Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.12.2011, Az. IV ZR 105/11

4. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 723

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GESETZGEBUNG BUNDESGERICHTSHOF (BGH) KÜNDIGUNG VERSICHERUNGSRECHT VERSICHERUNGEN

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Gegenstand

Private Kranken- und Pflegeversicherung: Außerordentliche Kündigung durch den Versicherer


Leitsatz

1. § 206 Abs. 1 Satz 1 VVG schließt nicht jede außerordentliche Kündigung eines Krankheitskostenversicherungsvertrages durch den Versicherer aus.

2. In diesem Fall wird weder die Krankheitskostenversicherung mit dem bisherigen Versicherer im Basistarif (§ 12 Abs. 1a VAG) fortgesetzt, noch steht dem Versicherungsnehmer gegen diesen ein Anspruch auf Abschluss eines derartigen Vertrages zu.

3. Im Bereich der Pflegepflichtversicherung ist jede außerordentliche Kündigung des Versicherers ausgeschlossen (§ 110 Abs. 4 SGB XI).

Tenor

Unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 5. Mai 2011 teilweise aufgehoben und das Urteil der 12. Zivilkammer des [X.] (Oder) vom 27. August 2010 teilweise geändert.

Es wird festgestellt, dass die Pflegeversicherung nach Tarif [X.] zu Versicherungsnummer …           zwischen den Parteien fortbesteht und nicht durch fristlose Kündigung der Beklagten vom 29. Mai 2009 beendet wurde. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 96% und die Beklagte 4%.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger, der als selbständiger Unternehmer einen "[X.]" mit Containerservice, Entrümpelung, Abrissarbeiten etc. betreibt, unterhielt bei der Beklagten seit 2004 eine Krankheitskosten-, Krankentagegeld- und Pflegeversicherung. Nach einer Herzoperation war der Kläger arbeitsunfähig und erhielt Krankentagegeld. Anlässlich eines Besuches durch den für die Beklagte tätigen [X.]am 14. Mai 2009 kam es zu einem Vorfall, den die Beklagte zum Anlass nahm, mit Schreiben vom 29. Mai 2009 den Vertrag über die Krankheitskosten-, Krankentagegeld- und Pflegepflichtversicherung fristlos zu kündigen. Die Beklagte stützte die Kündigung darauf, dass der Kläger ihren Außendienstmitarbeiter tätlich mit einem Bolzenschneider angegriffen und bedroht habe. Sie lehnte es ausdrücklich ab, den Kläger zumindest im Basistarif weiter zu versichern.

2

Nach durchgeführter Beweisaufnahme hat das [X.] die Klage abgewiesen, mit der der Kläger beantragt hatte festzustellen, dass die Krankheitskosten-, die Krankentagegeld- und die Pflegeversicherung zwischen den Parteien fortbesteht und nicht durch die fristlose Kündigung zum 29. Mai 2009 beendet worden ist, hilfsweise der Beklagten aufzugeben, mit ihm eine Krankheitskostenversicherung im Basistarif zu schließen. Die hiergegen gerichtete Berufung des [X.] ist nach wiederholter Beweisaufnahme erfolglos geblieben. Mit seiner Revision beantragt der Kläger festzustellen, dass die Krankheitskosten- und die Pflegeversicherung zwischen den Parteien fortbestehen und nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29. Mai 2009 beendet worden sind, hilfsweise festzustellen, dass die Krankheitskostenversicherung zum Basistarif und die Pflegeversicherung fortbestehen und nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29. Mai 2009 beendet worden sind, weiter hilfsweise der Beklagten aufzugeben, mit dem Kläger eine Krankheitskostenversicherung zum Basistarif abzuschließen.

Entscheidungsgründe

3

Das Rechtsmittel hat nur zu einem geringen Teil Erfolg.

4

I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.], 1429 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dem Recht der Beklagten, die Vertragsverhältnisse wirksam aus wichtigem Grund gemäß § 314 Abs. 1 BGB zu kündigen, stehe auch hinsichtlich der [X.] nicht das [X.] des § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.] entgegen. Die Vorschrift sei teleologisch auf die Fälle der Kündigung wegen [X.] zu reduzieren. Soweit vom Wortlaut auch andere schwerwiegende Vertragsverletzungen des Versicherungsnehmers umfasst seien, liege ein planwidriger [X.] vor. Die Erstreckung des § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf alle denkbaren Kündigungsgründe stehe im Wi[X.]pruch zu dem das Privatrecht dominierenden Gebot von Treu und Glauben sowie dem in § 314 Abs. 1 BGB enthaltenen Grundsatz der Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund. Namentlich bei strafbarem Verhalten des Versicherungsnehmers müsse eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich sein. Ein hinreichender Schutz des Versicherungsnehmers werde dadurch erreicht, dass er gegenüber einem anderen Versicherer Anspruch auf Versicherung im Basistarif habe. Hier sei ein wichtiger Grund zur Kündigung vorhanden gewesen, da der Kläger einen Mitarbeiter des Versicherers tätlich angegriffen habe, als dieser ihn während des Bezuges von Krankentagegeld im Gespräch mit Kunden auf dem von ihm betriebenen Recyclinghof angetroffen habe.

5

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Wesentlichen stand.

