Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2009, Az. IX ZR 189/08

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 274

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/08 Verkündet am: 3. Dezember 2009 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja[X.] § 36 Abs. 1, §§ 129, 134, 143; ZPO § 850a, § 850b Abs. 1 Nr. 1 a) Eine nach den Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts bedingt pfändbare Berufsunfähigkeitsrente fällt im Insolvenzverfahren insoweit in die [X.], als sie im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung für pfändbar nach den für [X.] geltenden Vorschriften erklärt wird. b) Die Billigkeitsprüfung, bei der alle in Betracht kommenden Umstände des Einzel-falls zu würdigen sind, obliegt dem Insolvenzgericht, wenn der Insolvenzverwalter beantragt, bedingt pfändbare Bezüge des Schuldners für pfändbar zu erklären, um sie wie Arbeitseinkommen zur Masse zu ziehen; streiten Insolvenzverwalter und Schuldner um die Massezugehörigkeit von bedingt pfändbaren Einkünften des Schuldners oder ist die Frage der [X.] im Rahmen eines Anfechtungspro-zesses zu beantworten, muss die Billigkeitsentscheidung vom Prozessgericht ge-troffen werden. - 2 - [X.], Urteil vom 24. September 2009 - [X.]/08 - [X.] - 3 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2009 durch [X.] Ganter, den [X.], die Richterin [X.], [X.] [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 24. September 2008 aufgeho-ben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter in dem am 20. Juli 2005 eröffneten Insolvenzver-fahren über das Vermögen des Ehemannes der [X.]n (fortan Schuldner). Der Schuldner, der als Vorstand mehrerer Unternehmen tätig war, hatte bei der [X.] (nachfolgend Versicherung) eine Berufsunfähigkeitsversi-cherung abgeschlossen. Hieraus standen ihm im Versicherungsfall jährlich 60.000 •, zahlbar in monatlichen Teilbeträgen von jeweils 5.000 • zu. Mit schriftlicher Erklärung vom 14. Oktober 2003 übertrug der Schuldner die Rechte aus dieser Versicherung auf die [X.]. Mit Schreiben vom 2. September 2005 erkannte die Versicherung ihre Leistungspflicht aus der [X.] - 4 - keitsversicherung rückwirkend ab August 2002 an. Sie kündigte an, zum 1. Oktober 2005 die monatlichen Zahlungen aufzunehmen und den in der [X.] aufgelaufenen Betrag an die [X.] auszuzahlen. Im Januar 2006 erklärte der Insolvenzverwalter die Anfechtung der Abtretung an die [X.] nach § 134 [X.]. Mit der Klage begehrt er die Auskehrung der von der Versi-cherung an die [X.] gezahlten Beträge und Rückgewähr der auf sie über-tragenen Berufsunfähigkeitsversicherung an die Masse. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht sie abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anfechtungsanspruch weiter. 2 Entscheidungsgründe: Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 3 [X.] Das Berufungsgericht hat gemeint, die Übertragung der Versicherungs-nehmerstellung auf die [X.] stelle mangels Gläubigerbenachteiligung keine anfechtbare Rechtshandlung dar. Die Rente aus der Berufsunfähigkeitsversi-cherung unterliege nicht dem [X.]. Als arbeitsentgeltähnliches Einkommen im Sinne des § 850 Abs. 3 lit. b ZPO sei sie nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO pfändungsgeschützt und könne nicht zur Insolvenzmasse gezogen werden. Der Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen stehe grundsätzlich auch 4 - 5 - Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern wegen ihrer laufenden Dienst- und Versorgungsbezüge zu. Nach zutreffender, überwiegend vertretener [X.] fielen [X.] unter die Pfändungsschutzbestimmung des § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, weil sie die materiellen Lebensbedingungen des Versicherten, die durch die Gesundheitsbeeinträchtigung gefährdet seien, si-chern sollten. Es komme nicht darauf an, dass die Rente aufgrund einer ver-traglichen Vereinbarung gezahlt werde. I[X.] Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in einem we-sentlichen Punkt nicht stand. § 850b Abs. 1 ZPO ist auch im Insolvenzverfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass bedingt pfändbare Bezüge des Schuldners in die Insolvenzmasse fallen, soweit dies nach den Umständen des Falles, ins-besondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Be-züge der Billigkeit entspricht. In diesem Umfang ist die unentgeltliche Übertra-gung dieser Bezüge auch anfechtbar. 5 1. Die Revision ist der Auffassung, die §§ 850 ff ZPO seien im Rahmen des Insolvenzverfahrens nur anwendbar, soweit in § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.] (in der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzord-nung und anderer Gesetze vom 26.10.2001, [X.]. I S. 2710) auf sie verwiesen werde. Regelungen, auf die nicht Bezug genommen werde, wie etwa der hier anzuwendende § 850b Abs. 1 ZPO, hätten im Insolvenzverfahren keine Wir-kung. Dies folge aus der ausdrücklichen Verweisung auf § 850a ZPO in § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Obwohl § 850a ZPO die Unpfändbarkeit bestimmter [X.] regele und damit die Übernahme in die [X.] eigentlich 6 - 6 - schon aus § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.] abzuleiten wäre, habe der Gesetzgeber ausdrücklich auf die Vorschrift verwiesen. Hieraus sei zu entnehmen, dass sol-che Regelungen über die Unpfändbarkeit in den §§ 850 ff ZPO, auf die in § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht ausdrücklich Bezug genommen werde, im [X.] auch nicht anwendbar seien. Die Berufsunfähigkeitsrente sei deshalb ungeachtet ihrer Unpfändbarkeit gemäß § 850b Abs. 1 ZPO in die [X.] gefallen. Wirke sich die Unpfändbarkeit nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Insolvenzverfahren nicht aus, sei die für eine Anfechtung nach § 134 [X.] gemäß § 129 Abs. 1 [X.] erforderliche Gläubigerbenachteiligung gegeben. 2. Die Auffassung der Revision trifft nur insoweit zu, als bedingt pfändba-re Bezüge im Sinne des § 850b ZPO in die Insolvenzmasse fallen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Im Übrigen dürfen entsprechende Zahlungen nicht von der Masse vereinnahmt werden. 7 a) Ansprüche aus einer privaten Berufsunfähigkeitsrente sind nach § 850b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO nur bedingt pfändbar (vgl. [X.] 70, 206, 207 ff; [X.] OLGR 2001, 51; [X.] InVo 2002, 238; OLG Mün-chen VersR 1997, 1520; OLG Oldenburg NJW-RR 1994, 479; [X.], 1227, 1228; [X.] 1994, 537; [X.]. [X.], 308; Hk-ZPO/[X.], 3. Aufl. § 850b Rn. 3; [X.]/[X.], 3. Aufl. § 850b Rn. 3; Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO § 850b Rn. 3; [X.]/[X.], ZPO 28. Aufl. § 850b Rn. 2; [X.]/Walker/Kessal-Wulf, Vollstreckung und vor-läufiger Rechtsschutz 4. Aufl. § 850b Rn. 9; [X.], Forderungspfändung 14. Aufl. Rn. 1007). Geschützt sind auch rückständige Beträge, die in einer Summe geleistet werden ([X.], Urt. v. 24. September 1987 - [X.], [X.], 819, 820; Prütting/Gehrlein/[X.], [X.]O Rn. 4; [X.]/[X.], [X.]O Rn. 2). Der [X.] hat bereits ausgesprochen ([X.]. v. 19. März 8 - 7 - 2009 - [X.] ZA 2/09, Z[X.] 2009, 915, 916 Rn. 6), dass eine von § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO erfasste Todesfallversicherung nicht Bestandteil der Insolvenzmasse ist (der [X.]uss vom 15. November 2007 - [X.] ZB 34/06, Z[X.] 2008, 40 ff betraf demgegenüber eine nicht unter Pfändungsschutz ste-hende Rente). Ob auch Ansprüche aus einer privaten Berufsunfähigkeitsrente aufgrund ihrer grundsätzlichen Unpfändbarkeit nach § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht zur Masse gezogen werden dürfen, oder ob sie gemäß § 35 Abs. 1 [X.] in die Insolvenzmasse fallen, hat der [X.] bislang nicht entschie-den. b) Nach ganz herrschender Meinung fallen nur bedingt pfändbare [X.] nicht in die Insolvenzmasse (OLG Hamm Z[X.] 2006, 878, 881; [X.] NZI 2004, 36, 37 [für den Anspruch des Schuldners gegen seine private Krankenversicherung auf Erstattung der Heilbehandlungskosten]; LG Mön-chengladbach Z[X.] 2009, 1074, 1075; Z[X.] 2009, 1076, 1077; LG Hildes-heim Z[X.] 2009, 1961, 1963 f; [X.]