VGH München, Urteil vom 22.06.2016, Az. 5 BV 15.1819

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Gegenstand

Kein familienrechtlich unzulässiger Ehedoppelnamen über Namensänderung


Leitsatz

Die öffentlich-rechtliche Namensänderung nach § 3 NamÄndG dient weder dazu, die bürgerlich-rechtliche Namenswahl der Ehegatten nach § 1355 BGB nachzubessern, noch dazu, die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für einen Ausschluss von Ehe- bzw. Familiendoppelnamen zu revidieren. (amtlicher Leitsatz)

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 22. April 2015 (M 7 K 14.2850) wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen als Gesamtschuldner.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, ein Ehepaar, begehren die Änderung ihres Ehe- bzw. Familiennamens.

Die Kläger schlossen am 16. Dezember 2011 vor dem Standesamt der Beklagten die Ehe. Bei ihrer Eheschließung bestimmten sie gemäß § 1355 Abs. 1 und Abs. 2 BGB den Geburtsnamen des Klägers zu 1 „M.“ zum Ehenamen. Die Klägerin zu 2 fügte gemäß § 1355 Abs. 4 BGB dem Ehenamen „M.“ ihren Geburtsnamen „B.“ an. Am 28. Januar 2012 und 14. August 2013 wurden die Töchter der Kläger geboren, die den Familiennamen „M.“ tragen.

Mit Schreiben vom 20. März 2014 beantragten die Kläger bei der Beklagten, ihren Ehenamen „M.“ in „M.-B.“ zu ändern. Zur Begründung trugen sie vor, der Ehename „M.“ gebe als Sammelname zu Verwechslungen Anlass. Die beantragte Namensänderung solle sich auf den Geburtsnamen der gemeinsamen Kinder erstrecken. Dem Antrag könne nicht entgegen gehalten werden, die Unzuträglichkeiten des Sammelnamens hätten durch die Bestimmung des Geburtsnamens der Ehefrau „B.“ zum Ehenamen vermieden werden können. In diesem Fall würde sich die Abstammung der Töchter von ihrem Vater nicht, wie es nach den traditionellen Grundsätzen des deutschen Namensrechts üblich und auch von ihnen gewünscht sei, in dem Namen widerspiegeln. Auch nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1965 sei die Namensänderung gerechtfertigt.

Die Beklagte lehnte den Antrag nach Anhörung der Kläger mit Bescheid vom 4. Juni 2014 ab. Ein wichtiger Grund für die Namensänderung im Sinn von § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (im Folgenden: NamÄndG) sei nicht gegeben. Besondere Umstände, die über das zivilrechtliche Namensrechtssystem hinaus die Namensänderung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Die Kläger hätten sich bei der Eheschließung bewusst für den Namen des Mannes und damit den Familiennamen „M.“ entschieden und durch die Annahme des Sammelnamens deutlich gemacht, dass sie die Führung des häufig vorkommenden Familiennamens nicht als Nachteil ansähen. Mit der Genehmigung des Antrags würden wesentliche Wertungen des Gesetzgebers in einem zentralen Bereich des deutschen Namensrechts, insbesondere der vom Bundesverfassungsgericht mehrfach gebilligte Ausschluss von Ehe- bzw. Kindesdoppelnamen, durchbrochen. Die von den Klägern ins Feld geführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1965 sei zu einer wesentlich anders gestalteten namensrechtlichen Ausgangslage ergangen. Die den Klägern heute offenstehende Möglichkeit, von der Führung eines gemeinsamen Namens abzusehen oder denjenigen der Frau zum Ehenamen zu bestimmen, habe den damaligen Eheleuten nicht offen gestanden.