6

1. Die Revision ist unbeschränkt zugelassen. Soweit das Berufungsgericht ausgeführt hat, die Revision werde zugelassen, da die Frage, ob § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.] jede Kündigung einer [X.] ausschließe, von grundsätzlicher Bedeutung sei, folgt hieraus keine Beschränkung der Zulassung auf die [X.] als abtrennbarer Teil des Streitgegenstandes unter Ausschluss der Zulassung der Revision wegen der Kündigung der Pflegepflichtversicherung. Das Berufungsgericht hat eine Differenzierung zwischen diesen beiden Versicherungen nicht vorgenommen, weil es die unterschiedlichen Regelungen des § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.] für die [X.] und des § 110 Abs. 4 [X.] für die Pflegepflichtversicherung nicht erkannt hat. Eine Absicht des Berufungsgerichts zur Beschränkung der Zulassung der Revision auf die Kündigungsmöglichkeit einer [X.] bestand mithin nicht.

7

2. Der Hauptantrag des [X.] auf Feststellung, dass die [X.] nach [X.] zwischen den Parteien fortbesteht und nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29. Mai 2009 beendet wurde, ist nicht begründet. Das Recht der Beklagten zur fristlosen Kündigung des [X.] gemäß § 314 Abs. 1 BGB ist nicht durch § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.] ausgeschlossen.

8

a) Grundsätzlich steht den Parteien eines Versicherungsvertrages ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB zu (Senatsurteile vom 20. Mai 2009 - [X.], [X.], 1063 Rn. 15; vom 18. Juli 2007 - [X.], [X.], 1260 unter [X.]). Allerdings bestimmt der zum 1. Januar 2009 durch das [X.] vom 23. November 2007 ([X.] I S. 2631) neu gefasste § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.], dass jede Kündigung einer [X.], die eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 [X.] erfüllt, durch den Versicherer ausgeschlossen ist. Der Anwendungsbereich der Regelung erstreckt sich auf die überwiegende Mehrzahl der bestehenden privaten [X.]sverträge, da nach § 193 Abs. 3 Satz 3 [X.] alle vor dem 1. April 2007 - wie hier - abgeschlossenen [X.]sverträge unter die Definition der Pflichtversicherung fallen (HK-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 206 Rn. 2; [X.], Private Krankenversicherung 2. Aufl. Rn. 126). § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.] findet über Art. 1 Abs. 1 EG[X.] auf den Versicherungsvertrag Anwendung, da die Beklagte die Kündigung erst im [X.] erklärt hat.

9

b) Ob ein Versicherer trotz des Wortlauts von § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.] jedenfalls dann ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages nach § 314 Abs. 1 BGB hat, wenn er sich nicht auf einen Prämienverzug des Versicherungsnehmers, sondern andere schwere Vertragsverletzungen - etwa [X.] - stützt, wird unterschiedlich beurteilt.

aa) Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.] eine abschließende Regelung für den Bereich der [X.] enthalte und jede Art von Kündigung verbiete, unabhängig davon, ob es sich um eine ordentliche oder um eine außerordentliche handele ([X.], 396; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 28. Aufl. § 206 Rn. 7; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. § 206 Rn. 6; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. nach § 2 MB/KK Rn. 82 f.; [X.], r+s 2011, 300, 301 f.; [X.]/[X.], [X.], 580, 583 f.; HK-[X.]/[X.], § 206 Rn. 3; [X.]. [X.] 10/2010 [X.]. 1; [X.], NJW 2007, 3745, 3749). Dies wird mit dem einschränkungslosen Wortlaut des § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.] sowie der systematischen Stellung zu Satz 2 ("darüber hinaus …") begründet. Ferner sei es dem Gesetzgeber um die Gewährleistung eines durchgängigen Krankenversicherungsschutzes für jeden Bürger gegangen, was durch Ausnahmen vom [X.] nicht unterlaufen werden dürfe. Ein hinreichender Schutz des Versicherers für den Fall des [X.] werde durch das Ruhen des Vertrages nach § 193 Abs. 6 [X.] erreicht. Außerdem sei der Versicherer berechtigt, unter den Voraussetzungen der §§ 19 ff., 22 [X.] vom Vertrag zurückzutreten bzw. diesen anzufechten. Soweit es demgegenüber um die spätere Kündigung gehe, sei § 206 [X.] als [X.] zu §§ 19 Abs. 4, 194 Abs. 1 Satz 3 [X.] anzusehen. Schließlich seien gemäß § 110 Abs. 4 [X.] in der privaten Pflegepflichtversicherung Rücktritts- und Kündigungsrechte des Versicherers ausgeschlossen, solange der Kontrahierungszwang bestehe.

