Bundesfinanzhof, Beschluss vom 07.04.2020, Az. II B 82/19

2. Senat | REWIS RS 2020, 3239

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Gegenstand

Rechtsweg im Datenschutzrecht


Leitsatz

1. Die Datenschutz-Grundverordnung ist auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden nicht anwendbar.

2. Für Ansprüche nach dem BDSG ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des [X.] vom 30.09.2019 - 10 K 1493/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wird beim Finanzamt ([X.]) umsatzsteuerlich geführt. Im Jahre 2014 schaltete das [X.] den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--), dort die Steuerfahndung ein, die wegen verschiedener Vorwürfe im Jahre 2015 Steuerstrafverfahren gegen den Kläger einleitete. Die strafrechtlichen Ermittlungen, jedoch noch nicht das Strafverfahren selbst, wurden durch den Bericht der Steuerfahndung des [X.] vom 10.08.2018 abgeschlossen. Dieser enthielt in Bezug auf den Kläger und dessen Bruder unter dem Abschnitt "Hintergrund der Prüfung" den Satz:

2

"Beide Brüder sind als Insolvenz erfahren einzustufen und scheuen sich auch nicht, in ihren Verfahren mit Argumenten aus der "[X.]" aufzuwarten bzw. dies über ihre Prozessbevollmächtigten vortragen zu lassen."

3

Am 09.11.2018 beantragte der Kläger bei dem [X.] nach Art. 15 Abs. 1, Art. 4 Abs. 4 der Verordnung ([X.]) 2016/679 des [X.] und des [X.] natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG ([X.], [X.] [X.] --ABl[X.]-- Nr. L 119/1) Auskunft über die bei dem [X.] gesammelten Daten. Er wolle wissen, welche Informationen hinter der Behauptung betreffend die [X.] stünden. Diese sei diskreditierend.

4

Am 03.12.2018 lehnte das [X.] den Antrag ab. Der Anwendungsbereich der DS-GVO sei nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. d DS-GVO nicht eröffnet.

5

Mit Schreiben vom 25.02.2019 erklärte der Kläger, es sei richtig, dass die DS-GVO nicht einschlägig sei. Allerdings entstehe dadurch kein rechtsfreier Raum. Es gelte die auf Grundlage der DS-GVO erlassene Richtlinie ([X.]) 2016/680 des [X.] und des [X.] natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977[X.] des Rates (ABl[X.] Nr. L 119/89). Dieses Schreiben beantwortete das [X.] nicht.

6

Mit einer am 11.06.2019 eingegangenen Klage beantragte der Kläger, das [X.] zu verpflichten, Auskunft über die Dokumente zu erteilen, aus denen sich ergeben soll, dass sich der Kläger und sein Bruder … Argumenten der sogenannten "Reichsbürger" bedienen, und das [X.] weiterhin zu verpflichten, die Dokumente, aus denen sich die [X.] ergeben soll, zu löschen. Er hielt den [X.] für eröffnet, da die Daten des [X.] nicht aus dem Ermittlungsverfahren, sondern dem allgemeinen Schriftverkehr der Vergangenheit stammten. Das [X.] beantragte, den Rechtsstreit an das aus seiner Sicht zuständige Verwaltungsgericht ([X.]) zu verweisen.

7

Das Finanzgericht ([X.]) hat mit Beschluss vom 30.09.2019 das Verfahren nach § 17a Abs. 3, 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes ([X.]) an das [X.] verwiesen und die Beschwerde zugelassen. Der Kläger hat am 08.10.2019 Beschwerde eingelegt, der das [X.] nicht abgeholfen hat. Die Beschwerde wurde nicht begründet.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.

9

1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, da das [X.] die Beschwerde nach § 17a Abs. 4 Satz 4 [X.] zugelassen hat. [X.] ist, dass der Kläger sie nicht begründet hat. Eine Beschwerde bedarf, sofern dies nicht anderweit ausdrücklich vorgeschrieben ist, etwa nach § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) oder nach § 133a Abs. 2 Satz 5 [X.]O, grundsätzlich keiner Begründung, sofern die Beschwer erkennbar ist (vgl. Beschlüsse des [X.] --BFH-- vom 20.11.2008 - VII B 145/07, [X.], 200; vom 21.07.2009 - II B 8/09, [X.], 1845, unter [X.]; vom 27.11.2009 - II B 102/09, juris, unter II.A.). Das ist hier der Fall.

2. Das [X.] hat zu Recht erkannt, dass § 32i Abs. 2 der Abgabenordnung [X.]) den Rechtsweg zu den Finanzgerichten nicht eröffnet.

a) Nach dieser Vorschrift ist für Klagen der betroffenen Person hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten gegen Finanzbehörden oder gegen deren Auftragsverarbeiter wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der Verordnung ([X.]) 2016/679 oder der darin enthaltenen Rechte der betroffenen Person der [X.] gegeben. § 32i AO wurde durch Art. 17 des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 17.07.2017 ([X.], 2541) eingefügt und ist nach dessen Art. 31 Abs. 4 seit dem 25.05.2018 in [X.], mithin dem Grunde nach anwendbar.

b) Maßgeblich für die Bestimmung des Rechtswegs ist die Rechtsnatur des Streitgegenstandes. Dieser richtet sich neben dem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt nach der das Rechtsverhältnis regelnden Anspruchsgrundlage (vgl. Beschluss des [X.] --BVerwG-- vom 18.11.2019 - 10 B 20/19, [X.], 336, Rz 7).

