Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.06.2011, Az. XII ZR 17/09

12. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5952

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Gegenstand

Nachehelicher Unterhalt: Abänderung eines Unterhaltstitels wegen Unzumutbarkeit nach der Übergangsregelung der Unterhaltsrechtsänderung; Feststellung ehebedingter Nachteile in der Altersvorsorge


Leitsatz

1. Die Anwendung des § 36 Nr. 1 EGZPO und des darin enthaltenen Zumutbarkeitskriteriums ist auf die Fälle beschränkt, in denen sich der Abänderungsgrund aus dem Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007 ergibt (im Anschluss an Senatsurteile BGH, 18. November 2009, XII ZR 65/09, BGHZ 183, 197 = FamRZ 2010, 111; BGH, 26. Mai 2010, XII ZR 143/08, BGHZ 186, 1 = FamRZ 2010, 1238 und vom 27. Januar 2010, XII ZR 100/08, FamRZ 2010, 538).

2. Zur Feststellung ehebedingter Nachteile in der Altersvorsorge, wenn der Versorgungsausgleich nur einen Teil der Ehezeit erfasst (im Anschluss an Senatsurteile vom 4. August 2010, XII ZR 7/09, FamRZ 2010, 1633 und vom 2. März 2011, XII ZR 44/09, FamRZ 2011, 713) .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 7. Zivilsenats und [X.] des [X.] vom 17. Dezember 2008 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Abänderung eines Urteils über nachehelichen Unterhalt. Sie heirateten im Januar 1968 im Alter von 24 (Kläger) und 19 Jahren (Beklagte). Aus der Ehe ging eine im Mai 1968 geborene Tochter hervor. Im August 1994 zog die Beklagte aus der gemeinsamen Wohnung aus. Auf den im September 1995 zugestellten Scheidungsantrag wurde die Ehe, rechtskräftig seit Oktober 1997, geschieden.

2

Der Kläger heiratete 1999 erneut. Die Beklagte ist seit 1994 mit [X.] befreundet, mit dem sie ein intimes Verhältnis unterhält.

3

Im Hinblick auf den vom Kläger, der aus einer vermögenden Familie stammt, erwarteten Vermögenszufluss von mehreren Millionen Mark übertrug der Kläger der [X.] ein Einfamilienhausgrundstück in [X.]     im Wert von mindestens 650.000 DM. Anschließend vereinbarten die Parteien Gütertrennung. Darüber hinaus erhielt die Beklagte aus der Teilungsversteigerung einer gemeinsamen Eigentumswohnung im Jahr 2000 rund 95.000 DM. Nachdem dem Kläger aus dem elterlichen Vermögen Anfang der 1980iger Jahre ein erhebliches Vermögen zugeflossen war, widmete er sich ausschließlich der Verwaltung seines Vermögens und bestritt den Unterhalt der Familie aus Vermögenseinkünften.

4

Die Beklagte hatte vor der Eheschließung eine Lehre als Hotelfachfrau abgeschlossen und anschließend als Büroangestellte bei einem Versicherungsunternehmen gearbeitet. Nach der Geburt der Tochter unterbrach sie ihre Erwerbstätigkeit für dreieinhalb Jahre und arbeitete anschließend mit Unterbrechungen halbtags bei verschiedenen Arbeitgebern. Ab 1983 unterstützte sie den Kläger im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung bei der Vermögensverwaltung und widmete sich im Übrigen der Haushaltsführung und Betreuung des gemeinsamen Kindes.

5

Aufgrund der eingeschränkten Erwerbstätigkeit des [X.] während der Ehe wurden der Beklagten im Versorgungsausgleich lediglich Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 107,18 DM übertragen. Der nacheheliche Unterhalt wurde zuletzt durch Urteil des Berufungsgerichts vom 6. November 2000 auf monatlich 1.990 DM Elementarunterhalt (Aufstockungsunterhalt) und 487 DM Vorsorgeunterhalt festgesetzt.

6

Der Kläger begehrt mit seiner Abänderungsklage den Wegfall des Unterhalts ab Mai 2008 und stützt sein Begehren auf die geänderte Rechtsprechung des [X.] zum Aufstockungsunterhalt sowie die seit 1. Januar 2008 geänderte Rechtslage. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat Erfolg.