Auf die gegen den Ablehnungsbescheid erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht München die Beklagte mit Urteil vom 22. April 2015, den Ehenamen der Kläger von „M.“ in „M.-B.“ zu ändern. Zur Begründung seines Urteils führte es aus, nach Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden Umstände sei das Vorliegen eines die Namensänderung rechtfertigenden wichtigen Grundes zu bejahen. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1965 könne ein Sammelname die Hinzufügung des Mädchennamens der Ehefrau auch für den Ehemann und die Kinder rechtfertigen. Zwar sei es zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich gewesen, bei der Eheschließung den Namen der Ehefrau und damit einen anderen Namen als den Sammelnamen zu wählen. Es könne den Klägern aber nicht angelastet werden, dass sie bei der Eheschließung den Namen des Mannes als Ehenamen bestimmt und nicht den Namen der Frau gewählt hätten. Würde man davon ausgehen, dass bei der Wahl eines Sammelnamens zum Ehenamen eine spätere öffentlich-rechtliche Namensänderung ausgeschlossen sei, wäre die Freiheit der Namenswahl bei der Eheschließung beschränkt. Die Eheleute könnten dann zwar weiterhin frei wählen, ob sie den Namen der Frau oder des Mannes zum Ehenamen bestimmten; sie müssten aber bei der Wahl eines Sammelnamens berücksichtigen, dass dieser Name nicht mehr wie sonst um einen Zusatz ergänzt werden könnte. Eine solche Hinnahme von Nachteilen bei Auswahl eines Sammelnamens als Ehename sei auch aus übergeordneten Gründen nicht geboten. Die Beklagte wäre nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor der Eheschließung bereit gewesen, einen Doppelnamen des Klägers zu 1 zu akzeptieren. Dieser hätte dann zum Familiennamen bestimmt werden können mit dem Ergebnis, dass auch die Ehefrau und die Kinder einen Doppelnamen tragen würden. Der Unterschied bestehe nur darin, dass damals wohl ein anderer Zusatz als der Geburtsname der Ehefrau in Betracht gekommen wäre. Komme aber nach den Grundsätzen des öffentlichen Namensrechts bei Trägern von Sammelnamen ein Doppelname in Betracht, so sei auch die Wahl eines aus den Namen der Eheleute zusammengesetzten Doppelnamens nicht zu beanstanden. Die bei der Auslegung heranzuziehenden Nr. 34 und Nr. 54 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV) seien nicht nachträglich geändert bzw. eingeschränkt worden.

Die Beklagte hat die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt. Sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München abzuändern und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt, die öffentlich-rechtliche Namensänderung diene nicht dazu, vermeidbar Versäumtes bei der Wahl des Familiennamens im Rahmen des Namensänderungsverfahrens nachzubessern. Die Kläger hätten es zu verantworten, bei der Eheschließung ganz bewusst und unter Hinnahme der damit einhergehenden Unzuträglichkeiten den Sammelnamen des Ehemannes zum Ehenamen bestimmt zu haben. In diesem Fall reiche der pauschale Hinweis auf den Sammelnamen und die damit verbundene Verwechslungsgefahr zur Darlegung eines wichtigen Grundes für die Namensänderung nicht aus. Der Kläger zu 1 habe sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht dahingehend eingelassen, dass er konkrete Überlegungen bei der Eheschließung angestellt und dabei auch an seine Kinder gedacht habe. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts werde die Freiheit der Namenswahl bei der Eheschließung durch Wahl eines Sammelnamens zum Ehenamen nicht beschränkt. Die Argumentation der Kläger erschiene treuwidrig, weil sie erst selbst die Fakten geschaffen hätten, deren Unzuträglichkeiten sie nunmehr im öffentlich-rechtlichen Namensänderungsverfahren geltend machten. Zwar wäre die Beklagte vor der Eheschließung bereit gewesen, ein auf einen Doppelnamen gerichtetes Namensänderungsbegehren des Klägers zu 1 zu akzeptieren, der als sogenannter echter Doppelname auf die Ehefrau und die Kinder übergegangen wäre. Als Namenszusatz zum Sammelnamen wäre dem Kläger vor seiner Eheschließung aber gewiss nicht der Familienname seiner Lebensgefährtin gewährt worden, weil durch den neuen Familiennamen kein falscher Eindruck über familiäre Zusammenhänge erweckt werden dürfe. Das öffentlich-rechtliche Namensänderungsrecht diene nur dazu, bestehende Unzuträglichkeiten im Einzelfall zu beseitigen, nicht aber dazu, die gesetzlichen Wertungen des bürgerlich-rechtlichen Namensrechts zu revidieren. Im Übrigen wären dann alle Eheleute mit einem Sammelnamen als Ehenamen gegenüber dem Rest der verheirateten Bevölkerung insoweit privilegiert, als ihnen im Widerspruch zum Gleichbehandlungsgrundsatz ohne Weiteres die Möglichkeit eines gemeinsamen Ehedoppelnamens im Weg der öffentlich-rechtlichen Namensänderung eröffnet wäre. Es gehe nicht um die Ausübung der Wahlfreiheit bei der Familiennamensbestimmung nach § 1355 BGB, sondern darum, über Umwege und unter Umgehung der bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen einen Doppelnamen als Familiennamen zu erlangen, den das Privatrecht gerade nicht vorsehe. Ferner berücksichtige das Erstgericht in seiner Interessenabwägung den Ausnahmecharakter des öffentlich-rechtlichen Namensrechts nicht hinreichend. Nach den Angaben des Statistischen Bundesamts im Statistischen Jahrbuch 2014 hätten in Deutschland im Jahr 2012 an die 5,7 Millionen Ehepaare mit 9,6 Millionen minderjährigen Kindern gelebt. Wenn von diesen Ehepaaren auch nur ein geringer Prozentsatz einen Sammel-Ehenamen führe, wäre mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts einer kaum noch übersehbaren Anzahl von Eheleuten und Kindern ein Anspruch auf öffentlich-rechtliche Namensänderung eröffnet.

