Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.03.2010, Az. XII ZB 166/09

12. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 7864

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Ausgangskontrolle bei Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax; Begründung des Wiedereinsetzungsantrags nach Fristablauf


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 30. Zivilsenats des [X.] vom 12. August 2009 wird auf Kosten des Beklagten verworfen.

[X.]: 11.535 Euro

Gründe

I.

1

Mit [X.] seines Prozessbevollmächtigten vom 12. März 2009 legte der Beklagte Berufung gegen das ihm am 12. Februar 2009 zugestellte Urteil des [X.] ein, mit dem er zur Zahlung von 11.534,61 € nebst Zinsen verurteilt wurde. Als Empfänger wies der Schriftsatz das [X.] aus. Die Berufungsschrift ging am 12. März 2009 zwischen 14.54 Uhr und 15.15 Uhr auf dem [X.] der Generalstaatsanwaltschaft ein und wurde am 13. März 2009 an die [X.] des [X.]s weitergeleitet. Mit einem am 14. April 2009 (Dienstag nach [X.]) eingegangenen Schriftsatz begründete der Beklagte seine Berufung.

2

Mit einem dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 23. Juni 2009 zugestellten Schreiben wies das [X.] auf die versäumte Berufungsfrist hin und räumte dem Prozessbevollmächtigten eine Stellungnahmefrist hierzu von zwei Wochen ein. Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2009 beantragte der Prozessbevollmächtigte eine Verlängerung dieser Frist bis zum 17. Juli 2009. Auf den Hinweis des [X.]s vom 26. Juni 2009, dass die Frist für die Wiedereinsetzung nicht verlängert werden könne, stellte ein Vertreter des Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 30. Juni 2009, eingegangen beim [X.] am 1. Juli 2009, Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die von der Kanzleimitarbeiterin verwendete Telefaxnummer im Telefonverzeichnis der Anwaltskanzlei als die Nummer des [X.]s eingetragen sei. Eine Ausgangskontrolle durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten habe nicht erfolgen können, weil dieser aufgrund einer an diesem Tag bei ihm durchgeführten Darmspiegelung gesundheitliche Beschwerden gehabt habe. Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2009 legte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten erneut Berufung gegen das Endurteil des [X.] ein und wiederholte seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung wurde nunmehr vorgetragen, dass eine bislang zuverlässige Kanzleiangestellte bei der Übermittlung des Schriftsatzes versehentlich die Telefaxnummer der im gleichen Haus befindlichen Generalstaatsanwaltschaft in das Gerät eingegeben habe, weil sie in dem in der Kanzlei vorgehaltenen Telefon- und Faxnummernverzeichnis sowohl bei der Eingabe als auch bei der Kontrolle der Nummer in die falsche Zeile gerutscht sei. Die Eingangsbestätigung des Berufungsgerichts sei dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten erst am 10. Juli 2009 anlässlich einer Besprechung mit seinen Mitarbeitern vorlegt worden. Aufgrund eines Kanzleiversehens sei das Schreiben falsch abgeheftet worden.

3

Das Berufungsgericht hat den Antrag des Beklagten vom 30. Juni 2009 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und den Antrag des Beklagten vom 13. Juli 2009 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten, mit der er Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und der Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt und die Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur erneuten Entscheidung erreichen will.

II.

4

Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde des Beklagten ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Eine Entscheidung des Senats ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des [X.] vor noch beruht die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem Verstoß gegen den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG i.V.m. § 139 ZPO), noch verletzt sie den Anspruch des Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. [X.] 77, 275, 284; [X.] NJW 2003, 281).

5

1. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Berufung verworfen, weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten beruhe, welches sich der Beklagte gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse. Die Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft seien nicht verpflichtet gewesen, die am 12. März 2009 per Telefax eingegangene Berufungsschrift noch an diesem Tag an das [X.] weiterzuleiten. Dem Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in die ebenfalls versäumte [X.] könne  ebenfalls nicht entsprochen werden, weil der Prozessbevollmächtigte des Beklagten jedenfalls nach Eingang der Verfügung des Vorsitzenden des Berufungsgerichts am 23. Juni 2009 Anlass zur Überprüfung gehabt hätte, wie es zu dem fehlerhaften Faxversand gekommen sei. Deshalb könne das weitere Vorbringen, wonach eine Kanzleimitarbeiterin sowohl bei der Eingabe als auch bei der Kontrolle der Telefaxnummer versehentlich in eine falsche Zeile des [X.] gerutscht sei, nicht berücksichtigt werden.

