Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.09.2007, Az. 1 StR 273/07

1. Strafsenat | REWIS RS 2007, 2088

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[X.]/07vom 11. September 2007 Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja (nur II) Veröffentlichung: ja [X.] Art. 36; StPO § 257 1. Die Widerspruchslösung findet auch bei einer zu spät erteilten Belehrung über das Recht auf konsularischen Beistand nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 des [X.] ([X.]) Anwendung. 2. Zu den Anforderungen an einen solchen Widerspruch. [X.], [X.]. vom 11. September 2007 - 1 [X.] - [X.] in der Strafsache gegen wegen Mordes - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 11. September 2007 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das [X.]eil des [X.] vom 20. Dezember 2006 wird als unbegründet [X.]. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen not-wendigen Auslagen zu tragen.
Gründe: [X.] 1. Das [X.] hat - für den Senat bindend - festgestellt: 1 In der [X.] kam es zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau [X.], dem Tatopfer, im Wohnzimmer der gemeinsamen Wohnung [X.] zu einvernehmlichen sexuellen Handlungen. Dabei fesselte der Ange-klagte seiner Ehefrau die Hände auf dem Rücken; dies gehörte zu den üblichen Praktiken des Ehepaars. Er riss hierzu Lautsprecherkabel der Heimkinoanlage ab, weil er die gewöhnlich benutzten Utensilien - wie [X.] oder [X.] aus dem Erotikfachhandel - weggeworfen oder unauffindbar verlegt hatte. Seine Ehefrau war über die Verwendung des Kabels und die äußerst 2 - 3 -straffe Fesselung, die zu blasigen Hautabhebungen führte, verwundert. Der An-geklagte führte sodann mit seiner Ehefrau einvernehmlich - zuletzt bäuchlings übereinander auf dem Wohnzimmerteppich liegend - den [X.] bis zum Samenerguss durch. Als der Angeklagte ihrem anschließenden Begehren, von ihr "herunterzugehen" und sie loszubinden, keine Folge leistete, beschimpfte sie ihn. Auf Grund dieser Unmutsäußerungen erregt, beschloss der Angeklagte nunmehr seine Ehefrau zu töten. Er hob ihren Slip vom Boden auf, zerriss ihn und band ihr damit die Fußgelenke zusammen. Weiterhin riss er ein zweites Lautsprecherkabel ab und verschnürte damit ihre Unterschenkel. Erst jetzt [X.]- zumal der Angeklagte auf Nachfrage entsprechende An-deutungen machte - die Gefahr für ihr Leben, war allerdings infolge der Fesse-lung widerstandsunfähig. Es gelang ihr nicht, den Angeklagten umzustimmen. In Ausführung seines Tötungsvorhabens schlang dieser ein weiteres Stück Lautsprecherkabel um den Hals seiner Ehefrau und zog bis zum Todeseintritt zu, wobei er im weiteren Verlauf noch einen Holzkochlöffel einsetzte, um damit durch Drehbewegungen die Zugkräfte und die drosselnde Wirkung des Kabels zu verstärken. 3 2. Das [X.] hat die Tat als Heimtückemord bewertet und den [X.] zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, welche die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. 4 I[X.] Die Verfahrensrügen dringen aus den vom [X.] in [X.] Antragsschrift vom 12. Juni 2007 dargelegten Gründen nicht durch. [X.] Erörterung bedarf nur die Rüge, die Schwurgerichtskammer habe bei der [X.] - 4 -teilsfindung rechtsfehlerhaft die Aussage des Angeklagten bei seiner polizeili-chen Beschuldigtenvernehmung verwertet, obwohl er bei dieser Vernehmung als [X.] Staatsangehöriger nicht über sein Recht auf konsularischen Bei-stand belehrt worden sei (Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 des [X.] [[X.]]). 6 1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Nachdem der Angeklagte nach der Tat über Notruf mitgeteilt hatte, dass er soeben seine Ehefrau erdrosselt habe, wurde er von Polizeibeamten kurz nach deren Eintreffen vor seiner Wohnung festgenommen. Etwa fünf Stunden später, am Morgen des 12. September 2005, begann die gegenständliche Be-schuldigtenvernehmung durch den kriminalpolizeilichen Sachbearbeiter, der den Angeklagten nach § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 StPO, nicht jedoch nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 [X.] belehrte. Noch bevor der Angeklagte die Tat schilderte, wurde ein Dolmetscher hinzugezogen, der das gesamte bis da-hin erstellte Protokoll einschließlich der Belehrung übersetzte. Sodann machte der Angeklagte geständige Angaben zum Tatgeschehen. 7 Bei der [X.] am nächsten Tag sagte der Angeklagte nicht mehr aus. Vom Ermittlungsrichter wurde er anschließend erstmals darüber belehrt, dass er die Unterrichtung seiner Auslandsvertretung verlangen könne. Von diesem Recht machte der Angeklagte Gebrauch; der Versuch einer soforti-gen telefonischen Kontaktaufnahme mit der [X.] Botschaft scheiterte [X.]. Bei der Exploration durch den psychiatrischen Sachverständigen ca. ein halbes Jahr später wiederholte der Angeklagte im Wesentlichen seine An-gaben bei der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits durch seinen derzeitigen Verteidiger Rechtsanwalt [X.].

