10. Senat | REWIS RS 2017, 17179
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Streitwert bei Klagen auf Erhöhung eines verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer
1. NV: Der Streitwert eines Verfahrens, das die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer betrifft, ist --soweit möglich-- nach den tatsächlichen konkreten einkommensteuerlichen Auswirkungen zu bestimmen. Nur wenn eine solche konkrete Streitwertermittlung nicht möglich ist, sind pauschal 10 % des streitigen Verlusts anzusetzen .
2. NV: Bei der Ermittlung der danach maßgebenden konkreten einkommensteuerlichen Auswirkungen sind weder Folgesteuern (Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer) noch die Gewerbesteuer zu berücksichtigen, soweit diese nicht mit angefochten sind .
3. NV: Rechtsgrundlage für die Ermittlung des Streitwerts bei Anfechtung von Verlustfeststellungsbescheiden ist nicht § 52 Abs. 3 GKG, sondern § 52 Abs. 1 GKG. Daher ist die streitwerterhöhende Regelung des § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG in diesen Verfahren nicht anwendbar .
4. NV: Das für eine förmliche Streitwertfestsetzung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, wenn die Höhe des Streitwerts nicht nur auf der Grundlage eines einfachen Rechenvorgangs ermittelt werden kann und zwischen den Beteiligten umstritten ist, oder Fälle der vorliegenden Art in der Rechtsprechung noch nicht entschieden sind .
Der Streitwert für das Revisionsverfahren [X.]/14 wird auf 11.280 € festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
I. Die Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Antragsteller) begehren, den Streitwert höher festzusetzen als denjenigen Betrag, den die Kostenstelle des [X.] ([X.]) als Streitwert angenommen hat.
Die Antragsteller führten vor dem [X.] das Revisionsverfahren [X.] war die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 1999. Das Revisionsverfahren wurde mit dem zugunsten der Antragsteller ergangenen Senatsurteil vom 9. März 2016 X R 46/14 ([X.]E 253, 156, [X.], 976) abgeschlossen. Der Senat legte die Kosten zum ganz überwiegenden Teil dem Beklagten, Revisionsbeklagten und Antragsgegner (Finanzamt --[X.]--) auf.
In jenem Revisionsverfahren ging es um die Höhe der Bemessungsgrundlage der Absetzungen für Abnutzung ([X.]) und --davon ausgehend-- um die Höhe der [X.] bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr 1999. Diese Frage ist auch für die Höhe der [X.] --und der Einkünfte aus [X.] in denjenigen [X.] von Bedeutung, die dem Streitjahr zeitlich nachfolgen.
Die Kostenstelle des [X.] ermittelte den Streitwert des Revisionsverfahrens im Rahmen der Kostenrechnung wie folgt: |
||
– |
begehrte [X.] |
307.186 DM |
– |
[X.] lt. Einspruchsentscheidung |
225.922 DM |
– |
Differenz |
81.264 DM |
– |
Umrechnung in € |
41.550 € |
– |
davon 25 % als geschätzte einkommensteuerliche Auswirkung |
10.387 € |
Die Antragsteller haben zunächst Erinnerung gegen die Gerichtskostenrechnung eingelegt. Auf die Mitteilung der Kostenstelle, dass eine Erinnerung, die das Ziel verfolge, eine höhere Gerichtskostenfestsetzung zu erreichen, unzulässig sei, haben die Antragsteller erklärt, ihre Eingabe solle als Antrag auf Streitwertfestsetzung angesehen werden.
Sie sind der Auffassung, in die Bemessung des Streitwerts seien sämtliche Auswirkungen bei der Einkommensteuer, dem Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer, den Zinsen zur Einkommensteuer, der Kirchensteuer, der Gewerbesteuer und den Zinsen zur Gewerbesteuer für die [X.] bzw. [X.] 1999 bis 2016 einzubeziehen. Auf dieser Grundlage begehren sie die Festsetzung eines Streitwerts von 201.946,12 €.
Das [X.] vertritt demgegenüber die Ansicht, der Streitwert sei mit 10 % des streitigen Verlustvortrags (4.155 €) zu bemessen.
