Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Berufsrecht der Steuerberater: Zulässigkeit der Kooperation mit einem Gewerbetreibenden und der gewerblichen Tätigkeit bei gemeinsamem Internetauftritt einer Steuerberatungsgesellschaft und einem Buchverlag
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] – Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen – vom 7. April 2010 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen –
Die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des [X.] hat durch Urteil vom 30. November 2009 gegen den Steuerberater wegen einer Berufspflichtverletzung gemäß §§ 56, 57 Abs. 2 und Abs. 4 Nr. 1 StBerG, § 5 Abs. 2, §§ 41, 52 [X.] (unzulässige Kooperation mit einem Gewerbetreibenden, unzulässige gewerbliche Tätigkeit) die berufsgerichtlichen Maßnahmen des Verweises und einer Geldbuße von 3.000 € verhängt. Der [X.] hat dieses Urteil auf die Berufung des Steuerberaters aufgehoben und ihn freigesprochen; die [X.]evision hat er zugelassen (§ 129 Abs. 2 StBerG). Gegen das Berufungsurteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützten [X.]evision, die vom [X.] vertreten wird. Das [X.]echtsmittel hat Erfolg.
I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Steuerberater ist als einer der Geschäftsführer der im [X.] gegründeten [X.] für diese berufsrechtlich verantwortlich. In einem [X.] aus diesem Jahr gewährte die [X.] der Steuerberatungsgesellschaft das [X.]echt, die Marke „[X.]“ im Namen zu führen. Seither firmiert die Gesellschaft als [X.]. Die Nutzung des Namens wurde der Steuerberaterkammer mitgeteilt, die keine Bedenken äußerte. Die [X.] ist Herausgeber des Buches „[X.], 1000 ganz legale Steuertricks“.
Ebenfalls im [X.] vereinbarten die [X.], vertreten durch den angeschuldigten Steuerberater, und die [X.] (im Folgenden: der Verlag) einen gemeinsamen Internetauftritt. In diesem Internetauftritt bieten die [X.], ein Tochterunternehmen des Verlages, und die [X.] seitdem ihre jeweiligen Leistungen an. Das Web-Hosting (Konzeption, redaktionelle Gestaltung, Design, [X.]ealisierung und Betrieb der Website) wurde einer weiteren Gesellschaft, der [X.], übertragen. Der [X.] wurde hinsichtlich der Gestaltung der Website ein Vetorecht eingeräumt, soweit es um berufsrechtliche Fragen geht.
Der daraufhin geschaffene und unter der Adresse „[X.]-steuertipps.de“ erreichbare gemeinsame Internet-Auftritt enthält eine einheitliche Menüleiste mit anklickbaren Stichworten. Unter dem Stichwort „Shop“ wird geworben für den Kauf des „[X.]“, des Buches „[X.], 1000 ganz legale Steuertricks“ und der „[X.] Steuersoftware“. Hierbei handelt es sich um Produkte der [X.]. Beim Anklicken des neben dem Stichwort „Shop“ angeordneten Stichworts „Steuerberatung“ stellte die [X.] zunächst ihre „Kernkompetenz“, „Philosophie“ und Beratungsansätze vor und bot Besuchern der Website die Erstellung der Einkommensteuererklärung und ein gebührenpflichtiges Online-Interview an. Aufgrund einer Änderung der Website, die laufend angepasst wird, werden die Leistungen der [X.] zwischenzeitlich unter dem Stichwort „Steuererklärung“ angeboten, das sich in der Menüleiste links neben dem Stichwort „Steuerberatung“ befindet. Beim Anklicken des Stichworts „Steuererklärung“ werden weitere Stichworte mit den Bezeichnungen „[X.]“, „[X.] Steuersoftware“ und „[X.] – Ihre Steuererklärung in 48 Stunden“ sichtbar. Über letzteres Unterstichwort wird dem Besucher der Website die – dort näher beschriebene – Möglichkeit gegeben, nach einer [X.]egistrierung „die Einkommensteuererklärung online bei der ‚[X.]’ in Auftrag zu geben“. Beim Anklicken des [X.] bleibt der obere Teil der Internetseite unverändert. Über die auf der Website ebenfalls eröffnete Möglichkeit, ein Mandatsverhältnis mit der [X.] zu begründen, hat diese etwa 110 Mandanten gewonnen, die bisher nicht von anderen Steuerberatern betreut worden waren.
