Bundessozialgericht, Beschluss vom 29.06.2015, Az. B 9 V 45/14 B

9. Senat | REWIS RS 2015, 8982

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensfehler - freie Beweiswürdigung - unterschiedlicher Beweiswert von Verwaltungsgutachten und gerichtlichem Sachverständigengutachten - freie Beweiswürdigung - kein Entscheidungszwang nach höherem Beweiswert - Übertragung der Sache auf den Einzelrichter - ausnahmsweise Pflicht zur Rückübertragung der Sache auf den Senat - Darlegungsanforderungen


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 25. August 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Urteil vom [X.] hat das [X.] im Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin anstelle des [X.]s anders als vor ihm das [X.] einen Anspruch des [X.] auf Anerkennung eines Impfschadens und die darauf gestützte Gewährung von Versorgung verneint. Nach umfangreicher Beweisaufnahme in beiden Instanzen lasse sich ein kausaler Zusammenhang zwischen der [X.] des [X.] und dem im zeitlichen Zusammenhang damit aufgetretenen Hirninfarkt nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum B[X.] eingelegt, mit der er Verfahrensfehler rügt. Das L[X.] habe die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten. So habe es [X.] mit [X.] vermengt und versorgungsärztliche Stellungnahmen zu Unrecht als sachverständige Äußerungen behandelt. Zuletzt hat der Kläger noch ergänzend vorgetragen, der Fall sei tatsächlich schwierig gelagert; die Berichterstatterin hätte ihn deshalb trotz des Einverständnisses der Beteiligten nicht anstelle des [X.]s entscheiden dürfen.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 [X.]G).

4

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbs 1 [X.]G), so müssen bei der Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G) zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Daran fehlt es.

5

1. Der Vorwurf, das L[X.] habe [X.] und [X.] vermengt und auch sonst die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten, kann der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Denn auf die damit geltend gemachte Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 [X.]G kann ein Verfahrensmangel gemäß der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G nicht gestützt werden (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.]G, 2014, § 160 Rd[X.] 58 mwN). Der Ausschluss von Verletzungen des § 128 Abs 1 S 1 [X.]G aus den zur Zulassung der Revision führenden Verfahrensmängeln duldet keine Ausnahme; die Würdigung der dem [X.] vorliegenden Beweise obliegt allein diesem Gericht (B[X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.] 16 mwN).

6

Unabhängig davon ist das L[X.] in der Würdigung der Beweise weitgehend frei und nicht verpflichtet, der Äußerung eines bestimmten Sachverständigen zu folgen oder ihr Vorrang gegenüber anderen Beweismitteln einzuräumen. Das Gericht muss zwar beachten, dass ärztliche Gutachten, die nicht als gerichtliche Sachverständigengutachten erstellt wurden, grundsätzlich eine andere Aussagekraft haben und damit einen anderen Beweiswert als gerichtliche Gutachten besitzen (vgl B[X.] [X.] 1500 § 128 [X.]). Mit dieser Maßgabe ist es aber in seiner Beweiswürdigung frei und kann deshalb zB einem Verwaltungsgutachten entgegen einem Gerichtsgutachten folgen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 128 Rd[X.]a unter Verweis auf B[X.] Beschluss vom 26.5.2000 - B 2 U 90/00 B - Juris ). An diese Vorgaben hat sich das L[X.] gehalten. Soweit es teilweise die Aussagen der Versorgungsmedizinerin in einem Atemzug mit denjenigen der als Sachverständigen gehörten Medizinern genannt hat, erscheint dies nur auf den ersten Blick missverständlich. Denn das L[X.] hat ersichtlich alle im Laufe des Verfahrens vorgebrachten medizinischen Argumente unvoreingenommen gewürdigt und abgewogen und sich insbesondere gründlich mit dem für den Kläger günstigen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K. auseinandergesetzt. Es ist nicht ersichtlich, dass sich das L[X.] dabei des besonderen Beweiswerts dieses Gutachtens nicht bewusst gewesen wäre.

7

2. Ebenso wenig hat der Kläger innerhalb der Begründungsfrist des § 160a Abs 2 S 1 [X.]G eine Verletzung des Rechts auf [X.] dargetan. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde muss das B[X.] allein anhand der Begründung darüber entscheiden können, ob ein Verfahrensmangel in Betracht kommt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (B[X.] [X.] 1500 § 160a [X.]; B[X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]; B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] 21/09 B - Juris; B[X.] Beschuss vom [X.] - [X.]2 R 64/12 B - Juris). Das gilt auch für Verfahrensmängel, die im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen wären, wie die Verletzung des Rechts auf [X.] ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 160a Rd[X.] 16 unter Hinweis auf BVerwG [X.] 310 § 132 VwGO [X.]; Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, Stand 48. Lieferung August 2007, § 160a Rd[X.] 33).

