Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2007, Az. VIII ZR 260/06

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 1575

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/06 Verkündet am: 10. Oktober 2007 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 535 Verlangt der Vermieter von einem ausländischen Mieter (hier: [X.] St[X.]tsbürger alevitischen Glaubens) einer mit einem Breitbandkabelanschluss ausgestatteten Wohnung die Entfernung einer auf dem Balkon der Wohnung aufgestellten Parabolantenne, ist auch dann eine fallbezogene Abwägung des Eigentumsrechts des Vermieters (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) mit den grundrecht-lich geschützten Interessen des Mieters erforderlich, wenn dieser sich nicht nur auf sein Informationsrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG, sondern auch auf das Grundrecht der Glaubens- und Religionsfreiheit (Art. 4 GG) beruft, weil die im [X.] angebotenen türkischsprachigen Programme nicht über Inhalte des alevitischen Glaubens berichten. [X.], Urteil vom 10. Oktober 2007 - [X.]/06 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden [X.], den [X.] sowie die Richterinnen [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Die Revision der [X.] gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 8. September 2006 wird [X.]. Die [X.] haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tra-gen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die [X.], [X.] St[X.]tsangehörige alevitischen Glaubens, sind Mieter einer im ersten Obergeschoss gelegenen Wohnung der Klägerin in [X.]

. Der Mietvertrag der Parteien vom 1. Mai 2001 enthält folgende von der Klä-gerin vorformulierte Klausel: 1 "Ihre Wohnanlage hat Kabelanschluss und ist mit einer Satelliten-Anlage ausgestattet. Die Auswahl der zu empfangenden Programme wird vom Wohnungsunternehmen nach billigem Ermessen getroffen. Die Einrich-tung einzelner Parabolantennen durch die Mieter ist grundsätzlich nicht gestattet." - 3 - In den Allgemeinen Vertragsbestimmungen, die Bestandteil des [X.] sind, heißt es: 2 "Mit Rücksicht auf die Gesamtheit der Mieter und im Interesse einer ord-nungsmäßigen Bewirtschaftung des Hauses und der Wohnung bedarf der Mieter der vorherigen Zustimmung des Wohnungsunternehmens, wenn er – f) Antennen anbringt oder verändert". Über den in der Wohnung vorhandenen [X.] an das [X.] können mittels eines Decoders sechs st[X.]tliche [X.] Fernsehsen-der empfangen werden. Diese berichten allerdings nicht über Inhalte des [X.]. Solche Informationen können nur mittels einer [X.] von Sendern wie "[X.]" oder "[X.]" empfangen werden. Die [X.] haben, nachdem sie zu Beginn des Mietverhältnisses eine Parabolantenne fest an der Fassade verschraubt, diese aber inzwischen wieder entfernt hatten, eine Parabolantenne auf einem Ständer auf dem Balkon der Wohnung aufgestellt. 3 Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter anderem begehrt, die [X.] als Gesamtschuldner zu verurteilen, die auf dem Balkon angebrachte [X.] abzubauen und zu entfernen und es zu unterlassen, auf dem Balkon An-tennen ohne Zustimmung der Klägerin zu installieren. Das Amtsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] die Entscheidung des Amtsgerichts teilweise abgeändert und die [X.] ver-urteilt, die von ihnen auf dem Balkon aufgestellte Parabolantenne zu entfernen sowie es zu unterlassen, ohne Genehmigung der Klägerin eine Antenne auf dem Balkon zu installieren; für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die [X.] hat das Berufungsgericht den [X.] ein Ordnungs-geld bis zu 250.000 • und ersatzweise Ordnungshaft angedroht. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die [X.] die Wieder-herstellung des amtsgerichtlichen Urteils. 4 - 4 - Entscheidungsgründe: [X.] 5 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-führt: 6 Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Entfernung der Parabolantenne gemäß §§ 535, 541, 1004 Abs. 1 BGB zu. Die Parabolantenne auf dem Balkon der im Eigentum der Klägerin stehenden Wohnung sei von der Straße aus gut sichtbar. Sie befinde sich zwar auf einem beweglichen Ständer und sei nicht fest installiert, solle jedoch nicht in absehbarer Zeit entfernt werden. Durch die Größe und die Lage der Antenne werde das Erscheinungsbild des Gebäudes auf Dauer verändert und ästhetisch beeinträchtigt. Zudem liege unabhängig von einem Eingriff in die Gebäudesubstanz eine bauliche Veränderung vor. Durch den Eingriff in das ästhetische Erscheinungsbild der Wohnung werde das Ei-gentum der Klägerin beeinträchtigt. Das Aufstellen der Parabolantenne stelle keinen vertragsgemäßen Gebrauch im Sinne des § 535 Abs. 1 BGB dar. Es müsse daher von der [X.] nicht ohne Genehmigung geduldet werden, unabhängig davon, ob die ent-sprechenden Klauseln des Mietvertrags wirksam seien. Eine Zustimmung der Klägerin hätten die [X.] nicht bewiesen. 