bb) Demgegenüber geht eine andere Ansicht davon aus, dass § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht schlechthin jede außerordentliche Kündigung wegen einer schwerwiegenden Vertragsverletzung nach § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB untersage, soweit es nicht um Fälle des Prämienverzugs gehe, für die § 193 Abs. 6 [X.] eine Sonderregelung enthalte. Insoweit sei eine teleologische Reduktion der Vorschrift vorzunehmen (OLG Celle [X.], 738; [X.] ZfS 2011, 396; [X.], Urteil vom 23. November 2011 - 5 [X.]/11; [X.], Private Krankenversicherung 2. Aufl. Rn. 127 ff.; MünchKomm-[X.]/[X.], § 206 Rn. 47 ff.; [X.]. in [X.]/[X.], § 14 MB/KK Rn. 8; [X.]/[X.], [X.] und Krankenhaustagegeldversicherung, 2. Aufl. S. 183 f.; Wandt, [X.]. Rn. 484, 1366; [X.], Private Krankenversicherung § 206 [X.] Rn. 90 ff.; [X.], 431, 436; [X.] der privaten Krankenversicherung ([X.]) durch die [X.]-33; [X.] [X.], 1337, 1344 f.; verfassungsrechtliche Bedenken äußernd [X.] in Looschel[X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. § 206 Rn. 3).

cc) Schließlich werden differenzierende Positionen vertreten. So geht [X.] davon aus, § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.] sei teleologisch dahin zu reduzieren, dass eine außerordentliche Kündigung zulässig sei, soweit sie sich auf einen qualitativ oder quantitativ über den Basistarif hinausreichenden Versicherungsschutz beziehe ([X.], 886, 887). Ähnlich nehmen [X.]/[X.] an, eine Kündigung des Versicherers sei zwar generell ausgeschlossen, er könne jedoch in entsprechender Anwendung von § 193 Abs. 6 Satz 9 [X.] die Fortsetzung des [X.] verlangen ([X.], 593, 604).

c) Die zweitgenannte Ansicht trifft zu. § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist teleologisch dahin zu reduzieren, dass er ausnahmslos lediglich eine außerordentliche Kündigung wegen Prämienverzugs verbietet, während eine Kündigung wegen sonstiger schwerer Vertragsverletzungen unter den Voraussetzungen des § 314 BGB möglich ist.

aa) Ausgangspunkt für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt ([X.], Urteil vom 30. Juni 1966 - [X.], [X.]Z 46, 74, 76). Dem Ziel, den im Gesetz objektivierten Willen des Gesetzgebers zu erfassen, dienen die nebeneinander zulässigen, sich gegenseitig ergänzenden Methoden der Auslegung aus dem Wortlaut der Norm, ihrem Sinnzusammenhang, ihrem Zweck sowie aus den Gesetzgebungsmaterialien und der Entstehungsgeschichte.

Hiervon ausgehend ist der Wortlaut der Vorschrift eindeutig (so auch [X.] aaO). Er schließt schlechthin "jede" Kündigung einer [X.], die eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 [X.] erfüllt, durch den Versicherer aus. Eine Differenzierung zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung erfolgt nicht. Der Umstand, dass die Regelung auch außerordentliche Kündigungen erfasst, ergibt sich zudem aus einem Vergleich zu § 206 Abs. 1 Satz 2 [X.], in der weitere Einschränkungen der ordentlichen Kündigung geregelt sind ("darüber hinaus …"). In der Vorgängervorschrift des § 178i Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. war lediglich die ordentliche Kündigung ausgeschlossen. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich ferner, dass durch den Kündigungsausschluss das Ziel erreicht werden soll, den Versicherungsschutz dauerhaft aufrecht zu erhalten und einen Versicherungsschutz für alle in [X.] lebenden Personen zu bezahlbaren Konditionen herzustellen (BT-Drucks. 16/4247, [X.], 68).

bb) Dieser eindeutige Wortlaut verbietet es allerdings nicht, die Norm teleologisch dahin zu reduzieren, dass sie unmittelbar lediglich die außerordentliche Kündigung wegen Prämienverzugs ausschließt, während in anderen Fällen schwerer Vertragsverletzung im Einzelfall eine außerordentliche Kündigung nach § 314 Abs. 1 BGB in Betracht kommen kann (für eine derartige teleologische Reduktion etwa [X.] aaO; MünchKomm-[X.]/[X.] aaO Rn. 52; [X.]. in [X.]/[X.], § 14 MB/KK Rn. 8; [X.] aaO 1344 f.). Eine teleologische Reduktion setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus ([X.], Urteile vom 26. November 2008 - [X.], [X.]Z 179, 27 Rn. 22; vom 13. November 2001 - [X.], [X.]Z 149, 165, 174; [X.]/[X.], [X.]. S. 621). Ob eine derartige Lücke besteht, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden [X.] zu beurteilen. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner eigenen [X.], unvollständig sein. Diesem methodischen Ansatz steht der Wortlaut der Norm nicht entgegen, da es Sinn und Zweck der teleologischen Reduktion ist, eine zu weit gefasste Norm auf ihren sachgerechten Inhalt zu reduzieren ([X.], [X.], je aaO).

cc) Für eine teleologische Reduktion spricht zunächst die Entstehungsgeschichte der Norm. So heißt es im Gesetzentwurf zu der Neufassung des § 178i [X.] a.F., welche dann endgültig in Gestalt von § 206 [X.] in das Gesetz einging (BT-Drucks. 16/4247 S. 68):

"Durch diese Regelung soll der Versicherungsschutz dauerhaft aufrechterhalten werden. Bisher verlieren Versicherte häufig ihre Altersrückstellungen dadurch, dass der Versicherer ihnen kündigt, weil sie mit der Zahlung einer [X.] in Verzug sind. Dieses ist nunmehr ausgeschlossen. Der Versicherer wird durch diese Regelung nur gering belastet, da der Leistungsanspruch des Versicherten nach § 178a Abs. 8 weitgehend ruht und während des [X.] Säumniszuschläge geltend gemacht werden können."