I.

8

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die [X.] auch unter Berücksichtigung der Erziehung der gemeinsamen Tochter, der Gestaltung der Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie der Dauer der Ehe keine ehebedingten Nachteile erlitten habe und deshalb eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung der Billigkeit entsprechen würde. Dennoch könne dem Begehren des [X.] nicht stattgegeben werden, da im vorliegenden Fall, in dem es um die Abänderung eines rechtskräftigen Titels gehe, zusätzlich zu prüfen sei, ob der [X.]n eine solche Änderung unter Berücksichtigung ihres Vertrauens zumutbar sei (§ 36 Nr. 1 EGZPO). Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Zumutbarkeit zu verneinen.

9

Fraglich sei, ob die Umstände, auf die der Kläger sich berufe, erst durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21. Dezember 2007 erheblich geworden seien oder, weil es sich um Aufstockungsunterhalt handele, bereits durch die Entscheidung des [X.] vom 12. April 2006 ([X.], 1006). Diese Frage sei aber dahin zu beantworten, dass § 36 Nr. 1 EGZPO auch im vorliegenden Fall anzuwenden sei. Gerade in den Fällen, bei denen die Abänderung eines Titels über Aufstockungsunterhalt mit dem Fehlen von ehebedingten Nachteilen begründet werde, sei, da es insoweit zu gravierenden Beschneidungen bestehender Unterhaltsansprüche kommen könne, von einem gesteigerten Schutzbedürfnis des Unterhaltsberechtigten auszugehen. Außerdem sei in der Begründung des Gesetzentwurfs beispielhaft als Umstand die Dauer der Ehe genannt. Das lasse den Schluss zu, dass auch bei Abänderung von Titeln über Aufstockungsunterhalt, obwohl insoweit die Änderung der Gewichtung des Kriteriums der Ehedauer bereits durch die Entscheidung des [X.] vom 12. April 2006 eingetreten sei, eine Zumutbarkeitsprüfung stattfinden solle.

An der Zumutbarkeit der Abänderung fehle es auch unter Berücksichtigung dessen, dass der [X.]n - wie das Berufungsgericht unterstelle - ehebedingte Nachteile nicht entstanden seien. Für den Vertrauensschutz spreche vor allem die lange Dauer der bestehenden Unterhaltsregelung. Der Kläger habe, nachdem er bereits zwei Jahre Trennungsunterhalt geleistet habe, seit 1. November 1997 bis heute an die [X.] ununterbrochen Unterhalt gezahlt, und zwar in Höhe von insgesamt 4.070 DM ab 1. November 1997, von insgesamt 3.000 DM ab 1. Oktober 1999 und von insgesamt 2.477 DM ab 1. November 2000. Eine Abänderung sei nach Erlass des letzten Urteils bereits siebeneinhalb Jahre nicht mehr geltend gemacht worden. Bei dieser Situation habe die [X.] sich darauf einrichten können, dass sie auch weiterhin Unterhaltszahlungen seitens des [X.], dem diese aufgrund seiner sehr guten Vermögensverhältnisse in finanzieller Hinsicht nicht schwerfielen, erhalten werde. Auch die lange Ehedauer spreche für einen Vertrauensschutz. Die Parteien seien beinahe 28 Jahre verheiratet gewesen. Spätestens seit Anfang der 1980iger Jahre hätten sie einen gehobenen Lebensstil gepflegt. Nach nunmehr beinahe 41 Jahren sei der [X.]n nicht mehr zumutbar, eine Begrenzung des Unterhalts hinzunehmen zu einem [X.]punkt, in dem sie beinahe 60 Jahre alt sei und durch Fortbildung oder andere Maßnahmen nicht mehr in der Lage sei, für höhere eigene Einkünfte zu sorgen.

