Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2005, Az. VI ZR 137/04

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1881

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.]/04 Verkündet am: 13. September 2005 [X.], Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja

[X.] § 21 f Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1

a) Verhinderung des Vorsitzenden im Sinne des § 21 f Abs. 2 Satz 1 [X.] ist nur eine vorübergehende Verhinderung. Unzulässig ist deshalb die dauernde oder für eine unabsehbare [X.] erfolgende Vertretung des ordentli[X.] Vorsitzenden.
b) Wann aus der vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkrankung eine dau-ernde wird, ist eine unter Berücksichtigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 [X.] zu beantwortende Frage des Einzelfalls. Jedenfalls dann, wenn der ordentliche [X.] über ein ganzes Geschäftsjahr wegen Krankheit dienstunfähig war, hat das Präsidium vor der Aufstellung des [X.] für das nächste Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um die Frage nach der voraussichtli[X.] Fortdauer der Verhinderung zu klären. Kann hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer [X.] gerechnet werden, muss das Präsidium von einer dauernden Verhinderung [X.] und dies bei der Aufstellung des [X.] für das nächste Geschäftsjahr berücksichtigen.
[X.], Urteil vom 13. September 2005 - [X.]/04 - OLG Frankfurt a.M.

LG Frankfurt a.M.
- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.] und [X.] [X.], [X.], Pauge und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des [X.] vom 29. April 2004 aufge-hoben, soweit es über die Klage entschieden hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Gerichtskosten, von deren Erhebung abgese-hen wird, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

