Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.03.2018, Az. X ZB 3/15

10. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 11559

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Gegenstand

Patentrechtliches Rechtsbeschwerdeverfahren: Bestimmung des Gegenstandswerts der Rechtsanwaltstätigkeit – Ratschenschlüssel II


Leitsatz

Ratschenschlüssel II

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im patentrechtlichen Rechtsbeschwerdeverfahren ist unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach billigem Ermessen nach den für die Wertbestimmung in Patentnichtigkeitssachen maßgeblichen Grundsätzen zu bestimmen, wenn genügend tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung des gemeinen Werts des Patents vorliegen. Andernfalls ist der Wert in Verfahren der Anmelderbeschwerde regelmäßig mit 50.000 € zu bemessen; im Einspruchsverfahren ist dem höheren Allgemeininteresse in der Regel durch einen Aufschlag in Höhe von 25.000 € je Einsprechendem Rechnung zu tragen.

Tenor

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 400.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Rechtsbeschwerdegegner ist Inhaber des am 16. Dezember 2000 angemeldeten, einen Ratschenschlüssel betreffenden [X.] Patents 100 62 853 ([X.]), dessen Erteilung am 5. Juli 2007 veröffentlicht worden ist. Die Einsprechende zu [X.], gegen die der Patentinhaber eine einstweilige Verfügung erwirkt hatte, ist dem Einspruchsverfahren beigetreten. Die [X.] hat den [X.] zu [X.] für unzulässig erachtet und das Streitpatent widerrufen. Das Patentgericht hat die Beschwerde der Einsprechenden zu [X.] zurückgewiesen und das Streitpatent auf den Antrag des [X.] in beschränkter Fassung aufrechterhalten. Auf die Rechtsbeschwerde der Einsprechenden zu [X.] hat der Senat mit Beschluss vom 29. August 2017 ([X.], 216 - Ratschenschlüssel) die Beschlüsse der [X.] und des Patentgerichts aufgehoben, soweit der [X.] zu [X.] als unzulässig zurückgewiesen worden ist. In der Sache hat er die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen.

2

Die Verfahrensbevollmächtigten des [X.] bitten um Streitwertfestsetzung.

3

[X.]. Der Antrag auf Streitwertfestsetzung ist als Antrag auf Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im [X.] auszulegen, da im [X.] keine wertabhängigen Gerichtsgebühren erhoben werden, und als solcher zulässig (§ 33 Abs. 1 RVG).

4

[X.]I. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im [X.] ist mit 400.000 € zu bewerten.

5

1. Der für die Rechtsanwaltsgebühren in einem [X.] des gewerblichen Rechtsschutzes vor dem [X.] maßgebliche Gegenstandswert bestimmt sich nach der Vorschrift des § 23 Abs. 2 Satz 1 RVG, die auf § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG verweist (vgl. zur Rechtsbeschwerde in [X.], Beschluss vom 30. Juli 2015 - [X.]/13, juris Rn. 6; Beschluss vom 24. November 2016 - [X.], [X.], 127 Rn. 2). Die Bestimmung ist auf [X.] als besondere Beschwerdeverfahren anzuwenden, soweit dort Gerichtsgebühren nicht erhoben werden oder sich - wie im Streitfall - nicht nach dem Wert richten (vgl. zur Rechtsbeschwerde im Streit über die Höhe der Insolvenzverwaltervergütung [X.], Beschluss vom 30. Juli 2012 - [X.], NJW-RR 2012, 1257) und das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz keine anderweitigen Bestimmungen enthält. Sie geht damit der allgemeineren, auf die entsprechende Anwendung der Regelungen des Gerichtskostengesetzes, namentlich des § 51 GKG, verweisenden Bestimmung des § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG vor; soweit der Senat in früheren Entscheidungen zur Gegenstandswertbestimmung in [X.] im Ausgangspunkt allein auf § 51 Abs. 1 GKG zurückgegriffen hat (Beschluss vom 26. Juni 2012 - [X.], juris Rn. 10 - Sondensystem (insoweit in [X.] nicht abgedruckt), wird daran nicht festgehalten. Die Festsetzung des Gegenstandswerts im [X.] folgt damit den auch für das Beschwerdeverfahren vor dem Patentgericht maßgeblichen Vorschriften (vgl. zu diesen [X.]E 53, 142; [X.], [X.]-RR 2016, 381, 382; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 80 Rn. 35 f.). Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit ist mithin unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach billigem Ermessen zu bestimmen, wird jedoch durch den Wert des zugrunde liegenden gerichtlichen Verfahrens begrenzt (§ 23 Abs. 2 Satz 2 RVG). Fehlen dabei genügend tatsächliche [X.]spunkte für eine Schätzung, ist der Gegenstandswert mit 5.000 €, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 € anzunehmen (§ 23 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 RVG).

6

2. Danach ist der Wert der anwaltlichen Tätigkeit in [X.] nach dem [X.] nach den für die Wertbestimmung in [X.] maßgeblichen Grundsätzen zu bestimmen, wenn genügend tatsächliche [X.]spunkte für eine Schätzung des gemeinen Werts des Patents vorliegen, andernfalls regelmäßig in Verfahren der Anmelderbeschwerde mit 50.000 € und in Einspruchsverfahren mit einem nach der Anzahl der Einsprechenden um je 25.000 € höheren Wert.

