Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2015, Az. V ZB 203/14

V. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 8450

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 203/14

vom

9. Juli 2015

in dem Rechtsstreit

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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juli 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterin Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch, [X.]
[X.], die Richterin Dr.
Brückner und [X.]
Göbel

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 13. Zivilkammer des [X.] vom 14.
Oktober 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 22.176

Gründe:
I.
Der Beklagte ist Mitglied der klagenden [X.]. Die
Klage ist darauf gerichtet, den Beklagten zu verurteilen, den Mitar-beitern der Firma [X.]
Zugang zu der in seinem Eigentum stehenden Woh-nung zu gewähren, um dort das Durchbohren der Decke und des Bodens im Wohnzimmer zur Installation des senkrecht verlaufenden Kabelstrangs der neu zu installierenden Breitbandkabelanlage zu dulden. Das Amtsgericht hat die Klage durch das der Klägerin am 2. Oktober 2013 zugestellte Urteil [X.].
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Am 22. Oktober 2013 ist bei dem [X.] eine auf dem Briefpapier des Prozessbevollmächtigten der Klägerin geschriebene Berufungsschrift [X.]. Der Schriftsatz schließt mit dem maschinenschriftlichen Namenszu-. [X.] sich an der für die Unterschrift vorgesehenen Stelle zwei nicht miteinander verbundene Linien, von denen die eine senkrecht und die andere waagerecht verläuft.
Nach Hinweis des Vorsitzenden des [X.], es liege [X.] Unterschrift keine ordnungsgemäße Berufung vor, hat die Klägerin wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand [X.] und am
30. Dezember 2013 eine Berufungsbegründung eingereicht.
Das [X.] hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will sie
die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das [X.] erreichen.
II.
Nach Ansicht des [X.] ist die Berufung
unzulässig, weil die Berufungsschrift nicht ordnungsgemäß unterzeichnet sei. Der Schriftzug beste-he aus leicht bogenförmigen Strichen, die zueinander
nahezu im rechten Winkel gesetzt worden seien. An individuellen Merkmalen fehle es vollständig. Der Klägerin sei auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da auch dieser Antrag nicht ordnungsgemäß unterzeichnet sei. Zudem mangele es an der Nachholung der versäumten Prozesshandlung innerhalb der [X.]. Auch die am 30. Dezember 2013 eingegangene Berufungsbegründung weise als Unterschrift nur zwei nicht individualisierbare Linien auf, die den An-forderungen
an eine Unterschrift nicht genügten.
Dass es sich nicht um einen -
wenngleich abgeschliffenen
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. unter der eidesstattli-2
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chen Versicherung noch den vorangegangenen vermeintlichen Unterzeichnun-gen der Schriftsätze ähnele.
III.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statt-hafte
Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§
574 Abs.
2 Nr.
2 Alt. 2 ZPO). Die auf der unzutreffenden Annahme einer nicht ordnungsgemäß unterzeichneten Berufungsschrift beruhende Verwerfung der Berufung als unzulässig
verletzt die Klägerin in ihren [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art.
103 Abs.
1 GG und auf Ge-währung wirkungsvollen Rechtsschutzes nach Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. [X.],
Beschluss vom 3.
März
2015 -
VI
ZB
71/14, NJW-RR 2015, 699 Rn.
4).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des [X.] ist die Berufungsschrift ordnungsgemäß.
a) Die Berufungsschrift muss als bestimmender Schriftsatz im [X.] grundsätzlich von einem bei dem
Berufungsgericht postulationsfähigen Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein (§
130 Nr.
6, §
519 Abs.
4 ZPO). Eine diesen Anforderungen genügende Unterschrift verlangt einen die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzug, der individuel-le, charakteristische Merkmale, die die Nachahmung erschweren, aufweist, sich ohne lesbar sein zu müssen, als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt, selbst wenn er nur flüchtig nie-dergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. Unter diesen Voraussetzungen kann selbst ein vereinfachter und nicht lesbarer 4
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Namenszug als Unterschrift anzuerkennen sein, wobei von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt. Dabei ist in Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein-
und derselben Person aufweisen, jedenfalls bei gesicherter Urheberschaft ein groß-zügiger Maßstab anzulegen (st. Rspr., vgl. [X.], Beschluss vom 3. März 2015 -
VI
ZB 71/14, juris Rn.
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f.; Senat, Beschluss vom 22.
Januar 2009 -
V
ZB
165/08,
juris Rn.
3).
b) Diesen Anforderungen genügt der Schriftzug des [X.] der Klägerin unter der Berufungsschrift. Dies hat der Senat ohne Bindung an die Ausführungen des [X.] von Amts wegen zu prüfen (vgl. [X.], Beschluss vom 3.
März 2015 -
VI ZB 71/14, juris Rn.
10 mwN). An der Urheberschaft von Rechtsanwalt [X.]
gibt es keinen Zweifel. Sie ergibt sich aus dem unter dem Schriftzug befindlichen maschinenschriftlichen Zusatz. Dem Schriftzug fehlt es entgegen der Auffassung des [X.] auch nicht an der erforderlichen Individualität und der erkennbaren Absicht einer vollen Unterschriftsleistung.
aa) Das erste Element der Unterschrift beginnt rechts oben mit einem kleinen Haken und setzt sich als gekrümmte Linie nach links unten fort, wobei die Krümmung am unteren Ende zunimmt und mit einem erneuten Haken nach rechts endet. Aufgrund der Kenntnis des maschinenschriftlich mitgeteilten [X.] ersten Buchstabens des nur aus vier Buchstaben bestehenden Familien-namens von Rechtsanwalt [X.]

