Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.09.2012, Az. V ZB 86/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3084

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB
86/12
vom

19. September 2012

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 13
An der privatrechtlichen Natur eines Grundstückskaufvertrags ändert sich nicht dadurch etwas, dass auf beiden Seiten Träger öffentlicher Verwaltung beteiligt sind und der Verkäufer mit der Gewährung eines Preisnachlasses einen öffentlichen Zweck verfolgt.
Für Streitigkeiten aus einem solchen Vertrag ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.
[X.], Beschluss vom 19. September 2012 -
V [X.]/12 -
OLG Rostock

[X.]

-

2

-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 19. September 2012 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und [X.] sowie die Richterinnen Dr. Brückner
und Weinland
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 3.
Zivilsenats des [X.] vom 20.
April 2012 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 647.223

Gründe:

I.
Mit notariellem Vertrag vom 12. Dezember 1994 verkaufte die Klägerin

die Bundesrepublik Deutschland

dem beklagten [X.] ein Grundstück. Von dem vereinbarten Kaufpreis, der sich am Verkehrswert des Grundstücks orien-tierte, gewährte die Klägerin einen Abschlag von 75%. Dieser
beruhte auf ei-nem Erlass des [X.] vom 26. März 1993 (VI
A
1

VV 2400

1/93); dessen Intention ist es, sicherzustellen, dass die Länder und [X.] in den neuen Bundesländern eine angemessene Erstausstattung an Grundstücken für unmittelbare Verwaltungszwecke erhalten. Nach dem Erlass ist die zweckentsprechende Mittelverwendung durch vertragliche Abreden zu gewährleisten. Dem entsprechend verpflichtete sich das beklagte [X.] in dem notariellen Vertrag, binnen eines Zeitraumes von drei Jahren mit der Errichtung eines [X.] bzw. einer Justizvollzugsanstalt auf dem [X.]
-

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nen Grundstück zu beginnen und es nach Erstellung 15 Jahre lang für diesen Zweck zu nutzen. Für den Fall, dass das [X.] der Verpflichtung nicht nach-kommen oder
das Grundstück veräußern sollte, ist die Klägerin berechtigt, die Nachzahlung des [X.] zu verlangen. Das beklagte [X.] zahlte den reduzierten Kaufpreis.

Die Klägerin, die der
Meinung ist, die Zweckbindung des Kaufvertrages sei nicht eingehalten worden, begehrt mit der Klage die Nachzahlung des [X.]. Auf die Rüge des beklagten [X.]es hat das [X.]gericht vorab festgestellt, dass der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit eröffnet ist. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das [X.] zurückge-wiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt das [X.] weiterhin die Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht.

II.

Nach Ansicht des [X.] ist der Rechtsweg zu den or-dentlichen Gerichten eröffnet, weil es sich um eine [X.] Strei-tigkeit handele. Die Parteien hätten einen privatrechtlichen Vertrag geschlossen mit der schuldrechtlichen Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung gegen [X.] des vereinbarten Kaufpreises und der dinglichen Einigung über den
Eigen-tumsübergang. Zwar stelle der vereinbarte Verbilligungsabschlag
eine Subven-tion dar, die ihrer Natur nach dem öffentlichen Recht zuzuordnen sei. Die Ge-währung eines Preisnachlasses und die bedingte Möglichkeit der Nachforde-rung bildeten in dem Gefüge von kaufvertraglichen Rechten und Pflichten aber lediglich einen Bestandteil zur Bestimmung des Umfanges der Leistungspflicht des beklagten [X.]es und stellten nicht den Hauptzweck des Vertrages dar. Da die Subvention und die Möglichkeit ihrer Rückforderung Bestandteile eines pri-2
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4

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vatrechtlichen Grundstückskaufvertrags
seien, leite sich der Zahlungsanspruch auf den Restkaufpreis aus dem Grundstückskaufvertrag als bürgerlichem Rechtsverhältnis ab.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist nach §
17a Abs.
4 Satz
4 [X.] statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Der Rechtsweg zur or-dentlichen Gerichtsbarkeit ist eröffnet. [X.] hat das Beschwerdege-richt angenommen, dass es sich um eine bürgerliche
Streitigkeit gemäß §
13
[X.] handelt.