[X.] 1. Der Senat legt den Antrag dahingehend aus, dass Antragsteller allein die Kläger des Verfahrens [X.] sind und deren Prozessbevollmächtigter nicht --zusätzlich oder anstelle der [X.] als Antragsteller auftritt.
Zwar kann ein prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt auch aus eigenem Recht die Festsetzung des Streitwerts beantragen (§ 32 Abs. 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes). Im hier maßgebenden Schreiben vom 6. Oktober 2016 hat er jedoch ausgeführt, "die Kläger" hätten ein berechtigtes Interesse an der Streitwertfestsetzung. Aus diesem Schreiben geht nicht hervor, dass auch der Prozessbevollmächtigte persönlich als Antragsteller auftreten will.
2. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben.
Gemäß § 63 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes ([X.]) wird der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit nur dann förmlich festgesetzt, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse dies beantragt oder das Gericht dies für angemessen hält.
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] setzt der Antrag eines Beteiligten auf förmliche Festsetzung des Streitwerts ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Daran fehlt es, wenn der Streitwert eindeutig aus dem gestellten Sachantrag und der bisherigen [X.]-Rechtsprechung ermittelt werden kann ([X.]-Beschlüsse vom 17. November 1987 VIII R 346/83, [X.]E 152, 5, [X.] 1988, 287, unter [X.], und vom 23. Mai 2001 IV S 1/01, [X.]/NV 2001, 1431, beide m.w.N.).
Demgegenüber besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Höhe des Streitwerts nicht nur auf der Grundlage eines einfachen Rechenvorgangs ermittelt werden kann und zwischen den Beteiligten umstritten ist, oder Fälle der vorliegenden Art in der Rechtsprechung noch nicht entschieden sind ([X.]-Beschluss vom 11. Dezember 1974 I B 46/74, [X.]E 115, 1, [X.] 1975, 385; vgl. auch [X.]-Beschluss vom 17. August 2015 XI S 1/15, [X.]E 250, 327, [X.] 2015, 906, Rz 9).
Dies ist hier der Fall. Die Höhe des Streitwerts ist zwischen den Beteiligten umstritten. Die Antragsteller halten den von der Kostenstelle angenommenen Streitwert für erheblich zu niedrig; das [X.] hält diesen Wert demgegenüber für zu hoch. Zudem hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung bisher nicht ausdrücklich zur Anwendbarkeit des § 52 Abs. 3 Satz 2 [X.] auf Verlustfeststellungsbescheide geäußert.
3. In der Sache hat der Antrag nur zu einem geringen Teil Erfolg. Der Streitwert ist auf 11.280 € festzusetzen.
a) In Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist der Streitwert, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des [X.] für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 [X.]).
Dabei bestimmt sich der Streitwert im Rechtsmittelverfahren nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Da für die Wertberechnung der Zeitpunkt der den Rechtszug einleitenden Antragstellung maßgebend ist (§ 40 [X.]), kommt es auf die während der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] vorgenommene Einschränkung des Revisionsantrags für Zwecke der Streitwertfestsetzung nicht an.
Der Streitwert eines Verfahrens, das die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer betrifft, ist --soweit möglich-- nach den tatsächlichen konkreten einkommensteuerlichen Auswirkungen zu bestimmen. Nur wenn eine solche konkrete Streitwertermittlung nicht möglich ist, sind pauschal 10 % des streitigen Verlusts anzusetzen ([X.]-Beschlüsse vom 26. Januar 2006 VIII E 6/05, [X.]/NV 2006, 1112, und vom 31. März 2008 IX E 1/08, [X.]/NV 2008, 1336; ebenso zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer [X.]-Beschluss vom 5. Mai 2009 I R 84/07, [X.]/NV 2009, 1446; zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen [X.]s [X.]-Beschluss vom 13. Mai 2013 I E 4/13, [X.]/NV 2013, 1449).