7 Den [X.] stehe auch kein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung und Duldung der Antenne durch die Klägerin zu. Nach der Rechtsprechung des [X.] und des [X.] sei im Rahmen der auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale des bürgerlichen Rechts eine fallbe-zogene Abwägung der von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG geschützten Inte-ressen des Mieters, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu 8 - 5 - unterrichten, mit den von dem grundrechtsbeschränkenden Gesetz geschützten [X.]n des Vermieters (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) vorzunehmen. Die dauerhaft in der [X.] lebenden Ausländer hätten zwar ein anerkennenswertes Interesse daran, die Programme ihres [X.] zu empfangen, um sich über das dortige Geschehen zu unterrichten und die kulturelle und sprachliche Verbindung aufrecht erhalten zu können. Das Anwesen der Klägerin verfüge jedoch über einen Kabelanschluss, mit dem die [X.] mittels eines Digitalreceivers sechs [X.] Programme empfangen könnten. Bei dieser Sachlage sei den [X.] unter Berücksichtigung der nicht unerheblichen Beeinträchtigung der Eigentumsrechte der Klägerin zuzu-muten, die Kabelanlage als Zugang zu Programmen in [X.] Sprache zu nutzen. Die Berücksichtigung von Art. 4 GG führe im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis. Die [X.] machten zwar unbestritten geltend, sie seien praktizierende Angehörige des alevitischen Glaubens und hätten daher ein be-sonderes Interesse an speziell auf ihre Religion und Kultur ausgerichteten pri-vaten Fernsehprogrammen, das grundsätzlich durch Art. 4 GG geschützt sei. Auch insoweit sei jedoch eine Abwägung mit den [X.]n des Vermieters erforderlich. Dabei sei zum einen zu berücksichtigen, dass von den beiden privaten Fernsehsendern [X.] und [X.] neben kulturellen und religiö-sen Sendungen auch Nachrichten, Spielfilme und sportliche Ereignisse gezeigt würden und damit das von den [X.] im Rahmen des Art. 4 GG geltend gemachte besondere Informationsinteresse nur partiell bedient werde. Zum [X.] bleibe den [X.] jede Möglichkeit, sich in anderer geeigneter Weise über Informationsmittel wie zum Beispiel Druckwerke, Radio, [X.] und [X.] sowie durch die aktive Praktizierung des alevitischen Glaubens in [X.] am alevitischen Religions- und Kulturleben zu beteiligen. Dem ge-genüber stehe der nicht unerhebliche Eingriff in das Eigentumsrecht der [X.] - 6 - rin nach Art. 14 Abs. 1 GG. In der Abwägung sei dieser Eingriff in das Eigen-tumsrecht der Klägerin gravierender als das Interesse der [X.], über das allgemeine Informationsinteresse hinaus im Rahmen der von ihnen ausgeübten Religion und Kultur in spezieller Art und Weise Informationen zu empfangen. 10 Im Ergebnis stehe den [X.] daher kein Duldungsanspruch zu. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ergebe sich ebenfalls aus §§ 535, 541, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB; die Wiederholungsgefahr werde durch den bisherigen Verstoß der [X.] indiziert. Die Androhung des Ordnungsgeldes beruhe auf § 890 Abs. 2 ZPO. I[X.] Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das [X.] hat der Klägerin rechtsfehlerfrei einen Anspruch auf Entfernung der von den [X.] aufgestellten Parabolantenne und auf Unterlassung der Installation einer neuen Antenne ohne Genehmigung der Klägerin zuerkannt. Grundlage für diesen Anspruch ist allerdings allein § 541 BGB, der nach einer [X.] nach Erlass des angefochtenen Urteils ergangenen [X.] Entscheidung des Se-nats (Beschluss vom 17. April 2007 [X.] [X.] ZB 93/06, NJW 2007, 2180, unter [X.]) im Mietverhältnis Vorrang hat vor § 1004 BGB. 11 1. Gemäß § 541 BGB kann der Vermieter auf Unterlassung klagen, wenn der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer [X.] fortsetzt. Der Anspruch umfasst auch die Beseitigung eines vom Mieter geschaffenen vertragswidrigen Zustandes (Senatsurteile vom 16. Mai 2007 [X.] [X.] ZR 207/04, [X.], 381, unter [X.], und vom 16. November 2005 [X.] [X.] ZR 5/05, [X.], 1062, unter [X.]). Was jeweils im Einzelnen zum ver-12 - 7 - tragsgemäßen Gebrauch der Mietsache gemäß § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB ge-hört, richtet sich in erster Linie nach den Abreden der Parteien. Das Berufungs-gericht hat zu Recht offen gelassen, ob das grundsätzliche Verbot der Einrich-tung einzelner Parabolantennen und der Genehmigungsvorbehalt für Antennen zugunsten der Klägerin im Mietvertrag der Parteien wirksam sind. Denn auch für den Fall der Unwirksamkeit dieser Vertragsbestimmungen hat das [X.] das Aufstellen der Parabolantenne durch die [X.] rechtsfeh-lerfrei als vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache beurteilt, auf dessen [X.] bzw. Duldung durch die Klägerin die [X.] keinen Anspruch haben. 2. Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.] 90, 27; Beschluss vom 24. Januar 2005 [X.] 1 BvR 1953/00, NJW-RR 2005, 661; Beschluss vom 17. März 2005 [X.] 1 [X.]/03, BayVBl 2005, 691) ist dem Grundrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG, sich aus [X.] zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, auch in [X.] Streitigkeiten über die Anbringung von [X.] an Mietwohnungen Rechnung zu tragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das [X.] gleichrangige [X.] Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berührt ist, wenn von ihm verlangt wird, eine Empfangsanlage an seinem Eigentum zu dulden. Das erfordert in der Regel eine fallbezogene Ab-wägung der von dem eingeschränkten Grundrecht und dem grundrechtsbe-schränkenden Gesetz geschützten Interessen, die im Rahmen der auslegungs-fähigen Tatbestandsmerkmale des bürgerlichen Rechts (§§ 535 Abs. 1 Satz 1 und 2, 242 BGB) vorzunehmen ist ([X.] 90, 27, 32 ff.; [X.], Beschluss vom 24. Januar 2005, [X.]O, unter [X.] [X.]; Senatsurteil vom 16. November 2005, [X.]O, unter [X.] m.w.[X.]). Nichts anderes kann gelten, soweit sich der Mie-ter [X.] wie hier [X.] zusätzlich darauf beruft, durch die Versagung der Zustimmung zur Aufstellung einer Parabolantenne werde sein Grundrecht auf Religionsfrei-13 - 8 - heit (Art. 4 GG) beeinträchtigt. Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsge-richt zutreffend ausgegangen. 14 3. Die Abwägung, ob das Informationsrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 GG und/oder sein Grundrecht auf Religionsfreiheit aus Art. 4 GG im konkreten Fall das Eigentumsrecht des Vermieters aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG überwie-gen, ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters und vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar (Senatsurteile vom 16. November 2005, [X.]O, unter [X.] 3, und vom 2. März 2005 [X.] [X.] ZR 118/04, NJW-RR 2005, 596, unter [X.] b). Das Berufungsgericht hat diese Abwägung ohne Rechtsfehler zu Lasten der [X.] vorgenommen. a) Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe dabei das [X.] der Klägerin als Vermieterin und Eigentümerin der [X.] deutlich überzogen gewürdigt. 15 [X.]) Entgegen der Darstellung der Revision ist es nicht von einem Eingriff in die Bausubstanz, sondern lediglich von einer ästhetischen Beeinträchtigung durch die auf dem Balkon mobil aufgestellte Parabolantenne ausgegangen. Soweit es daneben eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 WEG ange-nommen hat, kommt es darauf für das Verhältnis zwischen Mieter und [X.] nicht an. Eine dauerhafte Veränderung des Erscheinungsbildes des Gebäu-des, wie sie das Berufungsgericht aufgrund der Größe und der Lage der von den [X.] installierten Antenne festgestellt hat, bedeutet unabhängig da-von, ob sie im Wohnungseigentumsrecht als bauliche Veränderung zu [X.] ist, eine Beeinträchtigung des Eigentumsrechts des Vermieters (Senats-urteil vom 16. Mai 2007, [X.]O, unter [X.] 3 a). Mehr oder weniger weitgehende op-tische Beeinträchtigungen mögen zwar, wie die Revision meint, zwangsläufig mit jeder Nutzung eines Gebäudes durch den Mieter verbunden sein; das [X.] - 9 - dert jedoch nichts daran, dass sie das Eigentum des Vermieters tangieren. Ob bei einer Installation, die nach der Art