Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.03.2009, Az. 1 StR 27/09

1. Strafsenat | REWIS RS 2009, 4736

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[X.] vom 4. März 2009 in der Strafsache gegen wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges u.a. - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 4. März 2009 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 1. August 2008 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tra-gen. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenent-scheidung im vorbezeichneten Urteil wird kostenpflichtig als unbe-gründet verworfen, weil diese Entscheidung der Sach- und Rechts-lage entspricht. Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Die Verfahrensrüge gemäß § 338 Nr. 3 StPO betreffend das [X.] des Angeklagten vom 23. Oktober 2007 ist bereits unzulässig, wie der [X.] in seiner Antragsschrift vom 30. Januar 2009 zu-treffend ausgeführt hat. Sie entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO an eine zulässige Verfahrensrüge. Macht der Beschwerde-führer eine Verletzung des Verfahrensrechts geltend, hat er nach dieser Vor-schrift die den behaupteten Verfahrensmangel begründenden Tatsachen so umfassend in der [X.] mitzuteilen, dass dem Revisi-onsgericht ohne Rückgriff auf die Sitzungsniederschrift oder sonstige Aktenteile die Beurteilung, ob ein Verfahrensverstoß vorliegt, ermöglicht wird (st. Rspr.; - 3 - vgl. nur BGHSt 3, 213, 214). Daran fehlt es hier. Der Beschwerdeführer hat die Erwiderung seines Verteidigers, Rechtsanwalt [X.], vom 24. Oktober 2007 auf die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden [X.] der [X.] nicht mitgeteilt. Darin setzt sich der Verteidiger inhaltlich mit der dienstlichen Stellungnahme auseinander. Auf diese Erwiderung verweist auch der Gerichts-beschluss der [X.] vom 25. Oktober 2007, mit dem das [X.] des Angeklagten gegen [X.] als unbegründet zurückgewiesen worden ist ([X.]. 1415). Die Befangenheitsrüge wäre zudem auch unbegründet, weil der [X.] nach der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden [X.] zum [X.] des Angeklagten vom 23. Oktober 2007 bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts keinen Grund zu der Annahme mehr hatte, [X.] nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine Unparteilichkeit störend beeinflussen könnte. Der Umstand, dass [X.] der [X.] mit dem [X.] des Mitangeklagten [X.]außerhalb der Hauptverhandlung Gespräche ohne Beteiligung der übrigen Verfahrensbeteiligten geführt hat, war für sich [X.] - mag er im Hinblick auf die widerstreitenden Interessen bei mehreren [X.] auch bedenklich erscheinen - nicht ohne weiteres geeignet, die Be-fangenheit des [X.] im Sinne des § 24 Abs. 2 StPO zu begründen. Denn [X.] ist es nicht verwehrt, zum Zwecke der Förderung des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten Kontakt aufzunehmen (vgl. [X.], 229 m.w.N.). Dabei hat er stets die gebotene Zurückhaltung zu wahren, um jeden Anschein der Parteilichkeit zu vermeiden ([X.], 36, 37). Ob ein Ver-fahrensbeteiligter aus der Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger eines Ange-klagten eine Besorgnis der Befangenheit ableiten kann, hängt von den [X.] - den des Einzelfalls ab, u.a. davon, ob er Grund zu der Annahme hat, ein [X.] Gespräch könne sich zu seinen Ungunsten auswirken (BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 1; [X.], 229). Vor der Klarstellung des Sachverhalts durch die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden [X.] bestanden hier im Hinblick auf die Äußerung des abgelehnten [X.] gegenüber dem früheren Mitangeklagten [X.], er —mö-ge sich überlegen, was er nun wolle - die Bewährung sei noch keineswegs si-cherfi, besondere Umstände, die ein Misstrauen in die Unparteilichkeit des [X.] [X.] rechtfertigen konnten. Denn ohne Kenntnis der auf einer Anregung der Staatsanwaltschaft beruhenden Vorgespräche über eine verfah-rensbeendende Absprache konnte bei dem Angeklagten der Eindruck [X.], [X.] der [X.] habe sich bereits ein abschlie-ßendes Urteil gebildet und wirke nun auf den Mitangeklagten [X.] ein, durch ein Geständnis sowohl sich als auch den Angeklagten zu belasten. An diesen Vorgesprächen waren der Angeklagte und sein Verteidiger weder beteiligt ge-wesen, noch wurden sie später hierüber informiert. Den durch die geschilderte Äußerung entstandenen Eindruck einer mögli-chen Voreingenommenheit hat [X.] in seiner dienstlichen Stellungnahme ausgeräumt, so dass der Angeklagte bei verständiger Würdi-gung des Sachverhalts keinen Grund zu der Annahme mehr hatte, dass [X.] ihm gegenüber eine innere Haltung einnimmt, die seine Un-parteilichkeit störend beeinflussen kann. In dieser Stellungnahme hat der [X.] mitgeteilt, dass es lediglich unverbindliche und unbestimmte Vorgespräche zwischen dem Verteidiger des Mitangeklagten [X.] und ihm gegeben habe, nachdem die Staatsanwaltschaft signalisiert habe, —dass bei einem frühzeitigen Geständnis eine Bewährungsstrafe um die zwei Jahre [X.] 5 - stellbar wärefi. Über die Einzelheiten des [X.] oder den konkreten [X.] eines Geständnisses sei noch nicht gesprochen worden, weil der Mitan-geklagte [X.] sich noch überlegen wollte, ob eine solche Lösung für ihn in Betracht käme. Von einer Belastung des Angeklagten in einem eventuellen Geständnis sei —nicht im Ansatz die Redefi gewesen. Da eine definitive Absage nicht erfolgt sei und er auch das Schweigen des Mitangeklagten [X.]zu Be-ginn der Hauptverhandlung nicht als endgültige Absage für eine —[X.] angesehen habe, habe er das zufällige Zusammentreffen mit dem Verteidiger des Mitangeklagten B.