deuten. Das zweite Element beginnt etwas hö-her als das Ende des ersten Elements mit einer kurzen Abwärtsbewegung und setzt sich mit deutlich kräftigerer Strichführung als beim ersten Element im [X.] horizontal nach rechts fort und kann als Andeutung der
übrigen 8
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Buchstaben verstanden werden.
Dass diese Buchstaben nicht lesbar sind, ist für die Annahme einer wirksamen Unterschrift unerheblich.

Beide Elemente sind von einem starken Abschleifungsprozess gekenn-zeichnet, weisen jedoch
besondere
Merkmale
auf, die keinen ernsthaften Zwei-fel daran aufkommen lassen, dass es sich um eine von ihrem Urheber zum Zwecke der Individualisierung und Legitimierung geleistete Unterschrift handelt. Sie entsprechen ausweislich der Akten der Art, in der Rechtsanwalt
[X.]
von ihm gefertigte Schriftsätze üblicherweise unterschreibt
bzw. bislang unter-schrieben hat
(vgl. [X.], Beschluss vom 27. Mai 2014 -
IV ZB 32/14, juris Rn.
11).
Dass sich die Unterschriften auf dem Wiedereinsetzungsgesuch und der Berufungsbegründung hiervon unterscheiden, gebietet keine abweichende Beurteilung, weil es sich hierbei erkennbar nur um eine Reaktion auf den Hin-weis des [X.] auf die unzureichende Unterschrift
unter der Beru-fungsschrift handelte.
bb) Die Linien können auch nicht als bloße Namensabkürzung ([X.], Paraphe) gewertet werden. Abgesehen davon, dass bei einem nur aus wenigen Buchstaben
bestehenden Namen eine Unterscheidung zwischen blo-ßer Paraphe und vollem Namenszug ohnehin nur schwer zu treffen ist, spricht
vorliegend der Umstand, dass das zweite Element des Schriftzuges deutlich
mehr Raum einnimmt als das unter der Namenswiedergabe befindliche Wort

eindeutig für den Willen, eine volle Unterschrift
zu leisten.
Eine einzelne leicht gekrümmte bzw. geschwungene Linie genügt zur Darstellung des dem Anfangsbuchstaben folgenden Rests des Namens (vgl. [X.], [X.] vom 9. Februar 2010

[X.], juris Rn. 12).
3. Die Entscheidung des [X.] stellt sich auch nicht aus an-deren Gründen als richtig dar (§
577 Abs.
3 ZPO).
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Dass die Berufungsbegründung erst am 30. Dezember 2013 bei dem [X.] eingegangen ist, während die zweimonatige Berufungsbegrün-dungsfrist des §
520 Abs.
2 ZPO aufgrund der am 2. Oktober 2013 erfolgten Zustellung des angegriffenen Urteils bereits mit dem 2. Dezember 2013 abge-laufen war, macht die Berufung nicht unzulässig. Auch dies hat der [X.] wegen zu prüfen. Ausweislich der Akten hat die Klägerin am 2. Dezember 2013
und damit innerhalb der Berufungsbegründungsfrist einen Antrag auf [X.] der Berufungsbegründungsfrist bis zum 2. Januar 2014 gestellt. Ob über diesen Antrag, der unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen

ebenso wie die Berufungsbegründung vom 30. Dezember 2013

eine ord-nungsgemäße Unterschrift aufweist, entschieden worden ist, lässt sich den Ak-ten nicht entnehmen. Zwar hat sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin e-dankt. Eine Dokumentation in den Akten findet sich jedoch nicht. Fehlt es an einer Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag, muss dies von dem hierfür

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gemäß
§
520
Abs.
2 Satz
2 und 3 ZPO zuständigen
Vorsitzenden nachgeholt werden
(vgl. [X.], Beschluss vom 5.
April 2001 -
VII
ZB 37/00, NJW-RR 2001, 931; Senat, Beschluss vom 29.
April 2004 -
V [X.], FamRZ
2004, 1189).
Stresemann

Schmidt-Räntsch

[X.]

Brückner

Göbel

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 20.09.2013 -
46 C 11/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 14.10.2014 -
2-13 S 190/13 -

Meta

V ZB 203/14

09.07.2015

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2015, Az. V ZB 203/14 (REWIS RS 2015, 8450)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8450

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