- 3 - Tatbestand: Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung von 70 Millionen DM, die sie an die Beklagte als Entschädigung für verlorene Aktien auf der Grundlage des Wertpapierbereinigungsschlussgesetzes gezahlt hat. Sie behauptet, die Beklagte habe den der Auszahlung zugrundeliegenden Be-schluss des [X.] vom 18. Dezember 1989 durch [X.] erschli[X.]. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat ihr auf die Berufung der Klägerin stattgegeben und die Revision zugelassen, mit der die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Soweit das Berufungsgericht eine Widerklage abgewiesen hat, nimmt die Beklagte das Ur-teil hin. Entscheidungsgründe: 1. Die von der Revision erhobene Rüge, das Berufungsgericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 547 Nr. 1 ZPO), hat Erfolg. a) Vorsitzender des als Berufungsgericht entscheidenden 16. Zivilsenats des [X.]s Frankfurt am Main war nach dem [X.] für das [X.] - wie auch schon in den Jahren zuvor [X.] am [X.] [X.]. Als Vertreter des Vorsitzenden war [X.] am [X.] S. bestimmt. Gemäß [X.] [X.] Ziff. 1 des Geschäftsver-teilungsplans richtete sich die Vertretung der Vorsitzenden der Senate nach § 21 f Abs. 2 [X.]. [X.] war seit Juli 2002 bis zu seinem Tod im April 2004 ohne Unterbrechung dienstunfähig erkrankt. Das Präsidium des [X.]s hatte deshalb dem 16. Zivilsenat mit Wirkung vom 5. Juni 2003 eine [X.]in - 4 - mit halber Arbeitskraft zugewiesen. Der Änderungsbeschluss zur Geschäftsver-teilung des [X.]s für das Geschäftsjahr 2003 vom 5. Juni 2003 stellte hierzu einleitend fest: "[X.] am [X.] [X.] ist noch immer auf unabsehbare [X.] erkrankt, so dass sich die Notwendigkeit der Vertretung im Vorsitz des Senats durch [X.] am [X.] S. auch weiterhin stellt". Auf Anfrage des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ant-wortete die Präsidentin des [X.]s mit Schreiben vom 1. September 2004, dass sich aus den beigezogenen Personalakten des [X.]n [X.]s am [X.] [X.] nichts Näheres über Art und Ver-lauf seiner Erkrankung ergebe. Die Dienstunfähigkeitsanzeigen und -atteste enthielten keine näheren Informationen. Auch dem Präsidium sei nur bekannt gewesen, dass [X.] wegen einer schweren Krankheit auf unabsehbare [X.] dienstunfähig gewesen sei. In zwei weiteren Schreiben teilte die Präsidentin des [X.]s mit, soweit dies möglich gewesen sei, seien Informati-onen über den Gesundheitszustand von Herrn [X.] eingeholt und an das [X.] weitergegeben worden. [X.] habe Hoffnung auf eine Besserung des Krankheitsbildes bestanden. Weiteres hat sie dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht bekannt gegeben. Die vom erkennenden Senat eingeholte amt-liche Auskunft der Präsidentin des [X.]s vom 31. Mai 2005 ent-hält gleichfalls keine näheren Angaben zur Krankheit des [X.] oder deren Verlauf. Auf das Schreiben vom 31. Mai 2005 wird wegen der Einzelheiten Bezug ge-nommen. b) Die Aufgaben des Vorsitzenden des 16. Zivilsenats des Oberlandes-gerichts sind nach dem Vortrag der Parteien und der Auskunft der Präsidentin des [X.]s über einen [X.]raum von deutlich mehr als einem Ge-schäftsjahr (Juli 2002 bis April 2004) durch den geschäftsplanmäßig bestellten Vertreter wahrgenommen worden. Im [X.]punkt der maßgebli[X.], dem ange-- 5 - fochtenen Urteil zugrundeliegenden mündli[X.] Verhandlung vom 11. März 2004 war das Berufungsgericht ohne ordentli[X.] Vorsitzenden. aa) Gemäß § 21 f Abs. 1 [X.] führen den Vorsitz in den [X.] bei den [X.]en neben den Präsidenten die Vorsitzenden [X.]