in einer kurzen Verhandlungspau-se dazu genutzt, um ihn in Kurzform an die Bedingung der Staatsanwaltschaft - ein frühzeitiges Geständnis - zu erinnern. Vor dem Hintergrund dieser Vorgespräche und der Versicherung des [X.] [X.], er hätte selbstverständlich die anderen Angeklagten unter-richtet und ihre Verteidiger zugezogen, wenn die Gespräche konkret geworden wären, hatte der Angeklagte keinen gerechtfertigten Anlass zu einem Misstrau-en in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden [X.] mehr. Anhaltspunkte, etwa aus dem sonstigen Verhalten des abgelehnten [X.] während des Verfah-rens, dass diese Versicherung nicht der inneren Haltung des [X.] [X.], sind nicht gegeben. Gleichwohl wäre es zur Vermeidung verfahrens-rechtlicher Probleme, die aus informellen Kontakten entstehen können, wie hier deutlich zu Tage getreten ist, besser gewesen, von Anfang an die Gespräche in Anwesenheit sämtlicher Verfahrensbeteiligter zu führen oder die Abwesenden jeweils bald danach aus eigener Initiative zu informieren (vgl. [X.], 229). Das Vorliegen erkennbar widerstreitender Interessen bei mehreren [X.] verpflichtet das Gericht zu besonderer Rücksichtnahme auf deren Verteidigungsinteressen (vgl. BGHSt 37, 99, 103/104). Es kann daher im Ein-zelfall erheblichen rechtlichen Bedenken begegnen, wenn das Gericht auf [X.] Versuch verzichtet, einen Angeklagten über informelle Gespräche mit [X.] oder deren Verteidigern zu informieren. 2. Die Fassung der 223 Seiten umfassenden Urteilsgründe geben dem Senat zudem Anlass zu folgendem Hinweis: Die schriftlichen Urteilsgründe dienen dazu, das Ergebnis der [X.] wiederzugeben und die rechtliche Nachprüfung der getroffenen Ent-scheidung zu ermöglichen. Es ist dabei Aufgabe des [X.], Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden und die Begründung seiner Entschei-dung so zu fassen, dass der Leser die wesentlichen, die Entscheidung tragen-den Feststellungen und rechtlichen Erwägungen ohne aufwändige eigene Be-mühungen erkennen kann. Das Abfassen unangemessen breiter Urteilsgründe ist weder durch § 267 StPO noch sachlich-rechtlich geboten, da es, unabhängig von der vermeidbaren Bindung personeller Ressourcen beim Tatgericht, dazu geeignet sein kann, den Blick auf das Wesentliche zu verstellen und damit den Bestand des Urteils zu gefährden (vgl. [X.], 720; NStZ-RR 1998, 277 m.w.N.). [X.]Wahl Elf Jäger [X.]

Meta

1 StR 27/09

04.03.2009

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.03.2009, Az. 1 StR 27/09 (REWIS RS 2009, 4736)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 4736

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