Die Klägerbevollmächtigten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen vor: Die Beklagte gehe von der Verletzung einer Obliegenheit der Kläger gegen sich selbst aus, die an die Regelung des § 254 BGB über das Mitverschulden des Geschädigten erinnere. Die Schadensabwendungspflicht ende jedoch an der Grenze der Zumutbarkeit. Der Verzicht auf den Namen „M.“ als Ehenamen sei den Klägern nicht zuzumuten gewesen, weil sie mit dieser Namenswahl, gemäß dem traditionellen Grundsatz der Patrilinearität, die Abstammung ihrer Kinder vom Vater zum Ausdruck hätten bringen wollen. Die Argumentation der Beklagten messe dem Namen „M.“ offenbar einen geringeren Wert als dem Namen „B.“ bei und laufe auf eine ungerechtfertigte Einschränkung der Freiheit der Namenswahl bei der Eheschließung hinaus. Die Kläger beriefen sich auf nichts anderes als auf eine die Namensänderung rechtfertigende Ausnahmesituation, die auch in Nr. 33 ff. NamÄndVwV beschrieben sei. Ein Widerspruch zu den zivilrechtlichen Wertungen des § 1355 BGB bestehe nicht. Die Zielsetzung dieser Vorschrift sei jedenfalls hauptsächlich auf die Situation der Eheschließung zugeschnitten. Es sei nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber bei Erlass des derzeit geltenden Familiennamensrechts an der Möglichkeit von Namensänderungen bei Sammelnamen etwas habe ändern wollen. Hier drängten sich die Beifügung eines weiteren Namens und die Bildung neuer Doppelnamen geradezu auf. Die Gefahr von Namensketten aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Namensänderung sei von deutlich geringerer praktischer Bedeutung, als wenn in § 1355 BGB die zivilrechtliche Möglichkeit der Bildung von Doppelnamen eröffnet wäre. § 1355 BGB lasse keinerlei inhaltliche Abneigung oder gar Feindschaft des Gesetzgebers gegenüber einem aus den Namen beider Ehegatten zusammengesetzten Namen erkennen. Vielmehr entspreche ein solcher Name in besonderem Maß den Grundrechten der Eheleute. Dementsprechend finde sich in Nr. 54 NamÄndVwV kein Hinweis darauf, dass der als Ehename verwendete Sammelname eines Ehegatten nicht um den Namen des anderen Ehegatten erweitert werden dürfe. Die Kläger hätten sich bei der Wahl des begehrten, von der Klägerin zu 2 bereits geführten Doppelnamens von dem bürgerlich-rechtlichen Grundsatz der einheitlichen Namensführung innerhalb der Familie und von dem öffentlichen Interesse an einer möglichst weitgehenden Namenskontinuität leiten lassen. Dass die Kläger den Antrag auf Namensänderung relativ kurz nach ihrer Eheschließung gestellt hätten, sei nicht mit einem schon bei der Eheschließung vorhandenen Plan zur Umgehung des § 1355 Abs. 2 BGB, sondern mit der Geburt der beiden Töchter in den Jahren 2012 und 2013 zu erklären, die ihnen die Notwendigkeit der Namensänderung vor Augen geführt habe. Die Ausführungen der Beklagten ließen erkennen, dass sie trotz des Grundsatzes der Selbstbindung der Verwaltung nicht bereit sei, die Regelungen der Nr. 34 und Nr. 54 NamÄndVwV uneingeschränkt zu akzeptieren.