Im „Impressum“ der Website wird darauf hingewiesen, dass es sich um einen Gemeinschaftsauftritt handelt und die Verantwortlichkeiten und Nutzungsbedingungen nach den einzelnen, im „Impressum“ genannten Bereichen der Internetseite getrennt seien.
An der Erstellung der über die Internetseite beworbenen [X.] war die [X.] nicht beteiligt, ebenso wenig an der von einer Drittfirma erstellten „[X.] Steuersoftware“. In dieser Software enthaltene Berechnungen hat die [X.] in den Jahren 2007 und 2008 gutachterlich überprüft und jeweils einen Abschlussbericht verfasst. Hierfür erhält sie neben einer – ebenfalls im [X.] – gezahlten einmaligen Vergütung in Höhe von 50.000 € eine Umsatzbeteiligung in Höhe von 0,20 € je verkaufter [X.] (im Jahr 2007 insgesamt 1.855,20 €, im Jahr 2008 insgesamt 1.262,80 €).
II.
Das [X.] hat den Steuerberater freigesprochen. Es ist der Ansicht, dass er sich der ihm vorgeworfenen Berufspflichtverletzung nicht schuldig gemacht habe. Weder liege eine berufsrechtlich unzulässige Kooperation mit einem Gewerbetreibenden (§ 56 Abs. 5 StBerG, § 52 [X.] [a.F.]) noch eine Steuerberatern nicht erlaubte gewerbliche Tätigkeit (§ 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG, § 41 Abs. 1 [X.] [a.F.]) vor.
Zwar sei die berufliche Zusammenarbeit mit einem Gewerbetreibenden stets eine gewerbliche Tätigkeit. Hier liege jedoch weder ein Zusammenschluss noch eine unzulässige Kooperation mit einem Gewerbetreibenden vor. Vielmehr stelle die gemeinsame Internetseite mit der gewerblich tätigen Gesellschaft (lediglich) eine Werbeplattform dar, auf der die [X.] dauerhaft, aber in zulässiger Weise (nämlich sachlich zutreffend, objektiv nachprüfbar und nicht reklamehaft) über ihre berufliche Tätigkeit informiere. Derartige Werbung sei dem Steuerberater gemäß § 57a StBerG im Lichte des Art. 12 Abs.1 GG gestattet, zumal dadurch die unabhängige, eigenverantwortliche, gewissenhafte und verschwiegene Aufgabenerfüllung nicht beeinträchtigt werde. Auf der Internetseite sei zu erkennen, dass die [X.] dort nur werbend tätig werde.
Der Umstand, dass die Außendarstellung der [X.] allein von einem gewerblichen Unternehmen bestimmt werde, sei im Hinblick auf das ihr vertraglich eingeräumte Vetorecht unbeachtlich. Das gewerblich tätige Unternehmen habe keine Möglichkeit, auf den Inhalt und die Tätigkeit der Steuerberatung Einfluss zu nehmen. Umgekehrt könne auch die [X.] keinen Einfluss auf die gewerbliche Tätigkeit des Unternehmens nehmen. Die Gefahr eines Interessenskonfliktes bestehe nicht, weil die Steuerberatungsgesellschaft keine Informationen und Kenntnisse über die anderen an dem Internetauftritt beteiligten Unternehmen erlange. Schließlich begebe sie sich durch den gemeinsamen Internetauftritt auch nicht in eine mit dem Berufsstand des Steuerberaters nicht mehr vereinbare Abhängigkeit zu einem Gewerbetreibenden.
Der gemeinsame Internetauftritt stelle auch nicht deswegen eine gewerbliche Tätigkeit dar, weil für Produkte des Verlages geworben werde. Zwar könne auch ein Handeln im fremden wirtschaftlichen Interesse gewerbliche Tätigkeit sein. Hier bestehe indes lediglich eine Erwartung mittelbarer Gewinne, die – als Motiv jeder Werbung – nicht zur Unzulässigkeit des selbst nicht der unmittelbaren Gewinnerzielung dienenden Internetauftritts führen könne. Auch soweit die [X.] an den Verkaufserlösen der „[X.] Steuersoftware“ beteiligt sei, stelle dies eine lediglich mittelbare Gewinnerzielung dar, die nur deshalb vereinbart worden sei, weil sich die Vertragsparteien nicht auf das von der [X.] ursprünglich geforderte Festhonorar einigen konnten. Die Überprüfung der Steuersoftware selbst sei zulässige gutachterliche Tätigkeit im Sinne des § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG.