6

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

7

Zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Berufungsschrift nicht innerhalb der am 12. März 2009 abgelaufenen Frist beim [X.] eingegangen ist. Der Umstand, dass bei der Generalstaatsanwaltschaft ein Eingangsfach für an das [X.] gerichtete Schriftstücke vorhanden war, ändert nichts daran, dass die an das [X.] der Generalstaatsanwaltschaft gesendete Berufungsschrift erst am 13. März 2009 und somit nach Ablauf der Berufungsfrist in die tatsächliche Verfügungsgewalt des [X.]s gelangte ([X.] Beschluss vom 4. April 2007 - [X.]/06 - NJW-RR 2007, 1429, 1430).

8

3. Dem Beklagten ist die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt worden, weil nach seinem Vortrag ein ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes [X.] nicht ausgeräumt ist.

9

a) Die Rechtsbeschwerde geht zwar zutreffend davon aus, dass eine [X.] sich das einmalige Versehen einer als zuverlässig bekannten, hinreichend unterrichteten und bewährten Kanzleimitarbeiterin ihres Prozessbevollmächtigten grundsätzlich nicht zurechnen lassen muss (Senatsbeschluss vom 28. März 2001 - [X.] - NJW-RR 2001, 1071 für den vergleichbaren Fall einer zweimaligen Falscheingabe einer Faxnummer durch eine bislang zuverlässige Kanzleikraft; [X.] Beschluss vom 27. März 2001 - [X.]/01 - NJW-RR 2001, 779, 780). Denn die Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO führt lediglich zur Zurechnung eines Verschuldens des Prozessbevollmächtigten selbst. Ein Eigenverschulden des Prozessbevollmächtigten liegt jedoch dann vor, wenn für die Fristversäumnis eine mangelhafte Büroorganisation ursächlich war. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist ein Rechtsanwalt, der unter Einschaltung seines Büropersonals fristgebundene Schriftsätze per Telefax einreicht, verpflichtet, durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen Gerichts verwendet wird (Senatsbeschlüsse vom 10. Mai 2006 - [X.] 267/04 - NJW 2006, 2412, 2413; vom 14. Mai 2008 - [X.] 34/07 - NJW 2008, 2508, 2509 und vom 11. November 2009 - [X.] 117/09 - juris, [X.]. 6; [X.] Beschlüsse vom 26. September 2006 - [X.]/05 - NJW 2007, 996, 997; vom 13. Februar 2007 - [X.]0/06 - NJW 2007, 1690, 1691; vom 20. November 2007 - [X.]/06 - juris, [X.]. 5 und vom 11. März 2004 - [X.] - [X.]-Report 2004, 978). Hierzu gehört, dass bei der erforderlichen Ausgangskontrolle der Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten [X.] überprüft wird, um Fehler bei der Eingabe, der Ermittlung der Faxnummer oder deren Übertragung in den Schriftsatz feststellen zu können (Senatsbeschluss vom 10. Mai 2006 - [X.] 267/04 - NJW 2006, 2412, 2413; [X.] Beschluss vom 4. April 2007 - [X.]/06 - NJW-RR 2007, 1429, [X.]. 8). Erst nach der Überprüfung, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Adressaten erfolgt ist, darf die Frist im [X.] gestrichen werden (Senatsbeschluss vom 14. Mai 2008 - [X.] 34/07 - NJW 2008, 2508, [X.]. 11 m.w.[X.]).

b) Eine diesen Anforderungen genügende Ausgangskontrolle im Büro des Beklagtenvertreters ist nicht dargetan worden. Im Schriftsatz vom 30. Juni 2009 wurde das Wiedereinsetzungsgesuch zunächst nur damit begründet, dass die von der Kanzleimitarbeiterin benutzte Telefaxnummer im Telefonverzeichnis der Kanzlei als Nummer des [X.]s eingetragen sei. Weiteren Vortrag, insbesondere zur Organisation der Ausgangskontrolle bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen per Telefax, enthält dieser Schriftsatz nicht. Die fehlerhafte Zuordnung der Telefaxnummer im Telefonverzeichnis der Anwaltskanzlei würde ein Organisationsverschulden seines Prozessbevollmächtigten darstellen, das sich der Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsste.

c) Die Behauptung, eine Kanzleimitarbeiterin sei sowohl bei der Eingabe als auch bei der Kontrolle der verwendeten Telefaxnummer im Telefonverzeichnis versehentlich in die falsche Zeile geraten, hat der Beklagte erstmals im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 13. Juli 2009 aufgestellt, also nach Ablauf der am 7. Juli 2009 endenden Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht deshalb zu Recht nicht berücksichtigt.

(1) Grundsätzlich müssen nach §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist vorgetragen werden (Senatsbeschluss vom 13. Juni 2007 - [X.] 232/06 - NJW 2007, 3212). Jedoch dürfen nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsbeschlüsse vom 10. Mai 2006 - [X.] 42/05 - [X.]-Report 2006, 119 m.w.[X.] und vom 13. Juni 2007 - [X.] 232/06 - NJW 2007, 3212) erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, noch nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden.