Dem Gesetzgeber ging es also in erster Linie darum, den Versicherungsnehmer vor den Folgen des Verlustes des Versicherungsschutzes durch eine Kündigung wegen Verzugs mit der Prämienzahlung zu schützen und ihm seine Altersrückstellungen zu erhalten. Demgegenüber ergibt sich aus der [X.] nicht, dass dem Versicherer ein außerordentliches Kündigungsrecht versagt werden sollte, sofern es um andere schwerwiegende Vertragsverletzungen außerhalb des Prämienverzugs geht, insbesondere um Fälle der Leistungserschleichung oder sonstiger gegenüber dem Versicherer bzw. seinen Mitarbeitern verübter Straftaten. So war schon zum bisherigen Recht anerkannt, dass eine Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht kommen kann (vgl. Senatsurteile vom 20. Mai 2009 aaO Rn. 17; vom 18. Juli 2007 aaO; [X.] [X.], 58; [X.] 2005, 428).

dd) Ein vollständiger Ausschluss des Kündigungsrechts hätte demgegenüber zur Folge, dass der Versicherer selbst in Fällen schwerster Vertragsverletzungen an den Versicherungsnehmer gebunden bliebe. Der Versicherer wäre gezwungen, das Vertragsverhältnis mit einem Versicherungsnehmer fortzusetzen, der bereits in der Vergangenheit versucht hat, durch betrügerische Handlungen Leistungen zu erschleichen, oder - wie hier - einen Mitarbeiter des Versicherers tätlich angreift, nachdem dieser bei einem Besuch vor Ort festgestellt hat, dass der Versicherungsnehmer trotz des Bezuges von Krankentagegeld seiner gewerblichen Tätigkeit nachging. Ein derart vollständiger Ausschluss des Kündigungsrechts auch bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen verstieße gegen den in § 314 BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundsatz des Zivilrechts, dass Dauerschuldverhältnisse bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gekündigt werden können ([X.], Urteil vom 26. Mai 1986 - [X.], NJW 1986, 3134 unter [X.] 2 a; [X.] aaO 1343).

ee) Auch der Gesetzgeber selbst will den Versicherer in den von ihm allein berücksichtigten Fällen des Prämienverzugs, für die er eine außerordentliche Kündigung ausdrücklich ausgeschlossen hat, keineswegs rechtlos stellen. So bestimmt § 193 Abs. 6 [X.], dass bei einem qualifizierten Prämienrückstand das Ruhen der Versicherung eintritt. Während dieser [X.] haftet der Versicherer ausschließlich für Aufwendungen zur Behandlung akuter Erkrankungen und von Schmerzzuständen sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Weitere Leistungen hat er nicht zu erbringen. Ferner stehen ihm Säumniszuschläge gegen den Versicherungsnehmer zu. Sind die Rückstände nicht innerhalb eines Jahres ausgeglichen, so wird die Versicherung nur noch im Basistarif fortgesetzt. Wenn aber der Versicherer schon für die Fälle des Prämienverzugs, der häufig auf der schlechten wirtschaftlichen oder persönlichen Situation des Versicherungsnehmers beruhen kann, nur noch in eingeschränktem Umfang Leistungen erbringen muss, so muss dem Versicherer erst recht ein Kündigungsrecht zustehen, wenn der Versicherungsnehmer wesentlich schwerwiegendere Vertragsverletzungen wie etwa [X.] oder sonstige Straftaten begeht ([X.] aaO 1345).

ff) Das Gesetz schließt ohnehin nicht jede Möglichkeit des Versicherers aus, sich von einem [X.]svertrag auch dann zu lösen, wenn mit diesem eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 [X.] erfüllt wird. So finden wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten weiterhin die §§ 19 ff., 22 [X.] Anwendung. Sie erfahren lediglich gemäß § 194 Abs. 1 Satz 3 [X.] eine Modifikation dahin, dass § 19 Abs. 4 [X.] auf die Krankenversicherung nicht anzuwenden ist, wenn der Versicherungsnehmer die Verletzung der Anzeigepflicht nicht zu vertreten hat. Dem Versicherer bleibt daher auch im Bereich der Pflichtversicherung nach § 193 Abs. 3 [X.] das Recht zum Rücktritt vom Vertrag bzw. der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Verletzung der Anzeigepflicht anlässlich des Vertragsschlusses erhalten.