. Ausschließlich bei Verhinderung des Vorsitzenden führt stellvertretend nach § 21 f Abs. 2 Satz 1 [X.] das vom Präsidium bestimmte Mitglied des [X.] den Vorsitz. Unter Verhinderung im Sinne dieser Vorschrift ist jedoch lediglich eine vorübergehende Abhaltung von der Ausübung des Vorsitzes zu verstehen. Unzulässig ist demgegenüber die dauernde oder für eine unabseh-bare [X.] erfolgende Vertretung des ordentli[X.] Vorsitzenden (st. Rspr., vgl. [X.] 16, 254, 256; 37, 210, 214; 95, 246 f.; [X.]St 21, 131, 133; [X.], Urteile vom 13. Dezember 1960 - 5 [X.] [X.]. [X.]; vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74 - NJW 1974, 1572, 1573; vom 27. September 1988 - 1 [X.] - NJW 1989, 843, 844; [X.], 470, 471; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 [X.] 4/85 - NJW 1986, 1366, 1367; Beschluss vom 11. Juli 2001 - 1 DB 20/01 - NJW 2001, 3493, 3494; vgl. bereits [X.], 280, 282 f.; [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 59 Rdn. 7; [X.]/[X.], 2. Aufl., § 59 [X.] Rdn. 9; [X.]/[X.], ZPO, 25. Aufl., § 21 f [X.] Rdn. 5; § 21 e [X.] Rdn. 39). Eine solche dauernde "Verhinderung" erfordert gegebenenfalls eine Berücksichtigung im Geschäftsverteilungsplan des laufenden Geschäfts-jahrs (vgl. § 21 e Abs. 3 Satz 1 [X.]). [X.]) In der Rechtsprechung des [X.] besteht Einigkeit dar-über, dass die Frage, ob die Verhinderung des Vorsitzenden vorübergehend oder dauernd ist, nicht losgelöst von dem Grund der Verhinderung beantwortet werden kann. Für den Fall der Erkrankung gilt, dass eine nur vorübergehende Verhinderung anzunehmen ist, wenn nach menschlicher Voraussicht mit einer baldigen Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden kann (vgl. - 6 - [X.] 16, 254, 256; [X.]/[X.], aaO, § 59 Rdn. 7; [X.]/[X.], aaO, § 21 e [X.] Rdn. 39 a), nach den ärztli[X.] Auskünften zu erwarten ist, dass der erkrankte Vorsitzende in absehbarer, nicht zu ferner [X.] seine Dienstge-schäfte wieder aufnehmen kann (vgl. [X.], Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 [X.] [X.]. [X.]) oder im [X.]punkt der Feststellung des [X.] die Rückkehr des Erkrankten erwartet werden konnte (vgl. [X.], Ur-teil vom 27. September 1988 - 1 [X.] - aaO, 844; vgl. auch Münch-Komm-ZPO/[X.], aaO, § 21 f [X.] Rdn. 4; [X.], ZPO, 21. Aufl., § 551 Rdn. 4). Allerdings wird bei einer Erkrankung eine gewisse Un-sicherheit über die Dauer der Verhinderung hinzunehmen sein, weil der Verlauf und die Dauer einer Krankheit nur in beschränktem Umfang durch ärztliche o-der sonstige menschliche Maßnahmen beeinflusst werden können und weil [X.] besteht, dass die Dauer der Verhinderung von menschli[X.] Ent-scheidungen abhängig gemacht wird, die die Belange der Rechtspflege nicht genügend berücksichtigen (vgl. [X.], [X.] 16, 254, 256 und Urteile vom 13. Dezember 1960 - 5 [X.] [X.]. [X.] f.; vom 27. September 1988 - 1 [X.] - aaO; [X.]/[X.], aaO; [X.]/[X.], [X.], 25. Aufl., § 21 f [X.] Rdn. 25). Deshalb wird eine Erkrankung auch bei längerer Dauer zunächst als vorübergehende Verhinderung angesehen, da das Ende vorausschauend meist nicht, insbesondere in der Regel nicht für den für etwai-ge Maßnahmen zuständigen Dienstvorgesetzten feststellbar ist ([X.], [X.]St 21, 131, 133; Urteil vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74 -; Urteil vom 27. September 1988 - 1 [X.] - beide aaO; [X.]/[X.], aaO, § 21 f [X.] Rdn. 25; [X.]