Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2012, Az. 10 AZR 767/11

10. Senat | REWIS RS 2012, 2255

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Gegenstand

Vergütungssicherung - Schichtdienstuntauglichkeit - Freistellungsphase der Altersteilzeit - § 31 Abs 3 MTV Nr 14 Boden


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 9. August 2011 - 13 [X.]/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die tariflich geregelte Vergütungssicherung bei Schichtdienstuntauglichkeit auch in der Freistellungsphase ihres [X.] zu zahlen ist.

2

Auf das zuletzt zwischen den Parteien vereinbarte [X.] kommen der Manteltarifvertrag Nr. 14 für das Bodenpersonal der [X.] ([X.]), der [X.] ([X.]) sowie der Gesellschaften im „Tarifvertrag zur Erweiterung des Geltungsbereiches“ ([X.]) idF vom 1. Januar 2007 (nachfolgend: [X.]) und der Tarifvertrag Altersteilzeitarbeit für das Bodenpersonal vom 17. Februar 2007 (nachfolgend: [X.]) zur Anwendung. Die Arbeitsphase des [X.] endete am 31. Dezember 2009, die Freistellungsphase begann am 1. Januar 2010.

3

Der Kläger wurde bis zum 25. Oktober 2009 im Schichtdienst eingesetzt und erhielt die dafür tariflich vorgesehenen Zulagen. Am 26. Oktober 2009 wurde ihm Schichtdienstuntauglichkeit attestiert. Bis zum Ende der Arbeitsphase zahlte die Beklagte die tarifliche Vergütungssicherung nach § 31 Abs. 3 [X.].

4

Die Vorschrift enthält ua. folgende Regelung:

        

„§ 31 Sicherung der Vergütung bei Leistungsminderung

        

…       

        
        

(3)     

Mitarbeiter, die Schicht- oder Nachtdienst (Protokollnotiz I Abs. (9)) leisten und aus gesundheitlichen Gründen aus dem Schicht- oder Nachtdienst ausscheiden müssen, erhalten, wenn sie mindestens 5 volle Jahre Schicht- oder Nachtdienst geleistet haben, für jedes Jahr des geleisteten [X.] für einen Monat - höchstens für einen Zeitraum von 15 Monaten - einen Betrag weitergezahlt, der sich nach folgender Formel errechnet (siehe Protokollnotiz IX Ziff. 1):

                 

Gesamtbetrag der in den letzten 13 Wochen vor dem Ausscheiden, in denen der Mitarbeiter tatsächlich gearbeitet hat, ausgezahlten Nacht- und Sonntagszuschläge, geteilt durch 3.

                 

…       

                 

Hat der Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Schicht- oder Nachtdienst gemäß Satz 1 das 55. Lebensjahr vollendet, tritt an die Stelle des Zeitraumes von 15 Monaten ein Zeitraum von 24 Monaten.

                 

Hat der Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Schicht- oder Nachtdienst gemäß Satz 1 das 58. Lebensjahr vollendet, wird nach Ablauf der 24 Monate die Hälfte des nach obiger Formel errechneten Betrages für weitere 6 Monate und nach Ablauf dieser Zeit ein Viertel des nach obiger Formel errechneten Betrages für weitere 6 Monate weitergezahlt.

                 

…       

                 

b)    

Die Feststellung der Schichtdienstuntauglichkeit erfolgt durch den Betriebs- oder Facharzt.“

5

Nach Eintritt des [X.] in die Freistellungsphase zahlte die Beklagte eine Pauschale nach der [X.] zum [X.]. Dort ist geregelt:

        

„Schichtgänger, die ab Vollendung des 55. Lebensjahres eine Altersteilzeitvereinbarung nach diesem Tarifvertrag abschließen und beginnen und während der Altersteilzeit im Schichtdienst weiterarbeiten, erhalten in der Freistellungsphase für die Hälfte der Anzahl voller Monate, maximal für 18 Monate, eine Zahlung in Höhe des am Ende der Arbeitsphase (Vollarbeitsphase) anwendbaren monatlichen Pauschalbetrages (U/K-Pauschale) gemäß § 32 Abs. 2 [X.] Nr. 14 Boden bzw. gemäß § 26 Abs. 1 [X.] NBL. Die Zahlung wird nicht gewährt, sofern und soweit der Mitarbeiter im Zeitraum seit Vollendung seines 55. Lebensjahres Zahlungen gem. § 31 Abs. 3 [X.] Nr. 14 Boden erhalten hat.“

6

In der Vergangenheit hatte die Beklagte die Vergütungssicherung nach § 31 Abs. 3 [X.] in der Freistellungsphase der Altersteilzeit weitergezahlt. Mit Schreiben vom 13. August 2009 wandte sich die [X.] an die tarifschließende [X.] wie folgt:

        

„...   