Weiter sprächen die nur geringen im Versorgungsausgleich übertragenen Anwartschaften gegen die Zumutbarkeit der Befristung. Die Rechtsprechung des [X.], dass nicht allein auf die Überlegung abgestellt werden könne, durch den [X.] entfalle der Einsatzzeitpunkt für den späteren Anspruch auf Altersunterhalt, stehe dem nicht entgegen. Denn diese Rechtsprechung beziehe sich nur auf § 1578 b BGB, nicht auf § 36 Nr. 1 EGZPO. Außerdem sei hier eine Ausnahme von dieser Regel gerechtfertigt, weil die [X.] im Einvernehmen mit dem Kläger auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet habe und der Kläger ab 1980 nicht mehr erwerbstätig gewesen sei und somit keine Anwartschaften mehr erworben habe, die hätten übertragen werden können. Während der Kläger seinen eigenen Altersbedarf aus Vermögenseinkünften decken könne, sei bei der [X.]n nur der Wohnbedarf und ein geringer Teil der restlichen Bedarfe durch Kapitaleinkünfte gedeckt.

Bei Beurteilung der Zumutbarkeit komme ein Rückgriff auf die Kriterien des § 1579 BGB in Betracht. Der Behauptung des [X.], die [X.] sei aus der Ehe ausgebrochen und eine verfestigte Lebensgemeinschaft eingegangen, komme keine entscheidende Bedeutung zu, weil eine Begrenzung der Unterhaltsansprüche gemäß § 1579 BGB bereits in den [X.] rechtskräftig abgelehnt worden sei und die [X.] insoweit darauf habe vertrauen dürfen, dass diese Argumente bei der Bemessung ihres nachehelichen Unterhaltsanspruchs keine Rolle mehr spielten. Soweit nunmehr behauptet werde, dass die Lebensgemeinschaft der [X.]n mit [X.] sich inzwischen zu einer verfestigten Lebensgemeinschaft entwickelt habe, führe dies zu keiner anderen Beurteilung. Da die Partner getrennte Wohnsitze unterhielten, genüge es nicht, dass sie sich überwiegend im Haus eines Partners aufhielten, die Freizeit gemeinsam verbrächten und sich die Anfangsbuchstaben der Vornamen beider Partner im amtlichen Kennzeichen ihrer Pkw befänden. Ein gemeinsames Haushalten, ein [X.] und [X.] wie in der Ehe ergebe sich daraus nicht. Selbst wenn man dies anders beurteilen wollte, würde dies nicht zu einem anderen Ergebnis führen, weil dieses Vorbringen des [X.] wegen grober Nachlässigkeit gemäß § 621 d ZPO als verspätet zurückgewiesen worden wäre.

Das Vermögen, das die [X.] durch Zuwendungen des [X.] während der Ehe erhalten habe, sei kein hinreichender Grund für die Bejahung des Zumutbarkeitserfordernisses in § 36 Nr. 1 EGZPO, denn dieser Umstand sei bei der Bemessung des Unterhalts bereits hinreichend berücksichtigt. Die Frage, ob die [X.] das Vermögen zur Deckung ihres Unterhalts verwerten müsse, sei nicht problematisiert worden und stelle sich auch im Hinblick auf die statistisch noch hohe Lebenserwartung der [X.]n von ca. 25 Jahren nicht.

II.

Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die im vorliegenden Verfahren vom Kläger begehrte Abänderung richtet sich gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 [X.] noch nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Verfahrensrecht ([X.]sbeschluss vom 3. November 2010 - [X.] 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 9 f. mwN) und ist mithin nach § 323 ZPO aF zu beurteilen (vgl. [X.] in [X.]/[X.] ZPO 32. Aufl. § 323 Rn. 1).

1. Die Abänderungsklage ist zulässig. Der Kläger hat sich mit der Änderung der Rechtsprechung des [X.]s zur Herabsetzung und Befristung des Aufstockungsunterhalts auf eine wesentliche Änderung der dem abzuändernden Urteil vom 6. November 2000 zugrunde liegenden rechtlichen Verhältnisse berufen, was für die Zulässigkeit der Klage ausreicht (vgl. [X.]surteil vom 29. September 2010 - [X.]/08 - [X.], 1884 Rn. 11 f.).