/[X.], aaO). [X.]) Wann aus einer vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkran-kung eine dauernde Verhinderung wird, ist eine unter Berücksichtigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 [X.] zu beantwortende Frage des Einzelfalls. Der Begriff der dauernden oder vorübergehenden Verhinderung ist zwar rechtlicher - 7 - Natur und unterliegt daher der Nachprüfung des [X.]. Es hängt jedoch immer von der Würdigung der tatsächli[X.] Umstände des Einzelfalls ab, ob dieser Rechtsbegriff ausgefüllt ist (vgl. [X.], Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 [X.]). Das [X.] hat einen Fall dauernder Verhinderung bejaht, wenn bei länger dauernder Erkrankung des ordentli[X.] Vorsitzenden eines Spruchkörpers abzusehen ist, dass dieser den Vorsitz nicht wieder übernehmen werden wird, und seine demnächst zu erwartende [X.] Verhinderung durch seinen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand bestä-tigt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 [X.] 4/85 - aaO; vgl. auch [X.]/[X.], aaO, § 21 e [X.] Rdn. 39 b). Häufig werden dem Präsidium solche konkreten Anhaltspunkte für eine Beurteilung zunächst nicht zur Verfü-gung stehen. Auch bei schweren längeren Krankheiten wird es oft so sein, dass als Information über Art und Dauer der Erkrankung lediglich jeweils für einzelne [X.]abschnitte geltende Dienstunfähigkeitsbescheinigungen und Atteste vorge-legt werden, die keine Angaben über die Art der Erkrankung enthalten und über deren Dauer eine gesicherte Prognose nicht zulassen. Es liegt indes auf der Hand, dass in einem sol[X.] Fall die Frage, ob und wann die vorübergehende Verhinderung in eine dauernde übergeht, nicht unbegrenzte [X.] in der Schwe-be bleiben kann (vgl. [X.]/[X.], aaO, § 21 f [X.] Rdn. 19). Dies würde Sinn und Zweck des § 21 f Abs. 1 [X.], im Rahmen des Mögli[X.] eine zusätzliche Gewähr für die Güte und Stetigkeit der Rechtsprechung inner-halb der Spruchkörper zu schaffen, widerspre[X.]. Hierfür ist es erforderlich, dass der ordentliche Vorsitzende auch tatsächlich in der Lage ist, einen rich-tunggebenden Einfluss auf die Rechtsprechung des Spruchkörpers auszuüben, insbesondere die Kontinuität der Rechtsprechung zu gewährleisten (vgl. [X.] [GS] 37, 210 ff.). Maßgebend ist daher in der Regel, ob im Fall einer Er-krankung des Vorsitzenden nach menschlicher Voraussicht in absehbarer [X.] mit der Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden kann (vgl. [X.], - 8 - [X.] 16, 256 und Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 [X.]). Auf die Klärung dieser Frage wird das Präsidium erforderli[X.]falls bei längerer Dauer der Erkrankung vor einer Beschlussfassung hinzuwirken haben. 2. Im [X.]punkt der mündli[X.] Verhandlung vor dem [X.] lag nach diesen Grundsätzen ein Fall zulässiger Vertretung nicht vor, wobei der Sachverhalt nicht zu einer abschließenden Entscheidung nötigt, ob und wann das Präsidium bei längerer Krankheit mit nicht prognostizierbarem Ende bereits während des laufenden Geschäftsjahrs Maßnahmen nach § 21 e Abs. 3 [X.] ergreifen und einen anderen ständigen Vorsitzenden bestellen muss (vgl. [X.], [X.] 95, 246 f.; Urteil vom 27. September 1988 - 1 [X.] - aaO; KK-[X.]/Diemer, 5. Aufl., § 21 f [X.] Rdn. 3; [X.]/[X.], aaO, § 21 f Rdn. 2; § 59 Rdn. 7; [X.]/[X.], aaO, § 21 e [X.] Rdn. 16, § 21 f [X.] Rdn. 19; [X.]/[X.], aaO, § 21 f [X.] Rdn. 4 und 6; [X.]/[X.], aaO, § 21 f [X.] Rdn. 5). Jedenfalls dann, wenn der ge-schäftsplanmäßige Vorsitzende - wie hier - während eines ganzen Geschäfts-jahrs krankheitsbedingt verhindert war, muss das Präsidium vor der Aufstellung des [X.] für das nächste Geschäftsjahr die ihm zur [X.] stehenden Möglichkeiten nutzen, um die Frage nach der voraussichtli-[X.] Fortdauer der Verhinderung zu klären (vgl. auch [X.], [X.] 16, 254, 258 f. und Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 [X.] [X.]