8

Ohnehin lässt die erst deutlich nach Ablauf der Begründungsfrist und damit verspätet (vgl B[X.] Beschluss vom 28.7.2005 - [X.] [X.]/05 B - [X.] 4-1500 § 178a [X.] 3; B[X.] Beschluss vom 26.6.2006 - [X.] KR 19/06 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 10) nachgeschobene Begründung des [X.], mit dem er die Entscheidung durch die Berichterstatterin rügt, keine Verletzung des Rechts auf [X.] in seiner einfachgesetzlichen Ausprägung erkennen. Nach der Leitentscheidung des [X.]s im Urteil vom 8.11.2007 ([X.]/9a [X.] 3/06 R - B[X.]E 99, 189-197 = [X.] 4-1500 § 155 [X.] 2 = [X.] 4-3250 § 69 [X.] 7) soll der bestellte Berichterstatter nach pflichtgemäßem Ermessen darüber entscheiden, ob er von der durch § 155 Abs 3 und Abs 4 [X.]G eingeräumten Befugnis Gebrauch macht, oder ob es aus sachlichen Gründen bei der Entscheidung des Rechtsstreits durch den [X.] verbleibt (vgl auch B[X.] Urteil vom 7.8.2014 - [X.] R 37/13 R - Juris; B[X.] Urteil vom [X.] - B 7 [X.] 43/08 R - Juris; differenzierend B[X.] Urteil vom 3.12.2009 - [X.]1 [X.] 38/08 R - [X.] 4-4300 § 53 [X.]). Bei einer Rechtssache von grundsätzlicher rechtlicher Bedeutung bzw beim Vorliegen einer Divergenz hat der [X.] eine Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des L[X.]-[X.]s in der Vergangenheit regelmäßig trotz Einverständnis der Beteiligten als ermessens- und verfahrensfehlerhaft angesehen. Zur Begründung hat er angeführt, die ausnahmsweise mögliche Verlagerung der Entscheidungskompetenz vom Kollegium auf den Vorsitzenden bzw Berichterstatter sei auf die Vielzahl der Verfahren zugeschnitten, die insbesondere aus dem Grunde keine rechtlichen Schwierigkeiten aufwiesen, weil einer ständigen Rechtsprechung gefolgt werden solle. Diese [X.]sentscheidung ist damit ersichtlich allein im Kontext von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung ergangen (vgl insbesondere die in [X.]/9a [X.] 3/06 R in Bezug genommene Entscheidung des [X.] [X.] vom [X.] - 1 BvL 23/97 - Juris; ausführlich [X.] [X.]b 2010, 357-361). Die Beschwerde legt nicht dar, dass und warum dem Fall des [X.] eine solche grundsätzliche rechtliche Bedeutung zukäme.

9

Soweit sie die genannte [X.]srechtsprechung auf allein tatsächlich nicht einfach gelagerte Fälle ausdehnen will, hat sie sich zur Begründung wiederum auf - im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde aber unerhebliche - Angriffe gegen die Beweiswürdigung des L[X.] beschränkt. Der [X.] braucht wegen dieser unzureichenden Darlegung nicht zu entscheiden, ob er angesichts der in der Literatur geäußerten Kritik (vgl [X.] in [X.]/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 159 [X.]G Rd[X.] 17: weder richtig noch praktikabel; ausführlich auch zur abweichenden Rechtsprechung anderer Bundesgerichte [X.] [X.]b 2010, 357-361) an der genannten Rechtsprechung zur Entscheidungsbefugnis des Berichterstatters bei Fällen von grundsätzlicher rechtlicher Bedeutung in Zukunft uneingeschränkt festhalten will; sie sogar noch auf nur tatsächlich nicht einfach gelagerte Fälle auszudehnen liefert die Beschwerde jedenfalls erst recht keinen Anlass und kein überzeugendes rechtliches Argument.

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 [X.]G).

Von einer weiteren Begründung sieht der [X.] ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]G).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 9 V 45/14 B

29.06.2015

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: V

vorgehend SG Hamburg, 18. Mai 2011, Az: S 12 VJ 1/05, Urteil

§ 155 Abs 3 SGG, § 155 Abs 4 SGG, § 128 SGG, § 160a Abs 2 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 29.06.2015, Az. B 9 V 45/14 B (REWIS RS 2015, 8982)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8982

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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