Bei der Ermittlung der danach maßgebenden konkreten einkommensteuerlichen Auswirkungen sind Folgesteuern nicht zu berücksichtigen. So ergibt sich aus den Streitwertberechnungen, die in den [X.]-Beschlüssen in [X.]/NV 2006, 1112 sowie [X.]/NV 2008, 1336 vorgenommen wurden, dass dort nur die einkommensteuerlichen Auswirkungen einbezogen wurden, nicht aber die Auswirkungen auf den Solidaritätszuschlag, obwohl dieser in den dort maßgebenden [X.] erhoben wurde. Dies korrespondiert mit der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach bei der Streitwertbemessung selbständige Steuern, die an die Einkommensteuer anknüpfen (z.B. die Kirchensteuer oder heute nicht mehr erhobene Abgaben wie das [X.] oder die Ergänzungsabgabe bzw. der Stabilitätszuschlag zur Einkommensteuer), nicht zu berücksichtigen sind ([X.]-Beschlüsse vom 30. März 1978 IV R 207/74, [X.]E 124, 422, [X.] 1978, 347; vom 24. Januar 1979 I R 91/78, [X.]E 127, 300, [X.] 1979, 441, und vom 16. März 1995 VIII B 158/94, [X.]/NV 1995, 680, unter 3.).
Bei einem Klage- oder Rechtsmittelverfahren, das die Einkünfte aus Gewerbebetrieb betrifft, dessen Streitgegenstand aber nur die Einkommensteuer --bzw. hier den Verlustvortrag zur [X.], nicht jedoch den Gewerbesteuermessbetrag oder [X.] umfasst, bleiben etwaige gewerbesteuerliche Auswirkungen der geänderten Einkünfte aus Gewerbebetrieb außer Betracht. Dies ist in Bezug auf den Streitwert eines Verfahrens, das sich auf die gesonderte Feststellung des verbleibenden [X.] zur Körperschaftsteuer --ohne Einbeziehung des Gewerbesteuermessbetrags oder [X.]s-- bezog, bereits entschieden worden ([X.]-Beschluss in [X.]/NV 2009, 1446, unter [X.]5.). Für ein Rechtsmittelverfahren, das sich auf die gesonderte Feststellung des verbleibenden [X.] zur Einkommensteuer beschränkt, kann nichts anderes gelten.
b) Die von den Antragstellern der Sache nach begehrte Erhöhung des Streitwerts nach § 52 Abs. 3 Satz 2 [X.] aufgrund von offensichtlich absehbaren Auswirkungen auf künftige Geldleistungen ist nicht vorzunehmen.
Nach ihrem klaren Wortlaut ist die Regelung des § 52 Abs. 3 Satz 2 [X.] nur dann anwendbar, wenn der Streitwert sich nach § 52 Abs. 3 Satz 1 [X.] bestimmt. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist der Streitwert bei der Anfechtung von [X.] aber nicht nach § 52 Abs. 3 [X.], sondern nach § 52 Abs. 1 [X.] zu bestimmen (zur gesonderten Feststellung des verbleibenden [X.] zur Körperschaftsteuer [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2009, 1446; zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen [X.]s [X.]-Beschlüsse vom 28. Dezember 2009 IV E 1/09, [X.]/NV 2010, 666, und in [X.]/NV 2013, 1449, Rz 13). Zur Begründung wird angeführt, ein solcher Bescheid sei nicht auf eine Geldleistung gerichtet.
In der bisherigen [X.]-Rechtsprechung zur Streitwertbemessung bei Bescheiden über die gesonderte Feststellung des verbleibenden [X.] zur Einkommensteuer ist die Frage, ob § 52 Abs. 1 oder Abs. 3 [X.] anzuwenden ist, zwar noch nicht ausdrücklich entschieden worden (vgl. [X.]-Beschlüsse in [X.]/NV 2006, 1112, und in [X.]/NV 2008, 1336). Letztlich kann hier aber nichts anderes als für die körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Verlustvorträge gelten.