/[X.], [X.] 3. Aufl. § 36 Rn. 3; FK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 36 Rn. 20; Graf-Schlicker/[X.], [X.] § 36 Rn. 18; HK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 36 Rn. 7; HmbKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 36 Rn. 14 f; [X.] in Kübler/Prütting/Bork, [X.] § 35 Rn. 77; [X.]/[X.], [X.] § 36 Rn. 19; MünchKomm-[X.]/Lwowski/[X.], 2. Aufl. § 35 Rn. 435; MünchKomm-[X.]/[X.], [X.]O § 36 Rn. 43; [X.]/[X.]/[X.], [X.] § 36 Rn. 38; Prütting/Gehrlein/[X.], [X.]O Rn. 33; [X.], [X.] 12. Aufl. § 36 Rn. 28; Kohte, in: [X.] zur [X.], 2. Aufl. S. 785 Rn. 14, S. 802 Rn. 74; zur Konkursordnung [X.], 366; [X.], [X.] 1966, 79, 80; [X.]/[X.], KO § 1 Rn. 75). Dies soll auch für Ansprüche aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung gelten. Zur Begründung wird ausgeführt, in die Insolvenzmasse falle nur, was für alle Gläu-biger pfändbar sei. Die erweiterte [X.] nach § 850b Abs. 2 ZPO führe 9 - 8 - nicht zur Einbeziehung in die Insolvenzmasse, weil die [X.]sentschei-dung nur zugunsten des Antragstellers wirke. Die dort vorgesehene Abwägung zwischen den Interessen des Schuldners und denen eines Gläubigers sei im Insolvenzverfahren nicht möglich. Der Versuch, die Interessenabwägung in das Insolvenzverfahren zu verlagern und dort eine Billigkeit der Pfändung für alle Gläubiger herbeizuführen, wi[X.]preche dem erkennbaren Willen des [X.]. Dieser habe § 850b ZPO bewusst nicht in die Verweisung in § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.] aufgenommen. § 850b Abs. 2 ZPO stelle eine Ausnahmere-gelung dar, die bei größeren Bezügen des Schuldners und einer besonderen Notlage eines einzelnen Gläubigers einen Ausgleich nach Billigkeit ermöglichen solle ([X.] [X.]O). c) Entgegen dieser teilweise noch auf die Rechtslage nach der [X.] zurückgehenden Auffassung hält es der [X.] nicht für gerechtfertigt, im Insolvenzverfahren nur § 850b Abs. 1 ZPO, nicht aber § 850b Abs. 2 und 3 ZPO anzuwenden. Auch wenn § 850b ZPO in § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist die Vorschrift trotzdem im Insolvenzverfahren insgesamt entsprechend anzuwenden. Die Vollstreckung in das sonstige be-wegliche Vermögen des Schuldners hat nicht zu einer vollständigen Befriedi-gung der Insolvenzgläubiger geführt und wird voraussichtlich auch nicht dazu führen. Dies folgt schon aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Eine Billig-keitsprüfung, bei der alle in Betracht kommenden Umstände zu würdigen sind, kann es auch im Insolvenzverfahren geben. Sie obliegt dem Insolvenzgericht, wenn der Insolvenzverwalter beantragt, bedingt pfändbare Bezüge des [X.] für vollstreckbar zu erklären, um sie wie Arbeitseinkommen zur Masse zu ziehen. Streiten Insolvenzverwalter und Schuldner um die Massezugehörigkeit von Einkünften, die unter § 850b Abs. 1 [X.] fallen oder ist die Frage der [X.] - wie vorliegend - im Rahmen eines [X.] [X.] - 9 - antworten, kann die Entscheidung auch vom Prozessgericht getroffen werden (vgl. für die Billigkeitsprüfung nach § 850c Abs. 4 ZPO [X.], [X.]. v. 19. Mai 2005 - [X.] ZR 37/06, Z[X.] 2009, 1395, 1396 f Rn. 16, 18). [X.]) Der Wortlaut des § 36 [X.] ist nicht aussagekräftig. Insbesondere das Argument, § 850b ZPO sei im Insolvenzverfahren nicht anzuwenden, weil in § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht auf die Vorschrift verwiesen werde, ist nicht tragfähig. Es wird schon durch den Umstand widerlegt, dass auch die herr-schende Meinung § 850b Abs. 1 ZPO trotz fehlender Erwähnung im [X.] anwenden will. Dass es eines Hinweises auf § 850b Abs. 1 ZPO nicht bedurft habe, weil diese Vorschrift schon nach der Grundregel des § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.] in der Insolvenz zu beachten sei, ist nicht stichhaltig, weil es dann auch keines ausdrücklichen Verweises auf § 850a ZPO in § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.] bedurft hätte. 