c) Der Kläger macht keinen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der DS-GVO geltend. Er erklärt zuletzt selbst, diese sei nicht anwendbar. Diese rechtliche Beurteilung ist zwar nicht bindend, doch zutreffend. Für das gegen das [X.] gerichtete Klagebegehren kommt die DS-GVO als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht.

aa) Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. d DS-GVO findet die DS-GVO keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit.

bb) Das [X.] ist gemäß § 1 Nr. 25 der [X.] Finanzämter-Zuständigkeitsverordnung vom 30.11.2004 (Gesetzblatt 2004, 865) im Rahmen seiner Zuständigkeit u.a. für die Aufgaben der Steuerfahndung nach § 208 AO für das [X.] A tätig geworden, und zwar im konkreten Fall nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ("die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten"). Diese Tätigkeit gehört zu den Aufgaben i.S. des Art. 2 Abs. 2 Buchst. d DS-GVO. Datenschutzrechtliche Begehren gegen das [X.] im Zusammenhang mit einer solchen Tätigkeit können in der DS-GVO daher keine Grundlage haben.

Zwar kann die Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. [X.] auch als [X.] tätig werden. Sie besitzt insoweit eine Doppelfunktion. Ist jedoch gegen den Betroffenen ein Verfahren i.S. des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eingeleitet und noch nicht abgeschlossen, wird die Steuerfahndung auch in diesem Verfahren tätig, selbst wenn sie in diesem Zusammenhang Besteuerungsgrundlagen ermittelt (vgl. [X.] vom 06.02.2001 - VII B 277/00, [X.] 194, 26, [X.] 2001, 306, unter [X.]). Die Textpassage, die Anlass der Klage ist, ist in einem Bericht enthalten, der seinerseits die Überzeugung dokumentiert, die das [X.] aus dem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren gewonnen hat.

cc) Soweit der Kläger geltend macht, die Daten des [X.] stammten nicht aus dem Ermittlungsverfahren, sondern aus dem Besteuerungsverfahren, wäre das Begehren nicht gegen das allein mit dem Ermittlungsverfahren betraute [X.], sondern gegen das [X.] A oder ggf. ein anderes für die Besteuerung des Klägers zuständiges Finanzamt zu richten. Ob für einen solchen Auskunftsanspruch nach § 32i Abs. [X.] der [X.] gegeben sein könnte, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Der Kläger hat seine Klage allein gegen das [X.] gerichtet.

3. § 33 Abs. 1 [X.]O eröffnet den Rechtsweg zu den Finanzgerichten ebenfalls nicht. Insbesondere gehören die Steuerstraf- und Bußgeldsachen und damit auch die --wie im [X.] sich darauf beziehende Tätigkeit der Steuerfahndung von der Einleitung bis zur Einstellung eines solchen Verfahrens grundsätzlich nicht zu den Abgabenangelegenheiten i.S. des § 33 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O (vgl. BFH-Urteil vom 02.12.1976 - IV R 2/76, [X.] 120, 571, [X.] 1977, 318, unter 2.b, c, zu der wesensgleichen Vorläufervorschrift des § 33 Abs. 3 [X.]O; [X.] vom 06.05.1997 - VII B 4/97, [X.] 182, 515, [X.] 1997, 543, unter II.2.a).

4. Schließlich hat das [X.] auch zu Recht den Rechtsstreit an das VG und nicht etwa an die nach § 13 [X.] für Strafsachen zuständigen ordentlichen Gerichte verwiesen.

a) Nach § 45 Satz 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) gelten die Vorschriften dieses Teils [Teil 3] für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die für die Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung, Verfolgung oder Ahndung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zuständigen öffentlichen Stellen, soweit sie Daten zum Zweck der Erfüllung dieser Aufgaben verarbeiten. Das BDSG ist durch Art. 1 des Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung ([X.]) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie ([X.]) 2016/680 ([X.] und Umsetzungsgesetz [X.]) vom 30.06.2017 ([X.], 2097) beschlossen und nach dessen Art. 8 Abs. 1 am 25.05.2018 in [X.] getreten, mithin dem Grunde nach anwendbar.

Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass die Anwendbarkeit des BDSG sich nach aktuellem Recht auch aus § 500 der Strafprozessordnung ergibt, der durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie ([X.]) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung ([X.]) 2016/679 vom [X.] ([X.], 1724) eingefügt wurde.

b) Vor welchen Gerichten gerichtlicher Rechtsschutz nach Maßgabe von § 57 Abs. 7 Satz 2 BDSG zu suchen ist, ist im BDSG nicht geregelt. § 20 Abs. 1 BDSG betrifft lediglich bestimmte Streitigkeiten, u.a. solche nach der DS-GVO. Es bleibt insoweit, wie das [X.] zu Recht erkannt hat, bei dem nach § 40 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegebenen Verwaltungsrechtsweg.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O. Die Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsweg löst ein selbstständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem nach den allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist (vgl. BVerwG-Beschluss in [X.], 336, Rz 13).

Meta

II B 82/19

07.04.2020

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 30. September 2019, Az: 10 K 1493/19, Beschluss

Art 2 Abs 2 Buchst d EUV 2016/679, § 32i Abs 2 AO, § 208 AO, § 33 Abs 1 Nr 1 FGO, § 13 GVG, § 17a GVG, § 20 BDSG, § 45 BDSG, § 57 BDSG, § 40 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 07.04.2020, Az. II B 82/19 (REWIS RS 2020, 3239)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3239

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IX R 32/21 (Bundesfinanzhof)

(Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten im Besteuerungsverfahren gemäß § 29b AO)


Referenzen
Wird zitiert von

W 10 K 20.1059

15 K 1212/19

15 K 2067/18

15 K 193/20

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