Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.11.2000, Az. VI ZR 352/99

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 336

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[X.] DES [X.] am:28. November 2000Holmes,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: ja[X.] § 116; BGB § 843 Abs. 4a) § 116 Abs. 6 [X.] steht dem Übergang des [X.] [X.] gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers aus§ 3 Nr. 1 [X.] auf den Sozialversicherungsträger entgegen (Abgren-zung zu [X.], 192 [X.]) Auf den bei dem Geschädigten verbleibenden Anspruch sind Leistun-gen aus der [X.] Pflegeversicherung nicht anzurechnen.[X.], Urteil vom 28. November 2000 - [X.] -OLG [X.] LG [X.] I- 2 -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 28. November 2000 durch [X.] Lepa, [X.], [X.],[X.] und Diederichsenfür Recht erkannt:Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 10. Zivilsenatsdes Oberlandesgerichts [X.] vom 24. September 1999 [X.].Die Kosten der Revision fallen der Beklagten zur Last.Von Rechts [X.]:Die am 5. Mai 1971 geborene Klägerin erlitt am 29. März 1979 bei [X.], den ihre Mutter verursacht hatte, schwere Kopfverletzungen.Sie ist seitdem hirnorganisch völlig gestört und in erheblichem Umfang pflege-bedürftig. Zur [X.] des Unfalls lebten beide in häuslicher Gemeinschaft; das istauch jetzt noch der Fall.Die Beklagte hat als Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer für die [X.] Schäden der Klägerin voll einzustehen. Die Parteien haben sich aufeinen monatlichen Pflegeaufwandsbetrag von 2.257,50 DM geeinigt. Die [X.] hat diesen Betrag bis Ende 1996 gezahlt. Seit dem 1. Januar 1997 hat- 3 -sie ihre Zahlungen an die Klägerin um das monatliche Pflegegeld in Höhe von800 DM, das die Pflegekasse an die Klägerin zahlt, gekürzt.Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin für die [X.] vom 1. Ja-nuar 1997 bis zum 31. März 1998 den durch die Kürzungen entstandenen [X.] in Höhe von insgesamt 12.000 DM nebst Zinsen. Sie hat geltendgemacht, daß die Leistung der Pflegeversicherung an ihrer Aktivlegitimationnichts geändert habe; ihr komme das [X.] des § 116 Abs. [X.] zugute, das einem Übergang ihrer Schadensersatzansprüche in Höheder [X.] auf die Pflegekasse entgegenstehe.Die Beklagte hat dem Klagevorbringen entgegengehalten, daß sich dieKlägerin auf den mit der Beklagten vereinbarten Betrag von 2.257,50 DM dasmonatliche Pflegegeld von 800 DM anrechnen lassen müsse. Andernfalls [X.] sie mehr als den Ausgleich ihres Schadens erhalten und gegenüber ande-ren Geschädigten, die durch familienfremde Personen geschädigt worden [X.], ungerechtfertigt bevorzugt.Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das [X.] Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen [X.] die Beklagte ihr [X.] 4 -Entscheidungsgründe:I.Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Klägerin ihr gegen [X.] gerichteter [X.] aus §§ 823, 843 BGB, § 3 Nr. 1 [X.]trotz der [X.] in voller Höhe erhalten geblieben. Ein [X.] in Höhe des Pflegegeldes auf die Pflegekasse gemäß § 116Abs. 1 [X.] scheitere an der [X.] des [X.]s aus§ 116 Abs. 6 [X.]. Dieses Privileg gelte auch für den gegen den [X.] gerichteten [X.] gemäß § 3 Nr. 1 [X.]. Die Rechtsna-tur dieses Anspruchs lasse einen getrennten, vom Haftpflichtanspruch losgelö-sten Übergang dieses Anspruchs auf den Sozialversicherungsträger nicht [X.] gelte der Grundsatz der Akzessorietät des [X.]. Durch die[X.] sei der zeitlich und sachlich kongruente Schadensersatz-anspruch der Klägerin nicht erloschen; aus dem § 843 Abs. 4 BGB zugrunde-liegenden [X.]n folge, daß auf den Schaden keine Leistungen an-derer angerechnet werden dürften, die - wie die [X.] - ihrerNatur nach dem Schädiger nicht zugute kommen sollten.II.Der Senat ist mit dem Berufungsgericht der Auffassung, daß sich [X.] des monatlichen Pflegegeldes von 800 DM an die Klägerin auf derengegen die Beklagte gerichteten [X.] auf Zahlung des vereinbartenPflegeaufwandsbetrages von monatlich 2.257,50 DM nicht ausgewirkt hat. DieAktivlegitimation der Klägerin wird von diesen Zahlungen nicht berührt. Sie ha-ben entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gemäß § 116 Abs. 1 [X.]