Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.01.2010, Az. 33 W (pat) 95/08

33. Senat | REWIS RS 2010, 10087

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Terrado" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 06 527.8

hat der 33. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 26. Januar 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], des Richters [X.] und des Richters Kätker

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 22 des [X.] vom 31. Juli 2007 und vom 23. Juli 2008 aufgehoben.

Gründe

I

1

Am 5. Februar 2007 ist beim [X.] die Wortmarke

2

[X.]

3

für folgenden Waren angemeldet worden:

4

Klasse 6: [X.] aus Metall, Markisenkonstruktionen aus Metall, Überdachungen aus Metall;

5

Klasse 19: [X.] nicht aus Metall, Markisenkonstruktionen nicht aus Metall, Überdachungen nicht aus Metall;

6

Klasse 22: Sonnenschutzelemente aus textilem Material, Markisen aus textilem Material, Überdachungen aus textilem Material.

7

Mit Beschlüssen vom 31. Juli 2007 und vom 23. Juli 2008, letzterer im Erinnerungsverfahren, hat die Markenstelle für Klasse 22 die Anmeldung nach § 37 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle ist der Begriff „[X.]“ für alle beanspruchten Waren freihaltebedürftig [X.] des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Denn das Wort „terrado“ sei ein [X.] Wort mit der mehrfach lexikalisch belegbaren Bedeutung „(Flach)dach“ oder „(Dach)terrasse“. Mit der Bedeutung „Dach“ sei die angemeldete Marke für die beanspruchten Waren eine glatt inhaltsbeschreibende und daher nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] freihaltungsbedürftige Angabe. Dies gelte auch für die weitere Bedeutung „Dachterrasse“, denn insoweit liege eine beschreibende Angabe im Hinblick auf die Zweckbestimmung der so gekennzeichneten Waren vor. Damit stehe der angemeldeten Marke jedenfalls das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen, da es den am Im- und Exporthandel mit [X.] beteiligten Fachkreisen unbenommen bleiben müsse, ihre Produkte mit der Bezeichnung „[X.]“ bewerben und die fraglichen Waren unter Verwendung des Begriffs entsprechend kennzeichnen zu können.

8

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

9

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 22 des [X.]s vom 31. Juli 2007 und vom 23. Juli 2008 aufzuheben.

Zur Begründung führt sie aus, dass der angemeldeten Marke für die beanspruchten Waren nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegenstehe. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Mitbewerber der Anmelderin auf das [X.] Wort „terrado“ zur Beschreibung ihrer Waren angewiesen sein sollten. Dem überwiegenden Teil der inländischen Verbraucher sei die Bedeutung des [X.]n Wortes „terrado“ nicht bekannt. Dies gelte selbst für viele [X.] Muttersprachler. Zudem sei das Wort „terrado“ mit „(Flach)dach“ falsch übersetzt, da die korrekte (ausschließliche) Bedeutung bzw. Übersetzung „Dachterrasse“ laute. Weiter sei unter Verweis auf die Rechtsprechung des [X.] ([X.] GRUR 2006, 411 ff. [X.]. 24 - Matratzen [X.]/[X.]) bei der Beurteilung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] auf den [X.] Handel abzustellen, der jedoch das Wort „terrado“ nicht als eindeutige Sachangabe verstehen werde. Ihm sei dieses Wort überwiegend nicht bekannt. Soweit dennoch ein sehr kleiner Kreis inländischer Fachleute das [X.] Wort „terrado“ verstehen sollte, sei allenfalls die korrekte Übersetzung „Dachterrasse“ zugrunde zu legen und nur für eine Dachterrasse läge eine eindeutige Sachangabe vor. Um zu einer beschreibenden Bedeutung hinsichtlich der beanspruchten Waren im Sinne z. B. von speziell oder ausschließlich auf Dachterrassen einsetzbaren Markisen zu kommen, seien analysierende Gedankengänge erforderlich. Das Vorliegen einer unmittelbar beschreibenden Bezeichnung sei daher ausgeschlossen, vielmehr verstehe der [X.] Verkehr die Angabe „terrado“ als Phantasiebezeichnung, die im Übrigen auch über die erforderliche Unterscheidungskraft verfüge.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II

Die Beschwerde ist begründet.

Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete Marke nicht für freihaltungsbedürftig [X.] d § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] und im Übrigen auch für unterscheidungskräftig [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] stehen der Eintragung der [X.] gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 [X.] somit nicht entgegen.

So sind zunächst keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geografischen Herkunft, der [X.] oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Wie die Markenstelle insoweit richtig festgestellt hat, handelt es sich bei „terrado“ um ein [X.] Wort. Es wird in zahlreichen [X.] mit den Bedeutungen „(Flach-)dach“ bzw. „flaches Dach“ und „(Dach-)Terrasse“ erläutert (z. B. [X.]s Handwörterbuch [X.]; [X.] Großwörterbuch für Experten und Universität, [X.]-Deutsch; [X.], Wörterbuch der [X.]n und [X.] Sprache; [X.], [X.]; ähnlich auch verschiedene Online-Wörterbücher).

Bei seiner Recherche ist der Senat auch Verwendungen des Worts „terrado“ im täglichen Leben der [X.]n Sprache nachgegangen, insbesondere um dabei festzustellen, ob und inwieweit dieses Wort in Zusammenhang mit Terrassen und Sonnenschutzvorrichtungen erscheint. Dabei haben sich in der [X.]n Sprache, etwa bei Immobilienangeboten, die sich u. A. auch an [X.] Interessenten richten, häufig Umschreibungen wie „terraza en el terrado“ (in [X.] Fassungen des gleichen Textes: „[X.]“ oder „roof-top terrace“, in [X.] Fassungen: „Dachterrasse“) feststellen lassen. Diese Umschreibung deutet wegen der gesonderten Verwendung des geläufigeren Wortes „terraza“ (neben „terrado“) darauf hin, dass der Bedeutungsschwerpunkt von „terrado" offenbar eher bei der Variante „Flachdach“ liegen dürfte. Auch bei weiteren Verwendungsbeispielen in der lebenden [X.]n Sprache hat der Senat den Eindruck gewonnen, dass das Wort „terrado“ im [X.]en offenbar vor allem mit dem Schwerpunkt auf „Flachdach“ verwendet wird, wobei der Oberbegriff für „Dach“, also das [X.] Wort „techo“, dem [X.]n Grundwortschatz zugehört und damit wesentlich häufiger verwendet wird. Ergänzend sei angemerkt, dass Flachdächer bekanntlich im mediterranen Raum bei traditionellen, wie auch bei modernen Wohnhäusern häufig anzutreffen sind und dabei vielfach mit Geländer und einem Zugang zum Flachdach ausgestattet sind, das auf diese Weise automatisch zur Dachterrasse wird. Insoweit mag die Doppelbedeutung des Wort „terrado“ sprachlich zu erklären sein, so dass vor allem das Wort „Terrassendach“ (auch aufgeführt in [X.], a. a. [X.]) eine treffende Übersetzung darstellen dürfte.

Der Senat geht auch davon aus, dass es durchaus [X.] geben mag, die für Flachdächer und/oder Dachterrassen besonders geeignet oder ausgestattet sind, wenngleich es nicht nahe liegt, dass sich solche Konstruktionen in bedeutsamer Hinsicht von denjenigen unterscheiden, die z. B. für ebenerdige Terrassen, wie etwa Gartenterrassen bestimmt und geeignet sind. Dennoch handelt es sich bei dem Wort „terrado“ nicht um eine freihaltungsbedürftige Sachangabe [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. „[X.]“ ist ein fremdsprachiges Wort, das zwar einer Welthandelssprache zugehört, die jedoch im Vergleich zum [X.] in [X.] deutlich weniger verbreitet ist. Für die Endabnehmer von Sonnenschutzsystemen dürfte der Begriff nicht bekannt sein, insbesondere gehört er nicht zum [X.]n Grundwortschatz. Im Gegensatz zum eindeutigeren und auch in der [X.]n Sprache wohl geläufigeren Ausdruck „terraza“, der in der [X.] Sprache mit dem Wort „Terrasse“ ein direktes Pendant hat und sich daher besonders als Sachbegriff anbieten würde, kann sich der inländische Verkehr die Bedeutung auch nicht von selbst erschließen.