2. Die Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung über den Unterhalt setzt nach § 323 Abs. 1 ZPO aF voraus, dass sich die für die Bestimmung der Höhe und Dauer der Leistungen maßgebenden Verhältnisse wesentlich geändert haben. Dabei ist zu beachten, dass die Grundlagen der Ausgangsentscheidung im Abänderungsverfahren zu wahren sind und eine Fehlerkorrektur wegen der Rechtskraft des Ausgangsurteils nicht zulässig ist ([X.]surteile vom 12. Mai 2010 - [X.]/08 - [X.], 1150 Rn. 19 mwN, vom 2. Juni 2010 - [X.]/08 - [X.], 1318 Rn. 38 und vom 29. September 2010 - [X.]/08 - [X.], 1884 Rn. 15).

Die Abänderung wegen wesentlicher Änderung der rechtlichen Verhältnisse kann sowohl auf eine Gesetzesänderung als auch auf eine Änderung der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung gestützt werden, was nunmehr in § 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 323 Abs. 1 Satz 2 ZPO nF klargestellt worden ist (vgl. [X.]surteil vom 29. September 2010 - [X.]/08 - [X.], 1884 Rn. 16 mwN). Im Fall des Aufstockungsunterhalts ist zudem anerkannt, dass eine Abänderung auf die durch das [X.]surteil vom 12. April 2006 ([X.]/03 - [X.], 1006) geänderte [X.]srechtsprechung zur Bedeutung der Ehedauer im Rahmen der Befristung und Herabsetzung des Unterhalts gestützt werden kann und dies unabhängig davon gilt, ob aus der Ehe - wie hier - Kinder hervorgegangen sind oder nicht ([X.]surteil vom 29. September 2010 - [X.]/08 - [X.], 1884 Rn. 16 mwN).

Dementsprechend ist im vorliegenden Fall - neben weiteren Fragen - zu überprüfen, ob nach der geänderten Rechtsprechung eine Befristung oder Herabsetzung des Unterhalts nach § 1578 b BGB begründet ist. Diese Prüfung hat das Berufungsgericht unterlassen. Seine Auffassung, auf die Anwendung des § 1578 b BGB komme es nicht an, weil eine Abänderung jedenfalls nach § 36 Nr. 1 EGZPO scheitere, weil sie der [X.]n nicht zumutbar sei, trifft nicht zu.

3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist § 36 Nr. 1 EGZPO nicht anwendbar.

Nach § 36 Nr. 1 EGZPO sind bei vor dem 1. Januar 2008 erlassenen rechtskräftigen Entscheidungen Umstände, die vor diesem Tag entstanden und durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21. Dezember 2007 erheblich geworden sind, nur zu berücksichtigen, soweit eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt und die Änderung dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar ist. Voraussetzung ist demnach, dass die für die Abänderung angeführten Umstände erst durch das [X.] vom 21. Dezember 2007 erheblich geworden sind. Das ist hier nicht der Fall. Denn das abzuändernde Urteil verhält sich, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, über Aufstockungsunterhalt. Dieser ließ indessen schon vor dem 1. Januar 2008 unter denselben Voraussetzungen sowohl eine Befristung (§ 1573 Abs. 5 BGB aF) als auch eine Herabsetzung (§ 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF) zu.

Dementsprechend hat der [X.] - nach Erlass des Berufungsurteils - entschieden, dass § 36 Nr. 1 EGZPO nur auf die Abänderung solcher Unterhaltstitel und -vereinbarungen anwendbar ist, deren Grundlagen sich durch das [X.] vom 21. Dezember 2007 geändert haben. Bei der Abänderung eines vor dem 1. Januar 2008 erlassenen Urteils oder einer zuvor geschlossenen Vereinbarung zum Aufstockungsunterhalt ist das nicht der Fall ([X.]surteile [X.], 197 = [X.], 111 Rn. 16, 62 f.; [X.], 1 = [X.], 1238 Rn. 41 und vom 27. Januar 2010 - [X.]/08 - [X.], 538 Rn. 22).