- 5 -zu einem Übergang des gegen die Beklagte gerichteten [X.] aufdie Pflegekasse in Höhe ihrer Leistungen geführt.1. Allerdings besteht - wie die Revision zutreffend geltend macht - zwi-schen den Schadensersatzleistungen der Beklagten zum Ausgleich der [X.] vermehrten Bedürfnisse der Klägerin gemäß § 843 Abs. 1 BGB, § 3Nr. 1 [X.] und den [X.] der Pflegekasse eine sachliche undzeitliche Kongruenz, wie sie § 116 Abs. 1 [X.] für einen Anspruchsübergangvoraussetzt. Ein Übergang des Schadensersatzanspruchs der Klägerin in Höheder Zahlungen des Pflegegeldes auf die Pflegekasse scheitert jedoch an dem[X.] des § 116 Abs. 6 Satz 1 [X.]. Danach ist bei nicht vor-sätzlichen Schädigungen durch Familienangehörige, die im [X.]punkt desSchadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen inhäuslicher Gemeinschaft leben, ein Anspruchsübergang nach § 116 Abs. 1[X.] ausgeschlossen. Die Anwendungsvoraussetzungen dieser Vorschriftliegen hier vor. Die daraus folgende Sperre des [X.] gilt nichtnur für den gegen die Mutter der Klägerin gerichteten Schadensersatzan-spruch, sondern auch für den hier in Rede stehenden [X.] aus§ 843 Abs. 1 BGB, § 3 Nr. 1 [X.] gegen die Beklagte als Haftpflichtversiche-rer. Das folgt aus der Rechtsnatur des gegen den Haftpflichtversicherer ge-richteten [X.] des Geschädigten aus § 3 Nr. 1 [X.]. Er dient [X.] der Forderung des Geschädigten und ist deshalb in seinem Bestandund seinen Wirkungen grundsätzlich von dem Haftpflichtanspruch abhängig; erist ein akzessorisches Recht (vgl. Senatsurteil vom 9. Juli 1996 - [X.] -[X.], 192, 195 m.w.[X.] Allerdings hat der Senat im vorgenannten Urteil ([X.]) für den [X.] auf einen Sozialhilfeträger im Wege einer interes-- 6 -sengerechten Auslegung des § 116 Abs. 6 [X.] den gegen den [X.] gerichteten [X.] in Auflockerung des Grundsatzes derAkzessorietät aus der [X.] ausgegrenzt. In diesem besonderenFall tritt der mit dem [X.] verbundene Akzessorietätsgedanke ge-genüber dem Subsidiaritätsgrundsatz des [X.] zurück. Dies ist er-forderlich, um einen sonst auftretenden Normenkonflikt zwischen der [X.] des § 116 Abs. 6 [X.] und dem in § 2 [X.] verankertenGrundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe zu vermeiden.Diese auf die Sozialhilfe und deren Nachrang zugeschnittenen Erwä-gungen des Senats lassen sich indes auf den Streitfall, in dem es um einenAnspruchsübergang auf den Sozialversicherungsträger geht, für den der [X.] nicht gilt, nicht übertragen. Allerdings hat der Senat imvorgenannten Urteil die Frage aufgeworfen, ob für den Anspruchsübergang aufeinen Sozialversicherungsträger an dem Akzessorietätsgrundsatz, der bisherdie Senatsrechtsprechung bestimmt hat (vgl. Senatsurteil vom 5. [X.] - [X.] - VersR 1979, 256, 257 f.), noch festgehalten [X.]. Der Senat knüpfte damit an Erwägungen im Schrifttum an, die für eine"teleologische Reduktion" des [X.]s auf die Fälle eintreten, indenen kein Haftpflichtversicherungsschutz besteht (vgl. etwa [X.], DAR1988, 289, 290). Der Hinweis des Senats im Urteil vom 9. Juli 1996 führte [X.] im Schrifttum, nach denen für die Auslegung des § 116 Abs. [X.] in den Fällen der Eintrittspflicht eines Haftpflichtversicherers eine parti-elle Abkehr vom Grundsatz der Akzessorietät des [X.] teils abge-lehnt (vgl. etwa [X.], NZV 1998, 94; [X.], [X.], 27; Schie-mann, [X.] § 852 Nr. 137), teils für vertretbar erachtet wird (vgl. etwa Gre-ger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl., [X.] II Rdn. 154).