Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2004, Az. 3 StR 479/03

3. Strafsenat | REWIS RS 2004, 4855

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[X.]/03vom27. Januar 2004in der [X.] schwerer Vergewaltigung u. [X.] 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. Januar 2004 ge-mäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig [X.] Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. August 2003a) im Schuldspruch dahin neu gefaßt, daß der Angeklagte derschweren Vergewaltigung in zwei Fällen und der Nötigungschuldig ist,b) im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen [X.] aufgehoben.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] Die weitergehende Revision wird verworfen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung "unterVerwendung eines gefährlichen Werkzeuges" in zwei Fällen und wegen Nöti-gung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verur-teilt. Nach den Feststellungen zwang der Angeklagte, in dessen Hose sich [X.] befand, ein 15 Jahre altes Mädchen durch die Androhung [X.] in zwei Fällen zu sexuellen Handlungen. Anschließend veranlaßte er- 3 -es durch Drohungen, für eine geraume Zeit von einer Anzeigenerstattung ab-zusehen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichenRechts. Das Rechtsmittel hat nur zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg.1. Da der Angeklagte in den beiden Vergewaltigungsfällen das mitge-führte Messer nicht verwendete, hat das [X.] den Schuldspruch zutref-fend lediglich auf § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB (Beisichführen eines gefährlichenWerkzeugs) gestützt. In der Entscheidungsformel hat es jedoch in [X.] die Worte "unter Verwendung" gebraucht. Der Senat hat daher [X.] dahin neu gefaßt, daß der Angeklagte der schweren Vergewalti-gung (vgl. [X.]R StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4) in zwei Fällen undder Nötigung schuldig ist. Im übrigen hat die Überprüfung des Urteils aus [X.] der Antragsschrift des [X.] zum Schuldspruch kei-nen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, war dasFühren des Messers vom Vorsatz des Angeklagten umfaßt.2. Der Rechtsfolgenausspruch kann jedoch nicht bestehen bleiben.a) Nach den Feststellungen der sachverständig beratenen [X.] beim Angeklagten eine Alkohol- ([X.] 10, [X.]) und Cannabisabhängig-keit ([X.] 10, [X.]) sowie ein Mißbrauch von Kokain ([X.] 10, [X.]), [X.] und [X.] ([X.] 10, [X.]) vor. Aufgrund [X.] von Alkohol (Blutalkoholkonzentration maximal 2,5 %o) und Amphe-taminen war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit als [X.] Mischintoxikation erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB. Gleich-wohl hat das [X.] in den beiden Vergewaltigungsfällen unter Vernei-nung eines minder schweren Falles nach § 177 Abs. 5 Alt. 2 StGB eine Milde-- 4 -rung nach § 21, § 49 Abs. 1 StGB abgelehnt. Hierzu hat es ausgeführt, daß [X.] vor den Taten mehrmals Amphetamine in dem Wissen zu sich ge-nommen habe, dadurch aggressiv zu werden. Es sei deshalb davon auszuge-hen, daß er sich schuldhaft berauscht habe, um seine Aggressionen [X.]) Diese Begründung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.Zwar kann von der fakultativen Strafmilderung gemäß § 21, § 49 Abs. 1StGB dann abgesehen werden, wenn die durch die Herabsetzung der [X.] oder Steuerungsfähigkeit verminderte Tatschuld durch schulderhöhen-de Umstände aufgewogen wird (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.],StGB 26. Aufl. § 21 Rdn. 17 m. w. N.). Bei alkoholbedingter Verminderung derSchuldfähigkeit kommt dies, abgesehen von den Fällen, in denen der [X.] der actio libera in causa zur Ablehnung der Strafmilderung führt, nachbisheriger Auffassung des [X.] dann