(2) Das Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 13. Juli 2009 zu dem behaupteten zweimaligen Versehen der Kanzleikraft bei der Eingabe der Telefaxnummer stellt jedoch einen völlig neuen Sachvortrag dar, der in dem Wiedereinsetzungsantrag vom 30. Juni 2009 nicht einmal im Ansatz erwähnt wurde. Der Beklagte kann daher mit diesem Vorbringen nur dann gehört werden, wenn ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu gewähren ist ([X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 234 Rdn. 4). Das Berufungsgericht hat jedoch zu Recht insoweit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt.

(3) Dabei kann offen bleiben, ob dem Schriftsatz vom 13. Juli 2009 überhaupt ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist des § 234 Abs. 1 ZPO entnommen werden kann. Denn ausdrücklich hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Wiedereinsetzung in die abgelaufene Frist gemäß § 234 Abs. 1 ZPO dort nicht beantragt. Aber selbst wenn der gestellte Antrag unter Einbeziehung der Antragsbegründung, des [X.]punkts der Antragstellung und des [X.] dahingehend auszulegen wäre, dass hiermit auch die grundsätzlich mögliche Wiedereinsetzung in die Versäumung der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO beantragt werden sollte, kommt eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht, weil das Versäumnis auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruht, das sich der Beklagte nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

(4) Nach allgemeiner Ansicht muss bei der Prüfung des Verschuldens auf die für eine Prozessführung erforderliche, übliche Sorgfalt eines ordentlichen Rechtsanwalts abgestellt werden ([X.] Beschluss vom 22. November 1984 - [X.]/84 - NJW 1985, 1710 m.w.[X.]; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. § 233 Rdn. 13; [X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 233 Rdn. 13). Erkennt ein Rechtsanwalt, dass er eine gesetzliche oder richterlich gesetzte Frist nicht einhalten kann, muss er durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Fristverlängerung dafür Sorge tragen, dass ein Wiedereinsetzungsgesuch nicht notwendig wird ([X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 233 Rdn. 23 "Fristverlängerung"). Kommt eine Verlängerung der einzuhaltenden Frist etwa aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht, gebietet es die anwaltliche Sorgfalt, die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung der Frist zu ergreifen ([X.]/[X.], aaO; in diesem Sinne auch [X.] Beschluss vom 24. November 2009 - [X.]/08 - FamRZ 2010, 370).

(5) Diesen Anforderungen ist der Prozessbevollmächtigte des Beklagten im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen werden, erhielt der Prozessbevollmächtigte des Beklagten am 23. Juni 2009 Kenntnis von dem gerichtlichen Hinweis auf die Nichteinhaltung der Berufungsfrist. Obwohl der Prozessbevollmächtigte des Beklagten wusste, dass er am 26. Juni 2009 eine Auslandsreise antreten werde, beschränkte er sich darauf, mit Schriftsatz vom 24. Juni 2009 eine Verlängerung der vom Berufungsgericht gesetzten Frist zur Stellungnahme um zwei Wochen zu beantragen. Bei Anwendung der erforderlichen und ihm zumutbaren anwaltlichen Sorgfalt hätte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten bereits am 23. Juni 2009 erkennen können, dass er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Berufungsfrist hätte stellen müssen und ihm hierzu nur eine Frist von zwei Wochen zur Verfügung stand, die mit der Kenntnis von dem gerichtlichen Hinweis am 23. Juni 2009 zu laufen begann (§ 234 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO). Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hätte sich daher in dem [X.]raum bis zum Antritt seiner Auslandsreise um Aufklärung bemühen müssen, welche Umstände zu der Versäumung der Berufungsfrist geführt haben. Dies wäre ihm auch zumutbar gewesen. Zwar hat er im Berufungsverfahren dargelegt, in welchem Umfang er in der [X.] vom 23. Juni 2009 bis 26. Juni 2009 terminlich gebunden war. Dadurch kann er sich jedoch nicht entlasten. Aufgrund der Dringlichkeit im vorliegenden Verfahren hätte er organisatorische Maßnahmen ergreifen müssen, um einen fristgerechten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorbereiten und stellen zu können. Dabei ist von einem Rechtsanwalt auch die Kenntnis zu verlangen, dass eine richterliche Verlängerung der [X.] gem. § 224 Abs. 2 ZPO grundsätzlich ausgeschlossen ist ([X.] 2007, 294 m.w.[X.]; [X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 233, Rdn. 23 "Rechtsanwalt"). Hierzu findet sich jedoch weder in dem Berufungsvorbringen noch in der Rechtsbeschwerde ein ausreichender Sachvortrag. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hätte sich lediglich die Akten vorlegen lassen und bei seinen Kanzleimitarbeitern nachfragen müssen, weshalb die Berufungsschrift an eine falsche Telefaxnummer übermittelt worden ist. Dies wäre ihm trotz der verschiedenen [X.], die er zwischen dem 23. Juni 2009 und 26. Juni 2009 wahrnehmen musste, zumutbar gewesen. Schließlich hatte er auch die [X.] gefunden, sich mit der Sache zu befassen und mit Schriftsatz vom 24. Juni 2009 beim Berufungsgericht eine Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zu beantragen.