III.
Die [X.]evision der Staatsanwaltschaft ist zulässig (§ 129 Abs.1 Nr. 3 StBerG) und begründet. Die Freisprechung des Steuerberaters vom Vorwurf einer Berufspflichtverletzung hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das angefochtene Urteil beruht auf einer lückenhaften Würdigung der festgestellten Umstände.
1. Das [X.] hat allerdings zum einen zutreffend die Einschaltung eines gewerblichen Unternehmens zur Gestaltung der Internetplattform sowie eine gutachterliche Mitwirkung der Steuerberatungsgesellschaft an in dem gemeinsamen Internetauftritt beworbenen Verlagsprodukten als berufsrechtlich unbedenklich beurteilt. Es hat sich zum anderen im Ausgangspunkt zutreffend an der [X.]echtsprechung des [X.]s zu gemeinsamen Werbeveranstaltungen von Steuerberatern mit Gewerbetreibenden ([X.], Urteil vom 25. Februar 2003 – [X.] ([X.]) 2/02, [X.][X.] StBerG § 57 Abs. 4 Nr. 1 Gewerbliche Tätigkeit 2 [= NJW 2003, 1540]) orientiert.
Mit dieser Betrachtung hat das [X.] indes einen wesentlichen Umstand des Sachverhalts nicht erfasst; sie wird der von den beteiligten Unternehmen verfolgten Marketingstrategie nicht gerecht. Die Sichtweise des [X.]s erweckt den Anschein, als ob zwei auf derselben Website werbende Gesellschaften ihre jeweiligen Produkte isoliert nebeneinander bewerben und lediglich aus der gemeinsamen Werbung Synergieeffekte erzielen. Dies blendet aus, dass der Internetauftritt unter der einheitlichen Marke „[X.]“ vorgenommen wurde, für die bereits eine auf dem Markt eingeführte Produktlinie vorhanden war, die mit dem gemeinsamen Internetauftritt auch beworben wurde. Das [X.] hat den Sachverhalt isoliert unter dem Gesichtspunkt der gemeinsamen Werbung betrachtet und dabei die Bedeutung der Verwendung dieser einheitlichen Marke nicht erörtert. Dies stellt einen [X.]echtsfehler dar, weil dieser Umstand dazu führt, dass bei dem auf diese Weise vorgenommenen Internetauftritt eine gemeinsame gewerbliche Unternehmung anzunehmen ist.
2. Bereits nach den getroffenen Feststellungen liegt nicht nur ein gemeinsamer Internetauftritt vor, sondern ein einheitlicher, maßgeblich auch gewerblicher Vertrieb einer gemeinsamen Produktlinie, die neben den auf dem Markt bereits eingeführten Produkten wie „[X.]“ und „Steuersoftware“ auch noch das weitere Produkt „Steuerberatung“ umfasst. Hiermit musste sich das Tatgericht schon deshalb auseinandersetzen, weil nach den [X.] beim Anklicken des Stichwortes „Steuerberatung“ bzw. später „Steuererklärung“ der obere Teil der Internetseite bis zur Menüleiste unverändert blieb ([X.]) und – getrennte – „Verantwortlichkeiten und Nutzungsbedingungen für die einzelnen Bereiche der Internetseite“ überhaupt nur bei Anklicken des am Ende der Seite angebrachten Stichworts „Impressum“ sichtbar wurden ([X.] f.). Bei dieser optischen Aufmachung liegt aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Verbrauchers die Annahme der Vermarktung einer gemeinsamen einheitlichen Produktlinie auf der Hand, bei der beide Partner vom Gesamterfolg der Vermarktung wirtschaftlich profitieren wollten. Der gemeinsame Vertrieb einer einheitlichen Produktlinie wäre eine nach § 56 StBerG verbotene Kooperation mit einem Gewerbetreibenden und zugleich eine verbotene gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG.
