Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.03.2013, Az. XI B 14/13

11. Senat | REWIS RS 2013, 7511

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Gegenstand

(Die besondere Zugangsvoraussetzung in § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO gilt auch für Anträge auf Aufhebung der Vollziehung)


Leitsatz

Die Regelung in § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO, wonach ein beim FG gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung grundsätzlich nur zulässig ist, wenn die Finanzbehörde zuvor einen bei ihr gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat, gilt auch für Anträge auf Aufhebung der Vollziehung .

Tatbestand

1

I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) führt beim [X.] ([X.]) ein Klageverfahren, das die Aufhebung eines geänderten Umsatzsteuerbescheides für das Streitjahr 2000 vom 23. Oktober 2008 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt --[X.]--) zum Gegenstand hat. Der Antragsteller hat die aus der angefochtenen Änderung resultierende Umsatzsteuernachforderung entrichtet.

2

Am Tag der Klageerhebung beantragte der Antragsteller beim [X.] die Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides für 2000 ohne Sicherheitsleistung. Das [X.] verwarf den Antrag mit Beschluss vom 20. November 2012  4 V 184/11 als unzulässig mit der Begründung, dass die besondere Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) nicht erfüllt sei. Denn im Zeitpunkt der Antragstellung beim [X.] habe das [X.] einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides weder ganz noch teilweise zuvor abgelehnt. Auch die in § 69 Abs. 4 Satz 2 [X.]O vorgesehene Ausnahmeregelung greife nicht ein.

3

Das [X.] hat nach § 128 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O die Beschwerde gegen seinen Beschluss zugelassen unter Hinweis darauf, dass § 69 Abs. 4 Satz 1 [X.]O insofern eine Gesetzeslücke enthalte, als die darin geregelte besondere Zugangsvoraussetzung nach dem Gesetzeswortlaut nur für den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, nicht hingegen für den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung gelte. Die Frage der entsprechenden Anwendung dieser besonderen Zugangsvoraussetzung auf das Instrument der Aufhebung der Vollziehung scheine höchstrichterlich noch ungeklärt zu sein. Das [X.] half der Beschwerde des Antragstellers nicht ab (Beschluss vom 23. Januar 2013  4 V 184/11).

4

Zur Begründung der Beschwerde trägt der Antragsteller vor, das [X.] habe den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen. Denn das [X.] nehme in unzutreffender Weise an, dass besondere Zugangsvoraussetzungen für seine unmittelbare Anrufung bestünden. Die Einschränkung des § 69 Abs. 4 [X.]O sei nach Wortlaut, Systematik und Zweck allein auf das Aussetzungsverfahren, nicht auf das Aufhebungsverfahren zugeschnitten. Auch für verfahrensrechtliche Prinzipien gelte das Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit und Vorhersehbarkeit: Belastende Eingriffe in die Rechtsstellung der Steuerbürger seien nur dort gerechtfertigt, wo sie sich mit der gebotenen Eindeutigkeit dem Gesetz entnehmen ließen.

5

Das [X.] hat sich nicht am Beschwerdeverfahren beteiligt.

Entscheidungsgründe

6

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

7

1. Die Beschwerde ist zulässig.

8

Insbesondere ist sie fristgerecht innerhalb der insoweit geltenden Zweiwochenfrist des § 129 Abs. 1 [X.]O eingelegt worden. Dem Antragsteller wurde der Beschluss des [X.] am 27. November 2012 zugestellt. Er hat die Beschwerde am 6. Dezember 2012 --und damit rechtzeitig-- beim [X.] ([X.]) erhoben, was nach § 129 Abs. 2 [X.]O gleichfalls zulässig ist.

9

2. Die Beschwerde ist aber nicht begründet, weil entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers ein beim [X.] gestellter Antrag auf Aufhebung der Vollziehung grundsätzlich nur zulässig ist, wenn das [X.] zuvor einen bei ihm gestellten Antrag auf Aufhebung der Vollziehung abgelehnt hat (vgl. § 69 Abs. 4 Satz 1 [X.]O).

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]O kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wobei der Antrag schon vor Erhebung der Klage gestellt werden kann (§ 69 Abs. 3 Satz 2 [X.]O). Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht nach § 69 Abs. 3 Satz 3 [X.]O ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Der Antrag nach § 69 Abs. 3 [X.]O ist gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 [X.]O nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Dies gilt nicht, wenn die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat (§ 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 [X.]O) oder eine Vollstreckung droht (§ 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 [X.]O).

b) Der Wortlaut der Bestimmung des § 69 Abs. 4 Satz 1 [X.]O verbietet entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht die Anwendung dieser Regelung auch auf Anträge zur Aufhebung der Vollziehung.

Denn durch die Bezugnahme in § 69 Abs. 4 Satz 1 [X.]O auf § 69 Abs. 3 [X.]O --und somit auch auf den in § 69 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genannten Antrag auf Aufhebung der [X.] wird dem Rechtsanwender hinreichend deutlich, dass [X.] mit dem lediglich so bezeichneten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in § 69 Abs. 4 Satz 1 [X.]O auch der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung umfasst sein soll.

Diese gesetzessystematische Auslegung entspricht auch der Auslegung der Vorschrift nach deren Sinn und Zweck. § 69 Abs. 4 Satz 1 [X.]O hat das Ziel, die Gerichte dadurch zu entlasten, dass die Finanzbehörde mit den für die Gewährung bzw. Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung wesentlichen Gründen befasst worden ist und eine Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 13. Dezember 1999 III B 15/99, [X.]/NV 2000, 827, unter [X.], sowie Gräber/[X.], Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 69 Rz 70, m.w.N.). Dieser [X.] gilt nicht nur für Anträge auf Aussetzung der Vollziehung, sondern auch für Anträge auf Aufhebung der Vollziehung. Daher erfasst die besondere Zugangsvoraussetzung nach § 69 Abs. 4 Satz 1 [X.]O nach ständiger Rechtsprechung gleichermaßen auch Anträge auf Aufhebung der Vollziehung (vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 17. Dezember 2003 I B 182/02, [X.]/NV 2004, 815, unter [X.]; vom 14. März 2001 VI B 279/99, [X.]/NV 2001, 1237, sowie vom 23. Februar 1989 V B 60/88, [X.]E 155, 503, [X.] 1989, 396, unter 2.b zur Vorgängerregelung in Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit).

Auch in der Literatur wird --soweit ersichtlich-- einhellig die Auffassung vertreten, dass die besondere Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 [X.]O auch für Anträge auf Aufhebung der Vollziehung gilt (vgl. Gräber/[X.], a.a.[X.], § 69 Rz 70; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 69 [X.]O Rz 1071, 1073; [X.] in [X.], [X.]O § 69 Rz 11; [X.] in Beermann/ [X.], [X.]O § 69 Rz 272, und [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 [X.]O Rz 70).

Meta

XI B 14/13

12.03.2013

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 20. November 2012, Az: 4 V 184/11, Beschluss

§ 69 Abs 3 FGO, § 69 Abs 4 S 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.03.2013, Az. XI B 14/13 (REWIS RS 2013, 7511)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7511

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