Zudem bestimmt § 193 Abs. 5 Satz 4 [X.], dass der Versicherer den Antrag auf Abschluss einer Versicherung im Basistarif ablehnen kann, wenn der Antragsteller bereits bei dem Versicherer versichert war und der Versicherer den Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat oder vom Versicherungsvertrag wegen einer vorsätzlichen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist. Es ist nicht ersichtlich, warum ein Versicherungsnehmer, der bei Vertragsschluss seine Anzeigepflicht verletzt hat, den Versicherungsschutz nachträglich durch Rücktritt oder Anfechtung seitens des Versicherers wieder verlieren kann, im Falle einer sonstigen schweren Vertragsverletzung wie etwa der Leistungserschleichung oder tätlicher Angriff auf einen Mitarbeiter des Versicherers aber einen Anspruch auf unveränderten Fortbestand des Vertrages haben soll (so auch [X.] aaO). Zwar handelt es sich in diesen Fällen erst um eine nachträgliche Störung des zunächst einwandfrei zustande gekommenen Vertragsverhältnisses, während sich Rücktritt und Anfechtung auf eine Anzeigepflichtverletzung vor Vertragsschluss beziehen. Inhaltlich vermag dies eine unterschiedliche Behandlung aber nicht zu rechtfertigen. Auch beim Rücktritt oder der Anfechtung ist der Vertrag zunächst "ins Werk gesetzt" worden und wird erst nachträglich nach Aufdeckung der Anzeigepflichtverletzung rückwirkend wieder beseitigt. Warum es dem Versicherer dann nicht möglich sein soll, bei häufig noch wesentlich gravierenderen Vertragsverletzungen den Vertrag nicht zumindest mit Wirkung für die Zukunft aus wichtigem Grund kündigen zu können, leuchtet nicht ein.

gg) Den Interessen des Versicherungsnehmers wird dadurch Rechnung getragen, dass er seinen Versicherungsschutz nicht vollständig verliert. Vielmehr hat er weiterhin Anspruch darauf, gemäß § 193 Abs. 5 [X.] bei jedem in [X.] zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen im Basistarif nach § 12 Abs. 1a [X.] versichert zu werden.

hh) Auch die Gefahr eines Verlustes von Altersrückstellungen rechtfertigt nicht den vollständigen Ausschluss eines außerordentlichen Kündigungsrechts. Zwar hat der Gesetzgeber den Ausschluss des Kündigungsrechts ausdrücklich damit begründet, dass bisher viele Versicherte ihre Altersrückstellungen dadurch verlieren, dass der Versicherer ihnen kündigt, weil sie mit der Zahlung einer [X.] in Verzug sind (BT-Drucks. 16/4247 S. 68). Der Fall eines [X.], der auf Seiten des Versicherungsnehmers die unterschiedlichsten wirtschaftlichen und persönlichen Gründe haben kann, ist aber mit Fällen sonstiger schwerer Vertragsverletzungen nicht zu vergleichen. Wer etwa durch [X.] in betrügerischer Weise versucht, Leistungen des Versicherers zu erhalten, auf die er keinen Anspruch hat, oder einen Außendienstmitarbeiter des Versicherers im Rahmen einer Leistungsüberprüfung tätlich angreift, muss die Folgen seines Handelns, die gegebenenfalls auch im Verlust des Versicherungsschutzes einschließlich der Altersrückstellungen liegen können, selbst tragen.

ii) Schließlich steht der Zulassung einer außerordentlichen Kündigung auch nicht die Rechtsprechung des [X.] entgegen, das die entsprechenden Regelungen für verfassungsgemäß erachtet hat (so auch [X.], Private Krankenversicherung Rn. 91 ff.; [X.] aaO 1344). Es hat mit Urteil vom 10. Juni 2009 entschieden, dass die Einführung des Basistarifs durch die [X.] in der privaten Krankenversicherung verfassungsmäßig war ([X.] 123, 186) und dazu ausgeführt, dass das absolute [X.] des § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.] Grundrechte der Versicherer nicht unverhältnismäßig beeinträchtige (aaO 249 f.). Dem Gesetzgeber sei es darum gegangen, in dem weitaus häufigsten Fall der Vertragsverletzung, nämlich dem Prämienverzug, den mit einer Kündigung des Versicherungsvertrages verbundenen Verlust der Altersrückstellung zu verhindern. Da es sich bei der Krankenversicherung um ein nicht personifiziertes Massengeschäft handele, sei es nicht sachwidrig und unzumutbar, dass der Gesetzgeber auf eine Kündigungsregelung wegen anderer Vertragsverletzungen, die nur relativ selten vorkämen, verzichtet habe. Ergänzend hat das [X.] mit Beschluss vom 10. Juni 2009 entschieden, dass diese Grundsätze auch auf kleine Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit Anwendung fänden ([X.] 124, 25, 42 f.). Soweit es um andere Fälle von Vertragsverletzungen außerhalb des [X.] gehe, sei eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 9 Abs. 1 GG zwar nicht immer auszuschließen. Insoweit seien die Beschwerdeführer aber gehalten, zunächst gegebenenfalls Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu suchen.

Diese Entscheidungen befassen sich mithin nur mit der Verfassungsmäßigkeit der Regelung insgesamt, betreffen aber nicht die Frage der Auslegung einfach gesetzlicher Rechtsvorschriften, stehen also einer einschränkenden Auslegung der Norm für die Fälle sonstiger schwerer Vertragsverletzungen nicht entgegen ([X.] aaO; [X.], aaO).

d) Der Kläger stellt mit seiner Revision nicht mehr in Abrede, dass die Beklagte wegen seines Verhaltens in Form des tätlichen Angriffs auf deren Mitarbeiter sachlich berechtigt war, den [X.]svertrag aus wichtigem Grund gemäß § 314 Abs. 1 BGB fristlos zu kündigen.