. [X.], 6). Kann hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer [X.] gerechnet werden, muss das Präsidium in einem sol[X.] Fall von einer dauernden Verhinderung ausgehen und dies bei der Aufstellung des [X.] für das nächste Geschäftsjahr berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 [X.] 4/85 - aaO). Das Präsidium ist im hier zu entscheidenden Fall im Beschluss über den Geschäftsverteilungsplan 2003 ohne erkennbare Anhaltspunkte etwa in ärztli-- 9 - [X.] Auskünften zunächst von einer nur vorübergehenden Verhinderung des Vorsitzenden [X.]s [X.] ausgegangen, obwohl dieser bei der Beschlussfas-sung schon seit Juli 2002 dienstunfähig war. In seinem Beschluss vom 5. Juni 2003 ist es dann wiederum ohne nachvollziehbare Kenntnisse über die Erkran-kung und ihre voraussichtliche Dauer im Einzelfall von einer "immer noch" ge-gebenen Verhinderung "auf unabsehbare [X.]" ausgegangen. Bei Aufstellung des [X.] für das [X.] am 17. Dezember 2003 schließlich war [X.] bereits seit etwa eineinhalb Jahren wegen Krankheit dienst-unfähig. Nach der vom erkennenden Senat eingeholten amtli[X.] Auskunft der Präsidentin des [X.]s, welche den Vortrag der Beklagten bestä-tigt, waren dem Präsidium des [X.]s auch bei dieser [X.] keine tatsächli[X.] Umstände der Erkrankung bekannt, nach denen in absehbarer [X.] mit einer Wiederaufnahme der Dienstgeschäfte durch [X.] zu rechnen gewesen wäre. Dass [X.] im April 2004 verstarb, weist im Gegenteil dar-auf hin, dass mit einer alsbaldigen Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zum damaligen [X.]punkt nicht zu rechnen war. Das Präsidium hat [X.] dennoch erneut zum Vorsitzenden des 16. Zivilsenats auch für das Geschäftsjahr 2004 bestimmt, obwohl er nach den erwähnten Grundsätzen der Rechtsprechung dauernd verhindert war. Hiernach war der 16. Zivilsenat des [X.] bei der Entscheidung über die Berufung der Klägerin nicht vor-schriftsmäßig besetzt (§ 547 Nr. 1 ZPO, § 21 f Abs. 1 [X.]). Das Berufungsurteil ist daher ohne Sachprüfung im Umfang der Anfech-tung aufzuheben (§ 562 Abs. 2 ZPO). 3. Die Parteien werden Gelegenheit haben, in der neu eröffneten Beru-fungsverhandlung dem Berufungsgericht ihre im Revisionsverfahren vorge-brachten Einwände erneut vorzutragen. Im Hinblick auf die vom Berufungsge-richt zur Begründung der Revisionszulassung aufgeworfenen Rechtsfragen - 10 - weist der erkennende Senat jedoch für den Fall, dass das Berufungsgericht er-neut zu einer Haftung der Beklagten gelangen sollte, vorsorglich auf Folgendes hin: a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann demje-nigen, der einen Vermögensschaden erlitten hat, weil ein anderer unter Irrefüh-rung des Gerichts arglistig eine unrichtige Entscheidung gegen ihn erschli[X.] hat, ungeachtet deren Rechtskraft unter strengen Voraussetzungen ein [X.] auf Schadensersatz nach § 826 [X.] zustehen. Die Rechtskraft muss dann zurücktreten, wenn ihre Ausnutzung mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre (Senatsurteile vom 15. Dezember 1964 - [X.] ZR 214/63 - [X.], 277, 278 und vom 15. November 1994 - [X.] ZR 2/94 - [X.], 228, 229; ebenso [X.] 40, 130, 132 f.; 50, 115, 117; 101, 380, 383 f.; für das Wertpapierbereinigungsverfahren vgl. [X.], Urteil vom 27. Juni 1968 - [X.] - [X.], 969, 970). Dieser Schadensersatzanspruch kann gegenüber rechtskräftigen [X.], aber auch gegenüber Urteilen der Arbeits- und Sozialgerichte geltend gemacht werden (vgl. [X.], 251, 253 m.w.