Die als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren beteiligte Landesanwaltschaft Bayern schließt sich - ohne eigene Antragstellung - der Rechtsauffassung der Beklagten an und macht hierzu weitere Ausführungen.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

1. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage auf Änderung des Ehe- bzw. Familiennamens der Kläger zu Unrecht stattgegeben. Diese haben keinen Anspruch auf Änderung ihres Ehenamens von „M.“ in „M.-B.“. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 2014 ist rechtmäßig und kann die Kläger demzufolge nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Gemessen an den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (dazu a) steht den Klägern kein wichtiger Grund zur Seite, der die begehrte Namensänderung rechtfertigt (dazu b). Der Umstand, dass es sich bei dem Ehenamen der Kläger um einen sogenannten Sammelnamen handelt, führt zu keiner anderen Beurteilung (dazu c).

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats liegt ein die Änderung des Namens rechtfertigender wichtiger Grund im Sinn von § 3 Abs. 1 NamÄndG vor, wenn die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden schutzwürdigen Belange ein Übergewicht der für die Namensänderung sprechenden Interessen ergibt (vgl. aus jüngerer Zeit etwa BVerwG, B. v. 19.5.2016 - 6 B 38.15 - Rn. 11; BayVGH, U. v. 2.12.2015 - 5 B 14.927 - BayVBl 2016, 418). Dies ist der Fall, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers an der Führung des neuen Namens Vorrang hat vor den in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden Grundsätzen der Namensführung, zu denen neben der Ordnungsfunktion des Namens und sicherheitsrechtlichen Interessen auch die für grundsätzliche Namenskontinuität sprechende Identifikationsfunktion des Namens gehört.

Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass Erwerb und Änderung des Familiennamens in familienrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelt sind. Diese bestimmen umfassend und grundsätzlich abschließend die Tatbestände, die den Erwerb und die Änderung des Familiennamens vermitteln. Die öffentlich-rechtliche Änderung des Familiennamens hat die Natur einer allgemeinen Ausnahme von jenen Regeln. Sie soll nach Maßgabe von § 3 NamÄndG dann ermöglicht werden, wenn der nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts geführte Name für den Namensträger zu individuellen Unzuträglichkeiten führt. Die öffentlich-rechtliche Namensänderung verlangt mithin ein besonderes, die eigene Situation des Namensträgers prägendes Interesse, das als solches nicht schon in die allgemeine gesetzliche Wertung eingeflossen ist, auf der der Name beruht. Andernfalls liefe die im Verwaltungswege zulässige Namensänderung den Wertentscheidungen zuwider, die im Familienrecht getroffen worden sind (BVerwG, U. v. 8.12.2014 - 6 C 16.14 - NJW 2015, 1321; BayVGH, B. v. 4.11.2014 - 5 C 14.2016 - NJW 2015, 569/570; jeweils m. w. N.; vgl. auch den Hinweis auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Nichtannahmebeschluss des BVerfG, B. v. 17.9.2008 - 1 BvR 1173/08 - StAZ 2010, 207).

Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf Vornamen bereits entschieden hat, kann ein wichtiger Grund für die Namensänderung grundsätzlich nicht aus Umständen abgeleitet werden, denen bereits bei der ursprünglichen Namenswahl hätte Rechnung getragen werden können. Die behördliche Namensänderung dient dazu, Unbilligkeiten im Einzelfall auszugleichen, nicht aber vermeidbare Versäumnisse aus der Vergangenheit aufzufangen und nachzubessern (BayVGH, B. v. 26.2.2014 - 5 B 12.2541 - NJW 2014, 3052/3053). Dies gilt auch für die Änderung von Ehe- bzw. Familiennamen, deren soziale Ordnungsfunktion stärker hervortritt als die des Vornamens (BayVGH, U. v. 2.12.2015 - 5 B 14.927 - BayVBl 2016, 418). Das Namensänderungsrecht nach § 3 NamÄndG gibt keine Rechtsgrundlage ab, die nach § 1355 Abs. 2 BGB getroffene Namenswahl zu revidieren (BVerwG, B. v. 6.9.1985 - 7 B 197.84 - NJW 1986, 601). Dementsprechend kann zur Darlegung des für die Namensänderung erforderlichen wichtigen Grundes nicht auf Schwierigkeiten oder Belastungen verwiesen werden, die sich durch eine nach Maßgabe des Familienrechts getroffene Bestimmung über die Namensführung ergeben, als solche voraussehbar waren, bei der familienrechtlichen Namenswahl hätten mitbedacht werden können und müssen und die weder das zumutbare und noch das zu erwartende Maß überschreiten (OVG Berlin-Bbg, B. v. 24.7.2013 - 5 N 21.11 - juris Rn. 5; B. v. 7.7.2009 - 5 N 40.07 - juris Rn. 6; OVG Berlin, B. v. 20.3.2000 - 5 N 33.99 - juris Rn. 4).

b) Hieran gemessen hat die Beklagte das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die begehrte Namensänderung zu Recht verneint. Ein solches persönliches, sich von vergleichbaren Fällen deutlich abhebendes Interesse an der begehrten Namensänderung besteht nicht. Die Kläger begehren als notwendige Streitgenossen (vgl. BVerwG, U. v. 29.11.1982 - 7 C 34.80 - BVerwGE 66, 266/267) für sich und ihre minderjährigen Kinder (§ 4 NamÄndG) einen aus ihrer beider Geburtsnamen zusammengesetzten Doppelnamen. Diesen sieht das bürgerliche Namensrecht in § 1355 Abs. 2, §§ 1616 ff. BGB gerade nicht vor. Die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für einen Ausschluss von Ehe- bzw. Familiendoppelnamen, die von einem früheren Gesetzentwurf zur Neuordnung des Familiennamensrechts (Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14.8.1992, BT-Drs. 12/3163 S. 4) bewusst abweicht, hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach verfassungsrechtlich gebilligt (BVerfG, U. v. 30.1.2002 - 1 BvL 23/96 - BVerfGE 104, 373/388; B. v. 7.2.2002 - 1 BvR 745/99 - FamRZ 2002, 530; vgl. auch BVerfG, U. v. 5.5.2009 - 1 BvR 1155/03 - BVerfGE 123, 90/103). Wie das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat, ist die gesetzgeberische Wertung zugunsten eines grundsätzlich eingliedrigen Familiennamens verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil sie die Grundrechte der Namensträger, insbesondere das Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, angemessen berücksichtigt und zu einem den gesetzgeberischen Zielen förderlichen Familiennamensrecht führt. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat diese Wertungen des Bürgerlichen Rechts, die namentlich der Entstehung von Namensketten in späteren Generationen und dem damit verbundenen Verlust der identitätsstiftenden Funktion des Namens vorbeugen sollen, als menschenrechtskonform bestätigt (E. v. 6.5.2008 - 33572/02 - StAZ 2008, 375).