3. Erfolg hat die Revision mit ihrem Antrag festzustellen, dass die Pflegeversicherung zwischen den Parteien fortbesteht und nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29. Mai 2009 beendet wurde. Das Berufungsgericht hat übersehen, dass insoweit nicht § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.] Anwendung findet, der sich lediglich auf die [X.] bezieht. Einschlägig sind vielmehr die Regelungen für die private Pflegeversicherung in § 110 [X.], dessen Absatz 4 bestimmt:

"Rücktritts- und Kündigungsrechte der Versicherungsunternehmen sind ausgeschlossen, solange der Kontrahierungszwang besteht."

Durch diese Regelung sollen grundsätzlich auch außerordentliche Kündigungsrechte des Versicherers ausgeschlossen werden, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt (BT-Drucks. 12/5952 S. 49):

"Der neu eingeführte Absatz 4 schränkt die Kündigungs- und Rücktrittsrechte der Versicherungsunternehmen ein. So ist z.B. kein Kündigungsrecht gegeben in Fällen, in denen der Versicherungsnehmer mit seiner Versicherungsprämie in Verzug ist. Der Versicherungsschutz soll auch bei Vertragsverletzungen aufrecht erhalten bleiben, damit soll die private [X.] auch in dieser Hinsicht einen der [X.] Pflegeversicherung gleichwertigen Schutz gewährleisten. Es soll dem [X.] nicht ermöglicht werden, durch vertragswidriges Verhalten seine Versicherungspflicht zu unterlaufen. [X.] der Versicherungsunternehmen für den Zeitraum, in dem der Versicherungsnehmer keine Prämien entrichtet, bleiben selbstverständlich erhalten. …"

Hieraus wird im sozialversicherungsrechtlichen Schrifttum geschlossen, dass durch § 110 Abs. 4 [X.] auch die außerordentliche Kündigung des Versicherers ausgeschlossen ist ([X.] in [X.] Kommentar, Sozialversicherungsrecht § 110 Rn. 24 ff. (Stand: Juli 2011); [X.], [X.] 3. Aufl. § 110 Rn. 16; HK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 110 Rn. 27).

Bei § 110 Abs. 4 [X.] kommt an[X.] als bei § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.] keine teleologische Reduktion dahingehend in Betracht, dass eine außerordentliche Kündigung bei nicht auf Prämienverzug beruhenden schwerwiegenden Vertragsverletzungen des Versicherungsnehmers möglich ist. So schränkt zunächst das Gesetz selbst die Möglichkeit des Versicherers, sich vom Vertrag zu lösen, in weitergehendem Umfang ein als bei der [X.]. § 110 Abs. 4 [X.] untersagt auch Rücktrittsrechte des Versicherers wegen unzutreffender Angaben des Versicherungsnehmers bei Vertragsschluss (vgl. [X.] aaO). Dem entspricht es, dass nach § 110 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 3 Nr. 2 [X.] Unternehmen nicht berechtigt sind, Personen wegen Vorerkrankungen vom Pflegepflichtversicherungsvertrag auszuschließen. Im Bereich der Pflegepflichtversicherung besteht also ein noch weitergehender Kontrahierungszwang als bei der [X.], bei der jedenfalls ein Rücktritt vom Vertrag wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht möglich ist, wie sich dies etwa aus § 193 Abs. 5 Satz 4 und § 194 Abs. 1 Satz 3 [X.] ergibt.

Hinzu kommt, dass im Falle der Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung der Pflegepflichtversicherung ein Versicherungsschutz vollständig entfiele und der Versicherungsnehmer auf Sozialhilfeleistungen angewiesen wäre. An[X.] als im Bereich der [X.] fehlt das "Auffangnetz" eines Basistarifs. Vielmehr ist die Pflegepflichtversicherung selbst bereits von ihrer Struktur her mit dem Basistarif in der [X.] zu vergleichen. Es handelt sich bei der Pflegepflichtversicherung und der [X.] im Basistarif um Versicherungsverträge, bei denen Inhalt und Umfang der Leistungen nur noch eingeschränkt dem Grundsatz der Privatautonomie unterliegen, sondern vielfach durch gesetzgeberische Vorgaben überlagert sind. So muss etwa der Basistarif in der [X.] in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem dritten Kapitel des [X.] entsprechen (§ 12 Abs. 1a Satz 1, Abs. 1d [X.]). Ferner darf der Beitrag für den Basistarif den Höchstbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht überschreiten, wozu sich detaillierte Regelungen in § 12 Abs. 1c [X.] finden. Im Bereich der Pflegepflichtversicherung kommt dieser Gedanke der Gleichbehandlung und eines solidarischen Ausgleichs zusätzlich noch in der Regelung über den Risikoausgleich in § 111 [X.] zum Ausdruck. Hiernach müssen Versicherungsunternehmen, die eine private Pflegeversicherung betreiben, ein Ausgleichssystem schaffen und erhalten, durch das ein dauerhafter Ausgleich der unterschiedlichen Belastungen gewährleistet werden soll. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist es den Versicherungsunternehmen nicht möglich, für die Versicherungsnehmer einen risikogerechten Beitrag zu kalkulieren (BT-Drucks. 12/5952 S. 49). So könnten einzelne Unternehmen mit einer Häufung von so genannten "schlechten Risiken" benachteiligt werden. Daher sei ein Ausgleich zwischen allen Pflegeversicherungsunternehmen unerlässlich. So hat der Gesetzgeber sogar eine gemeinsame Kalkulation der Beiträge vorgeschrieben, auch wenn dies nicht mit einer Einheitsprämie verbunden werden soll (aaO S. 50).