[X.] und [X.], 88, 98 f.; [X.] in: 50 Jahre [X.], [X.], [X.], 373; zur Anwendung auf andere der Rechtskraft fähige Titel vgl. die Nachweise bei [X.][X.], 4. Aufl., § 826 Rdn. 137; Soergel/Hönn/[X.], [X.], 12. Aufl., § 826 Rdn. 238 f.; [X.]/[X.], [X.], 13. Bearbeitung, § 826 Rdn. 541 f.). Gründe dafür, dass anderes zu gelten hätte, wenn sich der [X.] aus § 826 [X.] - wie im Streitfall - gegen ein Urteil richtet, das ein er-folgreiches Wiederaufnahmeverfahren abschließt, sind nicht ersichtlich. Die neue Hauptsacheentscheidung tritt an die Stelle der aufgehobenen. Für ihre Rechtskraft gelten die allgemeinen Regeln (vgl. [X.], aaO, § 590 Rdn. 10 und 12; [X.]/[X.], aaO, vor § 578 Rdn. 26). Zudem hat der - 11 - Schadensersatzanspruch seine Grundlage, auch soweit damit die Rechtskraft-wirkung einer gerichtli[X.] Entscheidung überwunden werden soll, im materiel-len Recht. Die auf § 826 [X.] gestützte Klage stellt (im Gegensatz etwa zur Restitutionsklage des [X.]) den Bestand der gerichtli-[X.] Entscheidung nicht in Frage. Sie ist vielmehr darauf gerichtet, die hier-durch verursachte Einbuße im Wege des Schadensersatzes auszuglei[X.], wobei zur Erreichung dieses Zweckes die (materielle) Rechtskraft der Entschei-dung zurücktreten muss. Die Klage aus § 826 [X.] ist daher kein "außerordent-licher Rechtsbehelf" gegen eine gerichtliche Entscheidung, sondern die Anwen-dung materiellen Zivilrechts (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1994 - [X.] ZR 2/94 - aaO, 230; vgl. auch [X.] 50, 115, 118 m.w.[X.]; [X.], 75, 79 f.). Dessen Anwendung ist unabhängig von dem prozessualen Verfahren, in dem das Urteil gefällt wird, dessen Rechtskraft durchbro[X.] werden soll. b) Der erkennende Senat hat auch keine durchgreifenden Bedenken da-gegen, dass im Vorprozess im Rahmen einer Schriftvergleichung als echt be-rücksichtigte [X.] aufgrund der im [X.] aufgestellten Behauptung ihrer Verfälschung erneut auf ihre Echtheit hin über-prüft werden, sofern hierfür nach Lage des Falles Veranlassung besteht. aa) Das Gericht des [X.]es gemäß § 826 [X.] ist grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, im Vorprozess getroffene Feststellun-gen nachzuprüfen. Hierbei darf es auch die Echtheit oder Unechtheit einer Ur-kunde abwei[X.]d beurteilen. Die Revision weist zwar zu Recht auf die beson-deren Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers bei einer Klage auf Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Erschleichung eines rechts-kräftigen Urteils hin (vgl. [X.], [X.] 40, 130, 133 f.; 50, 115, 122 f. und Urteile vom 19. Juni 1964 - [X.] - NJW 1964, 1672, 1673; vom 23. Januar 1974 - [X.]II ZR 131/72 - NJW 1974, 557; [X.]/[X.], Handbuch der [X.] 12 - last, 2. Aufl., § 826 Rdn. 8 f.; [X.][X.], aaO, Rdn. 130; [X.]/[X.], aaO, § 322 Rdn. 215; [X.]/[X.], aaO, Rdn. 492). Die Anwendung des § 826 [X.] auf rechtskräftige Titel muss auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben, weil jede Ausdehnung das [X.] aushöhlen, die [X.] beeinträchtigen und den Eintritt des Rechtsfriedens in untragbarer Weise in Frage stellen würde (vgl. Senatsurteil [X.] 103, 44, 46; sowie [X.] 101, 380, 383 f. m. umfangr. Nachw.; 112, 54, 58). Andernfalls würde ein Anreiz ge-schaffen, rechtskräftig entschiedene Prozesse im Wege einer Klage auf Unter-lassung der Zwangsvollstreckung und Herausgabe des Titels neu aufzurollen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senatsurteil [X.] 