- 7 -Nach nochmaliger Überprüfung verbleibt der Senat bei seiner [X.], daß der Übergang des [X.] des Geschädigten auf den Sozi-alversicherungsträger an der Übergangsschranke des § 116 Abs. 6 [X.]scheitert. Zur Begründung verweist er einmal auf die Erwägungen im genann-ten Senatsurteil vom 5. Dezember 1978. Zum anderen und vor allem sieht sichder Senat angesichts der klaren Normaussage des § 116 Abs. 6 [X.] sowieder Ausgestaltung des [X.] als akzessorisches Recht nicht legiti-miert, für die hier in Rede stehende besondere Fallgestaltung den Vorschlägenzu einer "teleologischen Reduktion" zu folgen, die im Ergebnis auf eine Durch-brechung des Akzessorietätsgrundsatzes hinausläuft. Eine Änderung dieserRechtslage wäre Sache des Gesetzgebers (vgl. auch [X.], NJW-RR 1999,392 ff.; [X.], aaO.). Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß der Senatfür den Übergang des [X.] auf den Sozialhilfeträger die [X.] aus § 116 Abs. 6 [X.] nicht hat eingreifen lassen. Diese Ent-scheidung erschien, wie ausgeführt, geboten, um einen sonst auftretendenNormenkonflikt zwischen dem in § 2 [X.] verankerten Grundsatz der Subsi-diarität der Sozialhilfe und dem [X.] des § 116 Abs. 6 [X.]zu verhindern.3. Hieraus folgt, daß im vorliegenden Fall auch der [X.] ge-gen den Haftpflichtversicherer in vollem Umfang bei der geschädigten Klägerinverblieben ist. Entgegen der Auffassung der Revision muß sie sich die [X.] der Leistungen der Pflegekasse auf ihren Schadensersatzanspruch auchnicht nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung gefallen lassen.Allerdings bewirken diese Folgerungen aus der in § 116 Abs. 6 [X.]getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung insoweit eine tatsächliche Bes-serstellung der Geschädigten. Im Regelfall führt die Zahlung von [X.] -die eine Reduzierung der durch den Schadensfall verursachten vermehrtenBedürfnisse zur Folge hat, gemäß § 116 Abs. 1 [X.] in Höhe der Pflege-geldzahlungen zu einem Übergang des Schadensersatzanspruchs des [X.] den Schädiger bzw. den Haftpflichtversicherer auf die [X.]. Dies bedeutet, daß gewöhnlich dem Geschädigten, dem gegen [X.] bzw. dessen Haftpflichtversicherer ein Anspruch auf Ausgleich dervermehrten Bedürfnisse zusteht, durch die [X.] im wirtschaftli-chen Ergebnis ein Vorteil nicht verbleibt, so daß sich die Frage einer [X.] nicht stellt. Einen Vorteil hat der Geschädigte jedoch in den [X.], in denen - wie hier - die Schädigung durch einen Familienangehörigen [X.] herbeigeführt worden ist, der im [X.]punkt des [X.] mit dem Geschädigten in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat. Für die-sen Fall bestimmt § 116 Abs. 6 [X.], daß ein Anspruchsübergang nicht statt-findet mit der Folge, daß der Geschädigte selbst weiter [X.] ist.Dennoch hat eine Vorteilsausgleichung hier nicht stattzufinden, weil ihrder [X.] aus § 843 Abs. 4 BGB entgegensteht. Leistungen einesSozialversicherungsträgers, die gerade im Hinblick auf eine besondere Situati-on des Geschädigten erbracht werden, in die er durch das schädigende Ereig-nis geraten ist, sollen nach ihrem Sinn und Zweck nicht dem Schädiger, son-dern dem Geschädigten zugute kommen, und zwar unabhängig davon, ob die-sen Leistungen eigene Beiträge des Geschädigten zugrunde liegen oder [X.] Allerdings führt diese Rechtsauffassung zu dem Ergebnis, daß [X.] des [X.]s dem geschädigten Angehörigen das Pflege-geld anrechnungsfrei verbleibt, während das nicht verwandte Unfallopfer inHöhe der [X.] infolge des [X.] gemäß § 116Abs. 1 [X.] seinen Schadensersatzanspruch verliert. Diese [X.] 9 -handlung bedeutet jedoch entgegen der Auffassung der Revision nicht einenVerstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Sie [X.] eine Konsequenz des [X.]s, das sich seinerseits als spezi-elle Ausprägung der in Art. 6 Abs. 1 GG getroffenen objektiven Wertentschei-dung darstellt, gerechtfertigt. Im übrigen kommt die hier zur Erörterung stehen-de Fallkonstellation so selten zum Tragen, daß sie der Gesetzgeber nicht zumAnlaß für eine punktuelle Durchbrechung des [X.]s nehmenmußte.[X.] [X.] Dr. Grei-ner [X.] Diederichsen

Meta

VI ZR 352/99

28.11.2000

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.11.2000, Az. VI ZR 352/99 (REWIS RS 2000, 336)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 336

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