Das Berufungsgericht hat daher dem Beklagten zu Recht keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewährt.

4. Schließlich wird die Versäumung der Berufungsfrist auch nicht dadurch entschuldigt, dass die Generalstaatsanwaltschaft die per Telefax eingegangene Berufungsschrift nicht noch am 12. März 2009 an das [X.] weitergeleitet hat.

a) Die Rechtsbeschwerde weist zwar zutreffend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des [X.] ein Rechtsuchender grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass ein einmal mit der Sache befasstes Gericht einen bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird ([X.] 93, 99, 115 f.; [X.] NJW 2001, 1343). Eine weitergehende Verpflichtung, etwa eine beschleunigte Weiterleitung an das zuständige Gericht oder eine Verpflichtung, die [X.] oder deren Prozessbevollmächtigten durch Telefonat oder Telefax von der Einreichung der Berufung bei einem unzuständigen Gericht zu unterrichten, ergibt sich von [X.] wegen jedoch nicht ([X.] NJW 2001, 1343). Denn sonst würde der [X.] und ihrem Prozessbevollmächtigten die Verantwortung für die Einhaltung der Formalien vollständig abgenommen und dem unzuständigen Gericht übertragen ([X.] aaO). Offen gelassen hat das [X.] bislang die Frage, ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn die Berufung bei einem Gericht eingereicht wurde, das bislang mit der Sache nicht befasst war ([X.] aaO). Der [X.] wendet die gleichen Grundsätze an und sieht keine generelle Fürsorgepflicht des für die Rechtsmitteleinlegung unzuständigen und vorher mit der Sache noch nicht befassten Gerichts, durch Hinweise oder geeignete Maßnahmen eine Fristversäumung des Rechtsmittelführers zu verhindern (statt vieler [X.] Beschluss vom 15. Juni 2004 - [X.]5/03 - NJW-RR 2004, 1655, 1656 m.w.[X.]).

b) Auf dieser rechtlichen Grundlage ist die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden. Die Berufungsschrift ist am 12. März 2009 bei der Generalstaatsanwaltschaft, mithin einer völlig unzuständigen Behörde eingegangen. Da selbst ein Gericht, das mit dem Verfahren vorbefasst war, nur verpflichtet ist, für eine Weiterleitung der Berufungsschrift im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs zu sorgen, können sich für die Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft keine weitergehenden Pflichten ergeben. Da die Berufung am 12. März 2009 zwischen 14.54 Uhr und 15.15 Uhr bei der Generalstaatsanwaltschaft einging, war eine Weiterleitung des Schriftsatzes an diesem Tag im ordentlichen Geschäftsgang nicht mehr möglich. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass nicht als besonders eilig gekennzeichnete [X.] nur einmal täglich nach Eingang der Post (regelmäßig zwischen 09.30 Uhr und 10.00 Uhr) abgetragen werden und daher im Rahmen des ordentlichen Geschäftsverkehrs ein Zutrag an das Berufungsgericht erst am nächsten Tag erfolgen konnte. Das Berufungsgericht hat zudem festgestellt, dass der Schriftsatz vom 12. März 2009 nicht als besonders eilbedürftig gekennzeichnet war. Der baldige Ablauf der Berufungsfrist wäre daher nur durch eine konkrete Fristberechnung anhand des Inhalts des Schriftsatzes möglich gewesen. Dazu waren die Mitarbeiter der Generalstaatsanwaltschaft jedoch nicht verpflichtet.

Dose                                [X.]

               Schilling                                [X.]

Meta

XII ZB 166/09

31.03.2010

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Hamm, 12. August 2009, Az: I-30 U 41/09, Beschluss

§ 85 Abs 2 ZPO, § 139 ZPO, § 233 ZPO, § 234 Abs 1 ZPO, § 236 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.03.2010, Az. XII ZB 166/09 (REWIS RS 2010, 7864)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7864


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XII ZB 166/09

Bundesgerichtshof, XII ZB 166/09, 31.03.2010.


Az. 30 U 41/09

Oberlandesgericht Hamm, 30 U 41/09, 12.08.2009.


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