Für eine entsprechende Anwendung des § 36 Nr. 1 EGZPO besteht kein Raum. Vielmehr kann das [X.] nicht anders beurteilt werden, als wenn das Abänderungsverfahren schon vor dem 1. Januar 2008 durchgeführt worden wäre. Die Überlegung des Berufungsgerichts, dass es in Fällen fehlender [X.] Nachteile zu gravierenden Beschneidungen bestehender Unterhaltsansprüche kommen könne, beschreibt die Folgen der im Jahr 2006 geänderten [X.]srechtsprechung, begründet aber weder eine Gesetzeslücke noch kann sie als Leitmotiv des Gesetzgebers auch für solche Fälle gelten, die vom [X.] vom 21. Dezember 2007 nicht betroffen sind. Das vom Berufungsgericht angeführte Schutzbedürfnis auf Seiten des Unterhaltsberechtigten ist schließlich im Rahmen der nach § 1578 b BGB anzustellenden Billigkeitsabwägung angemessen zu berücksichtigen, in die auch ein berechtigtes Vertrauen des Unterhaltsberechtigten in die - [X.] - Weiterzahlung des Unterhalts Eingang findet.

Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben.

III.

Da das Berufungsgericht die gebotene Prüfung der Herabsetzung oder Befristung des Unterhalts gemäß § 1578 b BGB unterlassen hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, schon weil die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht widerspruchsfrei sind. Für die Herabsetzung und Befristung des Unterhalts nach § 1578 b BGB ist nach ständiger [X.]srechtsprechung zunächst zu prüfen, ob auf Seiten des Unterhaltsberechtigten ehebedingte Nachteile eingetreten sind (vgl. [X.]surteil vom 17. Februar 2010 - [X.]/08 - [X.], 629 Rn. 23 mwN). Das Berufungsgericht ist hierzu in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils davon ausgegangen, dass der [X.]n keine ehebedingten Nachteile entstanden seien und deshalb eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung der Billigkeit entsprechen würde. An anderer Stelle des Berufungsurteils ist jedoch lediglich unterstellt, dass der [X.]n keine ehebedingten Nachteile entstanden seien. Schließlich hat das Berufungsgericht wiederum, wie sich aus der weiteren Begründung ergibt, wegen der geringen übertragenen Rentenanwartschaften einen ehebedingten Nachteil der [X.]n sogar ausdrücklich festgestellt. Da sich insoweit aus dem Berufungsurteil eindeutige Feststellungen nicht ergeben, fehlt es an der für eine Sachentscheidung erforderlichen tatsächlichen Grundlage.

Da es zudem an einer auf § 1578 b BGB bezogenen Ausübung des tatrichterlichen Ermessens - auch im Hinblick auf eine Herabsetzung des Unterhalts - fehlt, ist dem [X.] eine abschließende Sachentscheidung verwehrt.

IV.

Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:

1. a) Das Berufungsgericht hat bislang keine ausreichenden Feststellungen zum Fehlen [X.] Nachteile im Sinne von § 1578 b Abs. 1 BGB getroffen, welchen nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s ([X.]surteil vom 17. Februar 2010 - [X.]/08 - [X.], 629 Rn. 23 mwN) vorrangige Bedeutung zukommt.

aa) Im Hinblick auf die aufgrund der Rollenverteilung während des ehelichen Zusammenlebens entstandenen Nachteile in der Altersvorsorge ist der Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge nach ständiger [X.]srechtsprechung vornehmlich Aufgabe des Versorgungsausgleichs, durch den die Interessen des Unterhaltsberechtigten regelmäßig ausreichend gewahrt werden ([X.]surteile vom 16. April 2008 - [X.]/06 - [X.], 1325 und vom 25. Juni 2008 - [X.]/07 - [X.], 1508).

Ob hier eine Ausnahme angezeigt ist, die der [X.] in mehreren Fallgestaltungen zugelassen hat, lässt sich aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend beurteilen. Der [X.] hat eine Ausnahme dann angenommen, wenn die vom Unterhaltsberechtigten aufgrund der ehelichen Rollenverteilung erlittene Einbuße bei seiner Altersvorsorge durch den Versorgungsausgleich nicht vollständig erfasst wird, weil der Unterhaltspflichtige nur für einen geringen Teil der Ehezeit Rentenanwartschaften erworben hat ([X.]surteil vom 4. August 2010 - [X.] - [X.], 1633 Rn. 25). Eine weitere Ausnahme gilt für den Fall, dass der Berechtigte allein aufgrund des Versorgungsausgleichs noch nicht die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung erfüllte, während dies ohne die Berufspause der Fall gewesen wäre ([X.]surteil vom 2. März 2011 - [X.]/09 - FamRZ 2011, 713 Rn. 20).