11 bb) Aus der Begründung des Gesetzes zur Änderung der Insolvenzord-nung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 ([X.]. I S. 2710) ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber die Anwendung des § 850b [X.] im Insolvenzverfahren ausschließen wollte (vgl. BT-Drucks. 14/6468 S. 17). Ausdrücklich ist dort zu § 850b ZPO nichts zu finden. Sinn und Zweck der Änderung des § 36 Abs. 1 [X.] war es, Lösungen für Situationen bereitzustellen, in denen neben den pauschalierten Pfändungsfreigrenzen Regelungen erforderlich sind, die beson-deren von der Norm abweichenden Fallkonstellationen Rechnung tragen. Der Gesetzgeber wollte unter dem Blickwinkel des im Insolvenzverfahren herr-schenden Prinzips der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zwischen den [X.] unterscheiden, die die [X.] für alle Gruppen erweitern oder beschränken (§§ 850c, 850e Nr. 2, 2 a, § 850f Abs. 1 ZPO), und denen, die die [X.] für bestimmte Gläubiger und Gläubigergruppen [X.] - 10 - ren (§ 850d, § 850f Abs. 2 ZPO). Eine Einschränkung der unverändert geblie-benen Grundregel des § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.] war nicht Gegenstand der am 1. Dezember 2001 in [X.] getretenen Gesetzesänderung (vgl. die Begründung des Rechtsausschusses zu § 36 [X.] [X.]O). Eine entsprechende Anwendung der §§ 850 ff ZPO sollte dann gerechtfertigt sein, "wenn der Zweck der [X.] mit dem Ziel der [X.] steht". [X.]) Sinn und Zweck des § 850b ZPO gebieten es, die Vorschrift insge-samt im Insolvenzverfahren entsprechend anzuwenden. Die Regelung dient der Existenzsicherung des Schuldners. Die grundsätzliche Unpfändbarkeit, die nur im Einzelfall und unter bestimmten Voraussetzungen nach § 850b Abs. 2 ZPO ganz oder teilweise aufgehoben werden kann, soll dafür sorgen, dass dem Schuldner das Existenzminimum verbleibt ([X.] 70, 206, 211; [X.], [X.]O § 850b Rn. 1; [X.]/[X.], [X.]O § 850b ZPO Rn. 1). Dieser Zweck schließt es - entgegen der Auffassung der Revision - aus, dass Gegenstände des § 850b Abs. 1 ZPO im Insolvenzverfahren uneingeschränkt in die Masse fallen. Dies wäre mit dem an Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialst[X.]tsprinzip (Art. 20 GG) ausgerichteten Vollstreckungsrecht nicht zu vereinbaren. Dem Schuldner ist zumindest so viel zu belassen, wie er zur Absicherung seines Existenzminimums benötigt (vgl. [X.], Urt. v. 10. Januar 2008 - [X.] ZR 94/06, Z[X.] 2008, 204, 205 Rn. 16 unter Bezugnahme auf die Begründung des [X.] vom 26. März 2007, [X.]. I S. 368). Weiterer Zweck ist ein angemessener Interessenaus-gleich zwischen Schuldner und Gläubiger ([X.] 70, 206, 211 f; Prüt-ting/Gehrlein/[X.], [X.]O Rn. 2). Bedingt pfändbare Bezüge sollen wie [X.] pfändbar sein, wenn die Vollstreckung in das sonstige beweg-liche Vermögen des Schuldners nicht zu einer Befriedigung geführt hat und die 13 - 11 - Pfändung der Billigkeit entspricht. Dies gilt auch im Insolvenzverfahren. Der (drohende) Ausfall der Gläubiger bei ihrer Befriedigung ist dort handgreiflich. Ein überragendes Interesse des Schuldners, das es ausschließt, das Interesse der Gesamtheit der Gläubiger an ihrer Befriedigung zu berücksichtigen, besteht nicht. Vielmehr würde es einen Wertungswi[X.]pruch bedeuten, wenn der Schuldner in der [X.] bedingt pfändbare Bezüge wie [X.] abführen müsste, weil dies der Billigkeit entspricht, in der Ge-samtvollstreckung diese jedoch [X.] behalten könnte. Das Insol-venzverfahren würde sich für den Schuldner günstiger darstellen, als die [X.]. Außerhalb des Verfahrens wäre den Gläubigern der Zugriff auf bedingt pfändbare Bezüge des Schuldners verwehrt, weil sie dem Vollstre-ckungsverbot des § 89 Abs. 1 [X.] unterliegen. Dies würde nach § 294 Abs. 1 [X.] auch noch für die gesamte Wohlverhaltensphase gelten. Diese Bevortei-lung des Schuldners im Insolvenzverfahren wäre grob unbillig. Die Gläubigerin-teressen, denen § 850b ZPO zumindest auch gerecht werden will, kämen überhaupt nicht zum Tragen. Der Grundsatz der gemeinschaftlichen Befriedi-gung der Gläubiger würde verletzt. [X.]) Zwar ist eine Abwägung zwischen den Interessen des Schuldners und den Einzelinteressen der Gläubiger, wie sie § 850b Abs. 2 [X.] für die In-dividualzwangsvollstreckung vorsieht, im Insolvenzverfahren nicht möglich ([X.], [X.]