        

in Zusammenhang von Altersteilzeit mit Schichtuntauglichkeit sind wir aufgrund einer Häufung von Fällen, in denen Mitarbeiter erst zum Ende der Arbeitsphase der Altersteilzeit schichtuntauglich wurden, leider auf eine Umsetzung der tarifvertraglichen Regelungen gestoßen, die in dieser Form nicht der tariflichen Rechtslage entspricht.

        

...     

        

Um weiteren Fehlentwicklungen vorzubeugen …, werden wir daher ab dem 01.09.2009 die praktische Umsetzung auf die Basis der tarifvertraglichen Vereinbarungen zurückführen:

        

Demnach wird ab Beginn der Freizeitphase der Altersteilzeit unabhängig vom Vorliegen von Schichtuntauglichkeit ausschließlich eine Pauschalzahlung nach Protokollnotiz II des Tarifvertrages Altersteilzeitarbeit geleistet ... .

        

...“   

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe auch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit einen Anspruch auf Zahlung der Vergütungssicherung nach § 31 Abs. 3 [X.]. Er hat die Differenzbeträge zur gezahlten Pauschale nach der [X.] zum [X.] im Zeitraum von Januar 2010 bis Oktober 2010 in Höhe von monatlich 192,05 [X.] geltend gemacht.

8

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.920,50 [X.] brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 192,05 [X.] brutto seit dem 1. Februar 2010, 1. März 2010, 1. April 2010, 1. Mai 2010, 1. Juni 2010, 1. Juli 2010, 1. August 2010, 1. September 2010, 1. Oktober 2010 und 1. November 2010 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Mit Eintritt in die Freistellungsphase bestehe für [X.] nur noch ein Anspruch nach der [X.] zum [X.], nicht aber nach § 31 Abs. 3 [X.] Nr. 14 Boden.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. [X.] haben in der Freistellungsphase der Altersteilzeit ausschließlich einen Anspruch auf Zahlung der in der Protokollnotiz II zum [X.] geregelten Pauschale, nicht aber einen Anspruch auf Vergütungssicherung nach § 31 Abs. 3 [X.] Nr. 14 Boden.

I. Der Anspruch des [X.] auf Vergütungssicherung nach § 31 Abs. 3 [X.] Nr. 14 Boden ist mit dem Ausscheiden aus dem [X.] nach der am 26. Oktober 2009 attestierten [X.]untauglichkeit entstanden. Neben der Leistung von [X.] für fünf volle Jahre wird nur vorausgesetzt, dass der Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen aus dem [X.] ausscheidet ([X.] 22. Oktober 2003 - 10 [X.] - Rn. 27). Dies war der Fall.

II. Mit Beginn der Freistellungsphase des [X.] besteht dieser Anspruch nicht mehr. Vergütungsansprüche des [X.] in der Freistellungsphase richten sich nach dem [X.]. Der Kläger hat Anspruch auf Teilzeitvergütung nach § 7 TV [X.] und auf [X.] nach § 8 TV [X.]; hinzu kommt in der Freistellungsphase der in der Protokollnotiz II zum TV [X.] geregelte monatliche Pauschalbetrag, der den Verlust der in der Arbeitsphase verdienten [X.] abfedert. [X.] fallen nur bei geleisteter Schichtarbeit in der Arbeitsphase an, werden voll ausgezahlt und fließen nicht in die Teilzeitvergütung ein (zur vergleichbaren Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 [X.] bei Altersteilzeit nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 idF vom 30. Juni 2000: vgl. [X.] 24. September 2008 - 10 [X.] - Rn. 28, [X.], 20).

III. Für einen in der Freistellungsphase der Altersteilzeit neben dem Anspruch aus der Protokollnotiz II zum TV [X.] (fort-)bestehenden Anspruch auf Vergütungssicherung nach § 31 Abs. 3 [X.] Nr. 14 Boden gibt es keine rechtliche Grundlage. Dies ergibt die Auslegung der Norm sowie der Protokollnotiz II zum [X.].