Im vorliegenden Fall kommt die erstgenannte Ausnahme in Betracht. Hierzu hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger seit 1980 bis zum Ende der Ehezeit keine Rentenanwartschaften mehr erworben habe, was einen vom Versorgungsausgleich nicht erfassten ehebedingten Nachteil nahelegt. Ob der [X.]n im Ergebnis ein [X.] Nachteil verblieben ist, ist demnach unter Berücksichtigung der ihr seit 1980 durch die eheliche Rollenverteilung entgangenen eigenen Rentenanwartschaften zu beurteilen. Dass ein - unterstellter - Nachteil die [X.] derzeit noch nicht belastet, sondern sich erst auswirken wird, wenn die [X.] zum Bezug einer Rente berechtigt sein wird, steht einer Berücksichtigung im Rahmen von § 1578 b BGB nicht entgegen. Dies steht im Einklang mit der [X.]srechtsprechung, dass es nicht zulässig ist, von einer Unterhaltsbefristung nur deswegen abzusehen, um den Einsatzzeitpunkt für den Altersunterhalt zu wahren ([X.]surteil vom 25. Juni 2008 - [X.]/07 - [X.], 1508). Denn im vorliegenden Fall greift der Versorgungsausgleich als das speziellere Ausgleichsinstrument nicht - vollständig - ein.

bb) Ob ehebedingte Nachteile entstanden sind, ist zu ermitteln, indem die Lage, wie sie sich ohne Eheschließung und die gewählte Rollenverteilung ergeben hätte, und die tatsächlich bestehende Lage gegenüber gestellt werden. Dabei können zunächst entstandene Nachteile durch andere mit der Ehe verbundene Vorteile - auch nach der Ehescheidung - kompensiert worden sein. Im vorliegenden Fall sind im Hinblick auf einen in der [X.] seit 1980 entstandenen Nachteil in der Altersvorsorge der [X.]n insbesondere die Vermögenszuwendungen des [X.] an die [X.] und der vom Kläger geleistete Altersvorsorgeunterhalt zu berücksichtigen.

Außerdem ist der ehebedingte Nachteil in der Altersvorsorge durch die Höhe der bei (gedachter) unverändert fortgesetzter Erwerbstätigkeit des [X.] im Wege des Versorgungsausgleichs zusätzlich übertragenen Rentenanwartschaften begrenzt. Das folgt daraus, dass der Unterhaltsberechtigte im Ausnahmefall des nicht vollständig eingreifenden Versorgungsausgleichs nicht besser stehen darf als im Regelfall des Versorgungsausgleichs, der die ehebedingten Versorgungsnachteile nicht notwendig vollständig kompensiert, sondern entstandene Nachteile gleichmäßig auf beide Ehegatten verteilt.

b) Die bei der Befristung und Herabsetzung des Unterhalts anzustellende Billigkeitsabwägung beschränkt sich allerdings nicht auf den Ausgleich [X.] Nachteile, sondern hat darüber hinaus die vom Gesetz geforderte nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen. Das gilt nicht nur für die Unterhaltstatbestände, die - wie der Alters- oder Krankheitsunterhalt nach §§ 1571, 1572 BGB - bereits ihre Begründung in der nachehelichen Solidarität finden, sondern auch für den Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB.

Als Aspekte kommen im vorliegenden Fall die lange Dauer der Ehe und die guten Vermögensverhältnisse des [X.] in Betracht. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen für sich genommen aber noch keine lebenslange Lebensstandardgarantie, wie sie sich als Konsequenz des Berufungsurteils in der Sache ergeben hätte. Vielmehr ist auch die zunehmende Entflechtung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der geschiedenen Ehegatten zu beachten, die um so gewichtiger wird, je weiter die Scheidung zurückliegt, und dementsprechend das Maß der geschuldeten nachehelichen Solidarität begrenzt. Die zunehmende Distanz zu den ehelichen Lebensverhältnissen wird im vorliegenden Fall auch dadurch verdeutlicht, dass die [X.] schon seit vielen Jahren ein intimes Verhältnis zu [X.] unterhält, sodass eine weitere Gewährleistung des unveränderten Lebensstandards durch den geschiedenen Ehegatten ungeachtet dessen guter Vermögensverhältnisse nicht mehr ohne weiteres der Billigkeit entspricht.

