28. Senat | REWIS RS 2013, 8998
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Markenbeschwerdeverfahren – „RACE UP!“ – Unterscheidungskraft - kein Freihaltungsbedürfnis
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2010 058 090.9
hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 16. Januar 2013 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], der Richterin [X.] und des Richters am Amtsgericht Jacobi
beschlossen:
Der Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 12, vom 30. Mai 2011 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.
I.
Das Wortzeichen 30 2010 058 090.9
[X.]
ist am 6. [X.] zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für verschiedene Waren und Dienstleistungen der [X.], 28, 35 und 37 angemeldet worden.
Die Markenstelle für [X.] hat die Anmeldung mit Beschluss vom 30. Mai 2011 wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines Freihaltebedürfnisses teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Waren und Dienstleistungen der
Klasse 12: |
Motorisierte Landfahrzeuge; Kraftfahrzeuge, Automobile, Autobusse, Lastkraftwagen, Traktoren; Motorräder, Mopeds, Omnibusse; |
Klasse 28: |
verkleinerte Fahrzeugmodelle, Modellautos und Spielzeugautos; Fahrzeuge für Kinder (soweit in [X.] enthalten), Roller (Kinderfahrzeuge); |
Klasse 35: |
Einzel- und Großhandelsdienstleistungen bezüglich Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeugteilen und Kraftfahrzeugzubehör; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen für den Versandhandel bezüglich Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeugteilen und Kraftfahrzeugzubehör; Dienstleistungen des Einzel- und Großhandels über das [X.] bezüglich Kraftfahrzeugen, Einzel- und Großhandelsdienstleistungen mittels Teleshopping-Sendungen bezüglich Kraftfahrzeugen; das Zusammenstellen (ausgenommen deren Transport) verschiedener Kraftfahrzeuge oder Kraftfahrzeugteile oder verschiedenen Kraftfahrzeugzubehörs für Dritte, um den Verbrauchern Ansicht und Erwerb dieser Waren in einer Einzelhandelsverkaufsstelle zu erleichtern; Vermittlung von Verträgen für Dritte über den An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen, Unternehmensverwaltung und organisatorische Verwaltung von [X.] für Dritte; |
Klasse 37: |
Montage von Fahrzeugen; Reparatur von Fahrzeugen im Rahmen der Pannenhilfe; kundenspezifische Durchführung von Umbauten an Karosserie, Fahrwerk und Motor von Kraftfahrzeugen (Tuning), soweit in Klasse 37 enthalten. |
Zur Begründung hat sie ausgeführt, „Race up!“ lasse sich zwanglos nach dem inländisch vorherrschenden Verständnis der [X.] mit „[X.]“ verstehen. Nicht das grammatikalisch korrekte „[X.]“ sei für das Verständnis des Verkehrs, hier der Fachkreise und des allgemeinen Publikums, entscheidend. Von den angesprochenen Verkehrskreisen werde „Race“ als „[X.]en von und unter Automobilen“ verstanden. Der feine Unterschied und die Differenzierung „up“ im Sinne von „auf, hinauf“ sei nicht geläufig. Der Verkehr gehe – im Hinblick auf die Redewendungen „get up“ (im Sinne von „[X.] „los geht’s“) oder „[X.]“ („los geht’s“) – davon aus, dass „up“ „los“ bedeute. Hinsichtlich der zurückgewiesenen Waren bedeute das Anmeldezeichen damit „Fahr los!“. Bestimmung und Wesensmerkmal der beanspruchten Fahrzeuge sei es, loszufahren. Das Anmeldezeichen bezeichne mithin in einer seiner Bedeutungen die Beschaffenheit und die Bestimmung der Waren. Damit fehle dem Zeichen die Unterscheidungskraft. Das Zeichen sei aber auch freihaltebedürftig. Das Anmeldezeichen könne nicht anderen, insbesondere exportierenden Händlern und Mitbewerbern vorenthalten werden. Eine nähere Begründung, weshalb dem Anmeldezeichen auch für die zurückgewiesenen Dienstleistungen das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft oder eines Freihaltebedürfnisses entgegenstehe, finde sich in dem Beschluss nicht.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung führt sie aus, durch das Anmeldezeichen „[X.]“ könne weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen hergestellt werden. Das Zeichen habe keinen beschreibenden Begriffsinhalt. Das Anmeldezeichen habe in der [X.] keine bestimmte Bedeutung. Der Verkehr müsse den Ausdruck übersetzen. Auch in der [X.] komme dem Anmeldezeichen keine feststehende Bedeutung zu. „Race up“ bedeute in der [X.] nicht „Fahr los“. „Race“ könne als Substantiv sowohl „[X.]en, Wettrennen“ als auch „Rasse, Geschlecht, Gattung“ und als Verb auch „rennen, um die Wette rennen“ bedeuten. „Up“ könne ausschließlich mit einem sich auf eine Höhe beziehenden Sinngehalt übersetzt werden, beispielsweise als Adverb „auf, aufwärts, herauf“ oder als Präposition „hoch, oben“. Entgegen der Auffassung der Markenstelle habe „up“ niemals die Bedeutung „los“. Versuche der Verbraucher, das Anmeldezeichen „[X.]“ zu übersetzen, so gelange er zu Ausdrücken wie „[X.]en hoch!", „[X.] hoch!“ oder „Gattung oben!“. Dem Anmeldezeichen fehle damit nicht die Unterscheidungskraft. Es sei auch nicht als beschreibende Angabe freihaltebedürftig.
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des [X.]es, Markenstelle für [X.], vom 30. [X.] aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet.
Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens „[X.]“ als Marke stehen keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] entgegen.