c) Danach ist der Streitwert --auf der rechtlichen Grundlage des § 52 Abs. 1 [X.] und beschränkt auf die konkreten Auswirkungen des begehrten höheren [X.] auf die [X.] wie folgt zu ermitteln:
Steuerliche Daten vor Erlass des [X.] in [X.]E 253, 156, [X.] 2016, 976: |
||||
Stichtag |
Gesamtbetrag der Einkünfte |
Verlustabzug |
festgestellter Verlustvortrag |
Einkommensteuer |
31.12.1999 |
./. 225.922 DM |
225.922 DM |
0 DM |
|
31.12.2000 |
./. 81.269 DM |
307.191 DM |
0 DM |
|
31.12.2001 |
318.716 DM |
./. 307.191 DM |
0 DM |
0 DM |
31.12.2002 |
9.410 € |
0 € |
0 € |
|
31.12.2003 |
112.329 € |
0 € |
30.464 € |
Wäre der zum 31. Dezember 1999 festgestellte Verlust um den von den Klägern begehrten Betrag von 81.264 DM erhöht worden, hätte dies die folgenden Auswirkungen gehabt: |
||||
Stichtag |
Gesamtbetrag der Einkünfte |
Verlustabzug |
festgestellter Verlustvortrag |
Einkommensteuer |
31.12.1999 |
./. 307.186 DM |
307.186 DM |
0 DM |
|
31.12.2000 |
./. 81.269 DM |
388.455 DM |
0 DM |
|
31.12.2001 |
318.716 DM |
./. 318.716 DM |
69.739 DM |
0 DM |
Umrechnung in € |
35.657 € |
|||
31.12.2002 |
9.410 € |
./. 9.410 € |
26.247 € |
0 € |
31.12.2003 |
112.329 € |
./. 26.247 € |
0 € |
19.184 € |
Dabei ergibt sich die fiktive Einkommensteuer 2003 wie folgt:
- |
zu versteuerndes Einkommen im letzten Einkommensteuerbescheid vom 9. Mai 2007 |
103.045 € |
- |
abzüglich fiktiver Verlustabzug |
./. 26.247 € |
- |
fiktives zu versteuerndes Einkommen |
76.798 € |
- |
tarifliche Einkommensteuer |
19.030 € |
- |
Steuerermäßigung für Einkünfte aus Gewerbebetrieb |
./. 924 € |
- |
Hinzurechnung des Kindergelds |
+ 1.078 € |
- |
festzusetzende Einkommensteuer |
19.184 € |
Die Differenz zwischen der bisher festgesetzten Einkommensteuer für 2003 (30.464 €) und der fiktiven Einkommensteuer 2003, die sich bei einer Erhöhung des zum 31. Dezember 1999 festzustellenden verbleibenden [X.] zur Einkommensteuer um den von den Antragstellern begehrten Betrag von 81.264 DM ergeben hätte (19.184 €), stellt den Streitwert des Revisionsverfahrens [X.] dar (11.280 €).
4. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, da das [X.] keinen entsprechenden Gebührentatbestand enthält (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]E 250, 327, [X.] 2015, 906, Rz 24, m.w.N.).
Meta
18.01.2017
Beschluss
vorgehend BFH, 9. März 2016, Az: X R 46/14, Urteil
§ 52 Abs 1 GKG, § 52 Abs 3 S 1 GKG, § 52 Abs 3 S 2 GKG, § 63 Abs 2 S 2 GKG, § 10d Abs 4 EStG 1997
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.01.2017, Az. X S 22/16 (REWIS RS 2017, 17179)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 17179
Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.
Bundesfinanzhof, X S 22/16, 18.01.2017.
Bundesfinanzhof, X R 46/14, 09.03.2016.
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Streitwert bei Gewinnfeststellung für Verlustjahr
Streitwert im Verfahren über die Feststellung eines gewerbesteuerlichen Verlustvortrags
Erinnerung: Abweichung von der typisierenden 25 v.H.-Regel bei Streitwertfestsetzung im Gewinnfeststellungsverfahren
Streitwert bei Nichtigkeitsklage gegen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
Pauschaler Streitwert im Verfahren wegen Gewinnfeststellung auch bei Kenntnis von fehlender Auswirkung auf Einkommensteuer - …
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