls unbegründet. Das [X.] leitet in ständiger Rechtsprechung aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes den Anspruch auf ein faires Verfahren als "allgemeines Prozessgrundrecht" ab. Danach muss der [X.] das Verfahren so gestalten, wie die Parteien bzw. Beteiligten es von ihm erwarten dürfen. Danach ist er allgemein zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation verpflichtet (vgl. [X.]-Beschlüsse vom [X.], Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1998, 2044, unter [X.], und vom 18.07.2013 - 1 BvR 1623/11, NJW 2014, 205, Rz 20, jeweils m.w.N.; [X.]-Beschlüsse vom 05.02.2014 - X B 138/13, [X.]NV 2014, 720, Rz 25, und vom 16.06.2020 - VIII B 151/19, [X.]E 268, 534, [X.], 715, Rz 15). Die [X.] sehen einen Verstoß des Senats gegen das Gebot der fairen Verfahrensführung darin, dass der Senat ihrem rechtlichen Vorbringen in willkürlicher Weise nicht gefolgt und die Revision weder wegen einer Divergenz noch wegen eines Verfahrensfehlers zugelassen hat. Sie wiederholen damit im [X.] ihre Kritik an der materiellen Entscheidung des Senats, legen aber nicht dar, in welcher Hinsicht im [X.] eine unfaire Verfahrensführung vorgelegen haben soll.

3. Soweit die [X.] mit der Anhörungsrüge vorbringen, der Senat habe ihren Anspruch auf den gesetzlichen [X.] (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt, weil er die Revision nicht zugelassen habe, ist diese Rüge unzulässig. Denn im Verfahren nach § 133a [X.]O kann nur die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gerügt werden ([X.]-Beschlüsse vom 22.09.2021 - X S 15/21, [X.]NV 2022, 125, Rz 17, und vom 05.12.2019 - V S 24/19, [X.], 372, Rz 11).

4. Die Entscheidung über die Kosten dieses Verfahrens beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O. Die Gerichtskosten richten sich nach Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz --GKG-- (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Es fällt eine Festgebühr von 66 € an.