. v. 7. Mai 2009 - [X.] ZB 211/08, Z[X.] 2009, 1071, 1072, [X.], 443, 444 Rn. 11 mit insoweit zustimmender Anmerkung [X.], [X.], 423, 424). [X.] werden können aber die Interessen des [X.] gegen das Gesamtinteresse der Gläubiger. Auch wenn die Art des beizu-treibenden Anspruchs hier keine Bedeutung hat, weil es um eine Gesamtvoll-streckung geht, sind Billigkeitsentscheidungen möglich (vgl. zu den maßgebli-chen Abwägungskriterien [X.], [X.]. v. 19. März 2004 - [X.]a ZB 57/03, [X.] - 12 - 2004, 2450, 2451; v. 5. April 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 869, 870; v. 12. Dezember 2007 - [X.], NJW-RR 2008, 412, 414 Rn. 21; Prütting/ Gehrlein/[X.], [X.]O Rn. 24 ff). So kann etwa bei der Bestimmung des pfänd-baren Betrags auf den Anlass und die Art der Leistung, die der Schuldner [X.], deren Höhe sowie die ihm im Fall der Pfändung verbleibenden Bezüge Rücksicht genommen werden. Bezieht er beispielsweise eine Rente wegen [X.] oder der Gesundheit, können von ihm dargelegte erhöhte Bedürfnisse in Rechnung gestellt werden. Sind die Bezüge - wie vorliegend - beson[X.] hoch, kann dies zu einer entsprechend erhöhten [X.] füh-ren. Erforderlich ist auch hier eine umfassende und nachvollziehbare Gesamt-würdigung, in die alle in Betracht kommenden Umständen des Einzelfalls ein-fließen (vgl. [X.], [X.]. v. 19. März 2004 [X.]O; v. 12. Dezember 2008 [X.]O). Sind keine besonderen Umstände ersichtlich, kann die [X.] auch an-hand der Freigrenzen des § 850c Abs. 1 ZPO bestimmt werden. Diese Vor-schrift, auf die in § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausdrücklich verwiesen ist, belegt im Übrigen auch, dass eine Bestimmung der [X.] nach billigem Ermessen dem Insolvenzverfahren durchaus nicht fremd ist. Die Regelung des § 850c Abs. 4 ZPO, nach der ein Unterhaltsberechtigter bei der Bestimmung des un-pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Schuldners auf Antrag ganz oder teilweise außer Betracht bleiben kann, wenn er über eigene Einkünfte verfügt, gilt auch im Insolvenzverfahren (vgl. [X.], [X.]. v. 7. Mai 2009 [X.]O; vgl. fer-ner [X.]. v. 6. Juli 2006 - [X.] ZB 220/04, [X.] 2007, 353). 3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann deshalb keinen [X.] haben. Die am 14. Oktober 2003 erfolgte Übertragung der [X.] ist durch Rückübertragung auf den Schuldner rückgängig zu machen. Eine Übertragung der Versicherung auf den Kläger kommt nicht in Betracht, weil die Masse nur im Rahmen der entsprechenden Anwendung des 15 - 13 - § 850b Abs. 2 ZPO auf die Versicherungsleistungen zugreifen kann. Das Stammrecht muss dem Schuldner erhalten bleiben. Der Kläger hat gegen die [X.] Anspruch auf Auszahlung der von dem Versicherer an die [X.] während des Insolvenzverfahrens gezahlten Beträge, soweit das Berufungsge-richt diese für pfändbar erklärt. Insoweit unterliegen die Zahlungen der Anfech-tung nach § 134 [X.]. II[X.] Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Aufgrund des von den [X.] zu ergänzenden Vortrags wird das Berufungsgericht zu entscheiden ha-ben, in welchem Umfang die Pfändung der vom Schuldner an die [X.] ab- 16 - 14 - getretenen Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung der Billigkeit ent-spricht. Ganter Vill [X.] [X.] Pape Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 24.01.2008 - 7 O 19/07 - [X.], Entscheidung vom 24.09.2008 - 3 U 38/08 -

Meta

IX ZR 189/08

03.12.2009

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.12.2009, Az. IX ZR 189/08 (REWIS RS 2009, 274)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 274

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