7

a) Es entspricht den gesetzlichen Vorgaben, bei einem Einspruch gegen ein Patent die Ausübung des billigen Ermessens im Rechtsmittelzug zunächst am objektiven Interesse der von dem Patent betroffenen Unternehmen am Widerruf des Patents und dem diesem gegenüberstehenden, wertmäßig regelmäßig korrespondierenden Interesse des [X.] an der Aufrechterhaltung seines Patents zu orientieren und damit diejenigen Grundsätze anzuwenden, die nach § 51 Abs. 1 GKG im Falle der Patentnichtigkeitsklage (s. hierzu [X.], Beschluss vom 12. April 2011 - [X.], [X.] 2011, 757 - Nichtigkeitsstreitwert I) sowie bei der Gegenstandswertfestsetzung im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren (s. hierzu [X.]/Goebel/[X.], [X.], 11. Aufl., § 17 [X.] Rn. 33; [X.] in Busse/[X.], [X.], 8. Aufl., § 17 [X.] Rn. 59) maßgeblich sind. Demgemäß ist der Wertbestimmung im [X.] zuzüglich entstandener Schadensersatzforderungen zugrunde zu legen, für die mangels sonstiger [X.]spunkte der Streitwert eines anhängigen oder anhängig gewesenen Verletzungsverfahrens den greifbarsten [X.] bieten kann; der darüber hinausgehende gemeine Wert des Patents kann dabei mit einem pauschalen Zuschlag in Höhe eines Viertels zum Wert des Verletzungsverfahrens bemessen werden (im Ergebnis ebenso [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 102 Rn. 12; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 80 Rn. 37).

8

b) Bieten sich keine genügenden tatsächlichen [X.]spunkte für eine solche konkrete Schätzung, wie es sich regelmäßig im Verfahren der Anmelderbeschwerde verhalten wird, aber auch im Einspruchsverfahren der Fall sein kann, wenn sich mangels Benutzung oder Verletzung des Patents sein gemeiner Wert auch nicht näherungsweise abschätzen lässt, ist der Wert durch einen Vergleich mit dem [X.] von 5.000 € auf Basis sämtlicher sonstiger Umstände des Einzelfalls zu bestimmen, wobei eine Wertbestimmung über 500.000 € ausgeschlossen ist.

9

Dabei bildet regelmäßig schon der Umstand, dass der Anmelder die Mühen und Kosten einer Patentanmeldung und der Beschwerde gegen die Zurückweisung der Anmeldung in Kauf nimmt und dies regelmäßig nur dann tun wird, wenn er auch bereit ist, in Erwartung eines damit verbundenen wirtschaftlichen Nutzens die Gebühren für das zu erteilende Patent jedenfalls für eine gewisse Zeit zu zahlen, einen hinreichenden [X.]spunkt dafür, dass der Wert mit 5.000 € nicht angemessen erfasst ist. Mangels anderer [X.]spunkte kann er vielmehr mit dem Zehnfachen dieses Werts, d.h. mit 50.000 €, bemessen werden.

Ist das Patent erteilt und mit dem Einspruch angegriffen, rechtfertigt sich im Regelfall die Annahme eines höheren Werts, der bei einem einzelnen Einsprechenden mangels anderweitiger [X.]spunkte mit 75.000 € bemessen werden kann (vgl. [X.]E 53, 142, 143: [X.] für das Einspruchsverfahren 60.000 €; [X.], Beschluss vom 16. März 2006 - [X.], juris Rn. 2; Beschluss vom 30. Juli 2015 - [X.]/13, juris Rn. 7; Beschluss vom 24. November 2016 - [X.], [X.], 127 Rn. 3; Beschluss vom 22. Dezember 2017 - [X.]/16, [X.], 349: [X.] für das Markenlöschungsverfahren 50.000 €). Haben mehrere Unternehmen eingesprochen, spiegelt dies in der Regel ein nochmals höheres Allgemeininteresse am Widerruf des Patents wider, dem mit einer weiteren Werterhöhung um 25.000 € je weiterem Einsprechenden Rechnung zu tragen ist.

3. Im Streitfall schätzt der Senat den gemeinen Wert des Patents und damit den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im [X.] in Anlehnung an den Streitwert, der im Verfahren der einstweiligen Verfügung angenommen worden ist, auf 400.000 €.

IV. Da der Einzelrichter das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache übertragen hat (§ 33 Abs. 8 Satz 2 RVG), ergeht die Entscheidung durch den Senat. Sie ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG).

Meier-Beck     

      

Bacher     

      

Hoffmann

      

Kober-Dehm     

      

Marx     

      

Meta

X ZB 3/15

27.03.2018

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BGH, 29. August 2017, Az: X ZB 3/15, Beschluss

§ 23 Abs 2 S 1 RVG, § 23 Abs 3 S 2 RVG, § 33 Abs 1 RVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.03.2018, Az. X ZB 3/15 (REWIS RS 2018, 11559)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 828-829 REWIS RS 2018, 11559


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 11 W (pat) 12/10

Bundespatentgericht, 11 W (pat) 12/10, 10.11.2014.


Az. X ZB 3/15

Bundesgerichtshof, X ZB 3/15, 27.03.2018.

Bundesgerichtshof, X ZB 3/15, 29.08.2017.


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