vertreten. 8 - 5 -Am 1. Hauptverhandlungstag, dem 9. Oktober 2006, widersprach der Verteidiger vor Einlassung des Angeklagten zur Sache der Verwertung von [X.] Angaben bei der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung "insofern, als die Kammer aus dieser für – (den Angeklagten) negative Schlussfolgerungen zie-hen möchte". [X.] wurde folgendes: Der Angeklagte sei nicht auf die Mög-lichkeit der - kostenlosen - Beiordnung eines Pflichtverteidigers hingewiesen und es sei kein entsprechender Beiordnungsantrag gestellt worden; er sei nicht über die Existenz eines [X.] informiert worden; der [X.] habe den kurdischen Dialekt des Angeklagten nicht beherrscht; es seien verbotene [X.] infolge Ermüdung des Angeklagten [X.] worden. Anschließend gab der Verteidiger für den Angeklagten eine Er-klärung zur Sache ab, die von den bisherigen Angaben abwich. Am 3. Verhand-lungstag, dem 11. Oktober 2006, wurde der hinzugezogene Dolmetscher als Zeuge vernommen, zudem ein [X.]uss verkündet, mit dem der Widerspruch in allen gerügten Punkten zurückgewiesen wurde. Am 4. Verhandlungstag, dem 13. Oktober 2006, wurde der kriminalpolizeiliche Sachbearbeiter zeugenschaft-lich vernommen. 9 Am 8. Verhandlungstag, dem 29. November 2006, erhob der Verteidiger eine Gegenvorstellung und "erneuert(e) den Widerspruch – um eine weitere rechtliche Sichtweise". Unter Hinweis auf die Kammerentscheidung des Bun-desverfassungsgerichts vom 19. September 2006 - 2 BvR 2115/01 u.a. (NJW 2007, 499) machte er nunmehr zusätzlich ein Verwertungsverbot infolge der Verletzung der Belehrungspflicht nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 [X.] geltend. Am 9. Verhandlungstag, dem 7. Dezember 2006, verkündete der Vorsitzende einen [X.]uss der Schwurgerichtskammer, mit dem sie die Gegenvorstellung zurückwies. 10 - 6 -Die Feststellungen zur Tat basieren auf der polizeilichen Beschuldigten-vernehmung; die Angaben des Angeklagten gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen hat die Kammer (nur) "ergänzend" herangezogen ([X.]). 11 12 2. Die Verfahrensrüge ist - worauf der [X.] zutreffend hingewiesen hat - nicht zulässig erhoben. Die Revisionsbegründung teilt nicht mit (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), dass die Gegenvorstellung des Angeklag-ten vom 29. November 2006, mit der er den Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 [X.] erstmals beanstandete, mit [X.]uss vom 7. Dezember 2006 zu-rückgewiesen wurde. Diese Tatsache ergibt sich zwar aus den [X.]eilsgründen, die das Revisionsgericht auf die Sachrüge ergänzend zu berücksichtigen hat ([X.] f.). Der Inhalt des [X.]usses wird aber weder in der [X.] noch im [X.]eil wiedergegeben. Ein Zweck des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ist, das Revisionsgericht in die Lage zu versetzen, allein anhand der Revisionsbegründung über die Schlüssig-keit einer Verfahrensrüge zu befinden ([X.] 112, 185, 212). Der [X.] muss daher die den Mangel enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau angeben, dass das Revisionsgericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. [X.] aaO 208 m. Nachw. zur [X.] Rspr. des [X.]). Die-sen Anforderungen wird die Revisionsbegründung hier nicht gerecht. Auch un-ter ergänzender Heranziehung der [X.]eilsgründe ist für den Senat nicht erkenn-bar, aufgrund welcher Tatsachen und welcher Erwägungen das [X.] von uneingeschränkter Verwertbarkeit der Beschuldigtenvernehmung [X.] i[X.] Dies wäre für ein im Wege der Abwägung zu beurteilendes [X.] relevant. Daher hätte die Revisionsbegründung den Be-schluss mit seinem wesentlichen Inhalt mitteilen müssen. 