Die vom Berufungsgericht herangezogene Dauer der Unterhaltsleistungen dürfte hingegen für eine Fortdauer des Unterhalts nicht angeführt werden können. Allerdings kann sich unter Umständen aus der Fortzahlung des Unterhalts ein Vertrauenstatbestand für den Unterhaltsberechtigten insoweit ergeben, als er im berechtigten Vertrauen darauf Dispositionen getroffen hat, die rückgängig zu machen ihm nicht oder nicht sogleich möglich oder zumutbar ist. So kann etwa die vom Unterhaltspflichtigen hingenommene eingeschränkte Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten einen Vertrauenstatbestand bilden, der gegen eine Begrenzung des Unterhalts angeführt werden kann (vgl. [X.]surteil vom 10. November 2010 - [X.]/08 - FamRZ 2011, 192 Rn. 37). Vergleichbare Dispositionen der [X.]n aufgrund berechtigten Vertrauens hat das Berufungsgericht hier indessen nicht festgestellt. Vielmehr ist der [X.]n bereits in dem abzuändernden Urteil wegen der Verletzung ihrer Erwerbsobliegenheit für die [X.] ab Oktober 1999 ein fiktives Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit zugerechnet worden. Damit hat der vom Kläger geleistete Unterhalt in der Vergangenheit nicht nur den ehelichen Lebensstandard aufrechterhalten, sondern zum Teil auch die sich aus der nicht ausreichenden Erwerbstätigkeit der [X.]n ergebende [X.] geschlossen, was eher für als gegen eine Begrenzung des Unterhalts spricht (vgl. auch [X.]surteil vom 30. März 2011 - [X.]/09 - FamRZ 2011, 875 Rn. 22 mwN).

c) Demnach wird das Berufungsgericht vor allem zu überprüfen haben, ob der [X.]n ehebedingte Nachteile entstanden und auch nicht durch Zuwendungen und ([X.] kompensiert worden sind. Dabei ist eine zweckentsprechende Verwendung des Vorsorgeunterhalts zu unterstellen. Sollten ehebedingte Nachteile fortbestehen, so wäre eine Herabsetzung auf den angemessenen Unterhalt zu überprüfen (vgl. [X.]surteil vom 20. Oktober 2010 - [X.]/09 - [X.], 2059 Rn. 23). Sollten keine ehebedingten Nachteile bestehen und der Aufstockungsunterhalt folglich allein auf nachehelicher Solidarität beruhen, dürfte jedenfalls ein dauerhafter unverminderter Unterhaltsanspruch auch in Anbetracht der Ehedauer und der guten Vermögensverhältnisse des [X.] der Billigkeit widersprechen.

2. Zudem haben die Parteien durch die Zurückverweisung Gelegenheit, zu der vom Kläger eingewandten Verwirkung wegen verfestigter Lebensgemeinschaft nach § 1579 Nr. 2 BGB ergänzend vorzutragen und Beweis anzubieten. Der [X.] weist darauf hin, dass eine verfestigte Lebensgemeinschaft nicht zwingend voraussetzt, dass die Partner einen gemeinsamen Haushalt unterhalten (vgl. etwa [X.]surteile vom 28. Januar 2004 - [X.]/01 - FamRZ 2004, 614, 616 und vom 24. Oktober 2001 - [X.] – [X.], 23, 25). Unstreitig unterhielt die [X.] die intime Beziehung mit [X.] zum [X.]punkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht bereits seit vierzehn Jahren.

[X.]     

        

     Weber-Monecke     

        

Klinkhammer

        

RiBGH Dr. Günter ist
urlaubsbedingt verhindert
zu unterschreiben.

        

[X.]     

        
        

[X.] 

                          

Meta

XII ZR 17/09

08.06.2011

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Nürnberg, 17. Dezember 2008, Az: 7 UF 1230/08, Urteil

§ 1573 Abs 2 BGB, § 1578b BGB, § 36 Nr 1 ZPOEG, URechtÄndG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.06.2011, Az. XII ZR 17/09 (REWIS RS 2011, 5952)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5952

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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