1. Ob eine Streitigkeit öffentlich-
oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn eine gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des [X.], aus dem der [X.] hergeleitet wird. Die Natur eines durch Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses bestimmt sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist (GmS-OBG, Beschluss vom 10.
April 1986

GmS-OBG
1/85, [X.]Z
97, 312, 314 [X.]). Für die
Zuordnung ist maßgeblich, ob die Vereinbarungen mit ihrem Schwerpunkt öffentlich-
oder privatrechtlich ausgestaltet sind und wel-cher Teil dem Vertrag das entscheidende Gepräge gibt ([X.], Beschluss vom 27. Januar 2005

[X.], [X.]Z 162, 78, 80 f; Senat, Beschluss vom 6.
Juli 2000

[X.], WM
2000, 2118, 2119; [X.], Urteil vom 12. Novem-ber 1991

[X.], [X.]Z 116, 339, 342; [X.], 56, 59; BVerwGE 22, 138, 140).

2. Der Schwerpunkt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertra-ges ist dem Zivilrecht zuzuordnen (zu ähnlichen [X.], Urteil 4
5
6
-

5

-
vom 6. November 2009

V
ZR 63/09, NVwZ 2010, 531 Rn. 9; Urteil vom 21.
Juli 2006

V
ZR
158/05, WM
2006, 2101 Rn.
22; für einen Verbilligungs-

November 2002

V
ZR
105/02, [X.]Z
153, 93, 96
f. [X.]; [X.], 56, 58
f.).

a) Der Vertrag ist seinem wesentlichen Inhalt nach auf die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück der Klägerin gegen Zahlung des vereinbar-ten Kaufpreises gerichtet und damit ein Grundstückskaufvertrag, der dem [X.] (§ 433, §
311b Abs. 1 BGB) zuzurechnen ist. An der privatrechtlichen [X.] ändert sich auch dann nichts, wenn auf einer oder beiden Seiten Träger [X.] Verwaltung beteiligt sind [X.], Allgemeines Verwaltungsrecht, 17.
Aufl., §
14 Rn.
10; [X.], Die Verwaltung als Vertragspartner, S.
132; vgl. auch Senat, Beschluss vom 2.
Oktober 2003

V
ZB
8/03, NJW-RR
2004, 142, 143). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erhält der Grundstücks-kaufvertrag dadurch, dass der erwerbende Verwaltungsträger

was regelmä-ßig der Fall sein wird

das Grundstück für die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben nutzen will, nicht einen öffentlich-rechtlichen Charakter. Denn die fiskalische Beschaffung der erforderlichen Mittel für die Aufgabenerfüllung vollzieht sich grundsätzlich nach den Regeln des Privatrechts (GmS-OBG, Beschluss vom 10.
April 1986

GmS-OBG
1/85, [X.]Z
97, 312, 315
f. [X.]; [X.]/[X.], [X.], 5.
Aufl., §
13 Rn.
62
f.; [X.]/[X.], VwGO, 18.
Aufl., §
40 Rn.
25b; [X.], aaO S.
149).

b) Der Umstand, dass zu dem Grundstückskauf ein weiterer [X.] in Form des [X.] hinzutritt, mit dessen Gewäh-rung die Klägerin den öffentlichen Zweck verfolgte, dem beklagten [X.] zu [X.] angemessenen Ausstattung an Grundstücken für unmittelbare Verwal-tungszwecke zu verhelfen, führt nicht dazu, dass der Grundstückskaufvertrag 7
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-

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-
als öffentlich-rechtlich anzusehen wäre. Die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung in der Gestaltungsform
des Privatrechts hat zwar zur Folge, dass die Normen des Privatrechts durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert werden
können (Senat, Urteil vom 6.
November 2009

V ZR 63/09, NVwZ 2010, 531, 532;
[X.], Urteil vom 7.
Februar 1985

[X.], [X.]Z 93, 372, 381). Solche,
auch von den ordentlichen Gerichten zu berücksichtigende (Senat, Urteil vom 16. April 2010

[X.], NJW 2010, 3505, 3506
[X.]),
öffentlich-rechtlichen Bindungen
ändern
aber nichts an der Rechtsnatur des von den Parteien geschlossenen Grundstückskaufvertrages als privatrechtlichem Vertrag.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO. Den [X.] hat der Senat gemäß §
3 ZPO auf ein
9
-

7

-
Fünftel des Hauptsachewertes festgesetzt (vgl. Senat, Beschluss vom 18.
September 2008

V
ZB
40/08, NJW
2008, 3572, 3574 [X.]).

Stresemann

Schmidt-Räntsch

Roth

Brückner

Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.05.2010 -
4 O 539/08 -

OLG Rostock, Entscheidung vom 20.04.2012 -
3 W 3/11 -

Meta

V ZB 86/12

19.09.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.09.2012, Az. V ZB 86/12 (REWIS RS 2012, 3084)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3084

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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