13 - 7 -3. Die Rüge wäre auch unbegründet. Zwar wurde die Belehrungspflicht nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 [X.] verletzt, indem der Angeklagte nicht "un-verzüglich" nach seiner Festnahme auf sein Recht auf konsularischen Beistand hingewiesen wurde. Insoweit war der Widerspruch in der Hauptverhandlung [X.] verspätet, da diese Pflichtverletzung erst nach dem gemäß § 257 StPO maßgeblichen Zeitpunkt geltend gemacht wurde. Die Zeugenvernehmungen des Dolmetschers und des kriminalpolizeilichen Sachbearbeiters erfolgten be-reits am 2. und 3. Verhandlungstag; die - den Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 [X.] erstmals beanstandende - Gegenvorstellung wurde erst am 8. Verhandlungstag erhoben. Daher kann dahinstehen, ob hier aus dem [X.] gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 [X.] ein Beweisverwertungsverbot zu folgern gewesen wäre. 14 a) Generell gilt, dass Angaben des Angeklagten, die im Ermittlungsver-fahren unter Verstoß gegen die Verfahrensgrundsätze des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO (Schweigerecht sowie Recht zur Verteidigerkonsultation) oder sonstige [X.] aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG erlangt wurden, gleichwohl verwertet werden können, wenn der (verteidigte) Angeklagte nicht bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt widersprochen hat ([X.]St 50, 272, 274; zur Wider-spruchslösung vgl. [X.]St 38, 214; 39, 349, 352; 42, 15, 22 f.; [X.] NJW 1997, 2893; NStZ 1997, 502; [X.] in Löwe/[X.], [X.]. [X.] Ab-schn. [X.]. 28 f.). Dies ist ebenso der Fall, wenn eine Belehrung über das Recht auf konsularischen Beistand gemäß Art. 36 [X.] nicht rechtzeitig erfolg-te; auch dieses Recht konkretisiert den Grundsatz des fairen Verfahrens (vgl. [X.] [Kammer] NJW 2007, 499, 501). Inwieweit anderes anzunehmen wäre, wenn die Belehrung nach Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 [X.] nicht nachgeholt worden wäre, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Denn insoweit könn-te die fehlende Belehrung dafür verantwortlich sein, dass der - nicht informier-15 - 8 -te - Herkunftsstaat außerstande ist, dem Angeklagten bei der Verteidigung [X.] zu sein, damit dieser den [X.] rechtzeitig rügen kann (vgl. [X.], [X.]. vom 27. Juni 2001 - Fall "[X.]" - Rdn. 90 f., ICJ-Reports 2001, 464 = [X.], 91, 92; [X.] aaO 503). 16 b) Der Widerspruch des verteidigten Angeklagten bedarf regelmäßig ei-ner Begründung, in der - zumindest in groben Zügen - anzugeben ist, unter wel-chem Gesichtspunkt der Angeklagte den zu erhebenden oder bereits erhobe-nen Beweis für unverwertbar hält. Die Begründung muss die Angriffsrichtung erkennen lassen, die den Prüfungsumfang durch das Tatgericht begrenzt (aus-drücklich offen gelassen in [X.] aaO 504; vgl. in diesem Sinne zur Angriffs-richtung einer Verfahrensrüge im Revisionsverfahren [X.] NStZ 2007, 161, 162; Cirener/[X.], 300 jew. m.w.[X.]). Hierfür spricht namentlich: Widerspricht der verteidigte Angeklagte etwa der Verwertung der Aussa-ge einer Vernehmungsperson über seine Angaben im Ermittlungsverfahren, weil er nicht über sein Aussageverweigerungsrecht belehrt worden sei, wird das Tatgericht keine Veranlassung haben, möglichen anderen Verfahrensfehlern im Einzelnen nachzugehen. Das Gericht wird dann beispielsweise nicht - von sich aus - den seinerzeit hinzugezogenen Dolmetscher dazu hören, inwieweit er sich mit dem Angeklagten verständigen konnte und ob er den von diesem gespro-chenen Dialekt hinreichend beherrscht; auch zu Ermittlungen und ([X.]) Beweiserhebungen im Zusammenhang mit der Belehrung über das Recht auf konsularischen Beistand - etwa dazu, ob der Angeklagte in einem früheren Verfahren schon einmal über dieses Recht unterrichtet worden war - ist das [X.] nicht gehalten. Müsste es alledem stets von Amts wegen nachgehen, wür-de dies auch dem verfassungsrechtlichen Gebot der straffen Durchführung der Hauptverhandlung zuwiderlaufen (vgl. nur [X.] NJW 2007, 2501, 2504 m.w.[X.]). Dagegen dient der befristet zu erhebende Widerspruch - bis zum 17 - 9 -durch § 257 StPO bestimmten Zeitpunkt - der gebotenen Verfahrensförderung, ohne dem verteidigten Angeklagten unzumutbare Anforderungen aufzuerlegen ([X.]St 42, 15, 23). 