Ausgehend von den [X.] liegt zudem nahe, dass bei einem unvoreingenommenen Internetnutzer der Website ungeachtet der Impressumsangaben der Eindruck entstehen konnte, gar sollte, der bekannte [X.] „[X.], 1000 ganz legale Steuertricks“ und die „[X.] Steuersoftware“ seien von den Steuerberatern der [X.] mitverfasst worden, ihre Qualität würde von den [X.]. Die Frage, ob der gemeinsame Internetauftritt unter der einheitlichen Marke „[X.]“ eine unzulässige Kooperation darstellt, hätte das Tatgericht schon vor dem Hintergrund des [X.] mit dem Verlag geschlossenen [X.]s ([X.]) erörtern müssen. Denn die Gefahr einer unzulässigen Einflussnahme auf die unabhängige Berufsausübung ist besonders groß bei Steuerberatungsgesellschaften, die kapitalmäßig oder auf andere Weise von [X.] Personen beeinflusst werden können ([X.]/[X.], Steuerberatungsgesetz, 6. Aufl., § 57 [X.]n. 25). Hier ergibt sich die Gefahr der Einflussnahme schon allein aus dem Umstand, dass die Steuerberatungsgesellschaft ihren Namen von einem gewerblich tätigen Unternehmen ableitet, das Steuerliteratur und Steuersoftware vermarktet. Denn der Erfolg oder Misserfolg der [X.]-Steuerliteratur könnte Auswirkungen auf das Publikumsinteresse an der [X.] haben, die die Marke „[X.]“ ebenfalls in ihrem Namen trägt.
Der Umstand, dass die Steuerberaterkammer die Verwendung dieses Namens nicht beanstandet hat, wird freilich bei der Frage des Verschuldens, gegebenenfalls seines Ausmaßes, maßgeblich zu berücksichtigen sein. Eine Verfahrenseinstellung für den Fall einer Bereitschaft des angeschuldigten Steuerberaters, die Gestaltung der Internetwerbung in Abstimmung mit der Steuerberaterkammer maßgeblich zu ändern, könnte nahe liegen.
3. Die Sache bedarf, schon weil der angeschuldigte Steuerberater seinerseits die Feststellungen des Berufungsurteils nicht zur revisionsgerichtlichen Überprüfung stellen konnte, umfassender tatgerichtlicher Prüfung. Für diese merkt der [X.] ergänzend an: Angesichts des Umstandes, dass hier der Aufmachung der Website für die berufsrechtliche Zulässigkeit des Internetauftritts erkennbar erhebliche Bedeutung zukommt, könnte es sich für das neue Tatgericht als angezeigt erweisen, weitere Details zu den betreffenden Internetseiten, notfalls nicht allein mit Hilfe des angeschuldigten Steuerberaters, etwa auch durch Augenschein, zu ermitteln.
[X.] [X.]aum Jäger
Warttinger Grunewald
Meta
16.03.2011
Bundesgerichtshof Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen
Urteil
Sachgebiet: False
vorgehend OLG Celle, 7. April 2010, Az: StO 1/10, Urteil
§ 56 StBerG, § 57 Abs 4 Nr 1 StBerG
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.03.2011, Az. StBSt (R) 3/10 (REWIS RS 2011, 8590)
Papierfundstellen: REWIS RS 2011, 8590
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
StbSt (R) 3/10 (Bundesgerichtshof)
10 C 1/15 (Bundesverwaltungsgericht)
Unvereinbarkeit der Geschäftsführung einer Steuerberatungsgesellschaft mit der Leitung eines Versicherungsvermittlungs- oder Finanzberatungsunternehmens
4 HKO 6446/14 (LG Nürnberg-Fürth)
Unzulässigkeit der Werbung für eine Kooperation zwischen einem Steuerberater und einem Gewerbetreibenden
IX ZR 25/14 (Bundesgerichtshof)
Forderungsfactoring durch eine Steuerberatungsgesellschaft
II ZB 2/13 (Bundesgerichtshof)
Handelsregistersache: Eintragungsfähigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft mit untergeordneter Treuhandtätigkeit als Kommanditgesellschaft
Keine Referenz gefunden.
Keine Referenz gefunden.