1. Nach dem Wortlaut von § 31 Abs. 3 [X.] Nr. 14 Boden ist ein in der Freistellungsphase der Altersteilzeit fortbestehender Anspruch auf Vergütungssicherung zwar nicht ausgeschlossen. Bereits der tarifliche Gesamtzusammenhang mit der [X.] zum [X.] zeigt aber, dass in der Freistellungsphase nur der in der [X.] für die Situation des Wechsels von der Arbeits- in die Freistellungsphase tariflich bestimmte Ausgleich für den Verlust von [X.] geltend gemacht werden kann. Die Protokollnotiz II, die trotz ihrer Bezeichnung eine Tarifnorm ist, weil sie einen Anspruch normiert und als Bestandteil des [X.] inhaltlich und formal einem Tarifvertrag entspricht (vgl. [X.] 18. April 2007 - 4 [X.] -), regelt in Satz 2 das Verhältnis zur Vergütungssicherung nach § 31 Abs. 3 [X.] Nr. 14 Boden; die Zahlung wird nicht gewährt, sofern und soweit der Mitarbeiter im Zeitraum seit Vollendung seines 55. Lebensjahres Zahlungen gemäß § 31 Abs. 3 [X.] Nr. 14 Boden erhalten hat. Eine Doppelzahlung oder ein Nebeneinander beider Ansprüche ist ausgeschlossen; die Vorschrift bestimmt nicht die Anrechnung parallel bestehender Ansprüche, sondern die Anrechnung des Bezugszeitraums bereits nach § 31 Abs. 3 [X.] Nr. 14 Boden erhaltener Zahlungen („erhalten hat“) auf den Bezugszeitraum der Pauschale nach der Protokollnotiz II. Ein Arbeitnehmer, der bereits nach § 31 Abs. 3 [X.] Nr. 14 Boden eine [X.] Absicherung für den Wegfall von [X.] erhalten hat, soll nach Eintritt in die Freistellungsphase nicht einen vollen, sondern nur einen um die Bezugszeiten der Vergütungssicherung gekürzten Anspruch nach der Protokollnotiz II zum TV [X.] erhalten.

2. Ein anderes Verständnis widerspräche dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelungen. Beide Tarifnormen federn den Wegfall der [X.] ab. Die Pauschale nach der Protokollnotiz II zum TV [X.] regelt dabei die spezielle Situation in der Freistellungsphase der Altersteilzeit. Dass die Tarifvertragsparteien, die das Verhältnis beider Ansprüche zueinander gesehen und geregelt haben, schichtdienstuntaugliche Mitarbeiter bei Ausscheiden aus dem [X.] kurz vor Beginn der Freistellungsphase länger und besser absichern wollten als schichtdiensttaugliche Mitarbeiter, die bis zum Ende der Arbeitsphase [X.] geleistet haben, ist nicht anzunehmen; vielmehr richtet sich die [X.] Absicherung wegen des Wegfalls der Zulagen in der Freistellungsphase der Altersteilzeit ausschließlich nach den Bestimmungen des [X.]. Insofern gilt für die Vereinbarung von Altersteilzeit im Blockmodell dasselbe wie für andere vertragliche Veränderungen des Arbeitsverhältnisses, wie zB der Vereinbarung von unbezahltem Sonderurlaub. Kann ein Anspruch auf [X.] auch bei unterstellter [X.]tauglichkeit überhaupt nicht mehr entstehen, besteht kein Anspruch auf Vergütungssicherung nach § 31 Abs. 3 [X.] Nr. 14 Boden.

3. Die Rechtsprechung des Senats ([X.] 22. Oktober 2003 - 10 [X.] -) steht diesem Tarifverständnis nicht entgegen. Der Anspruch auf Vergütungssicherung nach § 31 Abs. 3 [X.] Nr. 14 Boden besteht nach dieser Entscheidung zwar weiter, wenn der Arbeitnehmer nach eingetretener [X.]untauglichkeit auf einen Arbeitsplatz versetzt wird, auf dem keine Schichtarbeit geleistet wird. Daraus folgt aber nicht, dass der Anspruch auch dann fortbesteht, wenn nach dem [X.] wegen des Eintritts in die Freistellungsphase ein Anspruch auf [X.] auch bei unterstellter [X.]tauglichkeit nicht mehr entstehen kann. Die unterschiedliche Absicherung des Arbeitnehmers liegt darin begründet, dass er in dem einen Fall noch arbeitet, in dem anderen nicht. Die Versetzung steht typischerweise im Zusammenhang mit der [X.]untauglichkeit und schließt den Anspruch deshalb nicht aus.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    D. Kiel    

        

    Mikosch    

                 

Meta

10 AZR 767/11

17.10.2012

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Frankfurt, 22. Dezember 2010, Az: 14 Ca 4063/10, Urteil

§ 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2012, Az. 10 AZR 767/11 (REWIS RS 2012, 2255)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2255

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