Zu dieser zivilrechtlichen Vorprägung steht die begehrte Namensänderung in einem Wertungswiderspruch. Die Kläger begründen ihr Namensänderungsbegehren mit Umständen, die aufgrund ihrer Vorhersehbarkeit bereits bei der familienrechtlichen Namenswahl hätten mitbedacht werden können und müssen. Bei ihrer Eheschließung haben sich die Kläger nach § 1355 Abs. 2 BGB bewusst für den Ehenamen „M.“ und nicht etwa für den Geburtsnamen der Klägerin zu 2 „B.“ als Ehenamen entschieden. Diese Entscheidung haben sie aus freien Stücken und im Übrigen auch mit Blick auf die unmittelbar bevorstehende Geburt ihres ersten Kindes getroffen. Sie müssen sich daher an der getroffenen Namensbestimmung festhalten lassen und können nicht nachträglich im Wege der öffentlich-rechtlichen Namensänderung einen Doppelnamen kreieren, den das bürgerliche Namensrecht nicht ermöglicht. Dies gilt auch, soweit die Kläger - zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof - auf die traditionelle Bedeutung der Patrilinearität hinweisen und ihren Wunsch betonen, in ihrem Familiennamen die Geburtsnamen beider Elternteile abzubilden. Dieser Wunsch läuft gerade auf das unzulässige Ziel hinaus, die in den familienrechtlichen Namensvorschriften zum Ausdruck kommenden Vorstellungen und Wertungen zu korrigieren bzw. zu revidieren. Insoweit befinden sich die Kläger in keiner anderen Situation als eine Vielzahl anderer Eheleute und Eltern, denen der Gesetzgeber ebenfalls zumutet, sich für einen einheitlichen und eingliedrigen Ehe- und Familiennamen - zulasten des anderen Geburtsnamens und unter Verzicht auf dessen Weitergabe an die Kinder - zu entscheiden.

c) Der Umstand, dass es sich bei dem Ehenamen um einen sogenannten Sammelnamen handelt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Er macht die Versagung des gewünschten Doppelnamens für die Kläger nicht unzumutbar und kann insbesondere nicht zu einer Besserstellung der Kläger bzw. der Gruppe der Sammelnamenträger gegenüber den Trägern von Nicht-Sammelnamen führen, denen ansonsten durchgängig die Führung des zivilrechtlich ausgeschlossenen Ehedoppelnamens eröffnet wäre. Dies gilt auch, soweit die Kläger den Verzicht auf den Sammelnamen „M.“, dessen Unzuträglichkeiten sie einerseits beklagen, anderseits unter Hinweis auf traditionelle Grundsätze des deutschen Namensrechts für unzumutbar halten. Insoweit können die Kläger kein „individuelles Sonderinteresse“ für die begehrte Namensänderung ins Feld führen, sondern lediglich ein Gruppeninteresse, das - letztlich als „Massenphänomen“ - für alle Träger von Sammelnamen in gleicher Weise gilt und mit dem Ausnahmecharakter des öffentlich-rechtlichen Namensänderungsrechts unvereinbar ist.

Zu keinem anderen Ergebnis führt die explizite Erwähnung der Sammelnamen in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen, die nach ständiger Rechtsprechung als Maßstab und Auslegungshilfe bei der Bestimmung des wichtigen Grundes heranzuziehen ist (vgl. etwa BayVGH, U. v. 2.12.2015 - 5 B 14.927 - BayVBl 2016, 418 m. w. N.). Nach Nr. 34 NamÄndVwV ist die Änderung eines Sammelnamens ohne Glaubhaftmachung einer konkreten Verwechslungsgefahr möglich. Nach Nr. 54 Abs. 2 NamÄndVwV kann bei einem Sammelnamen dem bisherigen Familiennamen auch ein unterscheidender Zusatz hinzugefügt werden. Im Übrigen mahnt Nr. 54 Abs. 2 NamÄndVwV Zurückhaltung bei der Vergabe von Doppelnamen an, was wiederum deren Ausnahmecharakter unterstreicht (vgl. BVerwG, B. v. 18.2.1981 - 7 B 69.80 - NVwZ 1982, 111/112). Auch diese Regelungen erlauben es nicht, den Ehenamen der Kläger entsprechend ihrer Wunschvorstellung um den Geburtsnamen der Klägerin zu 2 zu ergänzen. Den Klägern stand es bei der Eheschließung frei, anstelle des Geburtsnamens des Klägers zu 1 den Geburtsnamen der Klägerin zu 2 als Ehenamen zu wählen und dadurch den mit einem Sammelnamen verbundenen Unzuträglichkeiten zu entgehen. Sie haben durch die Weiterführung bzw. Annahme des Sammelnamens bei der Eheschließung deutlich gemacht, dass sie die Führung eines häufig vorkommenden Familiennamens nicht als beachtlichen Nachteil ansehen. Ein aus den beiden Geburtsnamen kombinierter Ehename ist zivilrechtlich gerade ausgeschlossen und wäre, wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat und wie sich auch aus Nr. 53 Abs. 2, Nr. 54 Abs. 1 NamÄndVwV entnehmen lässt, bei einer Namensänderung des Klägers zu 1 vor Eheschließung keinesfalls gewährt worden.