Nach den Grundsätzen der Entscheidung [X.] GRUR 2006, 411, 413, [X.]. 26, 30 - Matratzen [X.]/[X.] stehen Art. 3 I b) u. c) [X.] der Eintragung eines in der Sprache eines [X.] nicht unterscheidungskräftigen oder beschreibenden Wortes als nationale Marke in einem anderen Mitgliedstaat nicht entgegen, soweit nicht die beteiligten Verkehrskreise in dem Staat, in dem die Eintragung begehrt wird, im Stande sind, die Bedeutung dieses Wortes zu erkennen. Auch wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass der [X.] in dieser Entscheidung nicht nur auf die normal informierten Durchschnittsverbraucher als beteiligte Verkehrskreise abgestellt hat, sondern ausdrücklich auch den „Handel“ mit einbezogen hat (vgl. [X.], a. a. [X.], [X.]. 24.), der über ein professionelleres Fremdsprachenverständnis, insbesondere über Kenntnisse der Fachwörter des betreffenden Waren- oder Dienstleistungsgebiets verfügt, so kann die Kenntnis des angemeldeten [X.] dennoch auch bei diesen [X.]skreisen nicht vorausgesetzt werden.

Denn selbst bei erhöht angesetztem Fremdsprachenverständnis des Verkehrs, insbesondere bei Betonung der [X.]skreise (vgl. [X.]/Hacker, [X.], 9. Aufl., § 8, [X.]. 325 ff.) kann nicht davon ausgegangen werden, dass „terrado“ als Merkmalsangabe verständlich ist und daher zur freien beschreibenden Verwendung in [X.] benötigt wird. Zum einen hat sich [X.] nicht als Fachsprache auf dem Gebiet der Sonnenschutzsysteme etabliert. Die Anbringung solcher Systeme an Immobilien lässt zudem eher eine Orientierung an inländischen Verhältnissen und damit eine Kenntnis des [X.]s an [X.], evtl. auch an [X.] Fachbegriffen erwarten, auch wenn der Export oder Import von oder aus [X.] keineswegs ausgeschlossen, angesichts unterschiedlicher Witterungsverhältnisse aber wohl auch nicht überschätzt werden darf. Zum anderen handelt es sich bei Dachterrassen und Flachdächern nicht um besonders wesentliche Merkmale der Waren selbst (insoweit offenbar auch differenzierend [X.]/Hacker, a. a. [X.], [X.]. 328). Ihre Benennung stellt also keine „eigentliche“ [X.] dar, wie dies etwa bei Angaben über Art, Material oder Konstruktion des Sonnenschutzes der Fall wäre. Hinzu kommt die vergleichsweise geringe Bedeutung des Worts „terrado“ selbst innerhalb der [X.]n Sprache. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um einen echten Fachbegriff handelt, den zumindest beachtliche Teile des inländischen [X.]s kennen könnten oder auf den sie zur freien beschreibenden Verwendung, wenigstens beim [X.] oder Import angewiesen wären. Vielmehr erscheint eine beschreibende isolierte Verwendung des Wortes „terrado“, z. B. auf der Verpackung eines exportierten oder importierten [X.] kaum denkbar, ein Freihaltungsbedürfnis damit nur theoretisch. Damit kann ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht festgestellt werden.

Dementsprechend kann auch nicht festgestellt werden, dass der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] fehlt. Vor allem für Endverbraucher als wesentliche Teile des Verkehrs wirkt das Wort als romanischsprachige Fantasieangabe. Da selbst vom [X.] die Kenntnis und insbesondere die sofortige Zuordnung als Sach- oder Fachbezeichnung nicht erwartet werden kann, verfügt die Marke auch über die erforderliche Unterscheidungskraft.

Damit waren die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Meta

33 W (pat) 95/08

26.01.2010

Bundespatentgericht 33. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.01.2010, Az. 33 W (pat) 95/08 (REWIS RS 2010, 10087)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10087

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