und der Aufstellung der Antenne - anders als es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der derzeitigen der Fall ist - keine oder nur eine geringfügige optische Beeinträchtigung der [X.] verursacht, das Eigentumsrecht der Klägerin hinter dem [X.] der [X.] zurückstehen müsste und die [X.] Anspruch auf Genehmigung einer Parabolantenne durch die Klägerin hätten, kann offen bleiben (vgl. Senatsurteil vom 16. Mai 2007, [X.]O). [X.]) Unbegründet ist auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Vortrag der [X.] unberücksichtigt gelassen (§ 286 ZPO), die Parabolantenne sei von ihnen auf dem [X.] aufgestellt worden. An der von der Revision angegebenen Stelle in der [X.] heißt es zwar, "eine Beeinträchtigung der Ästhetik der Fassade des Mietobjekts liege durch die Aufstellung der Antenne im Innenbereich des [X.]s (ohne Herausragen über das Balkongeländer) nicht vor". Die davon abweichende Feststellung des Berufungsgerichts, die Parabolantenne sei von der Straße aus gut sichtbar, wird jedoch, wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, jedenfalls teilweise gedeckt durch das Foto von der Gebäudeansicht, das dem Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung vorgelegen hat. Danach be-findet sich der Spiegel der Parabolantenne mit einem relativ großen Durchmes-ser sichtbar oberhalb der Balkonbrüstung im ersten Obergeschoss. [X.] macht die Revision auch nicht mehr geltend, die [X.] nicht über das Balkongeländer hinaus. 17 Die Behauptung, sie befinde sich auf einem nicht zur Straßenfront des Gebäudes, sondern auf einem zu einem Hinterhof hinausgehenden Balkon, steht zu der tatrichterlichen Feststellung, sie sei von der Straße aus [X.] das heißt allgemein aus dem öffentlichen Verkehrsraum, nicht unbedingt von der Straße 18 - 10 - vor dem Gebäude aus [X.] gut sichtbar, nicht zwingend in Widerspruch. Im Übri-gen handelt es sich bei dieser Feststellung um aus dem Berufungsurteil ersicht-liches (unstreitiges) Parteivorbringen im Sinne des § 559 Abs. 1 ZPO, das ge-mäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO als tatbestandliche Darstellung im Rahmen der Urteilsgründe an die Stelle des früheren förmlichen Tatbestandes des Beru-fungsurteils getreten ist. Dieses aus dem Berufungsurteil ersichtliche Parteivor-bringen erbringt nach § 314 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen in der Berufungsinstanz. Dieser Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll, nicht jedoch durch den Inhalt der Schriftsätze entkräftet werden. Selbst bei ei-nem Widerspruch zwischen ausdrücklichen "tatbestandlichen" Feststellungen und in Bezug genommenem Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze ginge der "Tatbestand" vor. Eine etwaige Unrichtigkeit derartiger tatbestandlicher Darstel-lungen im Berufungsurteil kann nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO behoben werden. Eine Verfahrensrüge nach §§ 286, 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO, die auf ein im Berufungsurteil nur allgemein in Bezug genommenes schriftsätzliches Vorbringen gestützt wird, kommt zur Richtigstellung eines der-artigen Mangels nicht in Betracht ([X.], Urteil vom 8. Januar 2007 [X.] [X.] ZR 334/04, [X.]Report 2007, 572, unter [X.]). b) Die Revision wendet ferner vergeblich ein, das Berufungsgericht habe die Interessen und Rechte der [X.] nur unzureichend und rechtlich [X.] gewürdigt. Dabei kann offen bleiben, ob das Grundrecht der [X.] aus Art. 4 GG, also ihre Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs.1 GG) oder ihr Recht auf ungestörte Religionsausübung (Art. 4 Abs. 2 GG), überhaupt betrof-fen sind, soweit sie lediglich ein Recht auf Information über Inhalte des [X.] beanspruchen. Wie die Revisionserwiderung zu Recht geltend macht, betrifft Art. 4 GG insbesondere die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, und die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbrei-ten, und damit das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Leh-19 - 11 - ren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln ([X.] 108, 282, 297). Selbst wenn dennoch dadurch, dass den [X.] der Zugang zu bestimmten Informationsquellen in Bezug auf ihre Religion verschlossen ist, [X.] neben demjenigen oder anstelle desjenigen aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG [X.] der