Soweit sich die Kläger in diesem Zusammenhang auf eine vor über fünfzig Jahren ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U. v. 5.3.1965 - VII C 84.64 - NJW 1965, 1291) berufen, vermag dies ihrem Begehren ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte damals entschieden, dass regelmäßig ein wichtiger Grund für die Gewährung des Doppelnamens auch an die anderen Familienmitglieder besteht, wenn der Ehename ein Sammelname ist und die Ehefrau gemäß § 1355 BGB dem Ehenamen ihren Mädchennamen hinzufügt. Wie die Beklagte zu Recht ausführt, ist dieses Urteil zu einer wesentlich anderen namensrechtlichen Ausgangslage ergangen. Zum damaligen Zeitpunkt bestand zivilrechtlich nicht die Möglichkeit, bereits bei der Eheschließung die mit dem Geburtsnamen des Ehemannes verbundenen Unzuträglichkeiten, wie eben die Verwechslungsgefahr bei Sammelnamen, durch eine entsprechende Namenswahl zu vermeiden. Das heutige bürgerliche Recht ist in § 1355 Abs. 1, Abs. 2 BGB durch die vollständige Gleichstellung der Namen der Ehegatten gekennzeichnet, die etwa von der Führung eines gemeinsamen Namens absehen oder denjenigen der Frau zum Ehenamen bestimmen können. Auf dieser Grundlage war die Wahl des Ehe-Sammelnamens „M.“ für die Kläger gerade nicht unausweichlich. Dementsprechend lässt sich das damalige Urteil nicht auf die heutige Rechtslage übertragen (so auch Henrich/Wagenitz/Bornhofen, Deutsches Namensrecht, Kommentar, Loseblatt, C/280; a. A. - ohne nähere Begründung - Loos, Namensänderungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 1996, S. 78).

In der Gesamtschau aller Umstände, auch unter Berücksichtigung der kurzen Zeitspanne zwischen zivilrechtlicher Namenswahl und öffentlich-rechtlichem Namensänderungsbegehren, liegt ein wichtiger Grund für die von den Klägern erstrebte Namensänderung nicht vor. Ein solcher Grund für die Gewährung des aus dem Geburtsnamen beider Ehegatten zusammengesetzten Familiennamens ist schließlich auch nicht deswegen zu bejahen, weil hierdurch die Grundrechte der Eheleute aus Sicht der Kläger in besonders hohem Maße verwirklicht würden. Wie das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen hat, wäre die Zulassung eines Ehedoppelnamens zwar ebenfalls verfassungsgemäß; der bürgerlich-rechtliche Gesetzgeber hat sich jedoch mit wohlerwogenen Gründen gegen dieses Modell entschieden (vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 26.10.1993, BT-Drs. 12/5982 S. 17 f.). Verfassungsrechtlich geboten ist die Zulassung eines Ehedoppelnamens nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerade nicht (BVerfG, U. v. 30.1.2002 - 1 BvL 23/96 - BVerfGE 104, 373/389).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i. V. m. § 159 Satz 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).

3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG).

Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht

Meta

5 BV 15.1819

22.06.2016

VGH München

Urteil

Sachgebiet: BV

Zitier­vorschlag: VGH München, Urteil vom 22.06.2016, Az. 5 BV 15.1819 (REWIS RS 2016, 9459)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9459

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvL 23/96

1 BvR 1155/03

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