18 c) Der Widerspruch des Angeklagten vom 9. Oktober 2006 bezog sich auf eine Reihe vermeintlicher - tatsächlich nicht vorliegender oder jedenfalls im Ergebnis unbeachtlicher - Verfahrensfehler, nicht jedoch auf eine Gesetzesver-letzung im Zusammenhang mit dem Recht auf konsularischen Beistand. Inso-weit war der - erst mit der Gegenvorstellung erhobene weitere - Widerspruch verspätet im Sinne von § 257 StPO. Die verschiedenen Angriffsrichtungen des Widerspruchs vom 9. Oktober 2006 gehen aus dem Wortlaut des Verteidigerschriftsatzes eindeutig hervor. In diesen Punkten hat das Gericht den Widerspruch auch alsbald, am 11. Oktober 2006, verbeschieden. Dass es dem Angeklagten bei Erhebung dieses Wider-spruchs nicht um den Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 [X.] ging, er-gibt sich gerade daraus, dass er diese Angriffsrichtung deutlich später, am 29. November 2006, eigens mit einer Gegenvorstellung "nachgeschoben" hat. Dies geschah erst, als die an der gegenständlichen Beschuldigtenvernehmung betei-ligten Zeugen schon längst entlassen waren und die Verfahrensbeteiligten sich hierzu hatten erklären können (§ 257 Abs. 1 und 2 StPO). Eine frühere Gel-tendmachung des Verstoßes war dem Angeklagten auch zumutbar, zumal er bereits am Tag nach der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung über sein Recht auf konsularischen Beistand belehrt worden war. 19 d) Der Beschwerdeführer hat weder im Rahmen der Gegenvorstellung noch im Rahmen der Revision vorgetragen, dass er gehindert war, auch im Hinblick auf den Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 lit. b Satz 3 [X.] rechtzeitig [X.] zu erheben. Unbeschadet dessen wäre eine späte Kenntnisnahme 20 - 10 -des Angeklagten oder des Verteidigers von der grundlegenden Entscheidung des [X.] auch ohne Relevanz (in vergleichbarem Sinne [X.] NStZ 2005, 582; [X.], 373). II[X.] 21 Die sachlich-rechtliche Überprüfung des [X.]eils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch das Mordmerkmal der Heimtücke hat das [X.] zutreffend bejaht. [X.] im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB handelt, wer in [X.] Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Das Opfer muss gerade auf Grund seiner Arglosigkeit wehrlos sein, wobei für die Beurteilung die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs maßgebend ist ([X.] Rspr.; vgl. [X.] NStZ 2005, 688, 689; 2006, 502, 503; [X.]. vom 20. Juli 2004 - 1 [X.]; [X.]. vom 2. Februar 2005 - 1 StR 473/04). An dieser Ursächlichkeit der Arglosigkeit für die Wehrlosigkeit fehlt es, wenn sich das Opfer vom Täter verteidigungsunfähig machen ließ, be-vor dieser den Entschluss zu dem Angriff fasste (vgl. [X.]St 32, 382; [X.] in [X.]/[X.], StGB 27. Aufl. § 211 Rdn. 24a; [X.] in [X.] § 211 Rdn. 139). 22 2. Gemessen an diesen Maßstäben ist die Bewertung durch das [X.] frei von [X.]. 23 Freilich wäre das Mordmerkmal der Heimtücke nicht verwirklicht, wenn sich nach Beginn des mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs an der - so die Feststellungen des [X.]s: [X.] herbeigeführten - Lage von [X.]keine relevanten Änderungen mehr ergeben hätten. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte den [X.] 24 - 11 -fasste, waren die Verteidigungsmöglichkeiten seiner Ehefrau zwar infolge der einvernehmlichen Sexualpraktiken eingeschränkt. Die Hände waren auf ihrem Rücken gefesselt; sie lag bäuchlings auf dem Teppichboden. 25 Gleichwohl war D.
B. infolge Arglosigkeit wehrlos. Denn bei rechtzeitigem Erkennen des [X.]es wäre sie in dieser Situation zu wirksamerer Gegenwehr imstande gewesen, um den Anschlag auf ihr Leben wenigstens deutlich zu erschweren. Der Angeklagte musste noch ihren Slip aufheben und zerreißen, weiterhin ein zweites Lautsprecherkabel abreißen und mit beidem ihre Fußgelenke und Unterschenkel fesseln, bevor sie endgültig wi-derstandsunfähig war. Es liegt auf der Hand, dass [X.]