Aus [X.] ergibt sich, dass im Bereich der Pflegepflichtversicherung die Vertragsfreiheit noch stärkeren Einschränkungen unterliegt als im Bereich der [X.] und eine weitgehende Verteilung der Risiken auf die [X.] stattfindet. Hiermit wäre es unvereinbar, wenn einem Versicherungsnehmer auch bei schweren Vertragsverletzungen aus wichtigem Grund gekündigt werden könnte und er entgegen der in § 23 Abs. 1 [X.] vorgesehenen Versicherungspflicht keine Möglichkeit mehr hätte, bei einem anderen Versicherer einen entsprechenden Vertrag abzuschließen.

4. a) Für die beantragte Aussetzung des Verfahrens gemäß Art. 100 Abs. 1 GG und eine Vorlage an das [X.] besteht keine Veranlassung, da es sich lediglich um eine einfachgesetzliche Normauslegung handelt und Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Regelung nicht ersichtlich sind.

b) Unbegründet sind demgegenüber die weiteren Hilfsanträge, mit denen der Kläger die Feststellung begehrt, dass die [X.] zum Basistarif (§ 12 Abs. 1a [X.]) fortbesteht und nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29. Mai 2009 beendet wurde, sowie weiter hilfsweise der Beklagten aufzugeben, mit dem Kläger einen [X.]svertrag zum Basistarif (§ 12 Abs. 1a [X.]) abzuschließen.

aa) Die Beklagte war berechtigt, gemäß § 314 Abs. 1 BGB den gesamten [X.]svertrag mit dem Kläger zu kündigen. Eine Beschränkung des Kündigungsrechts dahingehend, dass dieses sich nur auf den Teil der [X.] bezieht, der über den Basistarif hinausgeht, kommt nicht in Betracht.

Nach § 12 Abs. 1a [X.] haben Versicherungsunternehmen mit Sitz im Inland, welche die substitutive Krankenversicherung betreiben, einen branchenweiten einheitlichen Basistarif anzubieten, dessen Vertragsleistung in Art, Umfang und Höhe den Leistungen nach dem dritten Kapitel des [X.], auf die ein Anspruch besteht, jeweils vergleichbar sind. Gem. § 193 Abs. 5 Satz 1 [X.] sind die privaten Versicherer verpflichtet, dem dort im Einzelnen genannten Personenkreis eine Versicherung im Basistarif zu gewähren. Hieraus wird im Schrifttum teilweise geschlossen, der Ausschluss des außerordentlichen Kündigungsrechts nach § 206 Abs. 1 Satz 1 [X.] beschränke sich auf den Basistarif. Die Regelung sei teleologisch dahin zu reduzieren, dass eine außerordentliche Kündigung zulässig ist, soweit sie sich auf einen qualitativ oder quantitativ über den Basistarif hinausreichenden Versicherungsschutz bezieht ([X.], [X.], 886, 887; jedenfalls im Ergebnis ähnlich [X.]/[X.], [X.], 593, 604, die davon ausgehen, eine Kündigung des Versicherers sei zwar generell ausgeschlossen, er könne jedoch in entsprechender Anwendung von § 193 Abs. 6 Satz 9 [X.] die Versicherung des [X.] verlangen).

Gegen eine solche Lösung spricht jedoch, dass eine außerordentliche Kündigung durch den Versicherer gemäß § 314 Abs. 1 BGB ohnehin nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt, bei denen das Vertrauensverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer nachhaltig und auf Dauer gestört ist, wie etwa bei betrügerischer Leistungserschleichung oder - wie hier - tätlichen Angriffen des Versicherungsnehmers auf einen Mitarbeiter des Versicherers. In einem solchen Fall ist es dem Versicherer nicht zuzumuten, die Kündigung von vornherein nur auf den Vertragsteil zu erstrecken, der über den Basistarif hinausgeht. Ein ausreichender Schutz des Versicherungsnehmers wird dadurch erreicht, dass diesem gemäß § 193 Abs. 5 [X.] ein Anspruch auf Versicherung zum Basistarif bei einem anderen Versicherer zusteht (hierzu nachfolgend unter bb).

