Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.04.2011, Az. 3 StR 61/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 7778

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Gegenstand

Fristwahrende Unterbrechung der Hauptverhandlung: Verfahrensfehlerhafte Durchführung eines "reinen Schiebetermins"


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. September 2010, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Mit der Rüge, die Hauptverhandlung sei entgegen § 229 Abs. 1 StPO länger als drei Wochen unterbrochen worden, hat das Rechtsmittel Erfolg.

2

Der [X.] hat in seiner Antragsschrift ausgeführt:

"Die zulässig erhobene Rüge der Verletzung des § 229 Abs. 1 und 4 Satz 1 StPO greift durch. Die Revision beanstandet zu Recht, dass die Hauptverhandlung, die in der [X.] vom 28. Juli 2010 bis zum 7. September 2010 an drei Verhandlungstagen durchgeführt wurde, nach der Unterbrechung am ersten Verhandlungstag, dem 28. Juli 2010, in dem '[X.]' vom 18. August 2010 'lediglich in einem formalen Sinne und gleichsam zum Schein fortgesetzt' worden sei ([X.] 28).

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.], 1149; 1996, 3019, 3020; 2006, 3077; [X.], 212, 214; 2008, 115; [X.]R StPO § 229 Abs. 1 Sachverhandlung 1, 3-6; vgl. auch [X.] in [X.] 26. Aufl. § 229 Rdnr. 10, [X.] in [X.] 6. Aufl. § 229 Rdnr. 6 und [X.] 53. Aufl. § 229 Rdnr. 11, jeweils m.w.N.) ist ein Fortsetzungstermin nur dann geeignet, die [X.]en des § 229 Abs. 1 oder 2 StPO zu wahren, wenn in ihm zur Sache verhandelt, mithin das Verfahren inhaltlich auf den abschließenden Urteilsspruch hin gefördert wird. Dabei genügt bereits jede Förderung des Verfahrens, selbst wenn weitere ver-fahrensfördernde Handlungen möglich gewesen wären und der Fortsetzungstermin auch der Einhaltung der [X.] diente ([X.], 3077; NStZ-RR 1998, 335). Nicht ausreichend sind dagegen so genannte (reine) 'Schiebetermine', welche die [X.] lediglich formal wahren, in denen aber tatsächlich keine Prozesshandlungen oder Erörterungen zu Sach- oder Verfahrensfragen vorgenommen werden, die geeignet sind, das Strafverfahren seinem Abschluss substanziell näher zu bringen ([X.], 115). Unzulässig ist es darüber hinaus, einheitliche Verfahrensvorgänge, insbesondere Beweisaufnahmen, willkürlich in mehrere kurze Verfahrensabschnitte zu zerstückeln und diese auf mehrere Verhandlungstage zu verteilen, nur um hierdurch die gesetzlichen [X.]en einzuhalten ([X.] a.a.[X.]).