1. Dem Anmeldezeichen kann zunächst nicht die Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.], 1143 – [X.]; [X.] 2012, 19, Rdnr. 8 – Link economy; [X.], 1100, Rdnr. 10 – [X.]!; [X.], 825, 826, Rdnr. 13 – [X.]; [X.], 850, 854, Rdnr. 18 –[X.]). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. [X.] [X.], 411, 412, Rdnr. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944, Rdnr. 24 – [X.] 2; [X.] – [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. [X.] [X.], 428, 431, Rdnr. 53 - [X.]; [X.], 1151, 1152 – marktfrisch; [X.] 2000, 420, 421 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. [X.] [X.], 674, 678, Rdnr. 86 – Postkantoor; [X.], 952, 953 Rdnr. 10– [X.]; a. a. [X.], Rdnr. 19 – [X.]; [X.], 417, 418 – [X.]; a. a. [X.] – marktfrisch; [X.], 1153 – anti [X.]) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.]– [X.]; GRUR 2003, 1050, 1051 – [X.]; [X.], 1043, 1044 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten).
Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend - entgegen der vom [X.] vertretenen Auffassung - nicht festgestellt werden, dass das Anmeldezeichen dem Schutzhindernis nach §8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] unterliegt.
Das Anmeldezeichen beschreibt entgegen der Auffassung der Markenstelle weder Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen noch handelt es sich um gebräuchliche Wörter oder eine Wendung der [X.], die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden.
a) „[X.]“ beschreibt aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise keine Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen.
„Race“ ist der [X.] zuzurechnen und kann als Substantiv je nach Zusammenhang bedeuten „das [X.]en“, „das Gerinne“, „die Rasse“, „die Kaste“, „das Geschlecht“, „die Sippe“, „das Volk“, „der Stamm“ und als Verb „etwas um die Wette tun“ oder „jagen, rasen“ (Duden-Oxford – Großwörterbuch [X.], 3. Auflage. [X.] 2005 [CD-ROM]). Möglich sind im technischen Zusammenhang auch noch die Bedeutungen „die [X.]“, „der Laufring“, „die Rille“ oder „die Schussrinne“ (vgl. [X.], [X.]-Wörterbuch zum Eintrag „race“). Dass der Begriff „racen“ mit der mundartlichen Bedeutung „langes Ausschlafen“ Eingang in die [X.] gefunden haben soll (vgl. Krämer, Modern Talking auf deutsch, 2000, [X.]), erscheint im vorliegenden Zusammenhang nicht relevant. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die sich sowohl an Fachkreise als auch den Durchschnittsverbraucher richten, liegt wegen des Bezugs zu „Kraftfahrzeugen“ ausschließlich ein Verständnis dieses Zeichenbestandteils als „[X.]en“ oder „rasen“ nahe. Insoweit ist der Begriff auch dem Grundwortschatz der [X.] zuzurechnen und dem Durchschnittsverbraucher aus der Sportberichterstattung vertraut.
„Up“ gehört als Adverb zum Grundwortschatz der [X.] mit der Bedeutung „nach oben“ oder „aufwärts“ (vgl. Duden-Oxford - Großwörterbuch [X.], a. a. [X.]). Als Adjektiv kann „up“ „ausgefahren“, „herauf“ oder „hinauf“ und als Präposition „hoch“ oder „oben“ bedeuten (vgl. [X.], [X.]-Wörterbuch zum Eintrag „race“). Auf ein vereinzelt auftretendes Fehlverständnis der [X.] kann es zur Überzeugung des Senats nicht ankommen – die Redewendungen „[X.]“ bzw. „get up“, auf die sich die Markenstelle stützt, könnte man zwar umgangssprachlich mit „los!“ in die [X.] übersetzen; dies bedeutet jedoch auch für den normal informierten und angemessen verständigen Durchschnittsverbraucher nicht, dass „up“ in Alleinstellung, ohne das sinngebende Verb, auch die Bedeutung „los!“ hätte. Jedenfalls ist ein gewachsenes Sprachverständnis der angesprochenen [X.] Verkehrskreise in diesem Sinne nicht ersichtlich (zu den Fällen einer „Scheinentlehnung“: vgl. [X.], in [X.]/[X.], [X.], 10. Auflage, 2012, §8 Rdnr. 132: z.B. „Handy“, „Wellness“ oder „Tour de Culture“).
Die Wortkombination „race up“ hat in der [X.] ohne weitere Attribute keine feststehende Bedeutung. Lediglich für die Wortfolge „to race up the stairs“ findet sich in einem Online-Wörterbuch die Bedeutung „die Treppe hochjagen“ (vgl. http://www.dict.cc/?s=to+race+up+the+stairs).
In Zusammenschau dieser Erkenntnisse hat das Anmeldezeichen „[X.]“ für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen insbesondere wegen eines fehlenden sinnstiftenden Bezugs (z. B. „up the mountain“) keine produktbeschreibende Bedeutung. Denkbar ist insoweit allenfalls ein Verständnis als „[X.]en nach oben!“ oder „[X.] nach oben!“, woraus sich für die hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen ein bestimmter, beschreibender Bedeutungsgehalt ohne analysierende Zwischenschritte jedoch nicht erschließt.
b) Es handelt sich bei dem Anmeldezeichen auch nicht um eine gebräuchliche Wendung der [X.], die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird. Entgegen der Auffassung der Markenstelle liegt ein Verständnis von „[X.]“ im Sinne einer Redewendung „Fahr los!“ nicht nahe. In der [X.] würde man hier formulieren: „[X.]“, „[X.]“ oder „Let’s go!“.
2. Wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen kommt auch ein Ausschluss von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht in Betracht.
Meta
16.01.2013
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.01.2013, Az. 28 W (pat) 567/11 (REWIS RS 2013, 8998)
Papierfundstellen: REWIS RS 2013, 8998
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