Gegen eine Beschränkung des Kündigungsrechts sprechen auch praktische Erwägungen. Zum einen ist fraglich, ob der Versicherer in diesem Fall ausdrücklich seine außerordentliche Kündigung auf den Teil des Versicherungsvertrages beschränken muss, der über den Basistarif hinausgeht. Wäre dies der Fall, müsste dies in der Kündigung im Einzelnen aufgeführt und jeweils die Tarife genannt werden, auf die sich die Kündigung bezieht, und diejenigen, die weiter im Basistarif bestehen bleiben. Das trüge zur Übersichtlichkeit und Verständlichkeit nicht bei, sondern böte die Gefahr, dass eine im Übrigen berechtigte Kündigung aus formalen Gründen unwirksam wäre. Zum anderen spricht gegen eine automatische Fortsetzung des [X.], dass dies keineswegs immer dem Wunsch des gekündigten Versicherungsnehmers entspricht. Das liegt auf Seiten von Versicherungsnehmern, denen [X.] oder sonstige schwerwiegende Vertragsverletzungen nachgewiesen werden, nicht fern. Hier wird es Fälle geben, in denen der Versicherungsnehmer eher daran interessiert ist, den Basistarifvertrag bei einem anderen Versicherer abzuschließen.

bb) Unbegründet ist auch der zweite Hilfsantrag, mit dem der Kläger der Beklagten aufgeben will, mit ihm einen [X.]svertrag zum Basistarif abzuschließen. Grundsätzlich ist gemäß § 193 Abs. 5 Satz 1 [X.] jeder Versicherer verpflichtet, dem dort im Einzelnen aufgeführten Personenkreis Versicherungen im Basistarif nach § 12 Abs. 1a [X.] zu gewähren. Nach § 193 Abs. 5 Satz 4 [X.] darf der Antrag nur abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits bei dem Versicherer versichert war und der Versicherer den Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat oder vom Versicherungsvertrag wegen einer vorsätzlichen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist. Ein derartiger Fall eines Rücktritts nach § 19 ff. [X.] oder einer Anfechtung nach § 22 [X.] i.V.m. § 123 BGB liegt hier nicht vor.

Unterschiedlich beurteilt wird, ob § 193 Abs. 5 Satz 4 [X.] entsprechend auf den Fall anzuwenden ist, bei dem der Versicherer den Vertrag berechtigt aus wichtigem Grund gemäß § 314 Abs. 1 BGB gekündigt hat. Eine Ansicht plädiert für eine analoge Anwendung von § 193 Abs. 5 Satz 4 [X.] ([X.] in [X.]/[X.], [X.]. § 193 [X.] Rn. 13; [X.] in Looschel[X.]/[X.], § 193 Rn. 19; MünchKomm-[X.]/[X.], § 193 Rn. 26). Andere lehnen eine entsprechende Anwendung von § 193 Abs. 5 Satz 4 [X.] auf den Fall der fristlosen Kündigung ab ([X.] in [X.]/[X.], § 193 Rn. 30; [X.], [X.], 886, 887 f.).

Die erstgenannte Ansicht trifft zu. § 193 Abs. 5 Satz 4 [X.] ist entsprechend auf den Fall anzuwenden, in dem der Versicherer ausnahmsweise berechtigt ist, den [X.]svertrag gemäß § 314 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund zu kündigen. In einem solchen Fall hat der Versicherungsnehmer auch keinen Anspruch darauf, dass [X.]elbe Versicherer mit ihm erneut einen Vertrag zum Basistarif abschließt. Vielmehr besteht ein solcher Anspruch nur gegenüber einem anderen Versicherer. Hierfür spricht, dass es einem Versicherer, der ausnahmsweise berechtigt ist, einen Vertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, nicht zuzumuten ist, mit dem Versicherungsnehmer ein Vertragsverhältnis, und sei es auch nur im Basistarif, fortzusetzen. Von der Schwere der Pflichtverletzung sind die zur außerordentlichen Kündigung führenden Gründe auch mit den ausdrücklich in § 193 Abs. 5 Satz 4 [X.] genannten Fällen der Anzeigepflichtverletzung bzw. der arglistigen Täuschung zu vergleichen. Auch das Argument, es sei nicht einzusehen, warum es einem anderen Versicherer eher zuzumuten sein soll, einen Vertrag mit einem betrügerischen oder in sonstiger Weise vertragsbrüchigen Versicherungsnehmer zu schließen als dem bisherigen Versicherer, vermag nicht zu überzeugen. Die maßgebliche Vertragsverletzung hat sich gerade bei dem bisherigen Versicherer und nicht in der Sphäre des aufnahmepflichtigen Unternehmens ereignet. Mit dieser Begründung hat auch das [X.] es als verfassungsgemäß angesehen, dass der Kontrahierungszwang im Basistarif auch solche Versicherer trifft, die Antragsteller aufnehmen müssen, deren Vertrag bei einem anderen Versicherer infolge Anfechtung wegen Drohung oder arglistiger Täuschung bzw. Rücktritts wegen vorsätzlicher Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht erloschen ist ([X.] 123, 186, 245 f.). Es steht auch nicht fest, dass der bei dem bisherigen Versicherer entstandene Vertrauensverlust auch bei einem neuen Versicherer eintreten muss, wenn der Versicherungsnehmer dort das Versicherungsverhältnis beanstandungsfrei führt. Im Übrigen stünde dann auch einem anderen Versicherer erneut das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu.

Dr. [X.]

                                 [X.]                                 [X.]

Meta

IV ZR 105/11

07.12.2011

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 5. Mai 2011, Az: 12 U 148/10, Urteil

§ 206 Abs 1 S 1 VVG, § 314 BGB, § 110 Abs 4 SGB 11, § 12 Abs 1a VAG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.12.2011, Az. IV ZR 105/11 (REWIS RS 2011, 723)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 723

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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