in Betracht, wenn der [X.] seinen Rausch verschuldet herbeigeführt und schon früher unter Alkohol-einfluß vergleichbare Taten begangen hat und daher wußte oder zumindestsich hätte bewußt sein können, daß er in einem solchen Zustand zu [X.] neigt (vgl. [X.]St 34, 29, 33; 43, 66, 78).Indes sind diese Voraussetzungen hier nicht ausreichend belegt. [X.] ist lediglich, daß der Angeklagte nach seiner Ankunft in der [X.] 23.00 Uhr Amphetamin zu sich nahm, um sich "aufzuputschen" unddann "ein bißchen Terror zu machen". Dies begründet ein Verschulden nur fürden Drogenkonsum, nicht jedoch für die Alkoholaufnahme, die vorher in derZeit ab 14.00 Uhr stattgefunden und zu einem Blutalkoholwert von 2,5 %o [X.] um etwa 1.00 Uhr geführt hatte. Bei diesem [X.] zudem prüfen müssen, ob nicht unabhängig von der - ver-schuldeten - Drogeneinnahme bereits allein aufgrund des Alkoholgenusseseine erheblich verminderte Schuldfähigkeit vorgelegen haben kann. [X.] zu bedenken gewesen, ob nicht die Entscheidung des Angeklagten, [X.] in der Wohnung Drogen zu nehmen, um sich aufzuputschen, durch dievorausgegangene Alkoholisierung bedingt [X.]) Die bisherigen Feststellungen reichen aber auch nicht aus, die Ver-sagung der Strafrahmenmilderung unter Zugrundelegung der nichttragend [X.] Auffassung des Senats in seiner Entscheidung vom 27. März 2003- 3 [X.] - (NJW 2003, 2394) zu rechtfertigen. Danach soll eine Straf-rahmenmilderung in der Regel schon dann nicht in Betracht kommen, wenn dieerhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des [X.] auf verschuldeterTrunkenheit beruht. Voraussetzung für die Versagung der Strafmilderung istallerdings auch danach, daß dem Angeklagten der Alkoholkonsum uneinge-schränkt vorwerfbar ist. Dies ist u. a. dann nicht der Fall, wenn der Täter alko-holkrank oder alkoholüberempfindlich ist (vgl. Senat aaO). Eine Alkoholerkran-kung, bei der die Alkoholaufnahme nicht als schulderhöhender Umstand zuwerten ist, kann vorliegen, wenn der Täter den Alkohol aufgrund eines unwi-derstehlichen oder ihn weitgehend beherrschenden Hanges trinkt (vgl. [X.] 1985, 102; [X.], [X.]. vom 1. August 1984 - 3 StR 287/84; [X.],[X.]. vom 31. Oktober 1984 - 1 [X.]), der seine Fähigkeit, der [X.] zum übermäßigen Alkoholkonsum zu widerstehen, einschränkt (vgl. zurvergleichbaren Situation beim Vollrausch [X.]R StGB § 323 a Abs. 1 Sichbe-rauschen 1 und 2; [X.] StV 1992, 230).Angesichts der festgestellten Alkoholabhängigkeit des Angeklagten,dem jahrelang betriebenen [X.] seit dem 14. Lebensjahr und den- 6 -geschilderten Entzugserscheinungen hätte sich das [X.] danach mitder Frage befassen müssen, ob dem Angeklagten sein zur erheblichen Ein-schränkung der Steuerungsfähigkeit führendes Verhalten uneingeschränkt [X.] werden kann oder ob er aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit voneinem derart starken Drang zum Alkohol beherrscht war, daß seine Fähigkeit,diesem Drang zu widerstehen, eingeschränkt war.3. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamtenRechtsfolgenausspruchs. Daher kann dahinstehen, ob die mit der formelhaftenBegründung, trotz des festgestellten Hanges des Angeklagten zum übermäßi-gen Konsum berauschender Mittel seien suchtbedingt erhebliche Straftaten [X.] nicht zu erwarten, von der [X.] abgelehnte Unterbringung ineiner Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) Bestand haben könnte. Der neue [X.] hat Gelegenheit, diese Frage mit sachverständiger Hilfe erneut zu [X.].[X.] Pfister von [X.] [X.]

Meta

3 StR 479/03

27.01.2004

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2004, Az. 3 StR 479/03 (REWIS RS 2004, 4855)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4855

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