in dieser Zeit geeignete Verteidigungsmaßnahmen - Tritte gegen den Angeklagten oder [X.], aufzustehen und wegzulaufen - hätte ergreifen können. [X.] hypo-thetischer Erwägungen im [X.]eil bedarf es hier daher nicht. Da die Wehrlosig-keit von [X.] also mit der Fesselung der unteren Extremitäten noch weiter vertieft wurde, ist entscheidend, dass sie währenddessen von dem kurz zuvor gefassten [X.] nichts ahnte, die ihr drohende Gefahr viel-mehr erst während des anschließenden [X.] erkannte. In diesem Sinne hat das [X.] als Ursache für die Wehrlosigkeit nicht nur angesehen, "dass D.

B. die zunächst beiderseits rein sexuell motivierte Fesselung ihrer Handgelenke freiwillig – vornehmen" ließ, sondern vor allem auch, dass sie "die vor Anlegung der [X.] eingetretene Ände-rung der Motivlage des Angeklagten zu spät bemerkt(e) –, um effektiv interve-nieren zu können" ([X.]). Das [X.]eil stellt ausdrücklich heraus: "Das Anle-gen der [X.] stellte den ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriff des Angeklagten dar. [X.]war davon zu überrascht, um sich zu wehren" ([X.]). 26 - 12 -Die - weiteren - Ausführungen der Revision, die Arglosigkeit von [X.] könnte schon Tage vor der Tat allgemein "entfallen" gewesen sein, weil der Angeklagte ihr gegenüber geäußert habe, er werde sie töten, wenn sie schlechten Umgang habe und den gemeinsamen [X.] "da hineinziehe", und weil sie den Angeklagten seinerzeit - nicht ausschließbar - beleidigt habe, lie-gen angesichts der Feststellungen zur Tat neben der Sache. 27 [X.]Wahl Boetticher Kolz Elf

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1 StR 273/07

11.09.2007

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.09.2007, Az. 1 StR 273/07 (REWIS RS 2007, 2088)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 2088

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