103, 44, 50 sowie [X.] 40, 130, 134 f.; 112, 54, 58; [X.], aaO, § 322 Rdn. 273). Ist der Klä-ger indes seiner Darlegungslast nachgekommen, steht der Weg für eine Über-prüfung der Feststellungen des [X.] durch das Gericht des [X.] offen. Denn das Gericht hat im Falle der sittenwidrigen Herbeiführung des Titels unter anderem zu prüfen, ob das Urteil im Vorprozess auf einer wahrheitswidrigen Sachverhaltsschilderung oder verfälschten Be-weismitteln und hier insbesondere auf verfälschten Urkunden beruht (vgl. [X.] vom 30. September 1969 - [X.] ZR 54/68 - [X.], 1045 f.; RG, HRR 1935 Nr. 665; [X.]-RGRK/[X.], 12. Aufl., 1989, § 826 Rdn. 76 m.w.[X.]; Soergel/Hönn/[X.], aaO, Rdn. 118; [X.][X.], aaO, Rdn. 131; [X.]/[X.], aaO, Rdn. 213; [X.]/[X.], aaO, vor § 578 Rdn. 12; [X.]/[X.], aaO, Rdn. 498). Zu diesem Zweck dürfen und müssen die den Feststellungen des [X.] zugrundeliegenden Beweismittel und Beweisergebnisse neu gewürdigt werden. So kann etwa die Aussage eines Zeugen, auf die sich das Gericht des [X.] gestützt hat, nunmehr als falsch gewertet werden. Urkunden, die im Vorprozess als Original vorgelegt und behandelt wurden, dürfen als im [X.] 13 - wert erheblich geminderte Abschriften oder Rekonstruktionen erkannt werden. Eine im Vorprozess beweiserhebliche Urkunde kann auf ihre Richtigkeit hin ü-berprüft und ihre Verfälschung festgestellt werden (vgl. [X.], [X.] 50, 115, 124 und Urteile vom 20. März 1957 - [X.] - LM Nr. 7 zu § 826 (Fa) [X.]; vom 27. Juni 1968 - [X.] - aaO, 971; [X.], 75, 79; [X.], 251, 256 f.; vgl. ferner [X.], Urteil vom 27. Januar 1970 - 1 [X.] - AP Nr. 14 zu § 826 [X.]). [X.]) Der Überprüfung der [X.] steht auch nicht die [X.] der §§ 439 Abs. 3, 288 ZPO entgegen. Die Echtheit der unter eine Privaturkunde gesetzten [X.] unterliegt der freien Beweis-würdigung des Gerichts (§ 440 Abs. 1 ZPO; [X.]/[X.], aaO § 440 Rdn. 2 m.w.[X.]). Erklärt sich allerdings der Prozessgegner nicht zur Echt-heit der [X.], gilt deren Echtheit mit der Wirkung eines Geständ-nisses als anerkannt (§§ 439 Abs. 2 und 3, 288 ZPO). Diese Regeln gelten auch für die im Rahmen einer Schriftvergleichung im Sinne des § 441 ZPO zu verwendenden [X.] ([X.]/[X.], aaO, § 441 Rdn. 6; [X.], aaO, § 441 Rdn. 3). Die Wirkung eines ge-richtli[X.] Geständnisses beschränkt sich aber auf den Prozess, in dem es ab-gegeben wurde (vgl. [X.], Urteil vom 15. März 2004 - [X.] - NJW-RR 2004, 1001 m.w.[X.]; [X.], Urteil vom 9. Februar 1995 - 2 [X.] - NJW 1996, 1299, 1230; [X.]/Prütting, aaO, § 288 Rdn. 33; [X.], aaO, § 288 Rdn. 13, 20), hier also auf den Vorprozess. Für den [X.] nach § 826 [X.] gilt die Beschränkung des Rechts auf freie Beweiswürdigung daher nicht. - 14 - 4. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch gemacht. [X.]

[X.]

[X.]

Pauge

[X.]

Meta

VI ZR 137/04

13.09.2005

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.09.2005, Az. VI ZR 137/04 (REWIS RS 2005, 1881)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1881

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 556/12 (Bundesgerichtshof)

Gerichtsbesetzung: Leitung eines Strafsenats des BGH durch den stellvertretenden Vorsitzenden in der Vakanzzeit nach ruhestandsbedingtem …


5 StR 537/08 (Bundesgerichtshof)


4 StR 556/12 (Bundesgerichtshof)


StB 13 - 15/21, StB 13/21, StB 14/21, StB 15/21 (Bundesgerichtshof)

Staatsschutzverfahren: Änderung des Jahresgeschäftsverteilungspläne der Strafsenate beim OLG und Neuzuweisung eines Richters


3 StR 376/08 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.