Schutzbereich von Art. 4 GG berührt ist, ist die Abwägung durch das Berufungsgericht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. [X.]) Das gilt entgegen der Ansicht der Revision zunächst, soweit es dem Umstand Bedeutung beigemessen hat, dass die von den [X.] gewünsch-ten Programme [X.] und [X.] nicht ausschließlich Inhalte des alevitischen Glaubens zum Gegenstand haben, sondern auch Nachrichten, Spielfilme und sportliche Ereignisse umfassen. Daraus folgt jedenfalls, dass diese Sender nicht für sich in Anspruch nehmen, speziell ein bestimmtes religiöses Interesse zu bedienen. Weiter durfte das Berufungsgericht auch berücksichtigen, dass den [X.] andere Informationsträger wie Druckwerke und das [X.] zur Verfügung stehen, um sich über ihren Glauben und ihre Kultur zu unterrichten. Die [X.] machen nicht geltend, dass die genannten privaten Fernsehpro-gramme Inhalte vermittelten, von denen sie nicht auf andere zumutbare Weise Kenntnis erlangen könnten, oder dass ihnen diese Programme über die reine Informationsvermittlung hinaus eine besondere Möglichkeit zur Ausübung ihrer Religion oder zur Teilhabe an ihrer Kultur böten. 20 Dass die über das [X.] empfangbaren [X.]n Pro-gramme für die religiösen Bedürfnisse der [X.] unzureichend sind, hat das Berufungsgericht in seine Abwägung einbezogen, indem es die Feststel-lung des Amtsgerichts zugrunde gelegt hat, diese Sender berichteten nicht über Inhalte des alevitischen Glaubens, derartige Inhalte verbreiteten nur Sender wie [X.] und [X.]. Ob dies darauf beruht, dass im [X.] nur st[X.]tli-21 - 12 - che Programme vertreten sind und dass der [X.] St[X.]t die alevitische Kul-tur nicht anerkennt, wie die Revision unter Hinweis auf entsprechenden Sach-vortrag der [X.] geltend macht, ist für die Feststellungen und die Wertun-gen des Berufungsgerichts zu den insgesamt gegebenen [X.] nicht von Bedeutung. 22 [X.]) Schließlich macht die Revision geltend, die [X.] hätten bereits bei ihrem Einzug eine Parabolantenne angeschafft, als in ihrer Wohnung noch kein Breitbandkabelanschluss zur Verfügung gestanden habe; die Klägerin kön-ne deshalb nicht verlangen, dass sie nunmehr eine Investition, die sie seinerzeit hätten tätigen dürfen, aufgäben, ohne deren Nutzen voll ausschöpfen zu [X.]. Auch damit dringt die Revision nicht durch. Sie beruft sich insoweit auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, nach dem zum Zeitpunkt des Einzugs der [X.] in der Wohnung kein Breitbandkabelanschluss vorhanden gewesen ist. Das steht jedoch in [X.] zu den vom Amtsgericht ebenfalls in den Tatbestand aufgenommen, oben genannten Regelungen im Mietvertrag. Es ist weiter unvereinbar mit dem [X.] von den Parteien zum Bestandteil des Mietvertrags erklärten und von den [X.] gleichzeitig mit dem Mietvertrag unterzeichneten [X.] [X.], nach dem die Wohnung mit einem [X.] an das [X.] für Hörfunk/Fernsehen ausgestattet war. Die Revisionserwiderung weist des-halb zu Recht darauf hin, dass der Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils, auf den das [X.] Bezug genommen hat, zur Frage des Zeitpunkts der Einrichtung des Breitbandkabelanschlusses in der Wohnung der [X.] in sich widersprüchlich ist mit der Folge, dass ihm insoweit keine Beweiskraft (§ 314 ZPO) und damit auch keine Bindung für das Revisionsgericht zukommt ([X.], Urteil vom 19. November 1998 [X.] IX ZR 116/97, NJW 1999, 641, unter [X.] a). 23 - 13 - Sachvortrag der [X.], nach dem die von ihnen im Juni 2001 bezo-gene Wohnung ursprünglich nicht mit einem Breitbandkabelanschluss ausge-stattet war, zeigt die Revision nicht auf. Nach dem von der Revisionserwiderung angeführten erstinstanzlichen Vortrag der [X.] hatten diese lediglich die Parabolantenne, die sie bei ihrem Einzug auf dem Balkon installiert haben, [X.] bereits in einer anderen von der Klägerin gemieteten Wohnung genutzt. Daraus lässt sich ein Anspruch auf Errichtung der Antenne auch in der neuen Wohnung nicht ableiten. 24 Ball Wiechers [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 20.03.2006 - 9 C 940/05 - [X.], Entscheidung vom [X.] - 11 S 52/06 -

Meta

VIII ZR 260/06

10.10.2007

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2007, Az. VIII ZR 260/06 (REWIS RS 2007, 1575)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 1575

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