Ausgehend von diesen Maßstäben stellt der [X.] vom 18. August 2010 lediglich einen unzulässigen Schiebetermin dar. Zwar ist die Durchführung der Beweisaufnahme, zu dem die auf § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO beruhende Verlesung des Durchsuchungsberichts sowie des zugehörigen Durchsuchungs- und [X.] gehört, grundsätzlich eine Verhandlung zur Sache und demnach geeignet, die [X.] aus § 229 Abs. 1 StPO zu wahren (vgl. [X.], 3077, 3078). Auch steht die relativ kurze Dauer des Termins seiner Eignung zur Fristunterbrechung nicht entgegen ([X.] a.a.[X.]). Im vorliegenden Fall diente der auf den Nachmittag verschobene Termin vom 18. August 2010 jedoch allein der Einhaltung der [X.], was unzulässig ist. Dabei kann dahinstehen, ob anlässlich dieses Termins - wie die Revision behauptet und von der [X.] im Wege des [X.] nachträglich korrigiert - das Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll ohne Wiedergabe des [X.] verlesen wurde. Denn schon aus dem von der Revision in Ablichtung vorgelegten Telefaxschreiben des Vorsitzenden [X.]s vom 16. August 2010 ([X.] 13 f.) in Verbindung mit dem vorangegangenen Verfahrensablauf wird deutlich, dass mit der Durchführung des Termins ausschließlich die Wahrung der [X.] aus § 229 Abs. 1 StPO bezweckt war. Der Vorsitzende hat in jenem Schreiben explizit zum Ausdruck gebracht, dass aufgrund der Erkrankung der Schöffin am 18. August 2010 nur ein 'kurzer Termin im [X.]' stattfinden soll, um das Verfahren 'nicht platzen zu lassen' ([X.] 13). Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Revision sollten in dem ursprünglich auf den Vormittag desselben Tages anberaumten Fortsetzungstermin dagegen nur noch die Schlussvorträge der Verteidiger der beiden Angeklagten sowie die Urteilsberatung und  -verkündung erfolgen, nachdem die Beweisaufnahme bereits im Termin vom 28. Juli 2010 geschlossen worden war und die Staatsanwaltschaft ihren Schlussvortrag gehalten hatte ([X.] 12). Ein sachlich-nachvollziehbarer Grund, erneut in die Beweisaufnahme einzutreten, lässt sich weder dem angefochtenen Urteil oder den dienstlichen Stellungnahmen der beteiligten Berufsrichter entnehmen noch ist ein solcher - etwa unter Aufklärungsgesichtspunkten nach § 244 Abs. 2 StPO - sonst ersichtlich. Denn wie von der Revision vorgetragen und durch das [X.] nicht in Abrede gestellt, waren die Angeklagten schon im ersten [X.] am 28. Juli 2010 hinsichtlich der ihnen zur Last gelegten Taten einschließlich des Verbleibs der [X.] umfassend geständig (vgl. [X.] f., 24 f., 26 und 33). Dass eine (nochmalige) Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Ge-ständnisse durch die [X.] entsprechend den Ausführungen des Vorsitzenden [X.]s in seiner dienstlichen Äußerung im [X.] vom 22. November 2010 ([X.]. [X.]) erforderlich war, erscheint angesichts des bereits erfolgten Schlussvortrages des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft indes fernliegend. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Hauptverhandlung erst an einem einzigen Sitzungstag stattgefunden hat, wäre es auch mit [X.]ick auf den verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz noch vertretbar gewesen, die Verhandlung innerhalb kurzer Frist von neuem zu beginnen, sofern eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO am Krankenbett des verhinderten [X.]s (dazu [X.] a.a.[X.] Rdnr. 21) oder durch den Eintritt eines zugezogenen Ergänzungsrichters (§ 192 Abs. 2 und 3 GVG) nicht möglich war. Eine [X.] hat der Gesetzgeber bei einer derart kurzen Verfahrensdauer in § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO dagegen bewusst nicht vorgesehen (vgl. BT-Drucks. 10/1313 S. 25).

Das Beruhen des Urteils auf dem aufgezeigten [X.] im Sinne des § 337 Abs. 1 StPO kann regelmäßig - so auch hier - nicht ausgeschlossen werden ([X.]St 23, 224, 225; NJW 1952, 1149 f.; 1996, 3019, 3020; NStZ 2008, 115; [X.] a.a.[X.] Rdnr. 42 und [X.] a.a.[X.] Rdnr. 15, jeweils m.w.N.). Ein besonders gelagerter Ausnahmefall, in welchem die Fristüberschreitung ersichtlich weder den Eindruck der [X.] von der Hauptverhandlung abgeschwächt noch die Zuverlässigkeit ihrer Erinnerung beeinträchtigt hat, wie dies etwa bei lang andauernden Großverfahren durch die Intensivierung der Eindrücke sowie die besonderen Vorkehrungen zur Fixierung des [X.] der Fall sein kann ([X.] a.a.[X.]), liegt nicht vor. Die angefochtene Entscheidung ist daher, soweit sie den Angeklagten betrifft, aufzuheben."

3

Dem schließt sich der Senat an.

[X.]               Pfister                  von Lienen

        Schäfer                  [X.]

Meta

3 StR 61/11

07.04.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Krefeld, 7. September 2010, Az: 22 KLs 18/10, Urteil

§ 229 Abs 1 StPO, § 229 Abs 2 StPO, § 229 Abs 4 S 1 StPO, § 256 Abs 1 Nr 5 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.04.2011, Az. 3 StR 61/11 (REWIS RS 2011, 7778)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7778

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